Was beschäftigt die Landwirtschaft der Zukunft, Herr Schwetje?
„Vielleicht haben die weltweiten Krisen der zurückliegenden Jahre dazu beigetragen, dass junge Menschen erkennen, wie überaus wichtig die regionale Lebensmittelproduktion ist.“
In einem spannenden Interview erzählt Gerhard Schwetje aus Cramme im Kreis Wolfenbüttel, seit 2015 Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, was die Landwirtschaft der Zukunft beschäftigt.
Herr Schwetje, Sie selbst sind seit mehreren Jahrzehnten praktischer Landwirt – was sind die stärksten Veränderungen, die Sie in dieser langen Zeit erlebt haben?

Gerhard Schwetje: Der Wandel in der Agrarstruktur – immer weniger Betriebe bewirtschaften immer größere Flächen – gehört sicher genauso zu den prägenden Veränderungen wie die Fortschritte in der Landtechnik und die Digitalisierung. Verändert hat sich außerdem der bürokratische Aufwand, den alle Unternehme-rinnen und Unternehmer in der Grünen Branche in immer stärkerem Maße zu bewältigen haben. Dazu nimmt der Klimawandel immer deutlicher Einfluss auf unsere Arbeit. Stark gewandelt haben sich auch die politischen Rahmenbedingungen: Heute stehen Umweltaspekte viel stärker im Fokus als in früheren Jahren. Für all diese Faktoren suchen die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter nach Lösungen – diese zu liefern, ist eine Aufgabe der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Klimawandel, Umweltaspekte, Digitalisierung – sind das die Themen, die die Landwirtschaft der Zukunft in Niedersachsen beschäftigen werden?
Schwetje: Auf jeden Fall. Die klimatischen Veränderungen beschäftigen die Landwirtschaftskammer Niedersachsen bereits seit Jahren intensiv. Wie schaffen wir es, dass für die Nahrungsmittel- und Futterproduktion genügend Wasser zur Verfügung steht, und wie ist Wasser am effizientesten in der Beregnung einzusetzen? Welche Kulturen kommen mit Hitze-, Trocken- und Nässeperioden am besten zurecht? Hier ist unser Versuchswesen dabei, konkrete Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für unsere betriebliche Beratung zu erarbeiten. Auch digitale Maschinen und Anwendungen, die viel Geld kosten und die die Produktion effizienter und umweltfreundlicher machen sollen, müssen bei uns ihre Alltagstauglichkeit beweisen.
Umweltaspekte haben zuletzt mit dem politischen Naturschutzbündnis „Der Niedersächsische Weg“ an Bedeutung
gewonnen – welche Rolle spielt dabei die Landwirtschaftskammer Niedersachsen?
Schwetje: Bei der Umsetzung dieser umfangreichen Pläne für mehr Artenreichtum, für mehr Wasser-, Umwelt- und
Naturschutz kommt es uns darauf an, dass diese Pläne für die einzelnen Betriebe auch umsetzbar sind und bleiben. Diese Perspektive haben wir von Anfang in die Verhandlungen, die wir mitgestalten durften, eingebracht. Eines sollten wir nicht vergessen: Ein Bauernhof ist ein Produktionsstandort für regionale pflanzliche und tierische Produkte. Dieses Kerngeschäft noch umfangreicher als bisher mit den Zielen des Arten- und Naturschutzes in Einklang zu bringen, verlangt nach individuellen Lösungen, die die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bauernfamilien berücksichtigen. Die Bäuerinnen und Bauern sind bereit für diese Veränderungen. Sie wollen aber mitgenommen werden und auch selbst gestalten – dabei können sie sich auf unsere Unterstützung verlassen.
Die Zukunft der grünen Branche hängt auch davon ab, wie viele Menschen dort tätig sein werden. Wie sieht es denn mit dem beruflichen Nachwuchs aus?
Schwetje: Erfreulicherweise haben wir in den meisten der zwölf Grünen Berufe, bei denen wir für die Ausbildungzuständig sind, stabile Auszubildendenzahlen. Berufe wie Landwirt*in, Gärtner*in und Forstwirt*in sind nützliche, praktische Tätigkeiten mit vielfältigen Karrieremöglichkeiten. Vielleicht haben die weltweiten Krisen der zurückliegenden Jahre dazu beigetragen, dass junge Menschen erkennen, wie überaus wichtig etwa die regionale Lebensmittelproduktion ist. Zusammen mit den Bildungseinrichtungen und den Betrieben entwickeln unsere Fachleute die Ausbildungsinhalte stetig weiter, damit die Grünen Berufe ihre Anziehungskraft behalten.
Dazu kommt das Bildungs-Angebot für die Menschen, die zum Teil schon viele Jahre in Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Fischerei tätig sind…
Schwetje: Um diese Menschen kümmern wir uns intensiv. Dadurch, dass immer weniger Familienbetriebe immer größere Flächen bewirtschaften, ist die Bedeutung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter gestiegen. Die Digitalisierung erleichtert deren Arbeit, aber sie verändert zum Teil auch ihr Aufgabenspektrum. Hier ist es unsere Aufgabe, dass die Beschäftigten mit der technologischen Entwicklung möglichst mühelos mithalten können.
Niedersachsens Agrarstruktur ist geprägt von der leistungsfähigen Tierhaltung im Nordwesten und dem spezialisierten Ackerbau im Osten und Südosten – wird das in Zukunft so bleiben?
Schwetje: Siedlungs- und Gewerbegebiete benötigen immer mehr Platz – entsprechend effizient und ertragreich muss der Ackerbau auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen gestaltet werden. Dabei wird sich der niedersächsische Ackerbau – mit unserer Unterstützung – auch in Zukunft bewähren. Die Tierhaltung wächst mittlerweile nicht mehr quantitativ, sondern qualitativ – ein Umbruch für viele Unternehmen und zugleich eine Aufgabe für uns, sie durch den Wandlungsprozess zu begleiten. Wenn dazu die politischen Rahmen-bedingungen stimmen, wird es weiterhin sehr gutes Fleisch aus Niedersachsen geben.
Die politischen Rahmenbedingungen, national und auf EU-Ebene, haben in den zurückliegenden Jahrzehnten – Sie haben es eingangs angesprochen – zu einem wachsenden bürokratischen Aufwand geführt. Sehen Sie für die Zukunft Änderungsbedarf?
Schwetje: Viele Betriebe haben den dringenden Wunsch, dass der bürokratische Aufwand wieder sinkt. Es ist sehr kräftezehrend, wenn man nach einem arbeitsreichen Tag auf dem Feld oder im Stall noch mehrere Stunden im Büro verbringen muss, um Anträge zu stellen und umfangreichen Dokumentationspflichten nachzukommen. Die Landwirtinnen und Landwirte verstehen, dass Agrarförderung an Auflagen geknüpft ist – aber sie benötigen einfachere Verfahren, um Beihilfen nutzen zu können. Dann können sie sich mit noch mehr Energie auf ihr Kerngeschäft konzentrieren – und das ist die Produktion hochwertiger, regionaler Lebens- und Futtermittel.
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Der Vorstand
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