Kartoffeln - Knollenbeschädigungen ernst nehmen
Knollenbeschädigungen sind in der abgelaufenen Vermarktungssaison nach den Auswertungen der freiwilligen Qualitätskontrolle der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wieder vermehrt als qualitätsmindernder Mangel aufgetreten. Darauf sollte bei der bevorstehenden Ernte reagiert werden, zumal im letzten Jahr viele qualitätskritische Partien bereits frühzeitig einer alternativen Verwertung zugeführt wurden.
Vegetationsperiode 2014
Die günstigen Bodenbedingungen und der bereits sehr warme März 2014 legten den Grundstein für ein ertragreiches Kartoffeljahr. Wenige sehr heiße Tage und eine relativ gleichmäßige Verteilung der Niederschläge förderten die positive Entwicklung der Kartoffeln und am Ende kam in Niedersachsen mit knapp 480 dt/ha ein rekordverdächtiger Durchschnittsertrag zusammen. Während der Ernte herrschten zumeist trockenes Wetter sowie wärmere Temperaturen vor. Eigentlich ideale Voraussetzungen für eine qualitätsorientierte Rodearbeit.
Diese hohen Erträge beruhten zum einen auf einem durchschnittlichen bis leicht erhöhten Knollenansatz, da die Kartoffelpflanzen aufgrund der günstigen Wachstumsbedingungen den größten Teil der angelegten Knollen bis zu Ernte behalten haben. Zum anderen wurden die Einzelknollen tendenziell größer und damit auch empfindlicher gegenüber Beschädigungen. Dieses erhöhte Grundrisiko wurde noch dadurch verstärkt, dass sich die jährliche Flächenleistung der Erntemaschinen in den letzten Jahren kalkulatorisch und praktisch immer weiter nach oben entwickelt hat. Das ermöglichten sowohl die verbesserten Erntebedingungen, z. B. nach einer Beetseparierung im Frühjahr, als auch die technische Weiterentwicklung der Erntemaschinen. In Hochertragsjahren wie 2014 kommt es bei der erfahrungsgemäß knollenschonenden Rodereinstellung aber vermehrt zu Engpässen in der Maschine. Hier wäre eine Rücknahme der Fahrgeschwindigkeit die richtige Entscheidung gewesen. Ihr steht aber die betrieblich kalkulierte Flächenleistung pro Tag bzw. die geplante Kampagneleistung entgegen, so dass sich dann häufig doch für höhere Drehzahlen bei den sich an den Siebkanal anschließenden Förder- und Trenneinrichtungen entschieden wird. Gerade bei den rechtwinkligen Umlenkungen des Gutstromes kommt es so zu größeren mechanischen Belastungen, die sich nach eigenen Untersuchungen in vermehrten Knollenbeschädigungen widerspiegeln.
Direkter Qualitätsmangel
Mechanische Belastungen der Kartoffeln, wie z. B. Stöße an harten Maschinenteilen oder der Fall auf eine nicht gepolsterte Unterlage, lassen hohe Kräfte in den Knollen auftreten, die das Gewebe abpuffern muss. Ob und welche Auswirkungen es dabei gibt, hängt sowohl von der Stärke und Häufigkeit der Stöße als auch von der Empfindlichkeit des Knollengewebes ab. So sind z. B. größere und kältere Knollen deutlich beschädigungsempfindlicher. Außerdem rufen viele kleinere Stöße auf die gleiche Stelle an den Knollen (z. B. Kronen- oder Nabelende) vergleichbare Schäden hervor wie ein starker Stoß. Besonders deutlich werden diese Wechselwirkungen bei der Aufbereitung von Partien mit Lagerdruckstellen. Unter den Lagerdruckstellen ist das Knollengewebe durch die Druckbelastung schon sehr stark geschwächt, so dass bei kalten Kartoffeln bereits kleine Stöße ausreichen, um Schwarzfleckigkeit oder Nekrosen hervorzurufen.
In der Ernte sind die meisten Kartoffeln noch sehr prall und reagieren auf kritische mechanische Belastungen mit einem Zerplatzen der Zellen. Das geschädigte Gewebe trocknet an diesen Stellen aus und die Stärke bleibt als weiße Masse zurück. Diese Nekrosen werden bei der Qualitätskontrolle erfasst und ab einer bestimmten Größe als qualitätsmindernder Mangel bewertet. Da sich die Nekrosen unterhalb der Schale befinden, sind sie von den heutigen opto-elektronischen Verleseautomaten ebenso wenig zu erkennen wie beim manuellen Verlesen. Sie stellen für den Verbraucher einen deutlichen Qualitätsmangel dar, der nur über eine gezielte Vermeidungsstrategie bei der Ernte und Aufbereitung zu minimieren ist.
