Dr. Sarah Witte
Leiterin Fachbereich Wassermanagement, Wasser- und Bodenschutz
Ausgangslage
Organische Böden, allen voran die Moorböden, werden zur landwirtschaftlichen Nutzung in Niedersachsen großflächig entwässert. Ein tiefer Wasserstand führt jedoch zur Mineralisation des Torfes und zur Emission klimaschädlicher Treibhausgase. Um Emissionen zu reduzieren, sollen Moorböden bei hohen Wasserständen bewirtschaftet werden. Doch dies erschwert nicht nur die Bewirtschaftung sondern führt auch zu einer geringeren Qualität des Grünlandaufwuchses. Trotzdem ist das Grünland erhaltenswert, z.B. als Habitat für seltene Arten. Sind die Flächen so nass, dass der Aufwuchs nicht mehr für die Fütterung von Tieren geeignet ist, müssen neue Verwertungsmöglichkeiten für den Aufwuchs gefunden werden.
Ziel des Projektes
Um Treibhausgasemissionen zu reduzieren müssen in Moorböden hohe Wasserstände herrschen. Im Naturschutzgebiet Hammeniederung im Landkreis Osterholz gibt es bereits einen Retentionsraum mit hohen Wasserständen, doch durch die daraus folgende sehr extensive Bewirtschaftung hat die Futterqualität des Grünlandaufwuchses in den vergangenen Jahren stark abgenommen, sodass das Erntegut nur noch als Heu, Einstreu oder gar nicht mehr verwertet werden kann. Es droht eine Nutzungsaufgabe und Verlust des Grünlandes. Um Bewirtschaftende im Gebiet zu halten, müssen neue, wirtschaftlich tragfähige Aufwuchsverwertungen gefunden werden. Im Projekt soll eine Wertschöpfungskette für die Biomasse aus dem Natuschutzgebiet und weiteren Flächen etabliert werden, wobei die stoffliche Verwertung als Bau- und Verpackungsstoffe sowie Faserformteile im Fokus steht. Das Vorhaben wird wissenschaftlich durch agrarökonomische, naturschutzfachliche und sozioökonomische Messungen sowie Untersuchungen zur Wasserqualität, Treibhausgasemissionen und Faserqualität begleitet.
Projektdurchführung
Gemeinsam mit fünf weiteren Projektpartnern sollen die Nasswiesenpaludikultur im Teufelsmoor etabliert, Materialeigenschaften untersucht, Marktpotentiale ermittelt und Wertschöpfungsketten für eine stoffliche Verwertung des Aufwuchses aufgebaut werden. Durch den "LivingLab Ansatz" soll die Flächenauswahl, Vernässung und Bewirtschaftung in praxisrelevantem Maßstab erfolgen. Das Projekt beginnt zunächst auf 100 ha Grünland im Naturschutzgebiet und soll nach 2028 auf 40 ha Grünland außerhalb des Naturschutzgebietes und weiteren 60 ha Anbaupaludikultur ohne Naturschutzauflagen ausgedehnt werden.
Leiterin Fachbereich Wassermanagement, Wasser- und Bodenschutz
Koordination Projekt LivingLab Teufelsmoor
Beraterin Projekt LivingLab Teufelsmoor
Projekt LivingLab Teufelsmoor
Knapp 60 Akteurinnen und Akteure kamen zur ersten Sitzung ins Hamme Forum in Ritterhude – Gremium dient als Austauschplattform
Das „LivingLab Gremium“ fungiert als neue Austauschplattform der regionalen Akteurinnen und Akteure und ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts „LivingLab Teufelsmoor. „Ich wünsche mir von allen Seiten, wenn der Prozess einmal ins Stocken geraten sollte, pragmatisch zu handeln“, sagte Bernd Lütjen, Landrat des Landkreises Osterholz in seinem Grußwort. Das Projekt beschäftigt sich mit der klima- und naturschutzorientierten Nassbewirtschaftung von Moorböden mit innovativer Aufwuchsverwertung im Landkreis Osterholz. Ziel ist die treibhausgasreduzierende Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Moorflächen sowie die werkstoffliche Nutzung des Biomasseaufwuchses. Dazu sollen innovative und regionale Wertschöpfungsketten entwickelt werden.
