Gegenseitiges Besaugen bei Kälbern – eine Verhaltensstörung mit Folgen
In der Kälberaufzucht ist das gegenseitige Besaugen in der Gruppenhaltung eine häufig auftretende Verhaltensauffälligkeit. Die Kälber besaugen sich intensiv an der Euterregion, am Hodensack, am Nabel, am Maul, an den Ohren oder am Schwanz. Bei männlichen Fressern ist vereinzelt ein ausgiebiges Urintrinken beobachtbar. Bei Kälbern in der Mutterkuhhaltung tritt das gegenseitige Besaugen dagegen in der Regel nicht auf.
Die „Sauger“ leiden dabei durch die Aufnahme von Haaren oder Urin an Verdauungsstörungen und Wachstumseinbußen. Bei den „Duldern“ treten Verletzungen und Infektionen auf. So können Zitzenverletzungen bereits aus dem Kälberstadium stammen und zum späteren Ausfall von einzelnen Eutervierteln bei Erstlaktierenden führen. Zudem erhöht das gegenseitige Besaugen die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene Tiere später als Färsen und Jungkühe dieses Verhalten beibehalten.
Aus verschiedenen Studien sind Faktoren in Fütterung und Haltung bekannt, die die Häufigkeit und die Intensität des gegenseitigen Besaugens bei Kälbern beeinflussen können.
Das nutritive („milchabhängige“) Besaugen, das während bzw. innerhalb von 15 Minuten nach der Tränkung auftritt, wird vor allem mit dem (noch) nicht gestillten Hungergefühl erklärt. Wenn das Kalb satt ist, lässt der Saugtrieb mit zeitlicher Verzögerung nach. Mit einer längeren Trinkzeit (Nuckeleimer und höhere Milchmenge) reduziert sich das gegenseitige Besaugen bereits. So konnte in der paarweisen Aufzucht („Twinning“) von sehr jungen Kälbern das Fremdbesaugen durch ein intensives Tränkeregime deutlich vermindert bzw. ganz ausgeschaltet werden (Koch, 2020). Zusätzlich kann durch die Zugabe von Traubenzucker in die Milchtränke der Blutzuckerspiegel beim Kalb vorzeitig angehoben und das Sättigungsgefühl erreicht werden. 2 g Traubenzucker pro Liter Tränke sind dabei bereits ausreichend, um das Besaugen weitgehend zu eliminieren, wie eine Studie der FH Nürtingen belegt.
Die Ursachen für das nicht-nutritive Besaugen, also das Besaugen außerhalb der Tränkezeit, als Verhaltensstörung, sind dagegen wohl eher in der Haltungsumwelt der Kälber zu suchen. Neben einer monotonen Bucht ohne „Beschäftigung“ wirkt besonders ein Gruppenwechsel als negativer Stressfaktor für das Kalb und kann ursächlich für die Problematik „Besaugen“ sein.
Die möglichen Maßnahmen in Übersicht 1 stellen keine Patentrezepte zur Lösung des Besaugerproblems dar, dazu sind die Zusammenhänge zu komplex.
Übersicht 1: Maßnahmen, um das gegenseitige Besaugen in der Kälberaufzucht zu vermindern
Maßnahme | Möglicher Effekt |
---|---|
Nuckeleimer einsetzen |
Saugreflex befriedigen |
Schwer gängige Nuckel |
Tränkezeit verlängern, Sättigungsgefühl erreichen |
Tränkemenge erhöhen |
Tränkezeit verlängern, Sättigungsgefühl erreichen |
Zugabe von Traubenzucker (2g/l) |
Blutzuckergehalt anheben (Hungergefühl ausschalten) |
Fixieren der Kälber (15 - 30 Minuten) |
Besaugen nach der Tränke verhindern, Sättigungsgefühl erreichen |
Möglichst homogene Gruppen bilden |
Weniger Sozialstress |
Tierindividuell abtränken |
Ausreichend Kraftfutteraufnahme bei den leichteren Kälbern erreichen |
Ausreichend Platz in eingestreuter Bucht, Offenfront oder Auslauf |
Neugierde der Kälber nutzen |
Saugattrappen, Heunetze oder Salzlecksteine aufhängen |
Ablenken der Kälber, Spieltrieb der Kälber nutzen |
Beobachten, „Sauger“ abtrennen |
Nachahmung verhindern |
In der Regel sollte das Problem bei den Kälbern mit zunehmendem Alter „herauswachsen“, doch das klappt nicht in allen Betrieben und nicht bei allen Kälbern. Einige Tiere nehmen diese Verhaltensstörung nach der Tränkephase mit in die weitere Aufzucht. Wenn man die „Sauger“ identifiziert hat, muss zu diesem Zeitpunkt unbedingt aktiv eingeschritten werden.
