Wir bieten Lösungen - regional & praxisnah!

Emissionen senken, Effizienz steigern – Die Ansäuerung von Gülle und Gärresten

Webcode: 01041708

Organische Dünger wie Gülle oder Gärreste stehen im stetigen Mittelpunkt, wenn es um die Debatte von Stickstoffverlusten, in Form von gasförmigen Ammoniakverflüchtigungen geht. Mit der Ansäuerungstechnik wird nicht nur eine neue Diskussionsgrundlage geschaffen, sondern auch ein Schritt zum Erreichen der NEC-Richtlinien getan. Im Folgenden wird das länderübergreifende Modell- und Demonstrationsvorhaben „Säure+ im Feld“ vorgestellt.

Die Landwirtschaft steht in den nächsten Jahren, besonders im Hinblick auf die EU-Nitratrichtlinie für Wasserschutz und der NEC-Richtlinie für Luftreinheit umfassenden Herausforderungen entgegen. Ein Ziel ist es, die Ammoniak-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 29% zu reduzieren. Die Einarbeitung bei einer Ausbringung von Gülle oder Gärresten vor der Aussaat führt bereits zu einer merklichen Reduktion von Ammoniak-Emissionen. Um diese Reduktion auch in wachsenden Beständen zu erzielen, ist laut Düngeverordnung (DüV) seit dem 01.02.2020 die bodennahe und streifenförmige Ausbringung von flüssigen Gärresten und Güllen vorgeschrieben.

Wie unterschiedlich die Ammoniak-Verlustraten bei verschiedene Ausbringtechniken sind kann man in Tabelle 1 sehen. Hier wird das Potential der Ansäuerung mit Schwefelsäure (H2SO4) deutlich, welches die geringsten Verluste zeigt. Vorangegangene Versuche der LWK-Niedersachsen haben zudem eine pflanzenbauliche Wirksamkeit von angesäuerter Gülle auf den Ertrag gezeigt. Trotz dieser Ergebnisse, wird das Verfahren in Deutschland derzeit noch wenig angewendet.

Einfluss der Ausbringtechnik auf die Ammoniakverluste (verändert nach Dr. Ines Bull, LFA Mecklenburg-Vorpommern)
  NH3-N Verluste  [% des ausgebrachten NH4-N ]

NH3-N Verluste  [kg N/ha* ]

oberflächliche Ausbringung
Prallteller** 50 -100         38 - 63
Schleppschlauch 40 - 80 25 - 50
Schleppschuh 20 - 60 13 - 38
Schlitztechnik 10 - 40 6 - 25
Ansäuerung < 10 < 6
Einarbeitung bei der Aussaat
Güllegrubber 20 - 40 13 - 25
Gülle-Strip-Till < 10 < 6

* bei 25m³/ha Ausbringungsmenge, 4 kg N/m³, 62,5% NH4-N

** aufwärts gerichtete Prallteller nicht mehr zulässig

In dem bundesländerübergreifenden Projekt „Säure + im Feld“, an dem u.a. die LWK Niedersachsen neben 7 weiteren Projektpartnern beteiligt ist, wird das Verfahren der Gülleansäuerung unter Praxisbedingungen getestet. Ziel ist es, die Effizienz der Ansäuerung in On-Farm Versuchen zu ermitteln und auf Demonstrationsstreifen die Effekte zu zeigen. In ganz Niedersachsen nehmen landwirtschaftliche Betriebe und Lohnunternehmen teil und werden pflanzenbaulich begleitet. Neben Pflanzen- und Bodenanalysen werden auch Ammoniakmessungen vorgenommen um zu ermitteln, ob die Ziele des Umweltschutzes und die der landwirtschaftlichen Produktion mit Blick auf die Nährstoffversorgung unterschiedlicher Kulturen gemeinsam erreicht werden können.

Ansäuerung mit Schwefelsäure

In organischen Düngern liegt der Stickstoff in organisch gebundener Form und als pflanzenverfügbares Ammonium-N (NH4+) vor. Dieses befindet sich in einem Temperatur- und pH-Wert abhängigen Gleichgewicht zum Ammoniak. Ein hoher pH-Wert verschiebt das chemische Gleichgewicht zugunsten des Ammoniaks, als Folge dessen hohe Emissionsverluste entstehen. Mit Hilfe der Schwefelsäure ist es möglich, den pH-Wert zugunsten des Ammoniums herabzusetzen und Ausgasungen zu verringern, wodurch mehr pflanzenverfügbarer Stickstoff zur Verfügung steht. Als geeignetes Maß hat sich eine pH-Wert Absenkung auf ca. 6,4 etabliert. Je nach Gülleart sind unterschiedliche Mengen Schwefelsäure pro Kubikmeter nötig, um den Ziel pH-Wert zu erreichen. Während bei Rinder- und Schweinegülle ca. 2,0 l/m3 anzusetzen ist, benötigen Gärreste aufgrund des höheren Ausgangs-pH-Wertes 4,5-5,0 l/m3. Aus ökonomischer Sicht sind die Kosten der Schwefelsäure im Verhältnis zur Steigerung der Stickstoffausnutzung der limitierende Faktor der einzusetzenden   Säuremenge.

