Landessortenversuche 2023: Dinkel (Spelzweizen)
Die Anbaufläche von Dinkel wird sich für das kommende Jahr in Niedersachsen vermutlich nochmals reduzieren, da die Flächenausweitung in den letzten Jahren und die hohen Erträge zu einem Überangebot geführt haben. Gleichwohl werden in den Landessortenversuchen die Leistungen etablierter Sorten und neuer Kandidaten weiterhin geprüft, um den züchterischen Fortschritt abbilden zu können.
Dinkelanbau ist derzeit nur noch im Vertragsanbau sinnvoll
Die Dinkelanbaufläche in Niedersachsen hat sich gegenüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte reduziert. Sie beträgt auf der Basis der Invekos-Zahlen nunmehr lediglich 5.860 ha incl. der Ökoflächen. Die Ursache für den drastischen Rückgang vor allem im konventionellen Anbau liegt im Preisverfall bei den Erntemengen von nicht durch Vertragsanbau abgesicherten Anbauflächen. Da es sich bei Dinkel um ein vorwiegend in Deutschland nachgefragtes Brotgetreide handelt, ist der Markt recht eng begrenzt. Der in den letzten Jahren zum Teil stark zunehmende Anbau führte zu einem deutlichen Überangebot. Vielfach wird von entsprechend hohen Lagerbeständen aus den Vorjahren berichtet. Verträge in dem Umfang, wie sie noch vor einem Jahr angeboten wurden, sind für die kommende Ernte deutlich reduziert worden. Daher wird die Aussaat im Herbst wohl noch weiter eingeschränkt werden.
Allgemeines zum Dinkel (Spelzweizen)
Der Dinkel oder auch Spelzweizen ist eine alte Kulturform des Weizens. Optisch unterscheidet er sich vom üblich angebauten Weichweizen durch seine relativ lange und lockere Ähre, das bespelzte Korn und das lange Stroh, das die Gefahr von Lager birgt. Von Seiten der Züchtung wurden in den letzten Jahren bereits deutlich kürzere Sorten entwickelt. Dinkel zeichnet sich durch seine gute Winterhärte und die gegenüber Weizen geringeren Boden- und Stickstoffansprüche aus. Während Weizen in der Abreifephase goldgelb gefärbt ist, beginnen die Ähren und Halme bei Dinkel sich mit zunehmender Reife rötlich zu verfärben, weshalb er auch als „Rotkorn“ bezeichnet wird. Geerntet und vermarktet werden die sogenannten Vesen. Es handelt sich dabei um die Ährchen, die meistens zwei Körner enthalten. Durch den hohen Anteil der Spelzen - je nach Sorte ca. 20 bis 25 % - liegt der Kornertrag letztlich um diesen Prozentsatz niedriger als der Vesenertrag. Beim Transport und Verkauf ist das gegenüber Weizen deutlich geringere Hektolitergewicht und das höhere Volumen zu beachten.
Dinkel findet in der menschlichen Ernährung vielseitig Verwendung, nicht nur in den klassischen Broten. Er hat sowohl für Spezialgebäcke als auch für die Nudelherstellung oder als Frühstückscerealie seine Bedeutung erlangt.
Gegenüber dem gängigen Weichweizen weist Dinkel höhere Eiweiß- und Klebergehalte auf, hat eine andere Protein- und Kleberstruktur und ist überdies sehr mineralstoffreich, besonders in puncto Kieselsäure.
Anbauhinweise
In den letzten Jahren hat sich die Aussaat von entspelztem Saatgut deutlich durchgesetzt, da es für die Aussaat insbesondere mit pneumatischen Drillmaschinen wesentlich unproblematischer ist. Die Aussaat der Vesen wird vorrangig mit mechanischen Säaggregaten durchgeführt; sie hat aufgrund der günstigeren Saatgutpreise nach wie vor ihre Bedeutung, zumal die Gefahr der Keimlingsbeschädigung bei diesem Verfahren geringer ist. Der Aussaatzeitpunkt ist vergleichbar mit dem von normalem Winterweizen. Die Saatstärke sollte in Abhängigkeit vom Saattermin und den Bodenbedingungen gewählt werden. Bei früher Aussaat sollten ca. 200 Körner bzw. 100 Vesen/m² ausgesät werden. Bei später Aussaat hingegen müssten bereits 450 Körner bzw. 225 Vesen/m² ausgebracht werden.
