Landessortenversuche 2022: Wintertriticale
Die Erträge der Wintertriticale haben in diesem Jahr wieder ein gutes Niveau erreicht, auch der züchterische Fortschritt im Hinblick auf Ertrag und Gesundheit der Sorten konnte im Landessortenversuch bestätigt werden.
2022 ist der Anbau von Triticale in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahr erneut leicht um 1.700 ha zurückgegangen, die Anbaufläche beträgt nun 54.100 ha, das sind ca. 2,9 % der niedersächsischen Ackerfläche.
Die Erträge haben sich allerdings gegenüber den Vorjahren wieder deutlich verbessert, die Schätzung des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) geht von durchschnittlich 66,7 dt/ha Kornertrag aus, dieser Wert wurde seit 2016 nicht mehr erreicht. Die Bestände konnten von den Niederschlägen im Februar profitieren, die später in vielen Regionen herrschende Trockenheit wirkte sich durch relativ kühle Temperaturen im Frühjahr und eher moderate Temperaturen im Frühsommer nicht ganz so stark aus. Die regionalen Unterschiede in der Niederschlagsverteilung waren in diesem Jahr wieder sehr ausgeprägt, oftmals gab es auch kleinräumig große Unterschiede, was sich neben der Bodengüte entsprechend auf die Ertragsunterschiede ausgewirkt hat.
Während im vergangenen Jahr auch Triticale durch die extremen Temperaturen im Zeitraum 17. bis 19. Juni in ihrer Kornausbildung beeinträchtigt wurde, trugen in diesem Jahr die TKM- und Hektolitergewichte entscheidend zu den guten Erträgen bei. Dank günstiger Witterungsbedingungen in der insgesamt recht kurzen Ernteperiode traten Auffälligkeiten durch Auswuchs in der Ähre nicht auf, sodass die Erntepartien in aller Regel keine Probleme bei der Vermarktung bereiteten.
Ergebnisse des Landessortenversuches
Der LSV wurde auch in diesem Jahr in den vier Anbauregionen Sandböden West und Nord sowie Lehme West und Höhenlagen Mitte/West angelegt. Das Prüfsortiment bestand aus 8 Sorten, es gab keine neuen Kandidaten.
Mit Erträgen zwischen 79 und 88 dt/ha wurden auf den niedersächsischen Standorten der Anbauregion Sandböden West gute Erträge erzielt. Der Durchschnittsertrag dieser Anbauregion wurde durch den trockenheitsbeeinflussten NRW-Standort auf den Wert von 78 dt/ha reduziert und lag damit auf dem Niveau der beiden Vorjahre.
Vergleichbare Erträge wurden ebenfalls in der Region Sandböden Nord mit 79 dt/ha erreicht und damit 5 dt/ha höher als im Vorjahr, wobei hier die Schwankungsbreite der vier Standorte zwischen 75 und 89 dt/ha lag. Auf den Lehmstandorten West wurde mit durchschnittlich 110 dt/ha ein sehr gutes Ergebnis erzielt mit Einzelortwerten in einem Bereich von 96 dt/ha in Astrup (LK OS) und einem Spitzenwert von 122 dt/ha in Borwede (LK NI). Damit wurden beide Vorjahreserträge deutlich übertroffen. Von den vier für die Anbauregion Höhenlagen Mitte/West einbezogenen Standorten erreichte der niedersächsische Versuch in Mollenfelde mit 107 dt/ha das Durchschnittsergebnis dieser Anbauregion. Die Mehrerträge gegenüber den Vorjahren waren insbesondere hier sehr ausgeprägt. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Versuchsergebnisse der Einzelstandorte recht gut das Ertragsniveau der Praxisschläge widerspiegeln.
Beim Vergleich der drei Winterungen Roggen, Triticale und Weizen auf den Standorten mit paralleler Prüfung zeigte sich in diesem Jahr, dass auf den Hochertragsstandorten wie Borwede die Unterschiede relativ gering ausfielen. Je stärker allerdings der Faktor zunehmender Wassermangel die Ertragsleistungen beeinflusste, desto ausgeprägter wurden die bekannten Ertragsunterschiede. Im Mittel dieser Prüforte lag Triticale mit durchschnittlich 90 dt/ha genau zwischen dem Roggen (95 dt/ha) und dem Weizen (86 dt/ha).
