Landessortenversuche 2022: Winterroggen
Unter den überwiegend trockenen Bedingungen in diesem Jahr stellte der Winterroggen seine hohe Leistungsfähigkeit in aller Regel klar unter Beweis. Auf den nordöstlichen Sandböden ist eine Kultur mit vergleichsweise geringem Wasserbedarf ein wichtiger Bestandteil der Fruchtfolgen.
Der Winterroggen konnte mit 143.000 ha den Flächenumfang der letzten zwei Jahre wieder bestätigen und bleibt insbesondere auf den leichten Standorten Nordhannovers eine feste Größe. Vor allem in diesem durch Kartoffel-, Rüben- und Zwiebelanbau dominierten intensiven Marktfruchtanbau mit entsprechendem Beregnungseinsatz bietet der Roggen durch seine vergleichsweisen geringen Wasseransprüche eine gute Möglichkeit, die knapp bemessenen Beregnungsmengen für diese Kulturen zur Verfügung zu stellen. Aber auch in den übrigen Roggenanbauregionen überzeugt er durch gute und vor allem weniger schwankende Erträge vor allem unter Trockenstressbedingungen. Mit den vom niedersächsischen Landesamt für Statistik (LSN) vom 23.08. 2022 prognostizierten Durchschnittserträgen in Höhe von 65,2 dt/ha lagen die Ergebnisse über denen der Vorjahre. Sowohl in den Versuchen als auch in der Praxis wurden durchaus auch Erträge deutlich über 100 dt/ha, zum Teil auch über 120 dt/ha gedroschen.
Wie bei den anderen Winterungen auch, wurde der Ertrag maßgeblich durch die Wasserverfügbarkeit während der Kornfüllungsphase bestimmt.
Die Ernte verlief in der Regel unproblematisch und wurde nur vereinzelt durch regionale Niederschläge kurzzeitig unterbrochen, die bei den Qualitäten, vornehmlich den Fallzahlen aber keine Probleme verursachten.
Ergebnisse der Sorten
Zu den etablierten Sorten und der im letzten Jahr neu aufgenommenen Sorte SU Perspectiv wurde in diesem Jahr mit KWS Tutor eine vom Bundessortenamt (BSA) sehr gut gegenüber Mutterkornanfälligkeit eingestufte Sorte mit allerdings eher schwächeren Ertragsleistungen neu in das Sortiment des Landessortenversuches Winterroggen aufgenommen. Insgesamt standen sieben Sorten in der Prüfung. Neben den bereits erwähnten Sorten wurden mit SU Performer, KWS Eterno, KWS Serafino, Piano und KWS Tayo Sorten getestet, die seit mindestens drei Jahren dabei sind.
Die Versuche in den drei Anbauregionen Sandböden West und Nord sowie auf den leichteren westlichen Lehmstandorten wurden an jeweils fünf Standorten angelegt, für die westlichen Gebiete werden auch drei Standorte aus NRW in die Auswertung einbezogen. KWS Tutor wurde in NRW nicht mitgeprüft, SU Perspektiv nur an zwei Standorten.
Die mehrjährigen Ergebnisse werden auf Verrechnungsbasis der 2022 geprüften Sorten dargestellt und schließen auch Versuchsergebnisse aus Wertprüfungen mit ein.
Bei der Sortenwahl sind neben den Erträgen auch die weiteren Sorteneigenschaften wie Standfestigkeit und die Empfindlichkeit gegenüber Krankheiten zu beachten. Die Gefahr bzw. das Risiko eines erhöhten Mutterkornbesatzes sollte für möglicherweise gefährdete Flächen durch die Wahl unempfindlicherer Sorten ebenfalls beachtet werden.
Die Leistungen der Sorten in den drei Anbauregionen:
Die Erträge des LSV Winterroggen konnten sich in allen drei Anbauregionen gegenüber dem Vorjahr steigern, insbesondere auf den Sandböden West und den Lehmböden. Dank ausreichender Wasserversorgung konnten die Sorten auf einzelnen Standorten ihr Leistungspotenzial mit deutlich über 110 dt/ha zeigen. So wurden Durchschnittserträge von 85 dt/ha in der Anbauregion Nordhannover, über 92 dt/ha auf den Sandböden West bis zu 113 dt/ha auf den Lehmböden erreicht.
