Komplexe Projektvielfalt: Wassermanagement im Emsland und der Grafschaft Bentheim
Spätestens seit den Dürrejahren 2018 bis 2020 ist in der Region die Erkenntnis gereift, dass extremer Wassermangel im Frühjahr und Frühsommer auch durch Beregnungsoptionen nicht vollständig kompensiert werden kann. Vom Sommer 2023 bis zum Frühlingsbeginn 2024 wurden wir dann daran erinnert, dass auch Dauerregen verheerende Schäden verursachen kann. Dramatisch wurde es zum Jahreswechsel 2023/2024 als die Landschaft bis zur Geländeoberkante vollgelaufen war und die Flüsse niedersachsenweit über die Ufer traten.
Vor allem die Winterkulturen erstickten in ganzen Landstrichen unter den Wassermassen. Die Problematik entspann sich allerdings schon viel früher. Zur Ernte im Jahr 2023 konnte meistens die Gerste grade noch sicher gedroschen werden, während einzelne Weizen-, Roggen-, Raps-, Mais- und Kartoffeläcker teilweise bis ins Frühjahr 2024 nicht befahren und entsprechend nicht beerntet werden konnten.
In dieser Zeit fanden allerdings vier sehr wichtige, neudeutsch sogenannte Kick-Off-Veranstaltungen für Projekte statt, in denen es darum geht Wassermengen zu managen. Die Titel lauten wie folgt:
Handrup (14.09.2023): Nachhaltiges Wassermengenmanagement im Einzugsgebiet der Lotter Beeke
Emsbüren (11.01.2024): Nachhaltiges Wassermanagement Einzugsgebiete Ahlder und Engdener Bach
Haren (18.01.2024): Nachhaltiges Wassermengenmanagement im westlichen Emsland
Nordhorn (09.04.2024): Erstellung eines gekoppelten Modells zur Analyse der Wasserressourcen und Entwicklung eines Wassermengenmanagementkonzeptes für den Landkreis Grafschaft Bentheim
Auf den vier obenstehenden Veranstaltungen begrüßte man sich vereinzelt augenzwinkernd mit den Worten: „Ist ja alles unter Wasser, eigentlich doch Irre, dass wir jetzt über Wasserrückhaltung reden.“ In den offiziellen Grußworten und Fachbeiträgen wurde diese Logik natürlich aufgenommen und eingeordnet. Ganz schnell war klar, beides muss gehen: Wir müssen in Zukunft Wasser zurückhalten können aber es bei Bedarf eben auch weiterhin (planvoll) abführen.
Was ist sonst noch los?
Flankiert werden die vier, obenstehenden neuen Projekte mit Schwerpunkt unterirdisches Wassermengenmanagement durch die folgenden Projekte, die sich mit Wasser in der sichtbaren Landschaft beschäftigen oder beschäftigt haben:
- Wasserwirtschaftliche Rolle des Speicherbeckens Geeste (2022/2023)
- Nachhaltiges Wassermengenmanagement in der Region Emlichheim (2021/2022) Hier ging es um die Substitution von Grundwasser für die landwirtschaftliche Feldberegnung mit Brauch und Niederschlagswasser (Stichwort alte Fruchtwasserverregnung Emslandstärke)
- „Optimierung des Landschaftswasserhaushaltes im Nahbereich zu renaturierender Moore“(Grenzüberschreitender Naturpark Moor)
Im Jahr 2024 dazugekommen sind die folgenden beiden Projekte:
- EmsLand Auenentwicklung an der Ems zwischen Salzbergen und Dörpen“ Hier geht es im Rahmen des Bundesprogramms Blaues Band Deutschland darum entlang der Bundeswasserstraße auentypische Lebensräume zu einem Biotopverbund entlang der Ems zu entwickeln
- EUHorizon-Projekt „Schwammlandschaften“ in der Grafschaft Bentheim, in dem es wie der Name schon sagt in einem hochkarätigen europäischen Konsortium darum geht Wasser flexibel in der Landschaft zu managen