Im Färsenstall, aber auch bis hinein in die Kuhställe sieht man Tiere mit „Saugentwöhnern“ in ganz unterschiedlichen Ausführungen. Diese speziellen Nasenringe mit teilweise martialisch wirkenden Stacheln sollen entweder das Besaugen unmöglich machen und/oder den „Dulder“ vertreiben. Doch auch das funktioniert nicht in jedem Fall. Landwirte berichten, wie geschickt sich die die Tiere anstellen, um die Wirkung der „Saugentwöhner“ zu umgehen.
„Sauger“ in der Färsengruppe und später bei den Kühen können sich dann zu einem echten wirtschaftlichen Bestandsproblem entwickeln. Viele „Dulder“ werden durch das Besaugen zu Dreistrichen und damit zu frühzeitigen Abgängen.
Fazit:
Das gegenseitige Besaugen muss bereits in der frühen Kälberaufzucht durch verschiedene Optimierungsmaßnahmen besonders in der Fütterung und Haltung eingedämmt werden. Die „Saugentwöhner“ im Rinderstall oder gar bei den Kühen können nur das letzte Mittel sein.
Von Praktikern für Praktiker: Welche Beobachtungen machen Sie im Betrieb? Welche Ursachen haben Sie festgestellt? Welche Maßnahmen sind wirkungsvoll gegen das gegenseitige Besaugen?
Schreiben Sie mir gern unter georg.teepker@lwk-niedersachsen.de |
Landwirtschaftskammer bildet zukünftige Berater/innen in Kasachstan aus
Das vom BMEL geförderte Projekt „Kompetenzförderung Milch in Kasachstan“ hat das Ziel, einen integrierten, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Milchsektor zu schaffen, der die Milchproduktion und -verarbeitung steigert und …
Mehr lesen...Mit neuen Zuchtwerten in den Spätsommer
Im August sind die neuen Zuchtwerte für Deutsche Holstein Schwarzbunt und Rotbunt veröffentlicht worden. Im Rahmen dieser Zuchtwertschätzung erfolgt eine Änderung im RZRobot sowie eine Basisverschiebung bei allen Merkmalen. In der…
Mehr lesen...Spezialberatung für Melktechnik: Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland bei Weiterbildung in Echem
Die technische Überprüfung von Melkanlagen stand im Mittelpunkt eines Weiterbildungslehrgangs, den die Wissenschaftliche Gesellschaft der Milcherzeugerberater e.V. (WGM) zusammen mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) organisiert…
Mehr lesen...Fütterung und Stallmanagement wichtige Stellschrauben beim Umweltschutz
Fachtagung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen befasst sich mit Umgang mit Emissionen aus der Tierhaltung
Mehr lesen...Start in Siliersaison – für alle Fälle planen
Die Befahrbarkeit der Böden ist eines von vielen anderen Problemen für den Silierstart in 2024. Die Hinweise zur Silierung konzentrieren sich in diesem Beitrag vor allem auf diese ungünstigen Ausgangsbedingungen.
Mehr lesen...Antibiotikamonitoring – Frist für Maßnahmenpläne endet am 01.04.2024!
Die ersten bundesweiten Kennzahlen zu den Therapiehäufigkeiten bei Milchkühen wurden im Rahmen des Antibiotikamonitorings veröffentlicht. Tierhaltern von minimierungspflichtigen Nutzungsarten wurden mittlerweile ihre …
Mehr lesen...Weitere Arbeitsgebiete
Veranstaltungen
17. Milcherzeugerforum in Bremervörde-Elm
26.11.2024
Zum diesjährigen Milcherzeugertag am 26.11.2024 in Schomaker's Landgasthof laden wir Sie recht herzlich ein! Die Anmeldung ist bis zum 24.11.2024 möglich. Damit Sie alle einen Platz bekommen und die reibungslose …
Mehr lesen...21. Milcherzeugertag in Apen-Godensholt
27.11.2024
Zum diesjährigen Milcherzeugertag am 27.11.2024 im Gasthof Rothenburg in Apen-Godensholt laden wir Sie recht herzlich ein! Die Anmeldung ist bis zum 20.11.2024 möglich. Damit Sie alle einen Platz bekommen und die …
Mehr lesen...Grundschulung Milchsammelwagenfahrer
27.11.2024
Grundschulung für Milchsammelwagenfahrer gemäß der Verordnung zur Fortentwicklung des Rohmilchgüterechts §§ 7-10 müssen alle Probenehmer über die Sachkunde zur Probenahme mittels Technik des …
Mehr lesen...2. Gemeinsames Winterprogramm 2024/2025 Emsland
27.11.2024 - 12.02.2025
Auch in diesem Jahr bietet die Landwirtschaftskammer der Bezirksstelle Emsland gemeinsam mit dem Verein landwirtschaftlicher Unternehmer Lingen, dem Verein landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen Meppen und dem Verein landwirtschaftlicher …
Mehr lesen...Arbeitskreis Kälberaufzucht "KiNi" - Region Nord (Oldenburg, Ostfriesland, Wesermarsch, etc.) - Kälberinitiative Niedersachsen
30.11.2024 - 31.12.2024
Im Rahmen der "Kälberinitiative Niedersachsen. Vital. Von Anfang an" wird ein kostenloser Arbeitskreis für niedersächsische Kälberhalter (Milchviehhalter, Kälbermäster, Fresseraufzüchter, …
Mehr lesen...Arbeitskreis Kälberaufzucht "KiNi" - Region West (Grafschaft Bentheim, Emsland, Leer, etc.) - Kälberinitiative Niedersachsen
30.11.2024 - 31.12.2024
Im Rahmen der "Kälberinitiative Niedersachsen. Vital. Von Anfang an" wird ein kostenloser Arbeitskreis für niedersächsische Kälberhalter (Milchviehhalter, Kälbermäster, Fresseraufzüchter, …
Mehr lesen...Beratungsangebote & Leistungen
Seminarkreis Milch-Landfrauen Emsland
Als engagierte Landfrau auf einem Milchviehbetrieb suchen Sie den fachlichen und persönlichen Austausch mit ihren Berufskolleginnen.