In der Anbauregion der Sandböden West erwies sich KWS Tayo wiederum als ertragsstärkste Sorte, die damit klar empfohlen wird. KWS Serafino zeigte in allen Prüfjahren konstant gute Erträge und wird in Kombination mit der geringen Mutterkornanfälligkeit ebenfalls klar empfohlen. Obwohl KWS Eterno in den letzten beiden Jahren nicht ganz an die sehr guten Leistungen der Vorjahre anknüpfen konnte, erzielte sie mehrjährig gute Ergebnisse, die eine Empfehlung rechtfertigen. Als nunmehr zweijährig geprüfte Sorte konnte SU Perspectiv in beiden Jahren überzeugen, sodass sich die letztjährige vorläufige Empfehlung klar bestätigt hat. SU Performer und Piano konnten ertraglich mehrjährig hingegen nicht ganz überzeugen. Die neue Sorte KWS Tutor, die gegenüber Mutterkorn am wenigsten anfällig ist und damit die Rolle der bislang mitgeprüften Sorte KWS Trebiano ersetzen soll, zeigte in dieser Anbauregion auf allen Standorten eher enttäuschende Leistungen. Hier ist zu hoffen, dass sie künftig zumindest auf das Ertragsniveau der auf den nordhannoverschen Standorten erzielten Ergebnisse kommen wird. Generell für den Anbau werden für diese Anbauregion also KWS Tayo, KWS Serafino, KWS Eterno und SU Perspectiv empfohlen.
Auf den Sandböden Nord konnte KWS Tayo nicht an die herausragenden Ergebnisse der Vorjahre anknüpfen, erzielte mehrjährig allerdings klar die besten Erträge. Als langjährig geprüfte Sorte erreichte auch KWS Eterno insgesamt gute Leistungen und überzeugte im mehrjährigen Vergleich. KWS Serafino lieferte dieses Jahr gute Leistungen und zählte dank guter Ertragskonstanz mehrjährig zu den ertragsstarken Sorten. Die zweijährig geprüfte Sorte SU Persectiv erreichte nicht ganz die sehr guten Vorjahresergebnisse, zählte in den mehrjährigen Ergebnissen aber zu den ertragsstärksten Sorten. SU Performer erreichte 2022 die besten Erträge in dieser Anbauregion. Im Durchschnitt der Jahre fiel sie jedoch etwas ab und lag mit rel. 98 auf dem Niveau der Sorte Piano, die in allen LSV-Prüfjahren nicht ganz überzeugen konnte. Die neue Sorte KWS Tutor erzielte in dieser Anbauregion ihre besten Ergebnisse, konnte jedoch an die ertragsstärksten Sorten nicht heranreichen. Für diese Anbauregion werden KWS Tayo und SU Perspectiv klar empfohlen, gefolgt von KWS Eterno und KWS Serafino. Letztere verdankt die Empfehlung auch der Tatsache, dass sie mit geringer Mutterkornanfälligkeit eingestuft ist. Die einjährig geprüfte und ertraglich leicht unterdurchschnittliche Sorte KWS Tutor verdankt ihre eingeschränkte Anbauempfehlung der Tatsache, dass sie die beste Einstufung im Hinblick auf die Mutterkornanfälligkeit hat, was in dieser Anbauregion ein wichtiger Aspekt für gefährdete Flächen ist.
Auf den Lehmböden überzeugten 2022 ertraglich vor allem SU Performer und KWS Tayo, gefolgt von KWS Eterno und SU Perspectiv. Mehrjährig die besten Erträge wiesen KWS Tayo und SU Performer auf. Aber auch KWS Eterno und SU Perspectiv erreichten mehr- bzw. zweijährig gute Leistungen. KWS Serafino lag knapp dahinter. Schwache Leistungen zeigten wiederum Piano sowie die neue Sorte KWS Tutor. Klar empfohlen wird auch in dieser Anbauregion KWS Tayo sowie KWS Eterno, SU Perspectiv und auch KWS Serafino dank der guten Mutterkorneinstufung. Eingeschränkt ist die Empfehlung bei SU Performer aufgrund der höheren Mutterkorngefahr.
Wie sieht es mit Populationssorten aus?
Populationssorten werden in den Landessortenversuchen seit einigen Jahren nicht mehr geprüft, da die Erträge deutlich unter denen der aktuellen Hybridsorten liegen. Lediglich auf den selbst für den Roggenanbau als Grenzstandorte angesehenen Flächen könnte unter low-input Bedingungen am ehesten noch die Wahl einer Populationssorte sinnvoll sein. Neben den altbekannten Sorten Conduct und Dukato ist seit 2021 die Sorte SU Bebob vom BSA neu zugelassen worden, die in parallel angelegten Wertprüfungen aktuell höhere Erträge als Conduct erreichte, die jedoch etwa 10 % unter denen der Hybridsorten lagen.
