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72. Grünlandtag 2024

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Effiziente Weideführung – Die Königsdisziplin des Futterbaus
Das Ziel der modernen futterbaulichen Grünlandbewirtschaftung besteht unter anderem darin, qualitativ hochwertiges Futter für die Milchproduktion zu erzeugen. Zunehmend wird hierbei eine tierwohlorientierte und nachhaltige Produktion von hochwertiger Milch und Milchprodukten gefordert. Dass dies über eine professionelle Weideführung gelingen kann, thematisierten die Vorträge des gut besuchten 72. Grünlandtags der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. 


„Welche Zukunft hat die Weide?“ lautete das Motto der Veranstaltung, zu der am 08.02.2024 etwa 160 Besucher nach Rodenkirchen (Landkreis Wesermarsch) kamen. Weidende Tiere sind das Sinnbild der tiergerechten Haltungsform und entsprechen in den Augen vieler Konsumenten dem Standard aktueller Milchproduktionssysteme. Über viele Jahrzehnte hat diese Haltungsform unsere Kulturlandschaft geprägt, ihre Bedeutung nahm jedoch aufgrund des Trends hin zur Stallhaltung in Verbindung mit der Nutzung technischer Innovationen und dem Fokus auf hohe Einzeltierleistungen stetig ab. Unabhängig von diesem Trend sollte jedoch die Wettbewerbsfähigkeit der milchproduzierenden Betriebe gewahrt werden, egal ob im Stall oder auf der Weide. Dies gelingt am besten mit einer täglich ausgewogenen Einzeltierfütterung und den damit verbundenen hohen Futternutzungseffizienzen. Dass die Weide auch in diesem Zusammenhang nicht an Bedeutung verloren hat, belegen viele weidende Grünlandbetriebe: Kostengünstig und erfolgreich Milch produzieren durch eine professionelle Weidehaltung kann gelingen. Doch welche Stellschrauben auf dem Betrieb sind maßgebend für eine effiziente Produktion auf der Weide und wie kann das aktuelle Management angepasst werden, um möglichst kostengünstig Milch aus der Weide zu erwirtschaften? Und ist diese Produktionsweise hinsichtlich sich verschärfender Umweltauflagen und steigender Produktionskosten überhaupt zukunftstauglich?
Fragen wie diese wurden auf dem 72. Grünlandtag am 8. Februar in Rodenkirchen beantwortet. Dabei wurde die Zukunft der Weidewirtschaft aus verschiedenen Disziplinen beleuchtet: Dr. Tammo Peters (LWK Niedersachsen) ging auf die Herausforderungen, aber auch die Vorteile der Weidehaltung von Milchkühen ein, Dirk Albers (LWK Niedersachsen) stellte aus der Sicht der Tierernährung vor, worauf bei der Beweidung in der Milchviehfütterung zu achten. Neueste Erkenntnisse betriebswirtschaftlicher und ökologischer Untersuchungen auf Praxisbetrieben wurden von dem Weideexperten Dr. Ralf Loges (CAU Kiel) präsentiert. Wie sich die Umsetzung eines professionellen Weidemanagements auf dem Betrieb bei gleichzeitig hohen Einzeltierleistungen umsetzen lässt, erläuterte abschließend der Weidelandwirt Jörg Riecken mit einem eindrucksvollen Bericht aus der Praxis.  
In seinem Grußwort ging der Kammerpräsident Schwetje auf das Grünland als prägendes Landschaftselement ein. Weiterhin beleuchtete er in einem kurzen Sachstandsbericht die aktuellen Belange, die die Landwirtschaft und die Öffentlichkeit derzeit bewe-gen, wie den Bauernprotesten, die Situation nach dem Hochwasser oder aber das Ziel der Wiedervernässung von landwirtschaftlich genutzten Mooren. 