Erträge der Sorten
Die in den Ertragstabellen dargestellten mehrjährigen Sortenergebnisse beinhalten zusätzlich auch Vorprüfungsergebnisse aus Wert- oder EU-Prüfungen und verbessern dadurch die Aussagekraft der Sortenleistungen.
Geprüft wurden neben der bereits 2015 vom Bundessortenamt (BSA) zugelassenen Sorte Lombardo die seit 2019 in den Prüfungen stehenden Sorten Ramdam, Rivolt und Belcanto. Zweijährig geprüft wurden Lumaco, Presley, Charme und die aus der EU-Prüfung aufgenommene Sorte Brehat.
Da in diesem Jahr der Krankheitsdruck in der Regel recht gering ausfiel, zeigten die Sorten auch weniger starke Mindererträge bei Verzicht auf Wachstumsregulatoren und Fungizide, die für das Jahr 2022 in der ergänzenden Spalte der Ertragstabellen dargestellt sind.
Sortenbeurteilungen und -empfehlungen
Die winterharte Sorte Lombardo überzeugte in diesem Jahr ertraglich vor allem auf den Sandstandorten, aber auch in den Anbauregionen Lehme West und Höhenlagen erzielte sie gute Leistungen. Sie gehört nach wie vor zu den sehr ertragsstabilen Sorten. Die nach wie vor vermehrungsstarke Triticalesorte bleibt daher für Niedersachsen empfohlen, uneingeschränkt für die Sandböden West, eingeschränkt für die weiteren Regionen, da sie im Vergleich zu den neueren Sorten nicht ganz deren Ertragsniveau erreichte. Zu beachten sind die durchschnittlichen Einstufungen gegenüber Lagerneigung, Mehltau und Gelbrost, vor allem aber die Anfälligkeit für Braunrost. Gegenüber Ährenfusarium wurde die Sorte mit einer mittleren Anfälligkeit eingestuft. Insbesondere Aussaaten nach Maisvorfrucht sind mit fusariumanfälligen Sorten zu vermeiden.
Ramdam erreichte auch in diesem Jahr nicht die herausragenden Ergebnisse der Jahre 2019 und 2020, erzielte mehrjährig betrachtet jedoch vor allem auf den Lehmböden West sowie auf den Sandböden West und Höhenlagen überdurchschnittliche Erträge. Lediglich auf den Sandböden Nord waren, möglicherweise durch kurzzeitig aufgetretene Kälteeinbrüche, schwache Bestände vorzufinden, die zu teilweise unterdurchschnittlichen Erträgen führten, sodass sie für diese Region nicht empfohlen wurde. Gleichwohl ist die gute Blattgesundheit hervorzuheben. Trotz ihrer Wuchshöhe ist sie durchschnittlich standfest. Die schwächere Winterhärte ist für gefährdete Regionen zu beachten. Mit Ausnahme der nördlichen Sandstandorte bleibt die Sorte in übrigen Anbauregionen empfohlen.
Rivolt konnte ertraglich vor allem auf den Sandböden Nord, den Lehmböden und in den Höhenlagen sehr gut überzeugen und knüpfte an die sehr guten Ertragsleistungen des Jahres 2020 an, sodass sie dort mehrjährig überdurchschnittliche Leistungen erreichte. Lediglich auf den Sandböden West erzielte sie insgesamt etwas schwächere Ergebnisse. Zu beachten ist die Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und die mittlere Standfestigkeit. Zudem ist die schwache Einstufung im Merkmal Auswinterung zu beachten. In Befallssituationen sind ohne Pflanzenschutzmaßnahmen deutliche Ertragseinbußen zu befürchten. Gegenüber Ährenfusarium scheint die Sorte sehr robust zu sein, auch wenn es hierzu noch keine offiziellen Einstufungen gibt. Mit Ausnahme der Sandböden West wird Rivolt in den drei weiteren Regionen für den Anbau empfohlen.