Qualitätsergebnisse
Eine hohe Fallzahl ist als Qualitätskriterium ein wichtiger Aspekt, um als Brotroggen verkauft werden zu können. In den diesjährigen Versuchen gab es keine Auffälligkeiten mit stark schwankenden Ergebnissen, da die Prüfungen praktisch nach Erreichen der Reife auch gedroschen werden konnten. Daher lagen alle Sorten in einem Bereich von 311 sec. bis 333 sec., was als sehr gut einzustufen ist. Als wichtige Hinweise auf mögliche Schwächen einzelner Sorten sei daher auf die differenzierte Darstellung aus 2021 (siehe Tabelle Qualitäten) hingewiesen. Die besten Durchschnittswerte von gut über 200 sec. erreichten 2021 die Sorten SU Perspectiv und KWS Tayo. Festzuhalten bleibt aber auch, dass im Mittel der beiden schwächsten Standorte keine der Sorten die Norm erfüllt hätte. Von daher ist die möglichst zeitnahe Beerntung des Roggens eine wichtige Voraussetzung für die Qualitätssicherung.
Die Hektolitergewichte lagen 2022 mit durchschnittlich 75,0 kg auf einem deutlich höheren Niveau als 2021, ohne jedoch die sehr guten Ergebnisse aus 2020 zu erreichen. Die besten Werte erreichten die Sorten SU Performer, SU Perspectiv, KWS Tayo und KWS Serafino. Keine Sorte lag unter dem Wert von 73 kg.
Fungizid- und Wachstumsreglereinsätze 2022
Braunrostbefall trat in diesem Jahr vorwiegend auf den westlichen Standorten auf, während Rhynchosporium sowohl im westlichen als auch im östlichen Bereich bonitiert wurde. Durch den Verzicht auf Wachstumsregler und Fungizide verringerten sich die Sortenleistungen um durchschnittlich knapp 10 %. Sortenspezifische Unterschiede waren nicht klar erkennbar, da die Mindererträge zwischen den Anbauregionen unterschiedlich ausfielen. Durch den Einsatz von Wachstumsregulatoren wurde die Halmlänge um durchschnittlich 14 cm eingekürzt und verbesserte entsprechend die Standfestigkeit.
Problematik Mutterkorn
Das Thema Mutterkornbesatz wird vom Erfassungshandel und den Mühlen sehr sensibel betrachtet und sollte bei der Sortenwahl entsprechend berücksichtigt werden.
Ein Befall mit diesem Pilz ist wegen der im Mutterkorn enthaltenen Alkaloide und deren Toxizität für Mensch und Tier negativ für Nahrungs- und Futtergetreide. Roggen ist aufgrund seines offenen Abblühverhaltens besonders gefährdet, doch auch andere Getreidearten wie Weizen, Triticale u. a. können betroffen sein. Das war auch beim Weizen dieses Jahr regional wieder ein Thema.
Im LSV konnte kein wesentlicher Befall mit Mutterkorn festgestellt werden, daher waren auch keine sortenspezifischen Unterschiede ablesbar. Aus der Praxis heraus kamen hingegen einzelne Rückmeldungen, dass Partien einen erhöhten Mutterkornbesatz aufwiesen, sodass sie letztlich mit entsprechenden Preisabschlägen in einer Biogasanlage verwertet werden mussten.
Neben der Sortenwahl sind auch produktionstechnische Möglichkeiten wie z. B. ausreichend breite Fahrgassen wichtige Punkte zur Vermeidung von Mutterkorn. Die im LSV geprüften Sorten aus dem Hause KWS Lochow sind alle vom Bundessortenamt mit der Boniturnote 4 oder 3 eingestuft und werden ohne Beimischung von Populationssorten gehandelt. Die aus dem Hause Saaten-Union vertriebenen Sorten werden hingegen mit einer 10 %igen Zumischung von Populationssortensaatgut zur Verbesserung des Pollenschüttungsvermögens vermarktet. Hierdurch soll die Gefahr des Mutterkornbesatzes gemindert werden. Die Sorte KWS Trebiano, die bislang mit der derzeit besten Einstufung (Boniturnote 3) versehen wurde, wird vom Züchterhaus nicht weiter verfolgt, sondern sie ist durch die neue Sorte KWS Tutor ersetzt worden, die erstmalig im LSV stand. Darüber hinaus ist auch KWS Serafino vom BSA mit Boniturnote 3 beurteilt, wobei laut Züchterangaben KWS Tutor etwas unempfindlicher gegenüber Mutterkornbefall einzustufen ist. Beide Sorten kommen daher insbesondere für Mutterkorn-gefährdete Flächen in Frage.
