Durchwuchskartoffeln mit Konzept vermeiden
Seit der Kartoffelernte hat es in diesem Winter schon einige Frosttage ohne Schneedecke gegeben, die zumindest die oben aufliegenden Kartoffelknollen weitgehend zerstört haben dürften. Dies bedeutet jedoch nur eine leichte Entspannung der Situation, da in der Krume vieler Schläge noch immer genug Knollen schlummern, die im nächsten Jahr als Durchwuchskartoffeln in den Folgekulturen auflaufen können. Dies untergräbt das Konzept einer standortorientierten Fruchtfolge mit definierten Anbaupausen und fehlenden Vermehrungsbedingungen für die kartoffelspezifischen Krankheits- und Schaderreger. Hinzu kommt eine steigende Gefahr von Sortenvermischungen beim erneuten Anbau von Kartoffeln als reguläre Hauptkultur.
Bedeutung
Das Auftreten von Durchwuchskartoffeln ist ein schon seit vielen Jahrzehnten bekanntes Problem und rückte insbesondere nach warmen Wintern immer mal wieder stärker in das Blickfeld der Landwirte. Bereits Erhebungen Ende der 70iger Jahre zeigten, dass im Anschluss an die Kartoffelernte bis zu 450.000 Knollen/ha auf der Fläche blieben, von denen sich etwa 10-20 % im nachfolgenden Jahr zu Kartoffelpflanzen entwickelten (Hunnis, 1978). Im letzten Herbst wurden im Rahmen einer von der Förderungsgemeinschaft der Kartoffelwirtschaft initiierten Bachelorarbeit an der Hochschule Osnabrück Messungen auf 20 Betrieben in ganz Niedersachsen durchgeführt, über deren Ergebnis zu einem späteren Zeitpunkt berichtet wird.
Im letzten Frühjahr war schon auf vielen Flächen von weitem zu erkennen, dass sich dort z. T. mehr Pflanzen als auf einem eigentlichen Kartoffelfeld befinden. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die zwingende Notwendigkeit zur Kontrolle der Kartoffeldurchwuchspflanzen, da sie
- eine unkontrollierbare Quelle für Kartoffelkrankheiten und –schädlinge darstellen. An Durchwuchskartoffeln können sich z. B. Krankheiten, wie Silberschorf, Rhizoctonia und Nassfäulen, aber auch Schädlinge, wie Nematoden oder Drahtwürmer, weiter vermehren und so ihre Überlebenschance bis zur nächsten Hauptkultur Kartoffeln nachhaltig verbessern. Gleichzeitig stellen die Durchwuchspflanzen eine ideale Infektionsquelle für die Krautfäule und Virusvektoren dar. Erschwerend kommt hinzu, dass beispielsweise viele Fungizide in den Folgekulturen nur eine sehr geringe oder gar keine Wirkung gegen die pilzlichen Blattkrankheiten der Kartoffeln haben.
- zu Sortenvermischungen beim nächsten Kartoffelanbau führen können. Dies betrifft nach Praxiserfahrungen alle Verwertungsrichtungen, insbesondere wenn sich die Knollenform und –größe sowie die Schalenfarbe kaum unterscheiden, so dass ein manuelles oder opto-elektronisches Verlesen des Erntegutes unmöglich ist. Bei der Pflanzkartoffelproduktion sind die Folgen noch weitreichender und können bis zur Aberkennung der Partie führen, wenn die fremden Pflanzen nicht vollständig aus dem Bestand zu entfernen sind.
- mit der planmäßigen Hauptfrucht in direkte Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe treten, vor allem wenn diese eine langsamere Jugendentwicklung als die Durchwuchskartoffeln aufweisen. In der Folge sind je nach Konkurrenzsituation erhebliche Ertragsrückgänge zu verzeichnen, die z. T. noch durch unerwünschte Nebenwirkungen bei der Bekämpfung der Durchwuchspflanzen verstärkt werden. Darüber hinaus können die Blätter der Kartoffelpflanzen mit in das Erntegut von z. B. bestimmten Gemüsearten gelangen und aufgrund ihres hohen Glykoalkaloidgehaltes die weitere Verarbeitung bzw. Vermarktung beeinträchtigen.