Folgeschäden
Beschädigte Knollen weisen eine höhere Atmungsrate und einen intensiveren Stoffwechsel auf. Beides führt im Laufe der Lagersaison zu einem schnelleren Abbau der knolleneigenen Keimhemmstoffe und damit zu einer früheren und stärkeren Keimung. Eine optimale Lagerführung, evtl. auch unter Einsatz einer maschinellen Kühlung, kann die Auswirkungen zwar abmildern, aber die größere „Unruhe“ stärker beschädigter Partien bleibt erhalten und kann in kritischen Situationen eher zu Problemen führen. Darüber hinaus ziehen die Knollenbeschädigungen vor allem in den ersten Lagerwochen einen verstärkten Wasserverlust nach sich, der nicht nur die späteren Lagerungsverluste deutlich beeinflussen kann, sondern auch die Abtrocknung der Kartoffeln erschwert.
Beim Einsatz flüssiger Keimhemmungsmittel während der Einlagerung oder bei einer Heißvernebelung vor dem vollständigen Abschluss der Wundheilung sind Beschädigungen potenzielle Risikobereiche für das Auftreten von unerwünschten Schalenaufwerfungen und veränderungen. An den verletzten Stellen kann der Wirkstoff intensiver in das Gewebe eindringen und gegebenenfalls die Zellen so schädigen, dass die Verarbeitungseignung der Partie deutlich beeinträchtigt ist. Zudem sind Knollenbeschädigungen potentielle Eintrittspforten für Schaderreger, die sich auf der Knollenoberfläche befinden und nicht von selbst die intakte Schale als natürliches Schutzschild überwinden könnten. Im Herbst 2014 profitierten vor allem die reichlich vorhandenen Nassfäulebakterien von den vermehrten Knollenbeschädigungen und sorgten in einer größeren Zahl von Lagerhäusern für Probleme, die bis zum Totalausfall einzelner Partien führten. Der Einsatz CIPC-haltiger Keimhemmungsmittel, z. B. bei der Einlagerungsbehandlung oder einer sehr frühen Heißvernebelung, verzögert die Wundheilung weiter und trägt damit gerade in kritischen Jahren zu einer deutlichen Erhöhung des Fäulnisrisikos bei.
Darüber hinaus können Knollenbeschädigungen auch den Gehalt verschiedener Inhaltsstoffe in den Knollen verändern. So ziehen Beschädigungen beispielsweise einen Anstieg des Gehaltes an Glykoalkaloiden, aber auch an reduzierenden Zuckern nach sich.
Was ist zu ändern?
Die Diskussionen über Qualitätsprobleme drehten sich in den letzten Jahren vorrangig um ergrünte Knollen oder Fraßschäden, während Beschädigungen auch aufgrund zumeist günstiger Rodebedingungen etwas aus dem Focus aller Beteiligten gerückt sind. Damit schleichen sich im Laufe der Zeit auch gewisse Routinen in die Betriebsabläufe ein, die häufig erst eines externen Anstoßes bedürfen, um gegenzusteuern. Im Rahmen der langjährigen Roderschulungen haben sich einige Risikopunkte herauskristallisiert, die immer wieder als Beschädigungsursachen auffallen:
- Rodetiefe: Im Laufe der Saison nimmt die Rodetiefe zu, da als Reaktion auf angehackte Knollen im Erntegut die Arbeitstiefe immer wieder vergrößert wird. Beim Wechsel der Sorte oder des Schlages wird diese jedoch zumeist nicht zurückgestellt, sondern weiter genutzt. Unter trockenen Rodeverhältnissen hat dies einen positiven Nebeneffekt, da mehr Boden zum Aufbau eines schützenden Erdpolsters zur Verfügung steht. Probleme ergeben sich jedoch, wenn dabei vermehrt trockene, harte Kluten mit aufgenommen werden oder unter feuchten Bedingungen die viele Erde nicht zufriedenstellend absiebbar ist. Als Abhilfe werden dann häufig die Rüttlerintensität und die Umlaufgeschwindigkeiten der Trenneinrichtungen zu Lasten des Beschädigungsrisikos erhöht, während die Rodetiefe zumeist unangetastet bleibt.
- Übergang Schar zu Siebkette: Bei einer möglichst flachen Rodetiefe nehmen die Schare nur wenig Boden unterhalb des Knollennestes im Damm auf. Besteht dann zwischen den Scharen und der Siebkette ein Absatz, können die umlaufenden Siebstäbe einen Teil der unten liegenden Kartoffeln erfassen und nach oben drücken. Die dabei auftretenden Punktbelastungen ziehen eine Vielzahl von Beschädigungen an den Knollen nach sich. Die Erntemaschinenhersteller haben darauf konstruktiv mit veränderten Scharträgern und einen größeren Einstellbereich reagiert. Zudem werden die meisten Roder heute ab Werk so ausgeliefert, das Schar- und Siebkettenoberfläche eine Ebene bilden. Dennoch kommt es in der Praxis immer wieder zu Veränderungen, da die relativ flach angestellten Schare, wenn beispielsweise der Materialverschleiß zunimmt oder der Damm sehr hart ist, sich nur langsam in den Boden ziehen. Ein steilerer Anstieg der Schare löst dieses Problem, aber gleichzeitig wächst damit auch der beschädigungsfördernde Abstand zwischen Schar- und Siebkettenoberfläche. Mit einer größeren Rodetiefe lässt sich das Erdpolster zwischen Schar und Knollennest erhöhen und so das Beschädigungsrisiko mindern. Diese Vorsichtsmaßnahme wird im Tagesgeschäft aber ebenso schnell wieder vergessen wie die Stellung der beiden Werkzeuge zueinander, da dieser Bereich fast immer von Boden bedeckt ist und die Verstellschrauben gerade bei zweireihigen Rodern häufig nur schwer zugänglich sind.