Wesentliche Aussagen von Dr. Tammo Peters 
Zu Beginn seines Vortrages stellte Herr Peters die Entwicklung des Milchsektors in den letzten Dekaden vor und thematisierte in diesem Zusammenhang die stetige Abnahme der Milchviehbetriebe, jedoch die gleichzeitig enormen Produktionssteigerungen die sich in einer gleichbleibenden absoluten Milchmenge widerspiegeln. Möglich gemacht wurde diese Entwicklung durch den technologischen Fortschritt in den Bereichen Landtechnik, Zuchttechnologien und Fütterung mit energie- und proteinreichen Futtermitteln, vorrangig in Stallhaltungssystemen. Dass weisebasierte Produktionssysteme jedoch konkurrenzfähig zu Stallhaltungssystemen sein können, machte Dr. Peters an einigen Punkten deutlich. So kann die Produktion auf der Weide nicht nur hinsichtlich der Tiergesundheit, Milchqualität und der gesellschaftlichen Akzeptanz vorteilhaft sein, sondern auch hinsichtlich der Produktionskosten, die bei richtigem Management geringer ausfallen können. Auch sind die Trockenmasseverluste, die bei schnittgenutzten Flächen im Rahmen der Ernte-, Silier- und Fütterungskette bis zu 30 % betragen können, bei professioneller Weidehaltung geringer anzusetzen. Um eine hohe Futternutzungseffizienz zu erzielen, ist ein ausgewogenes Zusammenspiel der Trockenmasse-Aufnahme und des Futterangebotes auf der Weide ein Schlüssel für ein erfolgreiches Weidemanagement. Hierbei spielt auch das Blattstadium des Grases eine wesentliche Rolle, dessen Energieertrag im 3-Blatt-Statium maximal ist. Herr Dr. Peters stellte weiter vor, dass intensiv beweidete Grasnarben eine höhere Triebdichte und damit eine dichtere Grasnarbe insgesamt aufweisen als schnittgenutzte Bestände und damit keinen Platz für unerwünschte Gräser oder Kräuter mit geringem Futterwert ließen. Unter Beweidung sei es demnach möglich, sehr hohe Energie (>7,5 MJ NEL/kg TM) – und Rohproteinkonzentrationen (> 25 % XP i.d.TM) zu erzielen, die direkt vom Tier aufgenommen werden können. Die Voraussetzung sei jedoch, dass die Grasbestände in jungem Stadium gefressen werden. Als wesentliche Herausforderung stellt Herr Peters die jahreszeitlichen Schwankungen und deren Auswirkungen auf den Futterzuwachs auf der Weide dar, die das Weidemanagement und die Fütterung mit Blick auf die Effizienz bestimmten und ein professionelles Management erforderlich machten. Auch die Ausgestaltung der zum Betrieb passenden Weideinfrastruktur nannte Herr Peters als Grundvoraussetzung und Herausforderung. Insgesamt bleibt eine effiziente Weideführung die Königsdisziplin des Futterbaus, jedoch mit sehr hohem Potential, das aktuell häufig in der Praxis noch nicht ausgeschöpft würde.

Wesentliche Aussagen von Dirk Albers 
Aus Sicht der Tierernährung stellte Dirk Albers vor, wie hoch der Bedarf der Holstein-Friesian Milchkuh und das Angebot an Energie und Nährstoffen im Weidegras sind und wie hoch entsprechend das Milchleistungspotential auf der Weide sein kann. Demnach reiche laut Herrn Albers sowohl der Energiegehalt als auch der des nutzbares Rohproteins im Weidegras nicht über die gesamte Vegetationsperiode aus, um den Bedarf einer Hochleistungsmilchkuh mit einer Leistung von 35 kg Milch pro Tag zu decken. Weiterhin sei aufgrund der hohen XP-Gehalte besonders im Frühjahr und Herbst auf eine ausbalancierte Zufütterung zu achten. Speziell verwies Herr Albers dabei auf die Ruminale-N-Bilanz, die es besonders in diesen Zeiträumen zu beachten gilt. Bei der Umstellung von Stallfütterung auf Weidehaltung sollte im Frühjahr eine langsame Gewöhnung an das Weidegras stattfinden. Eine weitere Herausforderung stellt zudem die Grünfuttertrockenmasseaufnahme im Jahresverlauf dar, die von der Qualität des Grasbestandes und der Bestandesdichte abhängt. Auch hier wurden die Herausforderungen in der Tierfütterung deutlich, die Fingerspitzengefühl in der Weideführung voraussetzen. Weidetieren sollte zudem immer ausreichend und hygienisch einwandfreies Wasser und die Möglichkeit, sich bei zu starker Sonneneinstrahlung schützen zu können, zur Verfügung gestellt werden. Wer effizient weiden möchte und eine hohe Milchleistung aus der Weide erzielen möchte, sollte sich eingängig mit der Thematik der Fütterung und Zufütterung, besonders von hochleistenden Tieren, auseinandersetzen.