Als eine wesentliche Ursache für das vermehrte Auftreten von Durchwuchskartoffeln werden seit Jahrzehnten die „heute“ viel zu milden Winter angeführt. Diese Situation hat sich durch den aktuellen Klimawandel auch in vielen früher eher frostsicheren Regionen nachweislich verschärft, so dass die für eine Schädigung der Kartoffelknollen mindestens erforderliche Frosttemperatur von -2 °C zumeist nur auf die oberflächennahen Bodenschichten begrenzt bleibt. Darüber hinaus gibt es nach verschiedenen Untersuchungen auch Sorten, die erst bei -3 oder -4 °C merkliche Frostschäden zeigen. Neben der Temperatur spielt auch die Einwirkzeit des Frostes eine wesentliche Rolle für den Bekämpfungserfolg, wobei die bisherige Faustzahl von 50 Froststunden, d. h. z. B. 25 h * ‑2 °C oder 17 h * -3 °C, nach neueren Untersuchungen nicht mehr für alle Sorten ausreichend zu sein scheint (Usuki et al., 2008).
Eine gute Orientierung über die aktuelle Frosteindringtiefe bieten die auf der Homepage des Deutschen Wetterdienstes für viele Messstationen in Niedersachsen verfügbaren Bodenfrostdaten. Hier lassen sich die Dauer und Eindringtiefe des Frostes unter unbewachsenem Boden schnell und einfach kontrollieren. Für die eigenen Schläge ist jedoch zur berücksichtigen, das Pflanzenbewuchs, auch abgefrorene Zwischenfruchtbestände, und eine geschlossene Schneedecke eine wirkungsvolle Isolierschicht darstellen und die Eindringtiefe deutlich verringern. Es ist daher immer eine eigene Spatenprobe zu empfehlen, um sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen. Positive Effekte auf den natürlichen Rückgang des Kartoffeldurchwuchses gehen auch von längeren Phasen mit feuchteren Bodenverhältnissen aus, da sie die Lentizellen der Knollen durchlässiger machen, während die Aktivität vieler Fäulniserreger von den sauerstoffärmeren Lebensbedingungen unbeeinträchtigt bleibt. Mechanische Verletzungen der nach der Ernte auf der Fläche verbleibenden Kartoffelknollen fördern den bakteriellen Zersetzungsprozess noch.
Flächenauswahl und Bodenbearbeitung
Aufgrund der aktuell nur noch unzureichenden Verringerung des Durchwuchsknollenvorrates im Boden durch länger anhaltende und tiefergreifende Frostperioden kommt den verschiedenen produktionstechnischen Bekämpfungsmaßnahmen eine immer größere Bedeutung zu. Ein erster Schritt ist dabei die Auswahl geeigneter Flächen für den Kartoffelanbau, die ein möglichst einheitliches Wachstum der Pflanzen unterstützen. Gleichzeitig sollten alle Flächen in der Kartoffelfruchtfolge immer wieder auf Durchwuchspflanzen kontrolliert werden, um entweder die Bekämpfungsintensität gezielt zu erhöhen oder gerade bei dem Problem der Sortenvermischung eine längere Anbaupause einzuplanen.
Ein ausreichend tief abgetrockneter Boden unterstützt die Schaffung eines lockeren Pflanzbetts und reduziert vor allem auf besseren Standorten die Gefahr der Klutenbildung. Diese Kluten können zwar durch eine nachfolgende Pflanzbettbereitung mit angetriebenen Bodenbearbeitungsgeräten zerkleinert, aber selten vollständig aufgelöst werden. Ein höherer Anteil kleiner Kluten im Damm verleitet bei der späteren Ernte zur Nutzung etwas weiterer Siebketten, die dann jedoch auch häufiger kleinere Knollen passieren lassen und so das Durchwuchspotential merklich erhöhen. Darüber hinaus schwächen klutige Dämme durch die vermehrten Spritzschatten den Aufbau eines vollständigen Herbizidfilms, was eine intensivere Spätverunkrautung begünstigt und die Gefahr von Knollenverlusten durch eine unzureichende Krauttrennung des Roders erhöht.