Der Ansatz eines „Living Lab“
„Living Lab“ oder Reallabor bezeichnet einen innovativen Ansatz, bei dem Lösungen nicht nur in einer isolierten Umgebung, sondern im realen Kontext mit der Region und für die Region entwickelt werden. In diesem Sinne fungiert das „LivingLab Gremium“ als Diskussions-, Entwicklungs- und Umsetzungsplattform, die über die projektbeteiligten Institutionen hinausgeht und auch regionale Akteure und Akteurinnen in das Projekt einbezieht.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Einbindung der vier Bereiche: Private Beteiligte und Landwirtschaft, Wirtschaft und Markt, Verwaltung und Verbände und Forschung und Wissenschaft. Diese können ihre Perspektiven und Kompetenzen aktiv in den Entwicklungsprozess einbringen. So sollen zum Beispiel Konzepte zur nassen Moornutzung weiterentwickelt und neue Flächen für Paludikulturen identifiziert werden. Darüber hinaus wird daran gearbeitet, geeignete Wasserstände zu etablieren und regionale Verarbeitungs- sowie Vermarktungswege aufzubauen.
Das Gremium setzt auf den Austausch und das gemeinsame Lernen zwischen den einzelnen Bereichen. Aus unterschiedlichen Perspektiven soll u.a. an dem gemeinsamen Ziel der Wertschöpfung aus der nassen Moornutzung gearbeitet werden. Dies erfordert den Dialog mit regionalen Wirtschaftsunternehmen, die Materialien aus Moorpflanzen herstellen, verarbeiten oder vermarkten wollen. Interessierte Unternehmen sind herzlich eingeladen, sich am Projekt zu beteiligen und können sich bei Interesse an Projektingenieurin Theresa Otten vom Landvolk Osterholz wenden.
Das „LivingLab“ ist als Austauschplattform konzipiert. Dieser Aspekt wurde nun mit der Gründung des Gremiums konkretisiert und es wurde ein bedeutender Schritt in Richtung einer nachhaltigen, regionalen Entwicklung in der klima- und naturschutzorientierten Nassbewirtschaftung von Moorböden mit innovativer Aufwuchsverwertung im Landkreis Osterholz gemacht.
Wie geht es weiter?
Das „LivingLab Gremium“ wird in den kommenden Monaten und Jahren weiterhin als zentrale Plattform für den Dialog und die Entwicklung innovativer Lösungen fungieren. Zusätzlich wurden verschiedene Unterarbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit spezifischen Herausforderungen des Projektes befassen. Im Herbst dieses Jahres wird das Gremium erneut tagen, um erzielte Arbeitsergebnisse auszutauschen und die nächsten Schritte zu besprechen.
Das Projekt „LivingLab Teufelsmoor“ läuft bis Ende 2032 und wird durch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung aus Mitteln des Klima- und Transformationsfonds gefördert. Projektträgerin ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Insgesamt gibt es sechs Projektpartner/-innen: neben der Landwirtschaftskammer Niedersachsen die Michael Succow Stiftung, das Niedersächsische Landvolk Kreisverband Osterholz e. V., die Technische Universität Dresden, das Johann Heinrich von Thünen-Institut und den Landkreis Osterholz.
Nutzungserlaubnis für Pressemitteilungen
Klimaschutz-Vorhaben mit Beteiligung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen untersucht neue Möglichkeiten der Flächenbewirtschaftung und der Vermarktung von Biomasse.
Gräser von Nasswiesen nicht als Futter geeignet
„Auf sehr nassem Grünland, wie es im Landkreis Osterholz im Naturschutzgebiet Hammeniederung bereits besteht, werden Futtergräser im Laufe der Zeit durch Arten wie Seggen, Binsen und Rohrglanzgras verdrängt“, berichtet LWK-Projektkoordinatorin Isabelle Vogel. „Die geerntete Biomasse ist dann kaum noch für die Fütterung von Tieren, insbesondere Rindern, geeignet. Die Nutzung als Pferdeheu oder Einstreu ist ebenfalls begrenzt. Daher muss eine neue Nutzung für den Aufwuchs gefunden werden, damit sich die Bewirtschaftung für Landwirtinnen und Landwirte bei hohen Wasserständen in Zukunft lohnt.“ Im Landkreis gibt es zurzeit sowohl Flächen, die die Grünlandbetriebe der Region nicht mehr für die Milchviehhaltung nutzen können, als auch Flächen, die noch klimaschädlich entwässert werden.
