Weniger Torf im Zierpflanzenbau: Branche schöpft Vertrauen in praktische Umsetzung
Klimaschutz im Gartenbau: Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Partner*innen im Projekt TerZ ziehen positive Bilanz – Höherer Aufwand in der Produktion bleibt je nach Kultur eine Herausforderung
„Durch unser leistungsfähiges Versuchswesen, durch die enge fachliche Begleitung der Praxisbetriebe und durch deren hohes Engagement haben wir gemeinsam Ergebnisse erzielt, die wichtige Impulse für die gesamte Branche darstellen – das macht TerZ zu etwas ganz besonderem“, sagte Prof. Dr. Bernhard Beßler, bei der LWK Leiter des Geschäftsbereichs Gartenbau und Gesamtverant ortlicher des Projekts „TerZ – Einsatz torfreduzierter Substrate im Zierpflanzenbau“ (Projektbroschüre zum Download).
Klimaschutzpläne bringen große Veränderungen
Viele Jahre lang war Torf dank seiner vorteilhaften Eigenschaften als Substrat in der Pflanzenproduktion nicht wegzudenken. Mit den Klimaschutzplänen der Politik kommen auf die deutschen Gartenbaubetriebe große Veränderungen zu: Sie müssen künftig auf torfreduzierte oder torffreie Kultursubstrate umsteigen. Denn um die Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre einzudämmen, soll der Abbau von Torf in Moorgebieten drastisch zurückgefahren werden.
Dass es geeignete Torfersatzstoffe für den Zierpflanzenbau gibt, haben bereits eine Reihe von Forschungsvorhaben gezeigt. „Was aber lange Zeit fehlte, war der Schritt in die Praxis – genau da hat TerZ 2019 angesetzt“, berichtete LWK-Projektkoordinatorin Katja Arndt.
Torfanteil im Substrat schrittweise gesenkt
Für TerZ haben bundesweit 24 Demonstrationsbetriebe schrittweise die Torfanteile in ihren Substraten gesenkt. Zuletzt waren maximal 50 Volumen-Prozent Torf im Substrat enthalten – manche Betriebe arbeiteten testweise mit Substraten mit noch geringerem Torfgehalt.
Fachleute der LWK sowie anderer Forschungseinrichtungen begleiteten die Entwicklung der Test-Kulturen in den Betrieben eng, erhoben betriebswirtschaftliche Parameter, nahmen regelmäßig Substratproben und erarbeiteten damit eine Datengrundlage für den Umgang mit torfreduzierten Substraten. Wenn nötig, wurde die Kulturführung – insbesondere die Düngung und die Bewässerung – in den Betrieben angepasst.
Maximal 50 Volumen-Prozent Torf
Nach vier Jahren Projektarbeit steht fest: „Das Ziel, mit maximal 50 Volumen-Prozent Torf auszukommen, haben alle Betriebe erreicht“, so Arndt. „Infolge der Ergebnisse von TerZ hat die Branche teilweise ihre eigenen Torf-Reduktionsziele verschärft – das ist ein großer Vertrauensbeweis in unsere gemeinsame Arbeit, der uns sehr stolz macht“, ergänzte LWK-Geschäftsbereichsleiter Beßler.
Nicht alle Ergebnisse der veränderten Produktion entsprachen den Erwartungen. Teilweise sei die Kulturführung mit den neuen Substratmischungen wegen anderer Nährstoffgehalte schwieriger, heißt es laut Arndt von den Betrieben. Für Düngung und Bewässerung gelte es also, die beste individuelle Anpassungsstrategie zu finden.
Veränderungen in kleinen Schritten vornehmen
„Wir leiten daraus die Empfehlung ab, den Torfanteil in kleinen Schritten zu verringern und regelmäßig Proben zu nehmen, um für die eigene Produktion genügend Erfahrungen zu sammeln“, berichtete Arndt.
