Digitale Transformation verändert Arbeitswelt der Agrarbranche
Der 16. Arbeitnehmertag auf der EuroTier in Hannover stand ganz im Zeichen von Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Rund 650 Besucherinnen und Besucher folgten der Einladung ins Convention Center.
Hannover – Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung versprechen höhere Effizienz, Produktivität, Nachhaltigkeit und Umweltschonung. In vielen Betrieben sind digitale Helfer längst angekommen und bringen Arbeitserleichterungen mit sich. Die Entwicklung geht immer weiter und die Arbeitswelt verändert sich.
Aber was bedeutet das für Arbeitnehmende? Wie verändern sich ihre Arbeitsplätze? Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sind künftig gefordert? Werden sie gar überflüssig? Einen Ausblick und Denkanstöße dazu gab es auf dem Arbeitnehmertag der Agrarwirtschaft auf der EuroTier in Hannover zu dem rund 650 Besucherinnen und Besucher kamen.
Digitale Transformation in allen Bereich
„Die digitale Transformation in der Agrarbranche ist derzeit eines der bedeutendsten Themen, denen wir uns als Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) stellen“, sagte Kammerpräsident Gerhard Schwetje. „Sie betrifft alle Bereiche der Landwirtschaft – ob Tierhaltung, Pflanzenbau oder Verwaltung.“ Die Kammer ist an vielen Drittmittelprojekten beteiligt und erprobt in eigenen Projekten wie dem PraxisLabor Digitaler Ackerbau die Möglichkeiten neuer Technologien in der Praxis.
Eröffnet wurde der Arbeitnehmertag von Schwetje zusammen mit Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte, die zugleich Schirmherrin des Arbeitnehmertags ist. „Die Digitalisierung kann den Landwirtinnen und Landwirten die Arbeit erleichtern, die Wirtschaftlichkeit verbessern und gleichzeitig dem Umwelt- und dem Tierschutz dienen“, so Staudte. „Da denke ich zum Beispiel an präzise Bewässerungssysteme, automatisierte Fütterung und die Überwachung der Tiergesundheit. Die Nutzung digitaler Technologien wird zukünftig einen immer größeren Raum einnehmen, einfache Tätigkeiten werden immer mehr automatisiert werden – dafür braucht es wirtschaftlich gut und breit aufgestellte Betriebe sowie qualifizierte und zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gerade in Zeiten der Klimakrise. Als Landwirtschaftsministerin setze ich mich dafür ein, diesen Wandel mit zu gestalten – und das geht am besten gemeinsam und im Austausch.“
24/7-Monitoring dank KI
„KI und Digitalisierung bieten in der Landwirtschaft ungeheure Möglichkeiten, vor allem auch in der Tierhaltung“, sagte Prof. Dr. Nicole Kemper vom Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Als Trend seien das Monitoring rund um die Uhr und die automatisierte Erkennung von Abweichungen, z.B. im Tierverhalten zu nennen, welche entscheidend zur Verbesserung des Tierwohls beitragen könnten. Allerdings sei auch bei den neuen digitalen Entwicklungen der Mensch nicht zu ersetzen: „Digitale Systeme sollten nie unkritisch genutzt und angebotene Entscheidungshilfen immer hinterfragt werden. Die KI ist immer nur so gut wie die Daten, mit denen sie ,gefüttert‘ wird. Neben dem angewandten rein technischen Wissen ist und bleibt die Tierbeobachtung und der Umgang mit den Tieren das entscheidende Kriterium für erfolgreiche Nutztierhalter und Nutztierhalterinnen.“
Mensch nach wie vor gefragt
Auch im Finanzbereich wird KI eingesetzt, wie im Sponsorentalk mit Christian Pohl von der Landwirtschaftlichen Rentenbank und Hermann Hofschulte von der Arbeitsgemeinschaft der Volks- und Raiffeisenbanken Weser-Ems deutlich wurde. So würden KI-Lösungen bereits beim Controlling auf den Höfen unterstützen wie Hofschulte erklärte. Bei der Rentenbank greife man laut Pohl bereits auf Chatbots zurück und analysiere beispielsweise Berichte. „Kreditentscheidungen werden aber immer von Menschen getroffen“, so Pohl.
Die Veränderungen durch KI und Digitalisierung werden vor allem die Nachwuchsfachkräfte in der Landwirtschaft erleben. Man sehe KI aber nicht als Konkurrenz, sondern als Unterstützung, betonten Lotta Kaper, Arne Reinink und Marlen Stelter vom Agrarausschuss der Niedersächsischen Landjugend. Ein kleines Experiment zeigte: Anhand von Bildern oder Symptombeschreibungen beispielsweise von Krankheiten zieht die KI nicht immer zielsicher die richtigen Schlüsse. Hier ist weiterhin der Mensch mit seinen Erfahrungen und seinem Fachwissen gefragt.
Hohe Bedeutung beim Thema Fachkräftemangel
Von Praxiserfahrungen mit KI in der Landwirtschaft konnte Jobst Gödeke, Leiter des PraxisLabors Digitaler Ackerbau der LWK, berichten: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels gewinne die Automatisierung von Routineaufgaben zunehmend an Bedeutung. Drohnen fungierten als verlängerter Arm des Landwirts und helfen dabei, Anbauprozesse effizienter zu gestalten und Ressourcen und Umwelt zu schonen. Neben Drohnen sei auch die Entwicklung auf dem Markt für autonome Landmaschinen sehr dynamisch. Vollautonome Roboter zwischen 1 und 1000 PS seien darauf ausgelegt, bestimmte Aufgaben effizient und ohne menschliches Zutun durchzuführen. Ein Verlust an Arbeitsplätzen erwarte er jedoch nicht, da zwar Routinearbeiten automatisiert würden, Wartung und Reparatur der komplexen Systeme jedoch spezialisierte Fachkräfte erforderten.
Gute Ausbildung notwendig
LWK-Vizepräsidentin Dagmar Heyens wagte einen Ausblick: „KI hat das Potenzial, die Landwirtschaft revolutionär zu verändern, indem sie Daten analysiert, um präzise Handlungsempfehlungen abzuleiten und nachfolgende Prozesse zu vereinfachen.“ Gleichzeitig berge sie große Gefahren, wenn sie unbedarft eingesetzt werde. „Es ist unabdingbar, dass wir unsere Fachkräfte nicht nur gut aus-, sondern auch ständig weiterbilden“, so Heyens. „Wir müssen uns der großen Verantwortung bewusst sein, die mit dem Einsatz von KI einhergeht und es braucht zum einen Mut zu Investitionen in die geeignete technologische Infrastruktur und zum anderen die Akzeptanz sowohl in der Branche als auch in der Gesellschaft.“
Zum Abschluss hatten die Besucher des Arbeitnehmertages noch Gelegenheit, mit den Experten ins Gespräch zu kommen.
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