Dr. Heiko Janssen
Leiter Sachgebiet Tierhaltung
Ausgangslage
Ein routinemäßiges Kupieren der Schwänze von Schweinen ist grundsätzlich verboten. Wiederholt kommt es in schweinehaltenden Betrieben zu der Verhaltensstörung Schwanzbeißen. Diese Problematik ist ein multifaktorielles Geschehen und tritt sowohl bei kupierten als auch bei unkupierten Tieren in allen Haltungsformen auf. In der heutigen Zeit steht das Tierwohl und der Tierschutz stark im Fokus der Verbraucher und der Politik. Das Thema des Projektes bezieht sich auf das im Programm zur Innovationsförderung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (2015) genannte Ziel, Konzepte zu entwickeln, die die Tiergerechtheit unter Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit fördern.
Ziel des Projektes
Ziel des Konsortialprojektes ist es, konkrete Hilfestellungen für betriebsspezifische Optimierungsmaßnahmen zu entwickeln, die es dem Landwirt ermöglichen sollen, langfristig auf das Schwanzkupieren beim Schwein zu verzichten. Weiterhin sollen verschiedene innovative Methoden der Früherkennung von Schwanzbeißen entwickelt und getestet werden. So sollen den Landwirten bei aufkommender Schwanzbeißproblematik Möglichkeiten angeboten werden, um entsprechende Interventionsmaßnahmen zu ergreifen und um schwerwiegende, tierschutzrelevante und ökonomische Folgen abzuwenden.
Projektdurchführung
Um das Projektziel zu erreichen, wird ein neuartiger Ansatz verfolgt: Ausgangspunkt sind Buchten, wie sie in der konventionellen Schweinehaltung üblich sind, in denen weitestgehend die bisherigen Erkenntnisse zum Verzicht auf Schwanzkupieren umgesetzt werden. Ausgehend von diesen „KomfortPlus-Buchten“ werden schrittweise Maßnahmen reduziert. Hierdurch können am Ende des Projekts verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten notwendiger Optimierungsmaßnahmen zum Verzicht auf Schwanzkupieren detailliert beschrieben werden („vom Optimum zum Notwendigen“). Die begleitende Erfassung der Kosten und des Arbeitsaufwands liefert den Tierhaltern zusätzliche Entscheidungsgrundlagen für betriebsspezifische Optimierungsmaßnahmen. In das Konsortialprojekt sind bundesweit Landeseinrichtungen einbezogen. Das Projekt besteht aus mehreren Teilprojekten, die auf verschiedenen Versuchsstationen parallel stattfinden.
Leiter Sachgebiet Tierhaltung
Für das Verbundprojekt zum Verzicht auf das Schwanzkupieren beim Schwein wurden auf der Versuchsstation Wehnen der LWK Niedersachsen ein Ferkelaufzucht- und ein Mastabteil mit so genannten „Komfort Plus Buchten“ ausgestattet.
In diesen KoVeSch-Buchten werden die bekannten Risikofaktoren für Schwanzbeißen soweit wie möglich minimiert. Das Auftreten von Schwanzbeißen soll so bestmöglich verhindert werden. Ziel ist hier, unkupierte Schweine ohne Schwanzbeißen bis zur Schlachtreife aufzuziehen.
Auf der Versuchsstation für Schweinehaltung in Wehnen wird seit November 2019 ein Verbundprojekt zum Verzicht auf das Schwanzkupieren beim Schwein umgesetzt (KoVeSch). Dabei wurden im Vorfeld jeweils ein Abteil in der Ferkelaufzucht und ein Mastabteil mit so genannten Komfort Plus Buchten ausgestattet. Die Abteile sind nach wie vor zwangsgelüftet. Ziel ist es, in diesen Buchten unkupierte Ferkel ohne Schwanzbeißen zu schlachtreifen Mastschweinen aufzuziehen. In den Buchten sollen die bekannten Risikofaktoren für Schwanzbeißen möglichst minimiert werden um dadurch das Auftreten von Schwanzbeißen zu reduzieren und bestmöglich zu verhindern.