- Erdpolster im Siebkanal: Über den Einsatz von Traktoren mit einem stufenlosen Getriebe lassen sich Fahr- und Siebkettengeschwindigkeit heute schnell und einfach so aufeinander abstimmen, dass das schützende Erdpolster einen möglichst großen Teil des Siebkanals abdeckt. Dies verhindert ein Zurückrollen der Kartoffeln und puffert Siebkettenübergänge wirkungsvoll ab. Schließt sich an die Siebkette ein Gummifingerband als weiteres Transportelement an, ist diese Fallstufe deutlich entschärft und ermöglicht einen teilweisen Verzicht auf die Schutzfunktion des Erdpolsters.
- Rechtwinklige Richtungsänderungen des Gutstroms: Der heute in vielen Rodern vorherrschende U-förmige Verlauf des Gutstroms zieht ein oder mehrere rechtwinklige Richtungsänderungen nach sich. Dafür werden zumeist Kombinationen aus Gummifingerbändern und schräg stehenden Ableitwalzen genutzt. Der Durchsatz wird hier sowohl durch den Anstellwinkel und die Länge der Walzen als auch durch die Umlaufgeschwindigkeit des Gummifingerbandes bestimmt. Letztere lässt sich über einen hydraulischen Antrieb sehr leicht an die Rodeleistung anpassen und so ein möglicher Engpass vermeiden. Der zügige Gutfluss suggeriert eine „gute“ Maschineneinstellung, aber mit zunehmender Umlaufgeschwindigkeit steigen auch die mechanischen Belastungen der auf die Walzen auftreffenden Kartoffeln und damit deren Beschädigungsrisiko an. In der Praxis bedeutet dies häufig ein zu Gunsten der Flächenleistung verschobener Kompromiss.
- Überladen auf Transportfahrzeuge: Die Sensibilität gegenüber Fallstufen endet immer noch viel zu oft am Ende des Bunkerauslaufs des Roders. Durch die Höhe der Aufbauten heutiger Transportfahrzeuge sind Fallhöhen von über 2 m für die ersten Kartoffeln keine Seltenheit und entsprechend stark sind die Knollenbeschädigungen beim Auftreffen auf den Stahlboden. Mit Hilfe eines abknickbaren Bunkerkopfes und der Nutzung eines Kistenbefülltrichters lässt sich die Fallhöhe schon deutlich reduzieren. Richtig schonend wird es für die Knollen aber erst, wenn das Transportfahrzeug gleichzeitig noch mit einem Fallsegel, tief hängenden Fallbrechern oder einer Bodenpolsterung ausgerüstet ist. Ein vergleichbarer Effekt geht von Fahrzeugen mit absenkbarer Bordwand aus. Aber auch bei der Kistenbefüllung auf dem Feld sind die jeweiligen Fallhöhen kritisch zu hinterfragen und beinhalten keinen Freifahrtschein für ein beschädigungsfreies Überladen. Die geringsten Knollenbeschädigungen wurden bei Großkisten ermittelt, deren Breite ein vollständiges Eintauchen des Kistenbefülltrichters gewährleistet, ohne die Kistenwände zu berühren. Zudem sollte der Abstand zwischen dem Auslauf des Befülltrichters und dem Kistenboden möglichst gering sein.
Fazit
Die Höhe der Knollenbeschädigungen wird durch ein Zusammenspiel von Sortenempfindlichkeit, Rodebedingungen, technischen Gegebenheiten und Bedienung der Erntemaschine bestimmt. Im Laufe der Zeit können sich hier jedoch qualitätsmindernde Routinen einschleichen, deren Auswirkungen nur verzögert und nicht bei jeder Sorte oder Partie sichtbar werden. Deshalb gilt es immer wieder zu Beginn einer Erntesaison neben einer Durchsicht der Technik auch alle Verantwortlichen mit Blick auf eine beschädigungsarme Behandlung der Kartoffeln zu schulen. Eine regelmäßige Bonitur des Erntegutes auf Beschädigungen kann diesen Prozess ebenso unterstützen wie die Bereitschaft, die kalkulierte Flächenleistung an die Qualitätsansprüche anzupassen.
Autor: Dr. Rolf Peters
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