Sortenbeschreibung und -empfehlungen
KWS Tayo konnte die guten Vorjahresleistungen zwar nicht in allen Anbauregionen so eindrucksvoll wie im Vorjahr bestätigen; sie wird dank insgesamt sehr guter und konstanter Erträge bei guter Blattgesundheit und Standfestigkeit klar für den Anbau empfohlen, zumal sie auch in der Mutterkornanfälligkeit günstig eingestuft ist.
Die zweijährig geprüfte blattgesunde und standfeste Sorte SU Perspectiv erreichte in allen Anbauregionen gute und recht konstante Ertragsleistungen, sodass sie entsprechend eine Anbauempfehlung erhält. Zu beachten ist die mittlere Einstufung gegenüber Mutterkorn.
Die langjährig geprüfte Sorte SU Performer erzielte im Durchschnitt der letzten fünf Prüfjahre auf den Lehmböden insgesamt überdurchschnittliche Erträge. Aufgrund der Schwächen gegenüber Mutterkornbefall erhält sie dort eine eingeschränkte Empfehlung.
KWS Eterno erreichte in diesem Jahr auf den Sandböden etwas schwächere Erträge; ihre allgemeine Anbauempfehlung beruht daher auf insgesamt guten mehrjährigen Ergebnissen und der mit „+“ versehenen Einstufung gegenüber Mutterkorn. Zu beachten ist die schwächere Einstufung gegenüber Mehltau und ihre mittlere Lagerneigung sollte nicht außer Acht gelassen werden.
KWS Serafino zählt nach dem fünften LSV-Jahr ebenfalls zu den ertragsstärksten Sorten, tendenziell auch auf den eher etwas schwächeren Standorten. Sie zeichnet sich darüber hinaus durch eine gute Blattgesundheit und eine sehr geringe Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn aus. Eine nur mittlere Standfestigkeit sollte beim Wachstumsreglereinsatz berücksichtigt werden.
Die neu aufgenommene Sorte KWS Tutor zählt laut BSA und auch nach züchtereigenen Angaben zu den Sorten mit der geringsten Anfälligkeit gegenüber Mutterkornbesatz. Die vom BSA beschriebenen leicht unterdurchschnittlichen Ertragsleistungen haben sich bestätigt. Da sie in auf den Sandböden Nord noch akzeptable Erträge geliefert hat, erhält sie dort eine entsprechende eingeschränkte Anbauempfehlung, zumal in dieser Region die Gefahr des Auftretens von Mutterkorn auf den schwächeren Standorten am wahrscheinlichsten ist.
Piano erreichte in allen drei Anbauregionen nicht die erhofften Erträge und wird voraussichtlich nicht weiter geprüft. Punkten kann die Sorte durch eine gute Standfestigkeit und Blattgesundheit.
Zusammenfassung
Der Winterroggen konnte auch in diesem Jahr seine hohe Leistungsfähigkeit in aller Regel klar unter Beweis stellen. Insbesondere nach diesem beregnungsintensiven Jahr auf den nordöstlichen Sandböden ist eine Kultur mit vergleichsweise geringem Wasserbedarf ein wichtiger Bestandteil der Fruchtfolgen. Aber auch auf höher bonitierten Standorten wird sich der Roggen aufgrund des geringeren Dünge- und Pflanzenschutzaufwandes behaupten können. Wie sich die künftige Vermarktungssituation auf dem Brotgetreidemarkt entwickeln wird, ist derzeit schwer vorhersagbar. Auch wenn sicherlich weiterhin ein großer Teil des Roggens als Futtergetreide vermarktet werden muss, sollte dennoch der sichere Anbau als Brotroggen im Vordergrund stehen. Dafür sind vornehmlich ertragsstarke Sorten mit guten Fallzahlen und geringer Anfälligkeit gegenüber Mutterkornbesatz gefragt.
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Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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