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Niedersächsische Schafhaltung stabilisiert sich

Webcode: 01043441
Stand: 03.09.2024

Rund 11.600 niedersächsische Schafhalter mit Beständen über 20 Tiere versorgen ein Großteil der rund 238 TSD Lämmer und Schafe. Allerdings hat darüber hinaus die Kleinsthaltung nach wie vor eine sehr große Bedeutung. Derr Rückgang der Schafhaltung scheint in unserem Bundesland gestoppt zu sein. Die meisten Tiere stehen in den Landkreisen Wesermarsch, Cuxhaven, Diepholz, Osnabrück, dem Heidekreis und Ostfriesland.

Die Schafhaltung geht seit 20 Jahren stark zurück, obwohl seit dem Jahr 2015 in NDS auf niedrigem Niveau eine Stabilisierung eingetreten ist. Sowohl die Zahl der Halter als auch die Zahl der gehaltenen Tiere ging zuvor deutlich zurück. Auch in Deutschland steigt seit 2020 die Zahl der gehaltenen Schafe. Im November 2023 wurden bundesweit knapp 1,56 Millionen Schafe gezählt. Gegenüber dem Vorjahr entsprach dies einem Plus von 2,8 Prozent. Interessanter Weise wurde im Jahr 2023 trotzdem etwas weniger Schaf- und Ziegenfleisch in Deutschland produziert. So lag die Nettoerzeugung bei gut 31.000 t, was einem Rückgang um knapp fünf Prozent entspricht. Einhergehend mit einer leicht rückläufigen Erzeugung sank im Jahr 2023 auch der Verbrauch von Schaf- und Ziegenfleisch. Mit rund 62.000 t wurde der Vorjahreswert um gut 4.000 t unterschritten. Möglicherweise ist dies auf sog. Hausschlachtungen zurückzuführen, die statistisch nicht exakt erfasst werden können.

Schafhalter in Niedersachsen (TSK)
Schafhalter in Niedersachsen (TSK)Dr. Albert Hortmann-Scholten

Auch die Zahl der Berufsschäfer sinkt seit 1990 kontinuierlich. Deutschlandweit beschäftigen sich hauptberuflich, nach Angaben des Fördervereins der deutschen Schafhaltung, nur noch rund 930 Berufsschäfer mit der Haltung dieser Spezies. Der Berufsstand leidet unter erheblichem Nachwuchsmangel. Zudem ist der Berufsstand der Schäfer heute schon stark überaltert.

Maßgeblich gefährdet die Ansiedlung des Wolfs die Schäfers ungemein. Zudem ist die ökonomische Situation seit Jahren existenzgefährdend. Durch die in den letzten Jahren stattgefundene Futterkostenexplosion und steigende Pachtpreise haben sich die Produktionskosten drastisch erhöht. Die Inflation, bei nahezu allen Betriebskosten, kann über die Erhöhung der Fleischpreise nicht aufgefangen werden. Zudem haben die Schafhalter in Hochwasser gefährdeten Lagen besonders stark gelitten. Der Preisverfall bei Wolle und Fellen hat die Lage zusätzlich erheblich verschlechtert. Momentan erzielten die Schäfer für Wolle nur wenige Cent, so dass die Schurkosten nicht gedeckt werden. Die Gründe für die wenig attraktiven Berufsaussichten liegen vor allem in der unbefriedigenden Wirtschaftlichkeit, der zunehmenden Auflagenflut vor allem bedingt durch den bürokratischen Aufwand bei der Tierkennzeichnung und der Bedrohung der Schafbestände durch den Wolf.

Bei rund 3.500 Arbeitsstunden im Jahr und sinkenden Preisen kann kaum mehr Nachwuchs motiviert werden mit der Schäferei den Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch der Wegfall der Mutterschafprämie im Jahre 2005 führte zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Europäischen Union, da in einigen EU-Mitgliedsstaaten immer noch gekoppelte Prämien an die Schäfer gezahlt werden.

Die Schafhaltung entwickelt sich in Niedersachsen immer stärker zur Nischenproduktion, obwohl der Verbrauch aufgrund des Flüchtlingszustroms und der damit verbundenen stärkeren Lammfleischnachfrage gestiegen ist. Der Markt für Schafe- und Lammfleisch ist zwar vergleichsweise klein, aber dennoch im Vergleich zum gesamten Fleischmarkt seit Jahren sehr stabil. Während die Nachfrage nach Schwein und Rind sinkt erfreut sich der Lammfleischmarkt, insbesondere zu den Feiertagen, einer zunehmenden Beliebtheit.

Schaf- und Ziegenfleisch ist ein Nischenprodukt, das in erster Linie zu den islamischen Feiertagen und in der Gastronomie von Bedeutung ist. Gerade diese Nachfrage litt stark unter der Corona-Pandemie und hat sich noch nicht vollständig erholt. Hinzu kommt, dass Schaf- und Lammfleisch vergleichsweise teuer ist. Die hohe Inflation der vergangenen beiden Jahre wirkt sich auf die Nachfrage nach hochpreisigen Produkten negativ aus, wovon das Lammfleisch vor allem mit Ausnahme der Feiertage überproportional betroffen ist. Damit einhergehend verringert sich der Selbstversorgungsgrad für Schaf- und Lammfleisch in Deutschland seit Jahren. Die Eigenversorgung dürfte bald die 40 Prozent Grenze erreicht haben. Dabei essen deutsche Verbraucher Lammfleisch schwerpunktmäßig nur noch zu Ostern und Weihnachten. Muslimische Bevölkerungsgruppen treten vor allen Dingen nach Ablauf des Fastenmonats verstärkt als Nachfrager auf.