Bei der Abschlussveranstaltung im LWK-Neubau in Hannover-Ahlem fassten verschiedene Projektteilnehmer*innen sowie Vertreter*innen aus Branche und Politik ihre Sicht auf den Verlauf des Projekts TerZ zusammen:
Die Bundesregierung
Die Bundesregierung hat nach eigenem Bekunden das Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen und bis 2030 die CO2-Emissionen um 65 Prozent zu senken. Walter Dübner, Unterabteilungsleiter für Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Pflanzliche Erzeugung, Gartenbau im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), betonte mit Blick auf den Gartenbau: „Torffreies Gärtnern leistet einen wichtigen Beitrag, um unsere ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Deutschlandweit fördern wir daher Projekte, in denen Betriebe dabei unterstützt werden, auf torffreie und torfreduzierte Substrate umzustellen. Denn der Torf muss am besten im Boden bleiben, wo er Kohlenstoff speichert.“
„Unser Projekt TerZ ist eines unserer Leuchtturmprojekte“, betonte Dübner. „TerZ hat wegweisende Erkenntnisse aus der Praxis zu Tage gefördert, um Vorbehalte gegenüber torffreien oder torfreduzierten Erden abzubauen.“ Auch in Zukunft werde die Bundesregierung dem Gartenbau beim Ausstieg aus der Torfverwendung zur Seite stehen, fügte der BMEL-Unterabteilungsleiter hinzu. „Dazu haben wir Anfang des Jahres den Startschuss für das Projekt „FiniTo“ gegeben. Mit diesem Projekt wurden fünf regionale Fachstellen eingerichtet, die die Gartenbaubetriebe während der gesamten Umstellungsphase individuell begleiten. Dafür stellen wir bis Ende 2026 insgesamt 6,2 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung.“
Die Branche
„Auch wir Gärtnerinnen und Gärtner wollen unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten – das zeigt das große Engagement der Betriebe während des Projekts“, sagte Jens Schachtschneider, Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Zierpflanzen sowie bei der LWK Vorsitzender des Gartenbau-Ausschusses. „So vorteilhaft die Eigenschaften von Torf auch sind: Dank TerZ haben wir gelernt, dass wir mit torfreduzierten Substraten ebenfalls gute Pflanzen kultivieren können“, berichtete Schachtschneider. Qualitätseinbußen gelte es mit Blick auf die Kundschaft unbedingt zu vermeiden. Nun sei weiterhin eine gute Umstellungsberatung wichtig, damit immer mehr Betriebe zur Anpassung ihrer Produktion ermutigt würden.
„Die Erfolge des TerZ-Projektes bestärken uns in unserer Überzeugung, dass die Substrate der Zukunft nicht aus Torf, sondern aus nachwachsenden, regional beschafften Rohstoffen bestehen werden – und das schon sehr bald“, sagte Sören Affeld, Geschäftsführer des Substratherstellers Stender GmbH in Schermbeck (Kreis Wesel). „TerZ hat gezeigt, was heute schon möglich ist. Wir als Stender haben beschlossen, all unsere Energie in die Entwicklung der torffreien Produktlösungen von morgen zu stecken.“
„Unsere Branche lebt mit und von der Natur, und es ist unsere gesellschaftliche Pflicht, sorgsam mit natürlichen Ressourcen umzugehen“, ist die Überzeugung von Hans-Uwe Diener, Einkaufsleiter beim Filialunternehmen Blume 2000. „Torfreduzierung in der Produktion ist aktiver Klimaschutz und die Bewahrung wertvoller ökologischer Nischen“, betonte Diener.
Das Unternehmen Blume 2000 bewerte TerZ als richtigen Schritt im Prozess der Torfreduktion sowie als wichtige Schnittstelle zwischen Produktion und Handel. „Nicht die einseitige Forderung durch den Handel nach Reduktion oder Verzicht von Torf, sondern die gemeinsame Entwicklung von Lösungsszenarien, zusammen mit den Produktionsbetrieben, wird zu einem besseren Ergebnis im Umgang mit natürlichen Ressourcen führen“, so Diener.
Die Beratung
„Das Projekt hat mich darin bestätigt, dass ein kompletter Torfverzicht auf absehbare Zeit für die ganze Breite der Pflanzenproduktion nicht möglich ist, solange nicht ausreichende Mengen guten Torfersatzes verfügbar sind“, fasste Gartenbauberaterin Silvia Fittje ihre Erfahrungen zusammen. „Zu den Alternativen sollte auch das torfähnliche Sphagnum gehören, dessen CO2-speichernder Anbau erst einmal stärker zu fördern wäre.“
Fittje berät unter anderem Betriebe, die auf Heidepflanzen (Azerca-Kulturen) spezialisiert sind. „Ein Zwang zu weitgehendem Torfverzicht in den nächsten Jahren für alle Kulturen erhöht das Kulturrisiko für Gartenbaubetriebe und fördert neben anderen Herausforderungen eher die Aufgabe von Betrieben oder die Verlagerung der Produktion ins weniger ambitionierte Ausland“, sagte Fittje.
Forschungseinrichtungen
„Mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen konnte TerZ-BWL nach Berechnung, Auswertung und Analyse von über 400 Nachkalkulationen der Hauptkulturen im Zierpflanzenbau darlegen, dass die Kultursicherheit – also ein geringer Ausfall bei termingerechter Produktion – entscheidend für eine erfolgreiche Umstellung auf stark torfreduzierte Substrate ist“, sagte Anette Stadler vom Institut für Gartenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Freising, die das Projekt betriebswirtschaftlich begleitete (TerZ-BWL).