Technische Umsetzung

Ansäuerung
In der Fronthydraulik wird die Schwefelsäure mitgeführt und vor dem Gestänge in die Gülle injiziert. Die Reaktion findet ausschließlich im Gestänge statt, sodass es zu keinem Zeitpunkt zu einem Kontakt zwischen Boden und konzentrierter Schwefelsäure kommtNiklas Brunotte

Für das Ansäuern während der Ausbringung wird ein mit Schwefelsäure gefüllter IBC-Container in der Fronthydraulik mitgeführt. Die Mischeinheit mit Säureinjektion befindet sich direkt vor dem Gestänge und mischt die erforderliche Säuremenge in die Gülle oder den Gärrest ein. Da es bei der Vermischung von Schwefelsäure und Gülle (oder Gärresten) zu einer erheblichen Schaumbildung und Volumenvergrößerung kommt, wird die Schwefelsäure erst im Gestänge hinzudosiert. Ein zu beobachtender positiver Effekt der Schaumbildung ist, dass sich die Gülle besser verteilt. Ein pH-Sensor, welcher sich am Gestänge befindet, misst kontinuierlich den pH-Wert der Gülle oder des Gärrestes und steuert damit permanent die Säureaufwandmenge. Der Fahrer steuert das System, indem er den pH-Wert festlegt oder eine permanente Säuremenge vorgibt. Der sichere Umgang mit der Säure wird bei einer ADR-Schulung vermittelt, die für alle Personen die Umgang mit dem Stoff haben vorgeschrieben ist.


 Verbessertes Nährstoffmanagement dank Schwefelsäure

Reagiert die konzentrierte Schwefelsäure mit der Gülle kommt es zu einer pH-Wert Absenkung und folgenden positiven Nährstoffeffekten:

  •  Das Verhältnis von Ammonium zu Ammoniak verschiebt sich zu Gunsten des Ammoniums.
  •                 -->Mehr pflanzenverfügbarer Stickstoff je m3 Gülle.
  • Laut Literatur:    Organisch gebundenes Phosphat in der Gülle oder dem Gärrest wird mobilisiert und in
  •                            pflanzenverfügbarer Form an die Pflanze gebracht.
  • Die Schwefelsäure wird bei der Reaktion mit der Gülle zum Pflanzenverfügbaren Sulfat umgewandelt.
  • Durch die bessere Nährstoffverfügbarkeit der angesäuerten Gülle kann Mineraldünger eingespart werden.

In vorherigen Versuchen der LWK Niedersachsen hat sich gezeigt, dass mit Hilfe der verbesserten Ammoniumernährung und Phosphatverfügbarkeit je nach Ausbringungssystem, ob Schleppschlauch, Schleppschuh oder Schlitzgerät, ähnliche Erträge wie mit einer rein mineralischen Düngung erzielt werden können. Besonders mit Blick auf die Roten Gebiete, in denen eine reduzierte Stickstoffdüngung um 20% laut DüV vorgeschrieben ist, kann das System eine Optimierung des Nährstoffmanagements darstellen.


 

Ansäuerung
Während der Ansäuerung kommt es aufgrund der chemischen Reaktion oft zu einer Schaumbildung. Der Schaum hat führt zu einer breiteren Verteilung des Güllebandes und bildet gleichzeitig eine Barriere gegen die Ammoniakemissionen. Die Bilder zeigen links einNiklas Brunotte
MuD „Säure+ im Feld“

Das aus Dänemark stammende Ansäuerungsverfahren soll nun mit einem Netz aus landwirtschaftlichen Betrieben und Lohnunternehmern in dem Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) „Säure+ im Feld“ in der landwirtschaftlichen Praxis etabliert werden. Ziele des bundesländerübergreifenden MuD`s sind es, auf die Potentiale der Ansäuerung aufmerksam zu machen, Vorzüge der verbesserten Nährstoffausnutzung nachvollziehbar darzustellen und Vorbehalte hinsichtlich der Sicherheit und der Praktikabilität zu evaluieren. Dies soll insbesondere durch geplante Feldtage (z. B. 20.06.2023.), Demonstrationsveranstaltungen sowie Vorträge und Seminare zur Thematik erreicht werden. Es wird in den Warndiensten und der Homepage der LWK-Niedersachsen auf entsprechende Veranstaltungen aufmerksam gemacht werden. Außerdem sollen wichtige Informationen und Hinweise zum optimalen Einsatz des Verfahrens hinsichtlich Einsatzmöglichkeiten, Aufwandmengen und Düngeplanung zusammengestellt werden. Neben den reinen Ertragswirkungen sollen aber auch die Umwelteffekte betrachtet werden, indem Emissionsmessungen nach einer Düngung durchgeführt werden. 

 

Ansäuerung
In diesen Gebieten liegen die teilnehmenden Modellbetriebe. Sie spiegeln die verschiedenen Bodenarten und Regionsspezifische Besonderheiten Niedersachsen wieder. Grafik: Lentz, LWK.Christine Lentz

 

Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Förderkennzeichen 2821ABS400.