Saatguternte bei der Küstentanne, wichtiger denn je!
Die Saatguternte hat eine sehr große Bedeutung für den Waldumbau im Privatwald in Niedersachsen. In Zeiten des Klimawandels benötigen die Wälder gesichertes Saatgut für die Begründung von klimastabilen Wäldern. Die Samen der Küstentanne sind eine empfohlene Option zur Erweiterung der Baumartenvielfalt.
Wenn Tim Schröder und Anders Vinther auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz sind, geht es hoch hinaus: Die beiden Männer sind in der Baumpflege tätig und gehen im Spätsommer einer besonderen Aufgabe nach, die wesentliche Grundlage für den Waldumbau in Niedersachen und in anderen Bundesländern ist. Ende August sind Schröder und Vinther in den teilweise mehr als 40 Meter hohen Kronen eines Küstentannenbestandes bei Ankum im Westen Niedersachsens anzutreffen. Mithilfe der Seilklettertechnik ernten sie dort die Zapfen der ursprünglich aus Nordamerika stammenden Nadelholzbaumart – keine leichte Aufgabe.
„Je nach Bestand schaffen wir pro Tag und Person etwa fünf Bäume. Die Arbeit läuft im Akkord, aber davon lassen wir uns nicht treiben. Die Sicherheit geht vor“, erklärt Tim Schröder. Ursprünglich stammt der Baumpfleger sogar aus dem nicht weit entfernten Lotte-Wersen, mittlerweile lebt Schröder aber in Hamburg und kümmert sich dort mit einer eigenen Firma um die Bäume der Hansestadt. Gemeinsam mit dem Dänen Anders Vinther bereitet er sich an einem Samstagmorgen auf den Aufstieg vor, die Bäume für die Saatguternte haben sie schon am Tag zuvor ausgewählt. Die Nacht haben sie im Wald verbracht, die kommenden Arbeitstage sind lang und enden erst in den späten Abendstunden.
Zulassung von Saatgutbeständen
Längst nicht jeder Bestand ist für die Saatguternte geeignet, unabhängig von der Baumart. Voraussetzung ist eine Zulassung als Saatgutbestand, die nach entsprechender Eignung durch das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erfolgt. „Bei der Besichtigung vor Ort wird der jeweilige Bestand genau unter die Lupe genommen. Im Fokus stehen unter anderem die Wüchsigkeit und die Qualität der Bäume, etwa im Hinblick auf gerade Schäfte und Feinastigkeit“, erklärt Steffen Themann, der die Bezirksförsterei Ankum der Landwirtschaftskammer Niedersachsen leitet und die Saatguternte in der Küstentanne gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Wiemer vom Forstamt Weser-Ems fachlich begleitet.
Die Zulassung zum Saatgutbestand hat vor einigen Jahren noch Themanns Vorgänger Gerd Holzgräfe in die Wege geleitet und eine erste Ernte durchführen lassen. Auch in diesem Jahr hat Holzgräfe noch vor seinem Ruhestand den Behang der Küstentannen mit Zapfen eingeschätzt und schließlich die Ernte noch in die Wege geleitet. „Die Küstentanne ist eine schnellwüchsige Baumart, das macht sie für Waldbesitzer durchaus interessant. Auf passenden Standorten kann sie ihre enorme Wuchskraft gut ausspielen“, erklärt Themann. In dem Saatgutbestand steht auch die stärkste Küstentanne des Bezirks, in Brusthöhe hat sie einen Durchmesser von 115 Zentimetern – dabei sind die Bäume erst 1961 gepflanzt worden. Für Tim Schröder und Anders Vinther beginnt die schweißtreibende Arbeit schon mit dem Aufstieg in die Krone.
Qualitätskriterien des Saatgutes
Die charakteristischen kleinen Harzgallen der Küstentanne auf der Rinde hinterlassen schnell ihre Spuren auf der Kleidung der Zapfenpflücker In den Wipfeln sind die Männer der Sonneneinstrahlung stärker ausgesetzt, genau hier ernten sie die Zapfen. Vorher aber werden mehrere Zapfen aufgeschnitten – enthalten sie keine oder nur wenige Samen, ist die Arbeit umsonst und der nächste Baum muss aufgesucht werden. „Es sollten mindestens 50 Prozent Samen je Zapfen enthalten sein. Angeschnitten sehen die Samen etwa so aus wie ein kleines Reiskorn“, erklärt Tim Schröder. Das entspreche etwa 35 bis 40 Samen pro Zapfen.
Erntemengen
Die ersten Bäume in Ankum sind taub, enthalten also keine Samen. Später sind Schröder und Vinther erfolgreicher, können die mitgeführten Säcke nach und nach mit Zapfen füllen. Ein voller Sack wiegt am Ende etwa 20 bis 30 Kilogramm und wird nach einem Warnruf zu Boden fallen gelassen. Bezahlt werden die beiden Baumkletterer im Akkord, in diesem Fall nach dem Gewicht der Zapfen. Für Fehlstiege, etwa wenn die Zapfen taub sind, gibt es eine Entschädigung. Wenn es gut läuft, ernten erfahrene Zapfenpflücker etwa 150 bis 200 Kilogramm pro Tag. Trotz aller Mühen: „Die Arbeit im Wald entspannt, abends sitzen wir gemeinsam draußen“, erzählt Tim Schröder. Davor aber müssen die Säcke mit den Zapfen in eine Halle gebracht und dort entleert werden. Die dichte Lagerung in den Behältern würde sich sonst negativ auf die Qualität des Saatgutes auswirken. Nach dreieinhalb Tagen haben Schröder und Vinther schließlich knapp 1.260 Kilogramm geerntet – das Saatgut stammt von 45 verschiedenen Bäumen. Für jeden dieser Bäume wird eine Probe aus zwei Zapfen hinterlegt. Abnehmer des Saatgutes ist Josef Schlör, der mit Wald- und Gehölzsamen handelt und im Jahr etwa 200 Tonnen Saatgut unterschiedlicher Baum- und Gehölzarten umsetzt. Bei der Abnahme in Ankum sind auch wieder Andreas Wiemer als Saatgutbeauftragter und Bezirksförster Steffen Themann mit dabei. Die Ernte wird erneut gewogen und in Säcken zu je 25 Kilogramm abgefüllt. Dabei arbeiten Händler, Zapfenpflücker und Förster Hand in Hand.