Laut Vogel gibt es noch einen weiteren Grund, die nasse Bewirtschaftung im Landkreis zu stärken: Ohne eine regelmäßige Ernte würden die Nasswiesen nicht lange Wiesen bleiben, und der wertvolle Lebensraum für Vögel, insbesondere Wiesenbrüter, die in dem nassen Grünland Schutz suchen, würde verloren gehen.
Biomasse zur Herstellung von Papier und Bauplatten
Das Projekt startet in einem 100 Hektar großen Bereich des Naturschutzgebiets Hammeniederung. Dort wird bereits seit mehreren Jahren für den Naturschutz Wasser zurückgehalten und damit der Wasserstand erhöht. Dadurch liegen einerseits bereits günstige Bedingungen für den Klimaschutz vor – andererseits ist die Grasernte dadurch kaum noch für die Fütterung von Tieren geeignet. Stattdessen bieten sich andere Verwertungen an: So können aus dem Heu von Nasswiesen zum Beispiel Papier, Bauplatten oder Faserformteile wie Pappschalen hergestellt werden. Pflanzenarten, die auf sehr nassen Mooren produziert werden, werden zusammenfassend als Paludikultur bezeichnet und können zu einer Vielzahl von Produkten verarbeitet werden.
Bisher fehlen Abnehmer*innen und Vermarktungswege
Solche innovativen Produkte wurden in den zurückliegenden Jahren bereits erforscht und erprobt – doch um als Landwirtin oder Landwirt die Produktion auf Paludikultur umzustellen, fehlten in der Vergangenheit noch verlässliche Abnehmer*innen. Der Industrie wiederum stand für eine Umstellung ihrer Produktionslinien auf Paludikultur nicht genug Material auf dem Markt zur Verfügung. Die bereits vernässten Flächen im Landkreis Osterholz bieten jetzt die Gelegenheit, diese Lücke in der Produktionskette zu schließen.
So soll genug Material von klimafreundlich bewirtschafteten Nasswiesen zusammenkommen, um erste Verarbeitungs- und Vermarktungswege aufzubauen. Im Projekt soll außerdem die Qualität der Biomasse von den Nasswiesen untersucht werden, um Materialeigenschaften zu definieren. In den nächsten Jahren wollen die Projektbeteiligten den Anbau von Paludikulturen auf 200 Hektar ausdehnen und auch Flächen außerhalb von Schutzgebieten für die nasse Nutzung gewinnen.
Förderung vom Bund
Das Projekt „LivingLab Teufelsmoor“ läuft bis Ende 2032 und wird durch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung aus Mitteln des Klima- und Transformationsfonds gefördert. Projektträgerin ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Insgesamt gibt es sechs Projektpartner*innen: neben der LWK die Michael Succow Stiftung, das Niedersächsische Landvolk Kreisverband Osterholz e. V., die Technische Universität Dresden, das Johann Heinrich von Thünen-Institut und den Landkreis Osterholz. Sie begleiten das Vorhaben wissenschaftlich durch agrarökonomische, naturschutzfachliche und sozioökonomische Messungen sowie Untersuchungen zur Wasserqualität, Treibhausgasemissionen und Faserqualität.
Noch in diesem Jahr soll das „Living Lab“ als Austauschplattform gegründet werden. Vorgesehen sind dazu Treffen von Vertreter*innen aus Wissenschaft, Landwirtschaft, Politik sowie aus weiteren gesellschaftlichen Gruppen, um weitere Flächen für Paludikulturen zu finden, dort geeignete Wasserstände zu etablieren und regionale Verarbeitungs- und Vermarktungswege aufzubauen. Auf diese Weise sollen alle Beteiligten in einem Prozess gegenseitigen Lernens für ihre Region ein Konzept zur nassen Moornutzung erarbeiten.
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