Wesentliche Aussagen von Dr. Ralf Loges 
Dr. Loges verwies zu Beginn seines Vortrages auf die zunehmende Schwierigkeit, eine Milcherzeugung vollkostendeckend zu praktizieren, vor allem bei volatilen Preisen für Konzentratfuttermittel, Treibstoffe und Düngemittel. Weiterhin erläuterte er die zuneh-mend steigenden Anforderungen an eine klimafreundliche und tierwohlorientierte Produktion. Anhand von zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchen verwies er auf, dass die Weide das Potential hat, als eine umweltfreundliche Futterquelle zu dienen, hinsichtlich eines geringeren Energieaufwands, eines geringeren CO2-Fußabdrucks, der Tiergesundheit und Biodiversität. Diese Vorteile sind größtenteils jedoch nur bei entsprechendem angepassten Weidemanagement zu erreichen. Allerdings habe sich mit dem Rückgang der Weidehaltung auch die Beratungstätigkeit in diesem Bereich reduziert und die Expertise in diesem Bereich entsprechend flächendeckend abgenommen.  
Anhand von Untersuchungsergebnissen die auf fünf Weide-Praxisbetrieben durchgeführt wurden, bestätigte Herr Dr. Loges die enorme Qualität und Produktivität des frischen und jung abgegrasten Weidegrases. Da diese im Jahresverlauf schwanken, mit grundsätzlich höchsten Qualitäten im Frühjahr, sei es für eine höchst effiziente Weideführung sinnvoll, über eine Blockabkalbung der Herde nachzudenken, um die erhöhten Qualitätsansprüche der Herde in der Hochlaktationsphase an den jahreszeitlichen Qualitätsverlauf des Weidefutters anzupassen.      
Hinsichtlich der Kosten verglich Herr Dr. Loges die Futterkosten auf der Weide mit denen, die für die Gras- und Maissilageproduktion auf Praxisbetrieben kalkuliert werden. So liegen die Futterkosten auf der Weide bei durchschnittlich 15,1 €-Cent/10 MJ NEL, während diese bei Grassilage bei 20,2 €-Cent/10 MJ NEL und für Maissilagen bei 18,7 €-Cent/10 MJ NEL liegen. 
Auch hinsichtlich der Kosten je erzeugte Rohprotein-Einheit sei die Weidehaltung sehr konkurrenzfähig, wobei die Kosten unter effizienter Weideführung bei 0,68 €/kg XP liegen im Vergleich zur Grassilage bei 0,84 €/kg XP und für Maissilage bei 1,82 €/kg XP. Dies sei zurückzuführen auf die geringeren Maschinen- und Energiekosten bei der Futterwerbung und der Ausbringung von Wirtschaftsdüngermitteln, die bei der Weideführung zu hohen Kostenersparnissen führen können.

Wesentliche Aussagen von Jörg Riecken
Als Praktiker und erfolgreicher Weidehalter stellte Jörg Riecken seinen Milchviehbetrieb und sein System der Vollweidehaltung vor. Jörg Riecken profitiert neben einer guten Tiergesundheit (Klauengesundheit) auch von den arbeitswirtschaftlichen Vorteilen, die das Vollweidesystem mit Blockabkalbung im Herbst mit sich bringt. Bei Anwendung dieses Systems stellte Herr Riecken heraus, dass er auch seine Hochleistungsherde in der Hochlaktationsphase im Winter im Stall voll ausfüttern und bei abfallender Milchleitung im Frühjahr den vollen Nutzen aus dem jungen und hochqualitativen Weidegras ziehen könne. Die Hauptarbeitsbelastung durch die Blockabkalbung findet in der Jahreshäfte statt, in der so gut wie keine eigenen Arbeiten mehr in der Außenwirtschaft notwendig sind. Anhand seiner Betriebskennzahlen zeigte Herr Riecken eindrucksvoll, dass so 5000 bis 6000 kg Milch pro Kuh und Jahr aus dem Grundfutter, und eine Gesamtjahresleistung von über 11000 Liter Milch/Kuh und Jahr möglich sind. Dass die Weidehaltung auch mit dem Melkroboter über die Nutzung von Selektionstoren gelingen kann, stellte Herr Riecken ebenfalls klar. Sein Weidekonzept führe dazu, dass sein Betrieb regelmäßig in den vergleichenden Ergebnissen der Betriebszweigauswertungen von einem der größten Beratungsringe in Schleswig-Holstein zu den Top-Betrieben zähle.