EU-Agrarreform: Erst genau nachrechnen – dann Förderantrag stellen
Neue Prämien, weitere Umweltauflagen: Mehr als 900 Teilnehmer*innen bei virtueller Fragestunde der Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Das Wichtigste im Überblick:
- Mit mehr als 900 Teilnehmer*innen hohe Beteiligung an virtueller Fragestunde der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zur künftigen EU-Agrarförderung
- EU-Förderung wird „grüner“: Um in Zukunft Prämien zu bekommen, müssen Betriebe ab 2023 mehr Umwelt- und Naturschutzauflagen erfüllen – das hat Folgen auf die Einkommenswirksamkeit dieser Direktzahlungen.
- Aus Sicht der LWK-Wirtschaftsberatung lohnt es sich für die Landwirtinnen und Landwirte, mit Hilfe ihrer Berater*innen durchzurechnen und zu überlegen, welche Förderinstrumente gut zur eigenen Wirtschaftsweise passen oder ob Anpassungsstrategien sinnvoll sind, um sich weitere Fördergelder zu erschließen.
- Nach Ansicht des Niedersächsischen Landvolks führt die Reform dazu, dass zahlreiche Betriebe am Ende mit weniger Geld aus der EU-Agrarförderung zurechtkommen müssen.
- Laut Agrarministerium wird das Unternehmertum der Landwirtinnen und Landwirte künftig noch mehr gefordert sein als bisher.
- Ab dem kommenden Jahr gültige Agrarumweltmaßnahmen müssen bereits dieses Frühjahr beantragt werden.
Oldenburg – Noch sind nicht alle Details der EU-Agrarreform in Deutschland gesetzlich verankert. Doch das Interesse der Landwirtinnen und Landwirte daran, welche Möglichkeiten die neue Struktur der Agrarförderung ab dem kommenden Jahr bietet, ist bereits sehr groß: Mehr als 900 Teilnehmer*innen registrierte die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) am Donnerstag (20.01.2022) bei ihrer über verschiedene Videoportale übertragenen virtuellen Fragestunde zur künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP).
Bereits um die Basisprämie mit dem neuen Namen „Einkommensgrundstützung für Nachhaltigkeit“ zu erhalten, sind verschiedene Auflagen für einen guten und ökologischen Zustand der Flächen einzuhalten. Um diese Einkommensgrundstützung zu bekommen, müssen Antragsteller*innen zum Beispiel drei Meter breite Pufferstreifen an Gewässern einplanen, wo das Ausbringen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln verboten ist.
Vier Prozent Ackerfläche sind stillzulegen
Außerdem sind vier Prozent der Ackerfläche stillzulegen und der Selbstbegrünung zu überlassen. In bestimmten Naturschutzgebieten und auf Moorstandorten ist das Erneuern des Dauergrünlands mit dem Pflug untersagt.
Zu den sieben neuen, freiwilligen und einjährigen Öko-Regelungen in der 1. Säule, für die künftig Prämien gezahlt werden, gehören unter anderem der Anbau vielfältiger Kulturen im Ackerbau mit fünf Hauptfruchtarten und einem Anteil von zehn Prozent für Leguminosen, die Bewirtschaftung von Acker- und Dauerkulturflächen ohne Verwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln sowie die freiwillige Erhöhung der Flächen-Stilllegung ohne oder mit Anlage von Blühflächen und -streifen.
