Man könnte sagen: „Nach mir die Sintflut!“
Aber ist das wirklich so einfach? Kann es einem wirklich egal sein, was mit dem Hof und der Familie passiert? Gehört es nicht auch zu den Aufgaben eines Betriebsleiters rechtzeitig Verantwortung für den Fall seines Ausfalls (bspw. durch Tod, Koma oder Krankheit) zu übernehmen?
Landwirte sind einer Menge an Risikofaktoren ausgesetzt, die sie nicht beeinflussen können. Deshalb ist es umso wichtiger, die Dinge zu regeln, die sie selbst regeln können. Denn ein Unternehmer zeichnet sich nicht nur durch Risikobereitschaft aus, sondern auch durch die Übernahme und das Tragen von Verantwortung.
Die Abdeckung betrieblicher Risiken ist für viele Landwirte selbstverständlich. Doch sich mit den persönlichen Risiken auseinanderzusetzen und sich zu entscheiden, welche Maßnahmen man ergreifen möchte, um die Risiken zu minimieren, steht oftmals auf der Prioritätenliste ganz unten. Beliebte Sätze sind: „Mach ich, wenn mal Zeit ist.“ In der Landwirtschaft also eher selten bis gar nicht, oder!?
Woran könnte das liegen?
Gedankliche Situationsanalysen beispielsweise: „Was passiert, wenn ich ins Koma falle?“ lassen Themen wie die eigene Endlichkeit, Hilflosigkeit und Verletzbarkeit ins Bewusstsein der Beteiligten rücken. In der Regel wird hierüber in unserer Gesellschaft eher selten gesprochen. Zudem erlebt der Betroffene selbst nicht das Chaos, was entsteht, wenn nichts geregelt wurde. Ferner kostet es Zeit und Mühe sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Dieser Artikel gibt einen kurzen Einblick in das Thema Absicherung persönlicher Risiken am Beispiel „Der Betriebsleiter fällt ins Koma!“, mit dem Ziel den Satz „Mach ich, wenn mal Zeit ist!“ zu konkretisieren in „Das Thema nehme ich diesen Winter in Angriff!“.
Szenario: Betriebsleiter fällt ins Koma
Welche Konsequenzen würden sich ergeben?
Gerichtlich bestellter Betreuer
Wenn nichts geregelt ist, wird vom Betreuungsgericht ein rechtlicher Vertreter für den zu Betreuenden bestellt, um dessen Interessen zu vertreten. Selbst der Ehepartner oder die Kinder hätten keine Befugnis Angelegenheiten für die betroffene Person zu regeln oder Auskünfte vom Arzt zu erhalten. Der Grund liegt im Selbstbestimmungsrecht, welches jede Person mit der Volljährigkeit erlangt. Der gerichtlich bestellte Betreuer kümmert sich um die ihm zugewiesenen Aufgabengebiete. Eine Einwilligung des Betreuungsgerichts benötigt der Betreuer zusätzlich z.B. bei einem ärztlichen Eingriff, bei der Kündigung eines Mietverhältnisses oder bei Geldgeschäften für die zu betreuende Person.
Betriebshelfer
Um den laufenden landwirtschaftlichen Betrieb aufrecht zu erhalten, kommt in der Regel ein Betriebshelfer zum Einsatz. Dieser kann bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (SVLFG) beantragt werden. Das Entscheidende ist, dass die Ersatzkraft den Betrieb oftmals nicht kennt und sich erst einmal zurechtfinden muss. Dies kostet Zeit und u.U. auch Geld, wenn z.B. der Mechaniker bestellt werden muss, um eine Einweisung für die Geräte und die Maschinen zu geben.
Welche Möglichkeiten der Absicherung gibt es?
