Unruhige Mastbullen – Beobachtungen aus der Praxis
Der Berater betritt mit dem Landwirt den Bullenmaststall. Ein Großteil der gut 100 Braunviehbullen in den 8-er Gruppen steht bereits, die restlichen Tiere springen mit dem Öffnen der großen Stalltür auf. Ein Gespräch auf dem Futtertisch ist kaum möglich, weil einzelne Bullen ununterbrochen lauthals brüllen. In anderen Gruppen reiten die Tiere stark auf und treiben sich durch die mit Spaltenboden ausgelegte Bucht, einzelne Tiere schwitzen bereits sehr stark. Ein Bulle wühlt mit wilden Kopfbewegungen im Futter und verteilt es weit in alle Richtungen. Entspannte Tiere sehen anders aus.

Diese ausgeprägte Symptomatik ist zum Glück eine Ausnahme, doch viele Bullenmastbetriebe kennen und erleben die Grundproblematik der unruhigen Bullen sehr wohl als belastend- ob in abgeschwächter Form oder auch nur periodisch. Was können die Ursachen dafür sein, dass alle Bullen oder auch nur einzelne Buchten eine solche starke Unruhe zeigen? Und welche Abhilfe kann man schaffen?
Ist die Unruhe rassebedingt?
Wenn du Braunviehbullen im Stall hast, brauchst du keinen Hofhund mehr, um Besucher anzukündigen, so die markige Aussage des frustrierten Bullenmästers. Tatsächlich scheinen Masttiere aus eher im Milchtyp stehenden Rassen wie Braunvieh und auch Schwarz- und Rotbunte ein aktiveres Verhalten zu haben. Fleckvieh und Mastrassen wie Charolais oder Weißblaue Belgier wirken dagegen deutlich phlegmatischer. Andererseits gibt es genügend Betriebe, die erfolgreich Braunviehbullen mästen und dabei ruhige und entspannte Masttiere im Stall haben. Und auch das Gegenbeispiel lässt sich beobachten: Unruhige Fleckviehbullen. Ein Wechsel der Rasse allein kann also das Phänomen nicht lösen.
Eine spezielle Problematik bringen Absetzer aus der Mutterkuhhaltung mit sich. Neben einem bunten Rassemix ist hier das Hauptproblem sicher die Gewöhnung der Tiere an die Stallhaltung und an den ungewohnt engen Umgang mit dem Menschen.
Ist die Unruhe bedingt durch mangelnden Kontakt mit Mensch und Umwelt?
Klassische Bullenmastställe, vornehmlich mit Spaltenboden, bieten meist eine sehr reizarme Umgebung für die Tiere. Die Seitenwände sind geschlossen, die Tore werden nur zu den Fütterungszeiten geöffnet. Wenn außerhalb der gewohnten Fütterungszeiten Menschen den Stall betreten, werden in der Regel Tiere behandelt, umgetrieben, ein- oder ausgestallt: alles Ereignisse, die bei den Tieren eher mit schlechten Erfahrungen in Verbindung gebracht werden, also zu Angst und Unruhe führen. Positive Erfahrungen im Umgang mit Menschen sind meist eher selten, zumal wenn der Landwirt sich beim Füttern auf dem Schlepper „versteckt“.
In diesen Betrieben gilt es das eigene Management und den Umgang mit den Tieren zu hinterfragen. Denn das Verhalten der Tiere ist letztlich auch ein Spiegel unseres Umgangs mit den Tieren. Wie häufig bin ich eigentlich im Stall? Geschieht der Stalldurchgang in Ruhe? Kommen die Tiere zum Trog oder weichen sie zurück? Kann ich eventuell mit Lockfutter arbeiten? Geschieht das Umtreiben und Hantieren ohne Hektik und Stress für die Bullen? Welche Hilfsmittel kann ich einsetzen, um dies ohne eigene Gefährdung zu schaffen?
Was verstärkt in der Buchtengestaltung die Unruhe?
Erhöhte Unruhe kann auch ein Ausdruck von wiederkehrenden Störungen bei den Bullen einer Bucht sein. Für die Funktionen Fressen, Liegen und Bewegen steht in den Buchten nur ein begrenzter Raum zur Verfügung. Daher muss sorgfältig überlegt werden, wie eine geeignete Strukturierung geschaffen werden kann, die unnötige Störungen vermeidet. Empfohlen wird eine Buchtentiefe von über 4 m, besser 5 m, damit die Tiere im hinteren Buchtenbereich möglichst ungestört liegen können. In Altgebäuden mit weniger Buchtentiefe kann durch die Zusammenlegung von zwei kleineren Buchten zu einer größeren Bucht das relative Platzangebot erhöht werden. Eine über der Bucht angebrachte Stange als Schutz gegen Aufreiten kann gerade den Liegebereich etwas beruhigen.
Ist das Platzangebot absolut zu klein, werden Bullen, die zum Fressplatz oder zur Tränke wollen, unweigerlich die Buchtengenossen massiv stören. Eine erhöhte Unruhe wird von Praktikern allerdings auch beschrieben, wenn die Bullen extrem viel Platz haben, z. B. nach dem Verkauf der ersten Tiere einer Bucht. Dies kann allerdings auch durch die gestörte Rangordnung der Gruppe provoziert sein.
Bei an sich ausreichender Buchtengröße ist die Anordnung der Tränke im hinteren Liegebereich ein unnötiger Störfaktor. Zu empfehlen sind zwei getrennte Tränkestellen im vorderen Buchtenbereich, so dass der Zugang zur Tränke nicht durch ranghöhere Tiere blockiert wird. Auf ausreichenden Durchfluss ist zu achten.
