KI: Hoffnung auf Arbeitserleichterung auf dem Feld und im Stall
Künstliche Intelligenz in der Landwirtschaft im Mittelpunkt des 14. Agrar-Forums der Volksbanken und der Landwirtschaftskammer Niedersachsen – Publikum signalisiert Bereitschaft für Investitionen
Bassum – Künstliche Intelligenz (KI) wird den für Niedersachsen so bedeutenden Wirtschaftszweig Landwirtschaft verändern – welche Chancen und Risiken mit der zukunftsweisenden Technologie verbunden sind, erfuhren die rund 300 Gäste des 14. Volksbank-Agrar-Forums. Die Volksbanken Niedersachsen-Mitte, Schaumburg, Nienburg und Vechta sowie die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) hatten dazu Landwirtinnen und Landwirte aus den Landkreisen Diepholz, Nienburg, Vechta und Verden nach Bassum (Kreis Diepholz) eingeladen.
Bedeutender Wirtschaftszweig
„Die Landwirtschaft ist nicht nur ein bedeutender Wirtschaftszweig, sondern auch ein Fundament für unsere ländliche Gemeinschaft und ihre Entwicklung“, stellte Markus Lüers, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niedersachsen-Mitte und Gastgeber der Veranstaltung, zu Beginn der Veranstaltung fest. Gekennzeichnet werde die Branche dabei insbesondere durch technischen Fortschritt und rasante Entwicklungen, die durch zahlreiche Betriebe angenommen und aktiv nach vorn getrieben würden, sagte Lüers mit Blick auf das Thema des Tages, das in drei spannenden Vorträgen beleuchtet wurde. „Mit der Anwendung von KI sind sehr hohe Erwartungen für die Zukunft der Agrarbranche verbunden“, hob Moderator Nils-Joachim Meinheit, bei der LWK Leiter der Bezirksstelle Nienburg, hervor.
KI und Daten in der Landwirtschaft
Prof. Dr. Heiko Tapken von der Hochschule Osnabrück zeigte in seinem Vortag „Künstliche Intelligenz und Daten in der Landwirtschaft“ aktuelle Entwicklungen auf und wagte für die Gäste einen Blick in die Glaskugel. Tapken erforscht unter anderem auf dem Experimentierfeld AgroNordwest und in einem Versuchs-Stall den KI-Einsatz. Deren Möglichkeiten sind vielfältig: KI kann Erntemengen und Erträge im Ackerbau berechnen, bei Stress zwischen Mastschweinen Alarm geben, Gesundheitspläne für die Geflügelmast erarbeiten sowie die Düngung eines Ackers kleinflächig steuern.
Um all diese Aufgaben zu lösen, brauchen KI-gestützte Systeme eine riesige Datenmenge ¬– dazu bedarf es menschlicher Zuarbeit sowie viel Energie. Fachleute hätten errechnet, dass KI-Systeme in wenigen Jahren weltweit zu den größten Stromverbrauchern zählten, so Tapken.
Interesse in Betrieben wächst
Klimawandel, Umweltauflagen, Natur- und Artenschutz, Fachkräftemangel und der steigende Druck, effizient wirtschaften zu müssen, lassen in den Betrieben das Interesse an KI-gesteuerten Prozessen und Maschinen wachsen. Vor diesem Hintergrund schaffte Referent Fredrik Langsenkamp den Bezug zur landwirtschaftlichen Praxis: Der Agraringenieur und Landwirt aus Belm (Kreis Osnabrück) stellte mit dem selektiven Un- und Beikraut-Management sowie mit der KI-gestützten, kleinräumig agierenden Hack- und Pflanzenschutztechnik zwei Einsatzmöglichkeiten und die Praxistauglichkeit von Künstlicher Intelligenz und Robotik im landwirtschaftlichen Ackerbau vor.
Der punktuelle Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nur genau dort, wo unerwünschte Pflanzen keimen (Spot Spraying) kann große Mengen an Wirkstoffen einsparen. Ein intelligentes Hack-System kann schädliches Unkraut von Beikräutern unterscheiden, die nützlich für Bienen sind. Die Lernkurve in der KI-gesteuerten Landtechnik, so wurde deutlich, steigt. Je nach Aufgabe sei jedoch noch viel Forschungsarbeit nötig, hob Langsenkamp hervor.