Als Saatgutbeauftragter hat Andreas Wiemer die Ernte in der Küstentanne nicht nur beim Ministerium angemeldet, er füllt vor Ort auch das sogenannte Stammzertifikat aus. Darin werden nicht nur Land und Herkunftsgebiet des Ausgangsmaterials, das Ernteverfahren und die Art des Vermehrungsgutes festgehalten, auf dem Dokument wird auch das genaue Gewicht des Saatgutes und die Anzahl der Verpackungseinheiten vermerkt. Später lässt sich durch das Stammzertifikat der gesamte Ernteablauf und vor allem auch die Herkunft des Saatgutes nachvollziehen.
In Wertheim Lindelbach, dem Sitz der Firma Schlör, wird das Saatgut anschließend weiter aufbereitet und an Baumschulen vermarktet. Bis die Setzlinge dann ihren Weg in die Wälder finden, verstreichen dann nochmal je nach Sortiment drei bis vier Jahre in den Pflanzbeeten der Baumschulen. Für den Waldbesitzer bleibt ein eher kleiner Auszahlungsbetrag von einem Euro pro Kilogramm Zapfen. „Das Saatgut der Küstentanne ist momentan nicht so gefragt, deshalb ist auch der Auszahlungsbetrag nicht so hoch. Anders sieht das derzeit zum Beispiel bei Eiche und Linde aus“, erklärt Josef Schlör.
Wie wichtig die Saatguternte auch bei Baumarten mit eher geringem Erlös ist, verdeutlichen Steffen Themann und Andreas Wiemer: „Für den Waldumbau unserer Wälder in Niedersachsen brauchen wir innerhalb der Baumarten eine möglichst große Vielfalt, auch was die unterschiedlichen Herkünfte angeht. Das ist ein wichtiger Baustein, um den Wald von morgen fit für den Klimawandel zu machen“, sind sich die Förster einig. Durch die vielen durch Trockenheit und Borkenkäferbefall entstanden Freiflächen ist der Bedarf nach standortgerechten Setzlingen und damit auch entsprechendem Saatgut in den nächsten Jahren hoch – nichtnur in Niedersachsen.
Forstliches Saatgut braucht das Land
Forstliches Saatgut ist begehrt. Doch ohne Weiteres darf es nicht in Verkehr gebracht werden, selbst wenn die Ernte noch so groß ist. Die dafür notwendigen Schritte ist ein Waldbesitzer in Südniedersachsen gegangen, berichtet Bezirksf…
Mehr lesen...Weitere Arbeitsgebiete
Beratungsangebote & Leistungen
Beratung und Fortbildung für Waldbesitzer/innen
Als Waldeigentümer oder Waldinteressierter überlegen Sie den Einstieg in die Waldbewirtschaftung oder möchten Ihr forstliches Wissen verbessern bzw. auffrischen. Sie benötigen fachgerechte Informationen zur richtigen …
Mehr lesen...Drittmittelprojekte
5G Smart Country
Ausgangslage Weltbevölkerungswachstum, Ressourcenverknappung und schwieriger werdende klimatische Bedingungen machen es erforderlich, noch mehr Nahrung zu produzieren. Laut Prognosen muss die landwirtschaftliche Erzeugung mind. um 50% erhö…
Mehr lesen...CO-2-OPT
Ausgangslage Das Projekt CO-2-OPT widmet sich dem Klimaschutzbeitrag der Waldbewirtschaftung und Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz. Am Beispiel des Landkreises Harburg wurde untersucht, wie sich Klimaschutz vor Ort im Spannungsfeld …
Mehr lesen...GeProOpt_Holz
Ausgangslage Trotz der Rationalisierungs- und Mechanisierungsbemühungen, die in den letzten Jahren unternommen wurden, um die Nachhaltigkeit der Waldwirtschaft zu erhalten, sind die Kosten der Holzversorgung weiter gestiegen und die …
Mehr lesen...greenGain
Ausgangslage Das Projekt greenGain hat sich zum Ziel gesetzt die energetische Verwertung regionaler und lokaler Biomasse aus Landschaftspflegemaßnahmen in ganz Europa zu stärken. Das EU Programm Horizont 2020 hat die vollstä…
Mehr lesen...KliWa4NiSa
Ausgangslage Die Wälder leiden stark unter den Witterungsextremen, die der Klimawandel mit sich bringt. Insgesamt 59 % der Waldfläche Niedersachsens befinden sich im privaten Besitz. Davon zählt ein Großteil (45 %) des Besitzes …
Mehr lesen...Prima
Ausgangslage Das Risikomanagement identifiziert die Ziele, die ein Betrieb erreichen möchte und von welchen Faktoren sie beeinflusst werden. Welche Baumarten Waldbesitzer angesichts des Klimawandels pflanzen sollten, wie sicher Wälder …
Mehr lesen...