Pflanzgutvorbereitung und Legen
Der größte Teil der nach der Ernte auf dem Feld verbleibenden Kartoffelknollen ist relativ klein und durch die Siebkette gefallen. Ziel muss es daher sein, möglichst gleichmäßige Kartoffelbestände zu etablieren, die über einen einheitlichen Entwicklungsverlauf gute Chancen auf ein der Verwertungsrichtung entsprechendes, eng sortiertes Erntegut mit einem sehr geringen Anteil an Untergrößen besitzen. Bei einer gebrochenen Sortierung des Pflanzgutes liegen zunächst einmal die physiologischen Startbedingungen der Pflanzknollen dichter zusammen. Kommt dann noch eine in der Ablagetiefe und –weite angepasste Legearbeit hinzu, wird ein gleichmäßiges Auflaufen der Bestände unterstützt. Förderlich sind in diesem Zusammenhang eine wirkungsvolle Pflanzgutbeizung sowie eine ausgewogene Düngung, die bereits in der Jugendentwicklung ausreichend Nährstoffe zur Verfügung stellt.
Bestandesführung
Im Verlaufe der Vegetation ist es wichtig, möglichst schnell einen geschlossenen Bestand zu erreichen, dessen schützendes Blätterdach besonders in Trockenphasen die unproduktive Verdunstung minimiert und in Hitzeperioden einer zu starken Erwärmung des Dammes und der Knollen entgegenwirkt. Mehrere Tage mit Bodentemperaturen über 27 °C sind der entscheidende Auslöser für Zweitwachstumsprozesse z. B. in Form von Zwiewuchs, Kettenwuchs oder Neuansatz von Knollen. Insbesondere relativ spät in der Vegetationsperiode neu gebildeten Knollen erreichen aufgrund der zu kurzen Wachstumszeit kaum eine vermarktungsfähige Größe und bilden dann das vorrangige Verlustpotential bei der Ernte. Mit einer gleichmäßigen Wasserversorgung, häufig über eine zusätzliche Beregnung der Flächen sichergestellt, kann das Zweitwachstumsrisiko gemindert und eine Grundproduktivität des Bestandes während Stresssituationen aufrechterhalten werden.
Eine wachstumssichernde Funktion kommt ebenfalls dem Pflanzenschutz zu. Ein früher Befall z. B. mit Krautfäule führt nicht nur zu erheblichen Ertragseinbußen, sondern lässt auch die Masse der Kartoffeln klein bleiben, so dass diese Knollen bei der Ernte vermehrt durch die Siebketten des Roders fallen. Mit einer wirksamen Pflanzgutbeizung wird auch der Anteil von Rhizoctonia-Grützeknollen minimiert, die aufgrund ihrer Knollengröße vielfach als Verlustknollen auf dem Acker bleiben.
Krautminderung und Ernte
Die chemische Krautminderung ist vor allem beim Splitting der Maßnahme in vielen Fällen ausreichend, um den oberirdischen Teil der Kartoffelpflanzen auszutrocknen und das Knollenwachstum abzuschließen. Zudem ermöglichen die großen Arbeitsbreiten der Feldspritzen heute eine hohe Flächenleistung und über die Nutzung der Fahrgassen bleiben die Furchen bis zur Ernte unbefahren. Dennoch sollte vor allem für krautstarke Sorten auch die Möglichkeit der Kombination von Krautschlagen und anschließender chemischer Krautminderung in Betracht gezogen werden. Das Krautschlagen auf eine Reststängellänge von ca. 30 cm führt zu einer deutlichen Verminderung der Restkrautmenge, die von der Erntemaschine sowohl beim Roden aus dem grünen Kraut als auch später im ausgetrockneten Zustand aus dem Erntegut abzutrennen ist. Damit verringert sich das Verlustrisiko von z. T. auch größeren Knollen, die vom Kraut eingeschlossen wieder auf das Feld zurück gelangen. Positive Effekte hat das Krautschlagen zudem bei Sorten mit stärker krauthängigen Knollen, die dann leichter von den Stolonen lassen und mit den Krautrückhaltewerkzeugen des Roders einfacher abgestreift werden können.