Aufgrund des saisonalen Nachfrageverhaltens resultieren in der Praxis einige Vermarktungsprobleme. Aufgrund der kleinstrukturierten Haltung, nur die Hälfte der Schlachttiere stammt aus professionellen Betrieben, sind viele Verkaufspartien zu klein um sie über einen spezialisierten Schlachthof in gebündelter Qualität beispielsweise an den Lebensmittelhandel anzubieten. Zudem überwiegt in Niedersachsen eine kleine, strukturierte regionale Vermarktung, vielfach über kleine Metzgerfachgeschäfte. Darüber hinaus streut die Qualität aufgrund der Rassenvielfalt und des sehr unterschiedlichen Managements der Tierhalter erheblich. In Niedersachsen ist jede zweite Herde kleiner als 20 Tiere. Nur rund 100 Betriebe halten dort mehr als 500 Schafe. Darüber hinaus hat die Anzahl der Schlachtstätten in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Aus der Anlage geht hervor, wer sich in Niedersachsen überhaupt noch mit dem Thema Lämmerschlachtung beschäftigt. Die Erfassung der Schlachttiere über Viehhändler und Vermarktung zu überregionalen Schlachtstätten hat an Bedeutung gewonnen.

Teilmobile Schlachtung jetzt gesetzlich erlaubt

In Deutschland gibt es gesetzliche Regelungen, die den Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung gewährleisten. Bislang war die mobile Schlachtung von Schafen / Ziegen nicht zulässig. Die teilmobile Schlachtung bietet den Vorteil, dass die Tiere weniger Stress durch den Transport erfahren und somit das Tierwohl verbessert wird. Zudem kann die Fleischqualität durch diese Methode positiv beeinflusst werden. Es ist wichtig, dass Tiere in einem Zustand der Ruhe und des Wohlbefindens geschlachtet werden. Dies ist nun bei bis zu neun Schafen oder Ziegen erlaubt.

Freihandelsabkommen - Einfuhr von neuseeländischem Schaffleisch steigt

Am 1. Mai 2024 tritt das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland in Kraft. Für EU-Importe sensibler Agrarprodukte aus Neuseeland, darunter auch Schaffleisch, sind Quoten für zollfreie bzw. zollermäßigte Kontingente vorgesehen, die bis 2031 erweitert werden. Die gesamten Exporterlöse Neuseelands in die EU könnte bis 2035 um jährlich bis zu 1,8 Mrd. NZ$ (1 Mrd. €) steigen. Ab dem ersten Tag des Inkrafttretens des Abkommens, könnten die neuseeländischen Exporteure schätzungsweise 100 Mio. NZ$ (56,4 Mio. €) an Zollabgaben einsparen. Das Kontingent für neuseeländisches Schaffleisch einschließlich der Quote der Welthandelsorganisation (WTO) wird in sieben Jahren um 38.000 t auf rund 163.800 t erhöht. Die derzeitige Importquote von 126 000 t Schaffleisch wurde allerdings von Neuseeland zuletzt nicht mehr ausgeschöpft. Schon jetzt ist Neuseeland der wichtigste Exporteur von Schaffleisch und lieferte im letzten Jahr über 40 Prozent des Importbedarfes der EU. Aller Voraussicht wird Neuseeland seine Marktposition in Europa weiter ausbauen können. Auch aufgrund des Brexits konnte das Vereinigte Königreich mehr Schaffleisch nach Deutschland exportieren.

Herkunft des importierten Schaf- und Ziegenfleisches in der EU.png
Herkunft des importierten Schaf- und Ziegenfleisches in der EU.pngDr. Albert Hortmann-Scholten
Gegen den allgemeinen rückläufigen Trend beim Fleischverbrauch steigt allerdings aus Sicht einer Gesamtbetrachtung die Nachfrage nach Lammfleisch an. Nach Berechnungen der Agrar Markt Information (AMI) Bonn liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei Lammfleisch bei ca. 800 g pro Kopf und Jahr. Im Jahr 2023 lag der gesamte Import von Schaf- und Ziegenfleisch nach Deutschland bei rund 46.200 Tonnen, davon stammten rund 25.400 Tonnen aus EU-Ländern. Bei einem prognostizierten Selbstversorgungsgrad von 45 % müssen auch in diesem Jahr rund 46.000 t Lammfleisch in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden. Die wichtigsten Lieferanten sind auch hier Neuseeland, Irland, die Niederlande, Spanien und das Vereinigte Königreich.

Fazit: 

Schäfereibetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zum niedersächsischen Natur- und Klimaschutz. Das durch die Schafhaltung geprägte abwechslungsreiche Landschaftsbild ist von hoher Bedeutung für den Tourismus. Durch eine extensive Nutzung von Grünlandstandorten leisten Schafe einen Beitrag zur klimaschonenden Fleischerzeugung und erfüllen den Wunsch der Konsument*innen nach einer artgerechten Tierhaltung. Allerdings sprechen die ökonomischen Perspektive unter Berücksichtigung der Preis- und Kostenverhältnissen auf der Erzeugerstufe nicht dafür, dass sich die schwierige Situation der niedersächsischen Betriebe in naher Zukunft verbessern wird.