Belcanto zählt zu den Sorten mit sehr guter Festigkeit gegenüber Krankheiten und ist zudem standfest und sehr winterhart. Lediglich die Ertragsleistungen reichen nicht ganz an die der ertragsstärksten Sorten heran. Dennoch erreichte sie auf den Sandböden in diesem Jahr gute Erträge und wird bei nur leicht unterdurchschnittlichen mehrjährigen Ergebnissen auf Grund der vorgenannten Vorteile für die Anbauregion Sandböden Nord empfohlen.
Auch wenn Lumaco nicht ganz an die herausragenden Leistungen des ersten LSV-Jahres heranreichen konnte, zählt sie klar zu den ertragsstärksten Sorten und wird entsprechend für Niedersachsen für den Anbau empfohlen. Trotz ihrer Langstrohigkeit zeigte sie keine gravierenden Schwächen in der Standfestigkeit. Positiv hervorzuheben sind neben der Ertragsstärke auch die sehr gute Blattgesundheit sowie die gute Einstufung gegenüber Ährenfusarium. Allerdings sollte die schwächere Beurteilung in der Auswinterungsgefahr beachtet werden.
Die standfesten und kurzstrohigen Sorten Presley und Charme konnten beide auch im zweiten Prüfjahr ertraglich nicht überzeugen. Einzig Charme erreichte in den Höhenlagen mit rel. 98 noch leicht unterdurchschnittliche Erträge. Da sie eine gute Blattgesundheit besonders gegenüber den Rosten aufweist, zudem standfest, winterhart und gegenüber Ährenfusarium positiv eingestuft ist, wird sie für die Höhenlagen eingeschränkt empfohlen.
Brehat lieferte in den EU-Prüfungen gute Ergebnisse ab und konnte nach einem guten ersten LSV-Jahr ihre Erträge aktuell noch deutlich verbessern. Als sehr langstrohige Sorte muss der erhöhten Lagegefahr durch angepassten Wachstumsreglereinsatz begegnet werden. Positiv hervorzuheben ist die hohe Blattgesundheit vor allem gegenüber den Rosten. Gewisse Schwächen in der Winterfestigkeit sollten beachtet werden. Dank der hohen Ertragsleistungen wird die Sorte für alle Anbauregionen empfohlen, allerdings eingeschränkt aufgrund der Lageranfälligkeit und der Gefahr der Auswinterung.
Die Regionen im Einzelnen zusammengefasst
Für die Sandböden West werden neben der ertragsstärksten Sorte Lumaco auch weiterhin Lombardo und Ramdam empfohlen, eingeschränkt die etwas lageranfälligere Sorte Brehat. Die weiteren Sorteneigenschaften wurden bereits beschrieben.
Die Sorte Lumaco ist auch auf den Sandböden Nord die ertragsstärkste Sorte. Sie wird neben der etablierten Sorte Rivolt und der in den übrigen Eigenschaften gut bis sehr gut eingestuften Sorte Belcanto uneingeschränkt empfohlen, die altbekannte Sorte Lombardo und die lageranfälligere und auswinterungsgefährdete Sorte Brehat eingeschränkt.
Auf den Lehmstandorten West erwiesen sich Lumaco, Ramdam und Rivolt kontinuierlich ertragsstark und werden entsprechend klar empfohlen. Die ebenfalls leistungsstarke zweijährig geprüfte Sorte Brehat wird eingeschränkt (Lagerneigung, Auswinterungsgefahr) empfohlen, sowie die bewährte Sorte Lombardo mit nach wie vor guten Leistungen und sehr guter Winterhärte.
Im Anbaugebiet Höhenlagen Mitte/West werden aus ertraglicher Sicht auch hier Lumaco, gefolgt von Rivolt und Ramdam uneingeschränkt empfohlen. Trotz etwas schwächerer Erträge erhält Lombardo dank der Winterhärte eine eingeschränkte Empfehlung. Bei der zweijährig geprüften Sorte Charme verhält es sich ähnlich, sie punktet zudem durch gute Standfestigkeit und Blattgesundheit. Bei der sehr gesunden, aber lageranfälligen Sorte Brehat sollte insbesondere für die Höhenlagen die schwächere Winterfestigkeit beachtet werden, daher die Einschränkung.