Am Ende dieser Verfahrenskette steht der Kartoffelroder als wesentliche Quelle für das Auftreten von Kartoffelverlusten bzw. späteren Durchwuchskartoffeln. Seine Arbeitsqualität, auch im Hinblick auf die Höhe der Knollenverluste, ist zum einen von den Einsatzbedingungen abhängig, die vorrangig durch die pflanzenbaulichen und produktionstechnischen Maßnahmen von der Bodenbearbeitung bis zu Krautminderung beeinflusst wurden. Zum anderen ist eine optimale Anpassung und Einstellung der Maschine auf die jeweiligen Rodebedingungen wichtig. Wesentliche Aspekte zur Minimierung der Knollenverluste sind
- eine an den tiefsten Knollen im Damm ausgerichtete Arbeitstiefe der Schare
- eine an die Reihenweite angepasste Breite der Dammaufnahme
- die Vermeidung von Knollenverlusten beim Übergang vom Schar auf die Siebkette, insbesondere im Randbereich zwischen Dammtrommel und Scheibensechen bzw. Scheibensechen und Siebkanal
- die Wahl von Siebketten mit einem auf die Knollengröße und die Siebfähigkeit des Bodens ausgerichteten Stababstand
- die Anpassung der Krauttrenneinrichtungen an die Menge des aufzunehmenden Krautes sowie die Krauthängigkeit der Knollen
- die Beibehaltung eines nahe der kleinsten Knollengrößen liegenden Abstandes zwischen den Gummifingerbändern und den schräg stehenden Ableitwalzen in den verschiedenen Trennelementen des Roders
- der Einsatz von Gummifingerbändern mit vollständigen und gleichmäßig langen Fingern
- die Mitnahme der kleinen, durch die Sortierwalzen ausgesonderten Knollen sowie sämtlicher Beimengungen in einem gesonderten Behälter/Bunker bis zum Feldende
- der Verzicht auf das Zurückwerfen fauler, ergrünter oder missgestalteter Knollen vom Verlesepersonal direkt auf das Feld
Diese angeführten Maßnahmen stehen nicht immer im vollständigen Einklang mit den weiteren Zielen einer erfolgreichen Rodearbeit, wie einer hohen Flächenleistung und einem geringen Beschädigungsniveau des Erntegutes. So kann z. B. eine große Rodetiefe auf steinigen oder klutigen Flächen diesen Beimengungsanteil überproportional erhöhen und dann sowohl die Trennaggregate als auch die Verlesepersonen überfordern sowie das Beschädigungsrisiko des Erntegutes erhöhen. Eine vergleichbare Abwägung ist bei der Wahl der Siebketten erforderlich, da geringe Stababstände insbesondere auf schwereren Standorten und unter feuchten Bedingungen schnell zu nur noch sehr geringen Absiebleistungen bzw. Rodegeschwindigkeiten führen können. Das Argument der Flächenleistung darf jedoch nicht überstrapaziert werden, denn bei einer Bewertung sind auch die direkten und indirekten Folgekosten eines verstärkten Auftretens von Durchwuchskartoffeln in den nachfolgenden Kulturen zu berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund der vermehrten Knollenverluste hat sich der Pflugverzicht nach Kartoffeln schnell auf vielen Betrieben etabliert, um die Kartoffeln nicht zu tief zu vergraben, sondern möglichst in der oberen Bodenschicht zu belassen, wo sie leichter vom Frost angegriffen und zerstört werden können. Für eine flache Bodenbearbeitung nach Kartoffeln werden heute eine Vielzahl von Geräten angeboten, so dass die Förderungsgemeinschaft der Kartoffelwirtschaft und die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft im kommenden Herbst einen ersten Vergleich ausgewählter Maschinen unter diesem Gesichtspunkt planen.
Fazit
Durchwuchskartoffeln stellen auf vielen kartoffelbauenden Betrieben mittlerweile ein zentrales Fruchtfolgeproblem dar, das nicht nur den Kartoffelanbau, sondern auch die weiteren Kulturen beeinträchtigt. Durchwuchskartoffeln lassen sich in den Folgekulturen nur schwer kontrollieren, so dass während des Anbaus der Kartoffeln alle pflanzenbaulichen und produktionstechnischen Möglichkeiten genutzt werden müssen, um Knollenverluste bei der Ernte zu minimieren. Eine zentrale Bedeutung hat dabei die optimale Einstellung des Roders, da seine Arbeitsgüte über die Höhe der auf dem Feld verbleibenden Knollen und damit dem zukünftigen Durchwuchspotential entscheidet. Flächenleistung und Knollenqualität sind bei der Ernte weitere Entscheidungskriterien, die vor dem Hintergrund der weiter wachsenden Durchwuchsproblematik aber nicht überbewertet werden dürfen.
Autor: Dr. Rolf Peters
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