Die Versuchsfragestellung wird gleichzeitig auf mehreren Versuchsstandorten, verteilt in Deutschland, umgesetzt. Dazu gehören die Landwirtschaftskammer NRW, die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, das Bildungs- und Wissenszentrum für Schweinehaltung und Schweinezucht Boxberg und die Bayrische Landesanstalt für Landwirtschaft. An allen Versuchsstandorten wurden Ferkelaufzucht und Mastabteile umgebaut, um die Haltung unkupierter Schweine zu erproben. Gefördert wird das Projekt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Grund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) führt die Projektträgerschaft im Rahmen des Programmes zur Innovationsförderung. Das Projekt läuft bis Oktober 2021 und steht unter der Leitung des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tierschutz und Tierhaltung in Celle.
Schwanzbeißen kann viele Ursachen haben. Einzelne Risikofaktoren können sich auf landwirtschaftlichen Betrieben ganz unterschiedlich auswirken. Stress und eine Überforderung der Anpassungsfähigkeit der Schweine können Auslöser für Schwanzbeißen sein. Mit Hilfe des Projektes sollen konkrete Hilfestellungen in Haltungsumwelt und Management für Landwirte hervorgebracht werden, um auf das Schwanzkupieren beim Schwein verzichten zu können. Es sollen belastbare Entscheidungsgrundlagen für betriebsspezifische Optimierungsmaßnahmen entwickelt werden. Ein weiteres Ziel des Projektes liegt darin, geeignete Methoden zur Früherkennung von Schwanzbeißen zu entwickeln und zu evaluieren. Die Umbaumaßnahmen für dieses Projekt in der Versuchsstation für Schweinehaltung in Wehnen sollen hier vorgestellt werden.
Gestaltung der Komfort Plus Bucht
Wesentliches Ziel im Projekt ist es, eine klare Strukturierung der Buchten für die Schweine zu erreichen. Dazu wurde in der Umsetzung der Buchten ein Ruhe- und Wühlbereich, ein Aktivitäts- und Fressbereich und ein Kotbereich geplant.
Verschiedene Strukturelemente sollen es den Schweinen erleichtern, die unterschiedlichen Funktionsbereiche anzunehmen. Der Liegebereich sowohl in der Ferkelaufzucht, als auch in der Mast ist mit einer Abdeckung und Lamellenvorhängen geschützt. Die Lamellenvorhänge sind verstellbar, um die Größe des Liegebereichs optimal an die Größe der Tiere anzupassen. Die Abdeckung soll den Tieren einen wärmeren und verdunkelten Rückzugsort in der Bucht bieten. Zusätzlich gibt es in der Ferkelaufzucht eine Zonenheizung unter der Abdeckung. Dadurch wird ein Temperaturunterschied von mindestens 5°C zwischen der kühleren Abteiltemperatur und dem Liegebereich angestrebt. Dieser Temperaturunterschied soll die Akzeptanz des Liegebereiches weiter erhöhen. Die Raumtemperatur wird daher im Vergleich zu einem konventionellen Ferkelaufzuchtabteil von Anfang an mit ca. 20°C relativ geringgehalten. Durch diese Strukturierung werden innerhalb der Bucht zwei Klimazonen geschaffen. Der Boden im Liegebereich ist sowohl in der Ferkelaufzucht, als auch in der Mast mit Betonspalten ausgestattet und der Schlitzanteil wurde durch Kunststoffspaltenverschließer reduziert. Im Übergang zum Aktivitätsbereich wurde eine Aufkantung in Form eines Kantholzbalkens installiert.
Zweimal täglich wird eine geringe Menge Stroh bzw. attraktives Wühlmaterial auf alle Liegeflächen gegeben. Die Aufkantung soll das Beschäftigungsmaterial so gut es geht im schlitzreduzierten Bereich der Bucht halten und die Tiere zum Wühlen anregen. Die Tiere sollen zur gemeinsamen Beschäftigung animiert werden. Erste Beobachtungen zeigen, dass sich die Tiere gerne gemeinsam mit dem Stroh beschäftigen und dies hauptsächlich in dem dafür vorgesehenen Bereich nutzen.