Vorsorgevollmacht
Um selbst zu entscheiden, wer einen „im Fall des Falles“ betreut und damit schnell notwendige persönliche und betriebliche Entscheidungen getroffen werden können, kann eine Vorsorgevollmacht erteilt werden. Der so Bevollmächtigte ist dem Gericht nicht rechenschaftspflichtig. Grundvoraussetzung für eine Vorsorgevollmacht ist daher das Vertrauen in die zu bevollmächtigende Person. Zudem ist es sinnvoll, die Person darüber in Kenntnis zu setzen bzw. nach ihrem Einverständnis zu fragen. Ebenso sollte ihr der Ort mitgeteilt werden, wo die Vollmacht hinterlegt ist. Es besteht auch die Möglichkeit, die Vorsorgevollmacht zusätzlich im zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eintragen zu lassen. Im Hinblick auf die Gültigkeit bei Grundstücksgeschäften, Kauf oder Verkauf von Eigentumswohnungen oder anderen Immobilien oder Darlehensaufnahme bedarf es einer notariellen Beurkundung der Vollmacht.
Auf der Internetseite des Niedersächsischen Justizministeriums kann z.B. kostenlos der Ratgeber Vorsorgevollmacht für Unfall, Krankheit und Alter heruntergeladen werden (www.mj.niedersachsen.de/service/publikationen/).
Betreuungsverfügung
Zwischen der Option „nichts zu regeln“ und das Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer bestellen zu lassen und dem Erstellen einer Vorsorgevollmacht und damit dem Bevollmächtigten „freie Hand“ zu lassen, stellt die Betreuungsverfügung eine Zwischenlösung dar. Sie ist eine Art „Wunschzettel“ auf dem vermerkt ist, welche Person vom Gericht als Betreuer oder welche Person auf gar keinen Fall als Betreuer bestellt werden soll. Der Betreuer ist dem Gericht rechenschaftspflichtig. Der Umfang der Betreuung sowie die Pflichten des Betreuers sind im Bürgerlichen Gesetzbuch § 1901 geregelt.
Patientenverfügung
Ein weiterer Punkt beim Thema Absicherung ist die Patientenverfügung. Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist sie
„eine schriftliche Festlegung eines einwilligungsfähigen Volljährigen für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt“ (§ 1901 a Abs. 1 Satz 1 BGB).
Die Patientenverfügung bezieht sich ausschließlich auf die medizinische Versorgung, an welche sich die Ärzte halten müssen, es sei denn, die Verfügung trifft nicht mehr auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu. Außerdem kann die Patientenverfügung eine Hilfe für den Betreuer oder Bevollmächtigten darstellen, medizinische Entscheidungen gegenüber der Familie „besser“ vertreten zu können. Des Weiteren können auch Wertvorstellungen und Lebenseinstellungen in die Patientenverfügung aufgenommen werden. Eine Beratung durch den Hausarzt ist zu empfehlen. Ferner sollte der Hinterlegungsort der Patientenverfügung auch dem Bevollmächtigten mitgeteilt werden.
Konto-/Bankvollmacht
Die Banken erkennen die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht in vielen Fällen nicht umfassend an. Daher kann durch eine Konto-/ Bankvollmacht in diesem Bereich Sicherheit geschaffen werden. Der hindernisfreie Zugang zum Betriebskonto ist für einen aktiven landwirtschaftlichen Betrieb in einer solchen Situation zur Aufrechterhaltung des Betriebes sehr wichtig.
Notfallordner
Ein aktueller und vollständiger Notfallordner ist der erste Anker „im Fall der Fälle“, um einen Überblick bspw. über die getroffenen Vorsorgemaßnahmen und den Betrieb zu bekommen. Oft übernimmt beim Ausfall des Betriebsleiters zunächst der Ehepartner, Lebensgefährte oder eines der Kinder das Ruder. Teilweise sind diese aber nicht ins Betriebsgeschehen involviert oder nur für einen Betriebszweig verantwortlich. Folglich müssen sie sich erst einmal einen Überblick über den Betrieb verschaffen. Selbst ein Betriebshelfer benötigt zu Beginn Zeit, um sich auf dem Hof zurechtfinden. Zudem kennt er nicht die betriebsspezifischen Tricks und Kniffe, was zu unnötigen Kosten führen könnte, falls externe Hilfe (z.B. ein Mechaniker) in Anspruch genommen werden muss. Der Notfallordner enthält u.U. wichtige Adressen, Fristen und Terminen, Betriebsabläufe sowie Hinterlegungsorte von Passwörtern.
Näheres zum Thema Absicherung persönlicher Risiken erfahren Sie bei der Sozioökonomischen Beratung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Kontakte
Wiebke Müller
Beraterin Sozioökonomische Beratung
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