Ergebnisse der Landessortenversuche
Seit einigen Jahren werden in Niedersachsen die angelegten Sortenversuche in Kombination mit Wertprüfungsstämmen des Bundessortenamtes (BSA) gemeinsam an den Standorten Poppenburg (LK HI), Königslutter (LK HE) und im Gebiet der Versuchsstation Höckelheim (LK NOM) angelegt. Bei erfolgter Sortenzulassung durch das BSA können dadurch bereits nach dem ersten LSV-Jahr die Vorprüfungsergebnisse zur Erweiterung der Datenbasis mit in die Auswertung einbezogen werden.
Insgesamt wurden 2023 10 zugelassene Sorten geprüft. Am längsten steht die bereits 1995 vom BSA zugelassene Sorte Franckenkorn in den Prüfungen. Sie fungiert als Vergleich zur Beurteilung der züchterischen Weiterentwicklung neuerer Sorten. Mit den beiden 2016 zugelassenen Sorten Badensonne und Hohenloher stehen ebenfalls schon mehrjährig geprüfte Sorten in den Versuchen. Die 2018 zugelassenen Sorten Zollernperle und Albertino haben sich bundesweit bereits gut etabliert, was anhand der Vermehrungszahlen erkennbar wird. Zollernfit und Franckentop standen im vierten bzw. dritten Prüfjahr, wobei erstere anhand der Vermehrungszahlen erkennbar bereits stärker in die Praxis eingeführt wurde. Franckentop soll künftig vor allem die in der Vermehrung zurückgefahrene Sorte Franckenkorn ersetzen, weil sie in den Qualitätseigenschaften und der Standfestigkeit deutliche Vorteile bietet. Erstmalig im LSV standen die drei 2022 zugelassenen Sorten Stauferpracht, Badenglanz und Alboretto.
Der Vesenertrag lag 2023 im Mittel der zwei wertbaren Standorte Poppenburg und Höckelheim bei guten 84 dt/ha und damit auf dem Niveau der Jahre 2020 und 2022 und gleichzeitig 5 dt/ha höher als im Jahr 2021. Zumindest auf diesen Prüfstandorten konnte man mit den Erträgen durchweg zufrieden sein, wie auch vielfach von den Dinkelanbauern bestätigt wurde.
In den diesjährigen Landessortenversuchen erreichte Badensonne mit rel. 108 das beste Ergebnis dank zweier sehr guter Einzelortergebnisse. Hohenloher, Zollernperle und die erstmalig geprüfte Sorten Stauferpracht erreichten ebenfalls überdurchschnittliche Erträge. Ein ungewöhnlich schwaches Ergebnis lieferte Zollernfit ab, die in den beiden Vorjahren durchaus zu überzeugen wusste, aber nunmehr nur das unterdurchschnittliche Niveau aus dem ersten LSV-Jahr 2020 erzielte. Albertino hingegen konnte mit rel. 101 wieder überzeugen. Franckentop erreichte nach einem schwächeren Vorjahresergebnis aktuell wieder einen durchschnittlichen Ertrag. Die alte Sorte Franckenkorn bestätigte ihre Ertragskonstanz auf allerdings unterdurchschnittlichem Ertragsniveau Die beiden weiteren neuen Sorten Badenglanz und Alboretto hingegen erreichten im ersten Prüfjahr durchschnittliche Leistungen.