„Zudem hat sich gezeigt, dass aufgrund der großen Bandbreite pflanzenbaulicher Besonderheiten und individueller Kulturbedingungen im Zierpflanzenbau eine betriebsindividuelle Berechnung der Kulturkosten gerade im Kontext der Substrat-Umstellung essentiell ist“, fügte Stadler hinzu. „Hierfür steht allen interessierten Betrieben das im Rahmen von TerZ für den Topfpflanzenanbau konzipierte, einfach zu bedienende Kalkulations- und Simulations-Tool K.basic kostenlos im BWL-Bereich der Projekt-Website zur Verfügung.“
„Es war sehr schön zu sehen, wie motiviert und engagiert die Demonstrationsbetriebe beim Thema Torfreduktion dabei waren“, berichtete Ronja Fritzsche vom Institut für Gartenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, die eine Reihe von Gartenbauunternehmen fachlich begleitete. „Trotz Corona-Krise und der Energieproblematik haben sich die Betriebe den Herausforderungen gestellt. Die Zusammenarbeit und Vernetzung der Branche ist auch beim Thema Torfersatz ein Schlüsselelement“, so Fritzsche.
„Das Projekt TerZ konnte zeigen, welche Chancen und Herausforderungen die verschiedenen Torfersatzstoffe unter Praxisbedingungen mit sich bringen“, fasste Fabian Heesch von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Heidelberg zusammen. „Viele Demonstrationsbetriebe machten erfreulicherweise wiederholt die Erfahrung, dass eine Beimischung von alternativen Substratausgangsstoffen die Substrateigenschaften auch verbessern kann, wobei eine Anpassung der Kulturführung trotzdem erforderlich ist.“
„Von der Theorie in die Praxis: Den 24 Demonstrationsbetrieben im Projekt TerZ ist dieser Schritt geglückt“, bekräftigte Heeschs LVG-Kollegin Gerlind Hammann. „Die Erfahrungen der Betriebe dürfen und wollen wir teilen, um gemeinsam die Ziele des Klimaschutzprogramms 2030 einzuhalten. Mit unserem Online Kurs TerZ digital kann sich jede Gärtnerin und jeder Gärtner das nötige Wissen aneignen, um ebenfalls erfolgreich mit torfreduzierten Substraten zu produzieren.“
„Nach nun insgesamt vier Jahren TerZ möchte ich die gute Zusammenarbeit mit unseren Demonstrationsbetrieben hervorheben, die mir persönlich sehr viel Freude und Motivation gegeben hat“, berichtete Melanie Bank vom Versuchszentrum Gartenbau der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Straelen (Kreis Kleve). „Die Entwicklung der Betriebe hinsichtlich der Torfreduktion und somit den Gartenbau ein Stück in Richtung Zukunft begleiten zu können war eine Erfahrung, die für mich auch für die Zukunft von Bedeutung sein wird.“
„Das Projekt TerZ zeichnete sich von Anfang an durch eine enge und gute Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten aus“, hob Anna-Victoria August, Projektsachbearbeiterin TerZ beim Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Dresden, hervor. „Es hat mir große Freude bereitet mitzuerleben, wie engagiert die Demonstrationsbetriebe in dieser herausfordernden Zeit an der Projektarbeit teilgenommen haben und wie schnell sie notwendige Anpassungen in die torfreduzierte Kulturführung integriert haben.“
Schließlich dürfe nicht vergessen werden, dass lang bewährte Abläufe und Routinen auf die Probe gestellt wurden, betonte August. „Umso erfreulicher ist es, wenn die gemeinsame Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten in eine erfolgreiche torfreduzierte Zierpflanzenproduktion mündet. Es wäre künftig ein wichtiges Zeichen, dass sich der Mehraufwand für die Gärtner auch in einem monetären Mehrwert auszahlt, um den Beitrag der Gartenbaubetriebe an einer nachhaltigen Pflanzenproduktion zu honorieren.“
Beßler: Dialog zwischen Politik und Praxis hat funktioniert
„Der Dialog zwischen Politik und Praxis hat funktioniert: Auf dem Wege zur Reduzierung des Torfeinsatzes im Gartenbau sind wir ein gutes Stück vorangekommen“, fasste LWK-Geschäftsbereichsleiter und Projektgesamtverantwortlicher Prof. Dr. Bernhard Beßler die Aufbruchstimmung zusammen, die das Projekt begleitet hat. „Jetzt geht es darum, im Folgeprojekt FiniTo die bereits erzielten Erfahrungen und Lerninhalte noch breiter in die Branche einzubringen.“
Das nächste Vorhaben
Ziel des Verbundvorhabens FiniTo – Fachinformation für Gartenbaubetriebe zur Umstellung auf torffreie und torfreduzierte Kultursubstrate – ist der Wissenstransfer in Bezug auf Torfersatz: Sowohl über digitale Lehrformate als auch durch eine betriebsindividuelle Begleitung soll das Wissen seinen Weg in die Praxis finden.
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