Solidarische Landwirtschaft – eine Möglichkeit für Landwirte?
Vielerorts entstehen seit einigen Jahren SoLaWis. Ziel ist eine faire Bezahlung der landwirtschaftlichen Produkte und die Absicherung des Risikos für den Landwirt. Also eigentlich genau das, was sich viele Landwirte mit ihren Familien wünschen.
Die Idee:
Ein Landwirt stellt seinen Hof zur Verfügung, um eine bestimmte Anzahl an Verbrauchern zu ernähren. Diese dürfen über den Anbau, die Methoden und die Bezahlung mitbestimmen. Durch einen festen monatlichen Beitrag ist der Lebensunterhalt des Landwirts gesichert. Egal, wie trocken oder nass ein Jahr wird. Initiiert wird die SoLaWi mal von Verbrauchern und mal von Landwirten.
In der Realität handelt es sich häufig um Gemüseanbau. Jedoch gibt es teilweise ähnliche Konstrukte für Tierhalter, besonders im Bereich Schweine und Hühner. Die Verbraucher, die sich in diese Systeme begeben, erwarten vielfach ökologisch erzeugte Lebensmittel. Für Betriebe bedeutet das, sich auf ökologisches Wirtschaften einzulassen oder eine Gruppe von Verbrauchern zu finden, die gerne konventionelles, regional erzeugtes Obst und Gemüse kaufen möchten. Je nach den Produkten des Betriebes entstehen Kosten zwischen 80 und 250 € pro Anteil und Monat.
Vorteile für die Landwirte sind regelmäßiges Einkommen unabhängig von Wetter und Marktlage. Mitarbeitende Kunden sparen Erntehelfer ein und schaffen Bewusstsein für Arbeit in der Landwirtschaft.
Nachteile bestehen darin, dass die Kunden sich auf saisonale Gemüsearten beschränken müssen. Auch benötigen die Landwirte ein Konzept für die restlichen Flächen des Betriebes. Die ersten 2-3 Jahre bergen Risiken für alle Beteiligten, da der Umfang von Anbau und Lagerung erst geübt werden muss. Durch das Interesse der Verbraucher an den produzierten Lebensmitteln entstehen intensive Kontakte zum Betrieb und große Bereitschaft sich mit Ihrem Wissen zu beteiligen. Das erfordert von Seiten der landwirtschaftlichen Familien viel Geduld und Öffnung der Privatsphäre.
Die scheinbare Sicherheit des Systems birgt auch große Unsicherheit. Wie lange bleiben die Kunden? Was passiert in schlechten Jahren? Wie können Kunde und Landwirt sich gegenseitig absichern?
Die Kunden:
Die Initiatoren stammen häufig aus städtischem Umfeld. Es handelt sich meist um gut ausgebildete Menschen, die sich Gedanken um Ernährung machen und Wissen anlesen. So findet man im städtischen Bereich immer mehr Kunden, die vegetarische oder vegane Ernährung bevorzugen. Im ländlichen Umfeld wünschen Kunden häufig tierische Produkte wie Eier, Fleisch- und Milchprodukte. Auch die Lage des Betriebes spielt eine Rolle, so bevorzugen einige Kunden den Transport mit dem Fahrrad. Für eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft sollte der Anteil von Fleischessern im Kundenkreis hoch sein, da die Produktion von pflanzlichen Biolebensmitteln ohne tierische Dünger eine Herausforderung ist. Optimale Kundenbetreuung und –Fortbildung erfordert viel Zeit. Zur Kundenbetreuung gehört der Kontakt auf dem Hof, die Erklärung wie und warum die Lebensmittel angebaut, gelagert und genutzt werden können sowie Erklärungen über Schadorganismen und Natureinflüsse. Die Betreuung von enttäuschten Kunden stellt eine wichtige Aufgabe dar. Manche Konzepte basieren auf Mitarbeit, diese kann nach unangenehmen Erfahrungen schnell einschlafen. Diese Mitarbeit sollte verpflichtend und transparent erfolgen.