Der Aktivitätsbereich grenzt durch den Holzbalken an den Liegebereich. In der Ferkellaufzucht unterscheidet sich dieser Bereich zur Mast in der Bodengestaltung, hier wurden Kunststoffspalten verwendet. In den Mastbuchten ist der Bereich mit Betonspalten gestaltet. Im Aktivitätsbereich sind auch die Trockenfutterautomaten installiert. Im gesamten Versuch ist die Fütterung ad libitum bei einem Tier:Fressplatzverhältnis von 1:2. Um den Kot- und Urinabsatz in den Kotbereich zu lenken, wurde Dreikantstahl verwendet. Um eine höhere Akzeptanz des Kotbereichs zu erreichen wurden zusätzlich weitere Strukturelemente installiert. Dazu gehören beispielsweise Kontaktgitter, welche einen direkten Tierkontakt zwischen zwei Buchten ermöglichen. Ferner wird dieser Bereich über eine Vernebelungsanlage stündlich befeuchtet. In den Buchten stehen den Ferkeln dabei 0,5 m2 und den Mastschweinen 1,27 m2 pro Tier zur Verfügung.
Verändertes Wasserangebot
Den Tieren wird über den gesamten Zeitraum Wasser aus offenen Tränken angeboten, hierzu wurden diese mit einem Aqualevel in der Mitte der Bucht eingebaut. Zusätzlich stehen den Tieren weitere Beißnippel in unterschiedlichen Höhen zur Verfügung. Diese sind an den Kontaktgittern im Kotbereich installiert. Die offene Tränke befindet sich allerdings im Aktivitätsbereich, um die Gefahr von Verschmutzungen durch Kot und Urin zu verringern. Sowohl in der Ferkelaufzucht, als auch in der Mast ist eine Hochdruckkühlung verbaut. Diese soll in den heißen Sommermonaten aufkommenden Hitzestress bei den Tieren möglichst reduzieren und die Abteiltemperatur möglichst kühl halten.
Zusätzliches Angebot von Rauffutter und Beschäftigungsmaterial
In der Ferkelaufzucht wird den Ferkel in zusätzlichen Schalen eine Mischung aus Luzernepellets und Dinkelspelzenpellets angeboten. Die Mischung wird bei den Fütterungszeiten zweimal täglich aufgefüllt. In der Mast werden die Pellets auf die Liegeflächen gestreut. Das Beschäftigungsfutter dient neben dem eingesetzten Stroh und dauerhaft in der Bucht hängenden Sisalseilen, also für eine umfassende und abwechslungsreiche Beschäftigung der Tiere. Es ist ein deutliches Interesse der Tiere an dem frischen Material zu erkennen.
In den ersten Durchgängen zeigte sich deutlich die Schwierigkeit, dass die verschiedenen Funktionsbereiche von den Tieren angenommen werden. Kommt es in den Liegebereichen zu Verschmutzungen, ist es wichtig diese mehrmals täglich zu säubern. Die Liegebereiche dürfen dazu nicht zu warm werden, was sich am Liegeverhalten der Tiere deutlich erkennen lässt. Tiere, die beim Ruhen und Schlafen aus dem Lamellenvorhang rausliegen oder sogar in der Bucht verteilt liegen, signalisieren deutlich eine zu hohe Temperatur oder zu wenig Platz im Liegebereich. Die Anpassung der Größe der Liegefläche an die Größe der Tiere ist dabei besonders wichtig, die Liegefläche darf nicht zu groß sein.
Umfangreiche Datenerfassung
Im Rahmen des Projekts werden unter anderem Wassermengen, Futtermengen, Temperaturen, Luftfeuchte und Schadgase erfasst. Zusätzlich werden die Tiere und ihre Gesundheit täglich beurteilt und zwei Mal wöchentlich eine ausführliche Bonitur der Schweine und der Schwänze durchgeführt.
Fazit
„Vom Optimum zum Notwendigen“ – beschreibt dieses Vorgehen gut.
Das Vorhaben wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).