Der Forschung die nötige Zeit lassen
Diese Forschungsarbeit hält Wilken Hartje, Kreislandwirt des Landkreises Diepholz, für unverzichtbar: „Wir sollten unserer Forschung gegenüber das Vertrauen aufbringen und sie forschen lassen“, sagte er beim Agrar-Forum in Bassum. „Nur so gelingt es, etwas, was zum heutigen Zeitpunkt noch etwas abstrakt erscheint, in die taugliche Praxisreife zu überführen. Dann wird in naher Zukunft auch eine betriebswirtschaftliche Vorzüglichkeit sichtbar sein.“
Wem gehören die gewaltigen Datenmengen?
Kameras, Sensoren, Analyse- und Anwendungs-Software sowie moderne Landtechnik verarbeiten und produzieren eine gewaltige Menge von Daten. Wer Besitzer/-in der entstehenden Daten ist und wer sie nutzen darf, ist nicht immer allen Beteiligten – etwa Lohnunternehmer/-innen und Landwirt/-innen – klar. Hoch willkommen war daher der abschließende Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Paul Vogel aus München über die Rechtslage und die aktuellen Entwicklungen bei Datenschutz und Datenhoheit.
Für die betroffenen Personen bleibe bislang oft das Gefühl, dass große Unternehmen „ihre“ Daten gewinnbringend verwendeten, während sie ohne jegliche Vergütung für die Sammlung zurückblieben, berichtete Rechtsanwalt Vogel. „Das geltende Recht unterstützt sie dabei nur unzureichend. Denn soweit diese Daten nicht personenbezogen sind, sondern es sich um reine Betriebs- oder Maschinendaten handelt, kennt die derzeitige Rechtslage keine Mechanismen, um den landwirtschaftlichen Akteuren eine gewisse Souveränität darüber zu gewährleisten.“
Vor diesem Hintergrund zeigte Vogel den Gästen auf, wie die geltende Rechtslage ausgestaltet ist und welche Verbesserung sich im Jahr 2025 durch den sogenannten Data Act der EU ankündigt. Dieser soll für alle Akteur/-innen in der wirtschaftlichen Wertschöpfungskette den Austausch und die Nutzung von Unternehmensdaten verbessern beziehungsweise überhaupt erst ermöglichen.
Auswertung: Praxis sieht gute Chancen für KI-Einsatz
„Die Auswertung des Forums zeigt, dass sich die Landwirtinnen und Landwirte dieser Thematik annehmen“, berichtete Moderator Meinheit über die Ergebnisse der Umfrage unter den Gästen in Bassum. „Größtenteils werden Chancen für den Einsatz von KI im Bereich des Ackerbaus und in der Tierhaltung gesehen – aber auch der spezialisierte Gemüsebau kann aus Sicht der Teilnehmenden von den Entwicklungen profitieren.“
Positive soziale Auswirkungen
Mehr als 50 Prozent der Teilnehmenden gingen davon aus, in den nächsten zehn Jahren in „KI-basierte“ Techniken zu investieren, führte Meinheit weiter aus. „Ein Großteil ist aber auch der Meinung, dass mit Etablierung von KI ein beschleunigter Strukturwandel verbunden ist.“ Interessant sei außerdem, dass die überwiegende Anzahl der Befragten davon überzeugt sei, dass mit einer potenziellen Etablierung von KI durchaus positive Auswirkungen im sozialen Bereich verbunden seien, etwa was die Zusammenarbeit der Generationen auf dem Hof angehe. „Der Mensch, so erwarten es unsere Landwirtinnen und Landwirte, wird nicht ersetzt – jedoch wird sich die Arbeit auf dem Betrieb bei weiter existierendem Fachkräftemangel ändern: Der Einsatz von immer mehr digitalen Maschinen und Anwendungen muss geplant und überwacht werden.“
LWK-Projekte erforschen Praxistauglichkeit digitaler Systeme
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen befasst sich seit Jahren mit den in der Veranstaltung aufgegriffenen Thematiken, etwa indem sie sich in zahlreichen Projekten in Ackerbau und Tierhaltung engagiert. Zwei Bespiele: Im PraxisLabor Digitaler Ackerbau untersuchen LWK-Fachleute Produktvitäts- und Umwelt-Effekte digitaler Maschinen und Anwendung im praktischen Alltagsbetrieb. Im Projekt DigiSchwein geht es seit 2020 um die Auswertung zahlreicher Tier-, Umwelt- und Anlagendaten sowie um die Entwicklung eines digitalen Frühwarnsystems für Praxisbetriebe.
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