Ministerium: Eigenen Betrieb zukunftsfähig machen
Mit der EU-Agrarreform würden mit den eingesetzten öffentlichen Mitteln mehr öffentliche Leistungen realisiert, sagte Dr. Jürgen Wilhelm, Referatsleiter im Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und einer der Fachleute für Agrarförderung auf dem Podium der LWK-Fragestunde. „Das war das erklärte Ziel der Politik über alle Parteigrenzen hinweg.“
Aus Sicht der Landwirtinnen und Landwirte werde es künftig nicht darum gehen, weiterhin möglichst die vollen Prämien zu sichern, machte Dr. Wilhelm deutlich: „Vielmehr geht es darum, den eigenen Betrieb zukunftsfähig auszurichten – das kann, muss aber nicht im Sinne einer Prämienoptimierung geschehen.“
Unternehmertum ist mehr gefordert als bisher
Der eingeleitete Systemwechsel in der Förderung bringe einen hohen Beratungsbedarf mit sich, weil es einen so starken Wechsel bisher nicht gegeben habe, sagte Wilhelm weiter. „Das Unternehmertum der Landwirtinnen und Landwirte wird noch mehr gefordert sein als bisher.“ Im Idealfall passe die Prämienoptimierung im Betrieb mit den zukünftigen Erfordernissen auf den Agrarmärkten überein. „Diesen Spagat muss der Unternehmer nun stärker abwägen als bisher.“
„Mit zusätzlichen Auflagen und Öko-Regelungen wird die EU-Agrarförderung nochmals ,grünerʻ“, fasste Ruth Beverborg, bei der LWK Leiterin des Sachgebiets Betriebswirtschaft und Wirtschaftsberatung und Expertin der Fragestunde, die EU-Planungen zusammen. „Zahlungen sind zunehmend an Umwelt- und Klimamaßnahmen gebunden – das hat Folgen für die Einkommenswirksamkeit dieser Direktzahlungen.“
Betriebswirtschaftliche Beurteilung wichtig
Eine betriebswirtschaftliche Beurteilung und Optimierung der Prämienanträge werde dadurch zukünftig noch bedeutsamer, hob Beverborg hervor. „Wenden Sie sich an Ihre Beraterinnen und Berater, um gemeinsam möglichst früh herauszufinden, welche der neuen Förderregelungen zu Ihrem Betrieb passen – und welche nicht.“
Vor und während der Fragestunde gingen per Mail und über den Chat zahlreiche Fragen bei der LWK ein, die die Fachleute zum Teil direkt beantworteten. „Die vielen Fragen helfen, die neuen Regelungen der GAP zu durchdringen, diese mit Anforderungen des ,Niedersächsischen Wegesʻ sowie des Fachrechts zu verbinden und offene Fragen mit Politik und Verwaltung zu klären“, so die LWK-Beratungsexpertin.
Landvolk: Viele Betriebe erhalten weniger Geld
„Die Zahl der Auflagen steigt, die Gesamthöhe des Förderbudgets bleibt in etwa gleich – das hat zur Folge, dass zahlreiche Betriebe am Ende mit weniger Geld aus der Agrarförderung zurechtkommen müssen“, sagte Manfred Tannen. Der Vizepräsident des Landesbauernverbandes Landvolk Niedersachsen saß als Landwirt und Vertreter des Berufsstands auf dem Podium der LWK-Fragestunde. „Die Berücksichtigung der Pufferstreifen an den Gewässern bedeutet zum Beispiel weniger Fläche für die Futterproduktion ohne gesonderten finanziellen Ausgleich“, so Tannen.
Bei den Kriterien, die für die neue Einkommensgrundstützung zu erfüllen seien, seien einige Standards noch unklar, betonte der Landvolk-Vizepräsident. „Zur konkreten Berechnung der Folgen der neuen EU-Förderung, insbesondere zur Erweiterung der Fruchtfolge, brauchen wir spätestens zur Herbstbestellung 2022 Klarheit über die genauen Inhalte.“
Vor- und Nachteile eines Antrags genau abwägen
„Die neuen Förderrichtlinien können es mit sich bringen, dass es sich nicht mehr in jedem Fall und für alle Betriebe finanziell lohnt, einen Antrag auf EU-Förderung zu stellen“, stellte Dr. Thorsten Hollmann-Hespos, Leiter des LWK-Geschäftsbereichs Förderung, am Rande der Fragestunde fest. „Daher sollten die jeweiligen Betriebsinhaber die Vor- und Nachteile genau abwägen“, riet Hollmann-Hespos.
Der LWK-Förderungsexperte machte darauf aufmerksam, dass die neuen Agrarumweltmaßnahmen, die von kommendem Jahr an umgesetzt würden, bereits im Sammelantrag 2022 zu berücksichtigen seien: „Das Verfahren läuft praktisch genauso ab wie in den Vorjahren – voraussichtlich ab März ist dann die Antragstellung möglich.“
Beraterin gibt Praxis-Tipps zur neuen Förderung
Die künftige Auflage, mindestens vier Prozent der Ackerfläche für den Natur- und Artenschutz stillzulegen, könne zum Beispiel auf den ohnehin geforderten Gewässerrandstreifen erfolgen, gab LWK-Beraterin Beverborg erste Ratschläge. „Junge Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter sollten, soweit möglich, erst ab 2023 einen Antrag für die Junglandwirt*innen-Prämie stellen – die Förderung ist dann mit 115 Euro für maximal 120 Hektar statt bisher 44 Euro für maximal 90 Hektar deutlich höher als jetzt.“
Die Anforderung, dass der Ackerboden im Winter (1.12. bis 15.01.) bedeckt sein muss, könne auch über Mulchauflagen erfüllt werden, so Beverborg. Des Weiteren könne der verpflichtende Fruchtwechsel auf jedem Schlag unter anderem auf der Hälfte des Ackerlands durch den Anbau von Zwischenfrüchten oder Untersaaten erledigt werden.
Die Aufzeichnung der Fragestunde finden Sie unter www.lwk-niedersachsen.de/fragestunde.
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Wolfgang Ehrecke
Pressesprecher
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