Laufzeit: 15.08.2018 bis 14.10.2021
Förderkennzeichen: 2819109817
Mit einem Videobeitrag vom Fachforum Schwein 2020 in Cloppenburg präsentieren Dr. Heiko Janssen (Fachreferent Schweinezucht, Schweinehaltung) und Carmen Horstrup (Leiterin Versuchsstation für Schweinehaltung Wehnen) Ideen für die Projektumsetzung KoVeSch anhand eines nachgebauten Modells der umgebauten Buchten.
Ziel des Konsortialprojekts ist es, Schweinehaltern konkrete Hilfestellung für betriebsspezifische Optimierungsmaßnahmen zu geben, mit denen sie in die Lage versetzt werden, auf das Schwanzkupieren beim Schwein zu verzichten.
1. Zielsetzung
Ein routinemäßiges Kupieren der Schwänze von Schweinen ist grundsätzlich verboten. Wiederholt kommt es in schweinehaltenden Betrieben zu der Verhaltensstörung Schwanzbeißen. Diese Problematik ist ein multifaktorielles Geschehen und tritt sowohl bei kupierten als auch bei unkupierten Tieren in allen Haltungsformen auf. In der heutigen Zeit steht das Tierwohl und der Tierschutz stark im Fokus der Verbraucher und der Politik. Das Thema des Projektes bezieht sich auf das im Programm zur Innovationsförderung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (2015) genannte Ziel, Konzepte zu entwickeln, die die Tiergerechtheit unter Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit fördern.
Ziel des Konsortialprojektes ist es, konkrete Hilfestellungen für betriebsspezifische Optimierungsmaßnahmen zu entwickeln, die es dem Landwirt ermöglichen sollen, langfristig auf das Schwanzkupieren beim Schwein zu verzichten. Weiterhin sollen verschiedene innovative Methoden der Früherkennung von Schwanzbeißen entwickelt und getestet werden. So sollen den Landwirten bei aufkommender Schwanzbeißproblematik Möglichkeiten angeboten werden, um entsprechende Interventionsmaßnahmen zu ergreifen und um schwerwiegende, tierschutzrelevante und ökonomische Folgen abzuwenden.
In das Konsortialprojekt sind bundesweit Landeseinrichtungen einbezogen. Das Projekt besteht aus mehreren Teilprojekten, die auf verschiedenen Versuchsstationen parallel stattfinden.
Zu den Projektpartnern gehören:
2. Material und Methoden
Der Ausgangspunkt des Projektes sind konventionelle Ferkelaufzucht- und Mastbuchten. In diesen Buchten werden weitestgehend die bisherigen Erkenntnisse zum Verzicht auf Schwanzkupieren beim Schwein umgesetzt. Ausgehend von diesen maximal optimierten Buchten wird ein neuartiger Ansatz verfolgt, bei welchem schrittweise Maßnahmen reduziert werden. Durch dieses Vorgehen sollen am Ende des Projektes verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten notwendiger Optimierungsmaßnahmen zum Verzicht auf Schwanzkupieren detailliert beschrieben werden können („Vom Optimum zum Notwendigen“). Zusätzlich werden die Kosten und der Arbeitsaufwand erfasst und sollen dem Landwirt als zusätzliche Entscheidungsgrundlage dienen. Die verschiedenen Optimierungsmaßnahmen beziehen sich auf die Bereiche Haltungsstrukturierung und -technik, Fütterung und Management. Zu den Optimierungsmaßnahmen gehören auch die Prävention und Behandlung von Erkrankungen, um den Einfluss auf die Vermeidungsstrategien von Schwanzkupieren beurteilen zu können.
Arbeitspaket LWK Niedersachsen
In der Versuchsstation Schwein in Wehnen wird das Abferkelabteil A6 für die Ferkelaufzucht und das Mastabteil M2 auf das Konzept „KomfortPlus-Bucht“ umgestellt. Die eingestellte Projektmitarbeiterin begleitet die Umbau- und Anpassungsarbeiten.
Projektablauf
LWK-Produktnummer: 30250011300
Das Projektvorhaben bietet Möglichkeiten der erweiterten Datenauswertung in Form von Bachelor- und Master-Abschlussarbeiten.
Fragen zum Projekt können sie an untenstehenden Kontakt richten.
Weitere Informationen über das Projekt:
KoVeSch: Neue Buchtenstrukturierung im Test