Vermarktung:
Im Bereich der Vermarktung und des Absatzes gibt es verschiedene Konzepte. Die reichen über ein Hofladenkonzept, von Lieferdiensten und Entnahmestellen (Verteiler) bis zur Selbsternte auf kleinen Parzellen.
Neben hygienischen Rahmenbedingungen müssen Marketing und Warenpräsentation beachtet werden. Einwandfreie Lebensmittel erfordern evtl. gewaschenes Gemüse und dass Faul- und Druckstellen aussortiert werden. Leicht verderbliche Lebensmittel benötigen eine einwandfreie Kühlkette. Lebensmittelkennzeichnung ist obligatorisch. Zur nachhaltigen Erzeugung gehören auch optisch unnormale Produkte – hier gilt es herauszustellen, dass z.B. eine krumme Gurke ebenso intensiv schmeckt, wie eine gerade Gurke.
Der Landwirt ermittelt jede Woche, wie viel geerntet worden ist und wie es gerecht auf die Mitglieder aufgeteilt werden kann. Vor allem im Sommer kommt es zum Überangebot an frischem Obst und Gemüse, im Winter gibt es hingegen nur wenig Vielfalt. In Gesprächen sollten die Mitglieder darauf hingewiesen werden. Gemeinsame Konservierungsaktionen oder Rezept-/Zubereitungshinweise bieten besonderen Mehrwert. Die Beteiligten sollten gemeinsam überlegen, wie die Lebensmittel gelagert und verpackt werden. Eine Option stellt das Mitbringen eigener Gefäße und Tüten dar.
Der landwirtschaftliche Betrieb sollte für die Kunden entsprechend hergerichtet werden. Durch ausgewiesene Parkplätze findet sich das SoLaWi-Mitglied schnell zurecht. Durch klare Beschilderung und geschickte Bepflanzung kann man den Privatbereich von dem öffentlichen Bereich trennen. Eine gute Beschilderung schon an der Straße ist zudem eine gute Außendarstellung. Aber Achtung: je nach Straßenart (Bundesstraße, Kreisstraße, etc.) gelten unterschiedliche Abstände zwischen Schild und Straße. Die Größe des Schildes an der Stätte der Leistung (Hofeinfahrt) ist auf 1 m² beschränkt.
Produktpalette:
Für eine gute Produktpalette ist ein Gemischtbetrieb oder eine Kooperation aus verschiedenen Betrieben sinnvoll. Hilfreich sind auch regionale Schlachtereien und Molkereien. Auch die Möglichkeit, seinen Anteil mit anderen Familien zu teilen kann einen guten Zusatznutzen darstellen. Die Menge an saisonbedingtem Obst und Gemüse stellt für kleinere Haushalte eine Herausforderung dar.
Preisgestaltung:
Mitsprache bei der Preisgestaltung ist vielen SoLaWi-Kunden wichtig. Wichtig ist zu prüfen, ob der solidarische Gedanke erreichbar ist. Die soziale Absicherung der landwirtschaftlichen Familie muss bei der Kalkulation fair produzierter Lebensmittel in den Vordergrund gestellt werden. Welches Familieneinkommen ist fair? Ab welchem Produktpreis sind alle Kosten incl. Lohn bezahlt? Für den Landwirt muss auf jeden Fall eine Bezahlung über Mindestlohn erreicht werden, die eine Absicherung der Familien beinhaltet. Zur Kalkulation gehört Altersabsicherung, Berufsunfähigkeitsabsicherung und Todesfallabsicherung. Ein gut ausgebildeter, vielleicht studierter Unternehmer hat das Recht auf mehr als den Mindestlohn. Zusätzlich benötigt jeder Betrieb Geld für Nettoinvestitionen. Preise, die nicht mindestens den Erhalt der Substanz, besser noch Entwicklung ermöglichen, sind nicht solidarisch. Alle Beteiligten sollten eine Preisgestaltung anstreben, die von den Erzeugern vorgegeben wird und transparent alle Kosten darstellt. Dazu gehört der Zeitraum der Gültigkeit der Kalkulation, die Anpassungsmodalitäten und die Kündigungsszenarien. Regelmäßige Kunden- und Mitgliederversammlungen ermöglichen Feedback und Akzeptanz. Des Weiteren sollte klar dargestellt werden, dass diese Art der Bewirtschaftung mit viel mühevoller Handarbeit einhergeht und daher die Herstellungskosten höher sind, als vergleichbare Produkte im Supermarkt.