Nicht immer lässt sich ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1:1 einstellen. Wenn das Fütterungsregime darauf angepasst ist, indem eine gut gemischte Vorratsration vorgelegt wird und den Tieren ganztägig zur Verfügung steht, sind deutlich höhere Besetzungen ohne Probleme möglich. Der Konkurrenzkampf um die knappen Fressplätze wird jedoch wieder neu entfacht, wenn besonders leckere Komponenten in der Mischung sind (wie z. B. Kartoffeln) oder zusätzliche Kraftfuttergaben von Hand eingesetzt werden. Unruhe in der Bucht ist die Folge.
Für unnötigen „Ärger“ in der Gruppe sorgen auch die meist schwächeren Einzeltiere, die gegen Ende der Mast dann doch nicht an den Trog passen, weil der Platz nicht mehr ganz ausreicht. Hier sollte ein Vorläufer zeitig vermarktet werden, um wieder Platz zu schaffen und Ruhe herzustellen. Vielleicht wird aber auch beim nächsten Durchgang besser von vornherein ein Tier weniger eingestallt.
Die Fütterung als Einflussfaktor
Nicht nur das Gedränge, um ans Futter zu gelangen verursacht Unruhe im Stall. Ist die Ration nicht ausgewogen, so scheint dadurch die“ innere Ruhe“ der Bullen vollständig verloren zu gehen.
Viele Faktoren im Futter werden als möglicherweise ursächlich für unruhige Bullen diskutiert. Eindeutig an vorderster Stelle steht dabei eine mangelnde Versorgung mit Strukturfutter. Meist sind dies reine Maissilage-Kraftfutterrationen ohne Zugabe von Grobfutter wie Grassilage, Heu oder Stroh. Aufgrund des Strukturmangels ist die Wiederkautätigkeit der Bullen stark eingeschränkt. Damit reduziert sich der Speichelfluss sehr stark. Gleichzeitig entstehen bei der mikrobiellen Umsetzung der stärkereichen Ration im Pansen große Menge an freien Fettsäuren (v. a. Propionsäure), die aufgrund des verminderten Speichelflusses nicht mehr ausreichend abgepuffert werden können. Der pH-Wert im Pansen sinkt zumindest periodisch in einen unphysiologischen Bereich ab. Wenn dieser als subklinische Acidose bekannte Zustand über längere Zeit anhält, zeigen sich massive Störungen im Organismus, z. B. in Form der Klauenrehe. Diskutiert wird auch die vermehrte Auslösung von Schwanzspitzennekrosen. Verbunden ist dies immer mit Schmerzen und einer erhöhten Unruhe.
Mastbullen sind und bleiben Wiederkäuer. Deshalb gilt hier wie bei Milchkühen die Regel, dass in der Phase zwischen den Mahlzeiten mindestens 60% der ruhenden Bullen wiederkäuen sollten. Wer dies kontrolliert, kommt häufig zu einem echten Aha-Erlebnis! Die einfachste Abhilfe geschieht durch das Einmischen von kurzem Strukturfutter, z. B. 200 bis 300 g Häckselstroh. Langes Material wird aussortiert und ist damit wirkungslos. Ob sog. Shredlage, also länger gehäckselte, aber intensiv aufbereitete Maissilage, vorteilhaft in der Bullenmast einsetzbar ist, hängt von verschiedenen einzelbetrieblichen Faktoren ab. Ein deutlicher Einfluss auf eine höhere Wiederkautätigkeit scheint sich jedoch zu bestätigen. In akuten Phasen, wie z. B. bei einem Futterwechsel kann ein vorübergehender Einsatz von Pansenpuffern (z. B. Natriumbicarbonat) in der Ration für Ruhe sorgen. Das ausreichende Wiederkauen der Tiere ist aber durch nichts zu ersetzen!
In jedem Fall sollte auch die Gesamtfutteraufnahme der Bullen überprüft werden. Nur satte Bullen sind zufriedene Bullen! Haben alle Bullen tatsächlich 23 Stunden am Tag die Möglichkeit zur Futteraufnahme? Ist die Wasserversorgung ausreichend für eine hohe Futteraufnahme?
Als weiterer Auslöser von Unruhe im Bullenstall wird ein Ungleichgewicht in der Mineralstoffversorgung (Mg-Mangel, ggf. bei Überangebot von Calcium und Kalium) diskutiert. Hier ist auf ein gesichertes und ausgewogenes Angebot in der Ration zu achten. Auch der hygienischen Qualität des Futters (Schimmelpilze, Hefen) wird ein Effekt zugeschoben. Nicht belegt ist eine These, dass über einen hohen Energieüberschuss oder die Verwendung bestimmter Futtermittel (Hafer) die Bildung von männlichen Sexualhormonen verstärkt wird, mit negativen Folgen für die Ruhe im Stall.
Fazit:
Starke Unruhe im Bullenstall ist eine echte Leistungsbremse und darüber hinaus auch für Mensch und Tier belastend. Die Unterschiede zwischen den Betrieben geben einen Hinweis, dass allein die Rasse der Bullen nicht ausschlaggebend ist. Eine Vielfalt von Faktoren kann diese Unruhe auslösen bzw. verstärken. Insbesondere zu nennen sind eine nicht wiederkäuergerechte Fütterung und Mängel in der Buchtengestaltung. Doch auch der Umgang des Menschen mit den Tieren spiegelt sich wieder.
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