Hohenloher ist derzeit die einzige langjährig geprüfte Sorte, die in allen Jahren durch überdurchschnittliche Leistungen überzeugte und damit auch den höchsten mehrjährig verrechneten Ertrag erzielte. Bei etwas schwankenderen Jahreserträgen erreichte die nunmehr fünfjährig geprüfte Sorte Albertino das zweitbeste Ergebnis. Mit ebenfalls etwas schwankenderen Jahreserträgen konnte Badensonne dank der sehr hohen aktuellen Werte ebenfalls überzeugen. Zollernperle konnte sich mehrjährig betrachtet durch das gute 23er Ergebnis wieder verbessern, ohne jedoch mit rel. 98 zu überzeugen. Zollernfit hingegen fiel aufgrund der schlechten diesjährigen Ergebnisse auf ein vergleichbar niedriges Niveau zurück. Bei der Sorte Franckentop fallen auch die schwankenden Jahresergebnisse auf, sodass mehrjährig unter Einbeziehung der Wertprüfungsergebnisse lediglich ein unterdurchschnittlicher Ertrag ermittelt wurde. Die noch als Vergleichssorte mitgeprüfte Sorte Franckenkorn kann mit den neueren Sorten wie in den Vorjahren auch nicht mehr mithalten.
Bei den drei erstmalig im LSV geprüften Sorten scheinen in erster Linie Badenglanz und Alboretto unter Einbeziehung der WP-Ergebnisse gute Erträge zu generieren. Für eine sichere Beurteilung sind jedoch weitere Ergebnisse erforderlich.
Qualitätsparameter
Wichtige Vermarktungskriterien beim Dinkel sind die Restfeuchtegehalte, der Rohproteingehalt sowie die Fallzahl. In den vom Landhandel oder den Genossenschaften angebotenen Verträgen werden Standardqualitäten in ca. folgender Größenordnung gefordert: 12 - 13 % RP, 240 - 270 s Fallzahl, max. Feuchte 14,5 - 15,0 %. Insbesondere das Erreichen der geforderten Fallzahl kann in Jahren mit ungünstigen Witterungsbedingungen zum Zeitpunkt der Ernte zu Problemen führen. Überraschenderweise wurde von Seiten des Landhandels jedoch während der diesjährigen Ernte von keinen ungewöhnlich starken Problemen berichtet, obwohl es beim Weichweizen hier stärkere Auffälligkeiten gab. Oftmals wurden die Bestände wenn möglich recht zeitig beerntet. Eine zeitnahe Beerntung der Bestände ist in jedem Fall anzuraten, um einem Sinken der Fallzahl vorzubeugen. Das spiegelt sich auch in den diesjährigen LSV-Ergebnissen wider. Die Schwankungsbreite der Standorte lag zwischen 335 sec. bei dem am 09.08. geernteten Versuch in Königslutter und bei 161 sec. bei dem am 22.08 geernteten Versuch in Poppenburg. Mit hohen Fallzahlen > 260 sec. konnten im Mittel der Versuche vor allem Stauferpracht (320 sec.) Badenglanz (293 sec.), Franckentop (275 sec.) und Albertino (264 sec.) überzeugen, wobei Stauferpracht und Franckentop die hohe Einstufung seitens des BSA bestätigen. Fallzahlen unterhalb 200 sec. hingegen wurden bei Zollernperle und Zollernfit ermittelt.
Mit hohen RP-Gehalten und guten und sicheren Fallzahlen können laut BSA vor allem Franckenkorn, Hohenloher und Zollernfit überzeugen. Von den neuen Sorten sind hier auch Stauferpracht und Badenglanz gut eingestuft. Franckentop liefert die höchsten Fallzahlen. Das Merkmal Kernausbeute beschreibt das Verhältnis von Kern- zu Vesenertrag und stellt somit eine entscheidende Größe für die Wirtschaftlichkeit bei der Weiterverarbeitung des Erntegutes dar. Hohe Kernausbeuten erreichen laut Einstufung des BSA Badensonne, Zollerperle, Albertino und Franckentop.
Für die Sortenentscheidung sind neben den ertraglichen und agronomischen Kriterien vor allem die Sortenvorgaben der aufnehmenden Hand entscheidend, da der Anbau zum überwiegenden Teil über Verträge vor der Aussaat vereinbart wird.
Die Sorten im Einzelnen
Albertino ist derzeit die bundesweit vermehrungsstärkste Sorte. Ihre hohe Ertragsfähigkeit konnte sie auch in diesem Jahr unter Beweis stellen. Darüber hinaus überzeugt sie in den Qualitätsmerkmalen Kernausbeute und hohe Fallzahl. Zu beachten sind aber die höhere Lagergefahr – besonders im Jahr 2021 Ursache für schwache Erträge – sowie die Anfälligkeit gegenüber Mehltau und Braunrost.