Reste:
Auch bei guten Produktions- und Absatzbedingungen entstehen Reste: tierische Produkte, die nicht abgenommen werden, ungenießbare oder unansehnliche pflanzliche Produkte, verdorbene Milchprodukte. Wie kann die Nachnutzung oder Entsorgung für diese Produkte aussehen?
Bürokratie:
Landwirtschaftliche Betriebe unterliegen einem hohen bürokratischen Aufwand, der nur wenig mit der wundervollen Idee von gemeinschaftlicher Produktion von Nahrungsmitteln zu tun hat. Die Aufzeichnungspflichten, Buchführung, Kundenbetreuung, Änderungen in den gesetzlichen Auflagen, Antragstellungen, Abrechnungen, … erfordern einen personellen Einsatz, der höher ist als in Familienbetrieben. Die Gesellschaft/der Unternehmer sollte also hierfür personelle Kapazitäten bereitstellen.
Arbeitszeit:
Viele Landwirte und ihre Familien arbeiten wesentlich mehr als 40 Stunden wöchentlich. Im Rahmen der Gründung einer Solidarischen Landwirtschaft sollte das Thema „Arbeitsfalle Landwirtschaft“ in den Focus genommen werden. Was ist eine faire Wochenarbeitszeit und wie viele Mitarbeiter sind zur Einhaltung notwendig. Auch Landwirte haben das Recht zu verreisen oder sich freie Tage zu nehmen. Wieviel Urlaub soll Ihnen zustehen und wer vertritt sie? Regelungen zur Freizeit sind in Kooperationen mit mehreren Unternehmern einfacher umsetzbar.
Absicherung der Unternehmer/Familien:
Für alle, auch für solidarische Unternehmen gehört, sich um die Absicherung der Arbeitskräfte und Familien bemühen. Dies gilt besonders für Pächter, die nicht über das Flächeneigentum verfügen. Allein eine Absicherung über die landwirtschaftliche Alterskasse, die im Bereich der Rente nur eine Teilabsicherung bietet, ist für Familien fahrlässig. Jeder Mitbürger ist in diesen Zeiten aufgefordert eigene Zusatzvorsorge zu betreiben. Dazu gehört private Altersvorsorge, Schaffung eines Wohnorts im Alter, Todesfallabsicherung, Absicherung im Krankheitsfall, Absicherung der Berufsunfähigkeit und die Absicherung durch gute Verträge. Bei mehreren Unternehmern muss ein Vertrag gefunden werden, der für alle Eventualitäten hilft. Es braucht gute und faire Ausstiegsklauseln. In einem Gesellschaftsvertrag kann soziale Absicherung für den Ausfall einer Familienarbeitskraft vereinbart werden, um eine Übergangslösung zu schaffen. In den verschiedenen Lebensphasen besteht für Familien unterschiedlicher Geldbedarf. All diese Punkte sollten in der Gestaltung des Unternehmens Berücksichtigung finden, besonders wenn es sich um ein solidarisches Unternehmen handelt.
Fazit:
Junge, engagierte Familien, die gern Kundenkontakt haben, sich gern austauschen und sich mit Freude wieder in Handarbeit und eine breite Aufstellung des Betriebes engagieren, sind für diesen Weg geeignet. Sie benötigen Offenheit für Veränderungen und Realismus um die Möglichkeiten ehrlich abschätzen zu können. Für faire Produkte müssen so hohe Preise bezahlt werden, dass für alle Beteiligten ein vernünftiges Einkommen gesichert ist. Armut darf nicht das Ergebnis einer Solidarischen Landwirtschaft sein.
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