Mehr lesen...Milchvieh-Spezialberatung
Sie sind ein engagierter Milchviehhalter und wünschen eine fachliche und fundierte Unterstützung in der Beurteilung ihrer Produktionstechnik und/oder bei der Stallbauplanung.
Mehr lesen...Arbeitsgruppe Rationsplaner
Für Sie ist die gezielte Fütterung der Grundstein des Erfolgs in der Milchviehhaltung, Jungviehaufzucht und Rindermast. Mit Hilfe eines Fütterungsprogramms (Ratíonsplaner) möchten Sie in der Lage sein, notwendige …
Mehr lesen...Beratung in der Rindermast
Sie beabsichtigen sich zu verschiedenen Themen in der Rindermast informieren. Sie möchten die Haltung in Bezug auf die Tiergerechtheit verbessern und planen möglicherweise eine Stallerweiterung oder einen Neubau. Sie wollen …
Mehr lesen...Arbeitskreis Bullenmast
Sie möchten Ihre Leistungsergebnisse in der Bullenmast verbessern oder suchen eine Möglichkeit zum (über-)regionalen Informationsaustausch?
Mehr lesen...Aufzucht von Kälbern und Jungrindern
Sie sind Rinderhalter und mit den Ergebnissen der Aufzucht ihrer Kälber und Jungrinder nicht zufrieden? Sie wollen sich über neue Fütterungs- und Haltungskonzepte informieren? Die Kälber- und Jungtierverluste in Ihrem Betrieb …
Mehr lesen...Drittmittelprojekte
5G Smart Country
Ausgangslage Weltbevölkerungswachstum, Ressourcenverknappung und schwieriger werdende klimatische Bedingungen machen es erforderlich, noch mehr Nahrung zu produzieren. Laut Prognosen muss die landwirtschaftliche Erzeugung mind. um 50% erhö…
Mehr lesen...Abibewässerung
Ausgangslage Die durch den Klimawandel zunehmend negative klimatische Wasserbilanz in der Vegetationsperiode führt zu einem erhöhten Bedarf an Wasser für die Feldberegnung. Gleichzeitig erfordert die zunehmende Nutzungskonkurrenz um …
Mehr lesen...ADAM
Ausgangslage ADAM ist ein 42-monatiges transdisziplinäres Forschungs- und Umsetzungsprojekt zur Steigerung der Biodiversität im Intensivgrünland. Es sind Partner aus der Wissenschaft (Bewilligungsempfänger Universität Gö…
Mehr lesen...AGrON
Ausgangslage In Deutschland gibt es regionale Unterschiede beim landwirtschaftlichen Nährstoffanfall. So gibt es beispielsweise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Landkreise mit starkem Nährstoffüberschuss, aber auch …
Mehr lesen...AQUARIUS
Ausgangslage Die Niederschläge in der östlichen Lüneburger Heide sind deutlich niedriger als im übrigen Niedersachsen. Der eigentliche Wasserbedarf der landwirtschaftlichen Kulturen liegt dann oftmals sogar noch über …
Mehr lesen...Beratungsgrundlagen Umsetzung Düngeverordnung
Ausgangslage Neue bundeseinheitliche rechtliche Anforderungen sowie zusätzlich landesweit geltende neue Regelungen ab 2021 fordern seitens der Landwirtschaft intensive Anpassungsmaßnahmen mit dem Ziel eines verstärkten Umwelt- und …
Mehr lesen...