Triticale auch für die Ganzpflanzensilage (GPS) einsetzbar
Die in diesem Jahr zum Teil geringen Maiserträge könnten zu einer Lücke bei der Futterversorgung im kommenden Jahr führen. Deshalb ist es eine Überlegung wert, in diesem Herbst Getreide für die GPS-Nutzung auszudrillen. Roggen und Triticale eignen sich hierfür gut. Werden dabei Sorten ausgewählt, die sowohl viel Biomasse als auch Körner bilden, bleibt die Möglichkeit, die Bestände im Folgejahr je nach Bedarf für die GPS- oder die Körnernutzung zu ernten. Hierfür bieten sich aus dem Sortiment der Körnertriticalesorten in erster Linie Lumaco und Brehat sowie Ramdam und Rivolt an. (Ausführliche Hinweise finden Sie in der Land & Forst Nr. 32/2022 und unter dem Webcode 01040877 auf der Homepage der Landwirtschaftskammer Niedersachsen).
Qualitätseinstufungen
Die Rohproteingehalte der Triticale lagen auf den niedersächsischen Versuchsstandorten in der Ernte 2022 mit durchschnittlich 11,3 % im zweiten Jahr in Folge auf einem niedrigen Niveau, wobei die Werte zwischen den Orten von 10,1 % bis 12,6 % schwankten. Die Rohproteingehalte der Sorten wurden zum Teil sicherlich auch durch deren Ertragsniveau beeinflusst. So lagen die Gehalte bei Rivolt, Lombardo und Ramdam auf einem niedrigen Niveau. Presley und Charme erreichten hingegen höhere Werte. Auch im zweiten Prüfjahr überraschte die ertragsstärkste Sorte Lumaco ebenfalls mit überdurchschnittlichen Werten.
Wie eingangs bereits erwähnt, sind die in diesem Jahr erzielten höheren Erträge in erster Linie auf die höheren Hektolitergewichte und TKM zurückzuführen, die eine entsprechend gute Kornausbildung belegen. Gegenüber dem Vorjahr verbesserten sich das hl-Gewicht um gut 5 % auf 74 kg. Die mit Abstand höchsten hl-Gewichte erreichten Charme, Presley und Belcanto. Die Streuung zwischen den Orten war auch hier mit 72 bis 78 kg recht ausgeprägt, wobei der sehr ertragsstarke Standort Borwede dabei positiv herausstach. Als Hilfsmittel für die Auswuchsfestigkeit lässt sich bei Triticale sicherlich auch die Fallzahl heranziehen. Hier erreichte Belcanto in den Prüfjahren mit Abstand die besten Werte. Schwächen waren hier in erster Linie bei Ramdam und Brehat auszumachen.
Zusammenfassung
Im Jahr 2022 profitierten alle Wintergetreidearten von den insgesamt recht günstigen Witterungsbedingungen. So konnte Triticale insbesondere auf den ausreichend mit Wasser versorgten Flächen wieder hohe Erträge erzielen. Die sich im vergangenen Jahr abzeichnenden züchterischen Verbesserungen sowohl bei der Blattgesundheit als auch in der Ertragsleistung konnten 2022 bestätigt werden. Die Einstufung im Merkmal Fusariumanfälligkeit der Sorten macht es möglich, insbesondere in den veredelungsstarken Regionen mit hohen Maisanteilen in der Fruchtfolge geeignete tolerante Sorten auszuwählen. Da die ertragsstärksten Sorten in puncto Standfestigkeit nicht alle zu den unproblematischsten Sorten zählen, ist dieses bei Wachstumsreglermaßnahmen entsprechend zu berücksichtigen. Aus den diesjährig regional enttäuschenden Maiserträgen könnte eine Futterknappheit im nächsten Jahr entstehen. Um dem entgegenzuwirken, bietet sich die Herbstaussaat von Getreide für die GPS-Nutzung an. Hier eignen sich neben Roggen auch zahlreiche Triticalesorten für die Doppelnutzung GPS oder Korn. Dazu stehen interessante Kandidaten mit hoher Kornertragsleistung bei gleichzeitig hohem Stängelanteil zur Verfügung.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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