Die ertragsstärkste Sorte Hohenloher ist mit mittlerer Standfestigkeit und Blattgesundheit eingestuft. Qualitativ liefert sie insgesamt mittlere Werte. Trotz der guten Ertragsleistungen geht sie in den Vermehrungszahlen deutlich zurück.
Die ebenfalls ertragsbetonte, aber etwas später abreifende Sorte Badensonne zeigt gegenüber Mehltau und Braunrost Schwächen bei mittlerer Standfestigkeit. Qualitativ überzeugt sie vor allem mit hohen Werten in der Kernausbeute.
Zollernperle erreichte mehrjährig betrachtet recht schwache Erträge, zeigt sich darüberhinaus aber als blattgesund. Auffällig in diesem Jahr war die stärkere Lagerneigung bereits zum Zeitpunkt des Ährenschiebens. Positiv hervorzuheben sind die hohen Kernausbeuten.
Zollernfit erwies sich in den vier LSV Prüfjahren als sehr schwankend im Ertrag mit letztlich nur unterdurchschnittlichen Ergebnissen. Sie punktet vor allem dank geringer Pflanzenlänge durch eine sehr gute Standfestigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber Mehltau und Braunrost, was wohl auch Grund für die bereits recht hohen Vermehrungszahlen ursächlich ist. Zu beachten sind die Blattseptoriaempfindlichkeit und etwas spätere Reife. Qualitativ erreicht sie eher durchschnittliche Werte bei der Kernausbeute.
Die dreijährig geprüfte standfeste Sorte Franckentop liefert qualitativ gesehen die besten Leistungen, vor allem durch die sehr gute Fallzahl bei gleichzeitig auch hohen Kernausbeuten. Ertraglich konnte sie das schwache Vorjahresergebnis etwas ausgleichen, ohne bisher jedoch klar zu überzeugen. Bei mittlerer Standfestigkeit ist die Mehltauanfälligkeit auf der einen Seite, die Robustheit gegenüber Blattseptoria auf der anderen Seite zu erwähnen.
Der drastische Rückgang der Vermehrungszahlen bei der blattgesunden, aber langstrohigen und lageranfälligen Sorte Franckenkorn zeigt, dass die Sorte künftig keine Rolle mehr spielen wird.
Zu den drei neuen Sorten Stauferpracht, Badenglanz und Alboretto lässt sich derzeit noch keine klare Aussage treffen, ob sie künftig stärkere Bedeutung erlangen werden. Hier hängt sicherlich viel davon ab, welche Sorte für einen Vertragsanbau am ehesten in Frage kommen könnte. Aus qualitativer Sicht bieten sie momentan wohl noch keine Verbesserung gegenüber den in der Praxis etablierten Sorten.
Zusammenfassung
Das in den letzten Jahren verstärkt aufkommende Interesse am Dinkelanbau hat sich deutlich vermindert. Ökonomisch ist derzeit nur ein Vertragsanbau zu entsprechenden Konditionen sinnvoll. Freie Ware wird oftmals lediglich auf Basis Back- oder Futterweizen vermarktbar sein. Ein Anbau ohne entsprechende Vertragsabsicherung kann derzeit nicht empfohlen werden. Beim Vertragsanbau werden in der Regel die Sortenwahl und die zu erfüllenden Qualitätskriterien der anzuliefernden Ware bereits vor der Aussaat abgestimmt. Auch wenn durch den Anbau von Dinkel die Fruchtfolge erweitert wird, kann von einer Auflockerung weizendominierter Fruchtfolgen nicht unbedingt die Rede sein. Der Dinkelanbau trägt aktuell dazu bei, dass regional erzeugtes Getreide in der Region verarbeitet und beim Bäcker vor Ort eingesetzt wird. Backwaren aus/mit Dinkel genießen aufgrund der Qualitätseigenschaften ein sehr gutes Ansehen beim Verbraucher, daher sollte die Nachfrage auch weiterhin entsprechend durch den heimischen Anbau gedeckt werden.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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