Torf: Experten sehen großes Einspar-Potenzial
Gartenbau: Fragestunde der Landwirtschaftskammer Niedersachsen lotet Möglichkeiten und Grenzen bei Torfersatzstoffen aus
Oldenburg – Viele Jahre lang war Torf als Substrat in der Pflanzenproduktion nicht wegzudenken. Mit den Klimaschutzplänen der Politik kommen auf Niedersachsens Gartenbaubetriebe große Veränderungen zu: Sie müssen künftig auf torfreduzierte oder torffreie Kultursubstrate umsteigen. Denn um die Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre einzudämmen, soll der Abbau von Torf in Moorgebieten drastisch zurückgefahren werden.
Torfersatzstoffe seit vielen Jahren Thema der LWK-Projektarbeit
Welche Erfahrungen und Fortschritte es bei der Reduktion des Torfeinsatzes bereits gibt, welche Möglichkeiten und Grenzen die torfreduzierten Substrate haben und welche Fragstellungen bei Qualität, Produktion, Logistik und Handel in den kommenden Jahren zu klären sind, erörterte die Expertenrunde bei der Online-Fragestunde „Gartenbau ohne Torf – wie geht das?“ der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) in Oldenburg. Die LWK befasst sich bei ihrer Projektarbeit seit vielen Jahren mit Torfersatzstoffen wie zum Beispiel Holzfaserprodukten, Kokosmark, Kompost, Moosen, Perliten, Blähton und Gärresten aus Biogasanlagen.
Im Studio des Lokalsenders O1 diskutierten Michael Bank (Landgard eG), Professor Bernhard Beßler (Leiter des LWK-Geschäftsbereichs Gartenbau), Baumschulunternehmer Hajo Hinrichs, Dr. Sebastian Kipp vom Substrathersteller Klasmann-Deilmann, Zierpflanzenproduzent Dirk Klefer und Moderatorin Dr. Gerlinde Michaelis, bei der LWK Leiterin der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Bad Zwischenahn-Rostrup. Die Fragestunde ist als Aufzeichnung auf der LWK-Website oder bei YouTube zu sehen.
Gute Erfahrungen mit Substraten mit bis zu 50 Volumen-Prozent Torfersatz
Die Diskussionsteilnehmer berichteten über gute Erfahrungen mit Substraten mit bis zu etwa 50 Volumen-Prozent (Vol-%) Torfersatz in ihren Betrieben, bei ihren Kunden sowie in Versuchen. Darüber hinaus komme es vermehrt zu Schwierigkeiten bei der Kulturführung, und das Kulturrisiko steige deutlich an. Daher hielten die Teilnehmer eine gänzlich torffreie Produktion noch nicht für flächendeckend umsetzbar.
Bei einigen Kulturen sei es möglicherweise aus kulturtechnischer oder auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht möglich, vollständig auf Torf zu verzichten, lautete die Einschätzung der Experten. Torf könne aber in großen Mengen eingespart werden, wenn es gelänge, in der Breite der gartenbaulichen Betriebe Substrate mit 40 bis 50 Vol-% Torfersatz zu etablieren. Hier hätten Projekte wie die Modell- und Demonstrationsvorhaben TerZ und ToSBa für die Branche schon gute Arbeit geleistet und die Thematik in die Köpfe der Betriebsinhaber*innen gebracht.
Stabile Lieferketten nötig
Alle Gäste der Diskussionsrunde waren sich einig, dass eine hohe Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Rohstoffen essentiell ist, um die ambitionierten Ziele der Torfminderung tatsächlich erreichen zu können. Hier seien zum einen die Substratunternehmen gefragt, stabile Lieferketten aufzubauen und auch neue Torfersatzstoffe zu finden, aber auch die Politik, um den Abbau bürokratischer Hürden, etwa bei Genehmigungsverfahren für Kompostieranlagen, voranzutreiben.
Das Substrat der Zukunft werde wahrscheinlich sehr viel kleinteiliger zusammengesetzt sein als wir es heute kennen, vielleicht aus mehr als zehn verschiedenen Rohstoffen, und viel mehr nach spezifischen Eigenschaften deklariert werden als nach genauer Rohstoffzusammensetzung. So könnten die Substratunternehmen bei Lieferengpässen eines oder mehrerer Rohstoffe flexibel reagieren und die Rezeptur anpassen ohne die gewünschten Eigenschaften des Endproduktes merkbar zu verändern. Diese ganz neue Art der Substratproduktion bedeute aber einen enormen Aufwand für die Unternehmen und sei auch nicht von heute auf morgen zu realisieren.
Torfreduzierte und torffreie Substrate zum Teil erheblich teurer als Torfsubstrate
Weiterhin diskutierten Teilnehmer und Moderatorin die wirtschaftlichen Auswirkungen des Torfersatzes und die Möglichkeiten, die gestiegenen Kosten an den Handel und die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben. Torfreduzierte und torffreie Substrate seien zum Teil erheblich teurer als Torfsubstrate, doch diese gestiegenen Kosten ließen sich nur minimal im Verlauf der Handelskette weitergeben.
Dies gelte vor allem für die Waren aus den unteren Preissegmenten, die zum Beispiel in den Lebensmitteleinzelhandel gingen. Die Handelsunternehmen sähen sich zudem mit der Problematik konfrontiert, die Qualität der Pflanzen auf dem zum Teil mehrere Tage andauernden Handelsweg zu gewährleisten, da torffreie Substrate in der Regel deutlich schneller trockenfallen als torfbasierte. Es fehle schlicht an aussagekräftigen Erhebungen zur Haltbarkeit von torffrei produzierten Pflanzen.
Torffreie Pflanzen haben veränderte Pflegebedürfnisse
Das gleiche Probleme komme auch auf die Endkundinnen und -kunden zu, die nun mit den veränderten Pflegebedürfnissen torffreier Pflanzen zurechtkommen müssten. Bei Verwendung torffreier Blumenerde verschärfe sich die Situation noch einmal. Hier sei es nun enorm wichtig, eine passende Kundenkommunikation zu entwickeln und die Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Weg zur Torffreiheit mit und an die Hand zu nehmen, damit sie am Ende nicht die Lust an den gartenbaulichen Produkten verlieren.
Am Ende blickten alle Studiogäste recht zuversichtlich in die Zukunft. Sie wünschten sich allerdings einen angemessenen Zeitrahmen, verlässliche und langfristige Aussagen und ein gemeinsames Vorgehen auf Augenhöhe für die Umsetzung der Ziele zur Torfreduzierung. Die Gärtnerinnen und Gärtner, so waren sich alle einig, hätten sich schon so manches Mal umstellen oder gar neu erfinden müssen und bisher alle Krisen meistern können.
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Wolfgang Ehrecke
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