Zum Hintergrund: Seitdem die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim in den Jahren 2016 bis 2018 im kooperativen Projekt DAS Netzwerke Wasser (gemanagt von Elisabeth Schulz (LWK) und Lena Hübsch (LBEG)) mitgearbeitet haben war für Insider klar, dass die Landwirtschaft künftig insgesamt einen höheren Beregnungswasserbedarf haben würde. Daraus folgte die Logik, dass man versuchen müsse Wasser dafür zu speichern. Im Projekt wurde dann der Austausch mit den Beregnungsregionen Rotenburg (Wümme) sowie Celle ermöglicht und auch Wassermengenmanagementprofis aus den Niederlanden wurden erstmals eingebunden. Das Projekt wurde seinem Namen gerecht und führte dazu, dass ein gemeinsames Verständnis der Zusammenhänge und ein gutes Miteinander erarbeitet wurde. Daraus folgten dann in Sachen Wasserrückhaltung das Projekt KliWaKo (Klima-Wasser-Kooperation) Ahlde und das Überblicksprojekt Emslandplan 2.0 die beide beim Landkreis Emsland angesiedelt waren.
Als Ergebnis der Projekte (zusammengefasst und mit eigener Umfrage ergänzt von Theresa Beckmann in ihrer Bachelorarbeit, siehe Artikel in der Land & Forst Ausgabe 44/2022) wurde klar, dass eine unkoordinierte Wasserrückhaltung sehr wahrscheinlich dazu führen würde, dass zwar im Landschaftsbild mehr Wasser sichtbar würde, wohl auch mit lokal positiven Effekten, aber dass die Grundwasserneubildung in den entscheidenden Grundwasserkörpern (aus denen Wasser gefördert wird) möglicherweise gar nicht profitieren würde.
Dazu kam die Sorge, dass durch einen in der Folge denkbaren Wildwuchs an einzelnen Stauanlagen das durchdachte Gesamtdrainagesystem der Region in seiner Funktion kompromittiert werden könnte. Die Überflutungen im vergangenen Winter haben diesem Einwand zusätzliches Gewicht verliehen.
Theresa Beckmann hatte als Schlussfolgerung ihrer Bachelorarbeit dazu passend folgende Pflöcke eingeschlagen: Das größte Interesse der von ihr befragten Landwirte rief die Stauhaltung hervor, weil sie für fast alle Landwirte anwendbar sei, da die Großzahl an Flächen direkt an Entwässerungsgräben grenzt. Beckmann betonte aber auf Basis der Ergebnisse des Emslandplans 2.0 auch, dass noch weitere Planung bis zur Umsetzung der Maßnahmen notwendig sei und die Landwirte dabei unterstützt werden müssten, sich aktiv zu beteiligen. Nur so könne ein nachhaltiges System zur Wasserrückhaltung auf den Flächen geschaffen werden. Von Gegnern der Wasserrückhaltung mittels Stauanlagen wird außerdem immer wieder die anzustrebende Durchgängigkeit der Gewässer nach EU-WRRL ins Feld geführt, wodurch man sich in der Diskussion über diese Option zunächst auf die in der Regel ökologisch weniger wertvollen Gewässer dritter Ordnung konzentriert. Wie es gut gehen kann, zeigen u.a. Beispiele aus den Niederlanden und anderen europäischen Ländern. Klar ist zudem, dass ökologisch wertvolle Gewässer und andere wasserabhängige Biotope, natürlich auch nicht vollkommen austrocknen dürfen. Das Thema Wasserrückhaltung zeigt sich vor diesem Hintergrund als attraktives Kooperationsfeld für Landwirtschaft, Natur- und Klima-/Moorschutz - aber auch als Herausforderung für Genehmigungsbehörden (Stichwort z.B. Hochwasserschutz). Daher wird der politische Wille hier voranzukommen immer bedeutsamer werden - genau wie der Dialog der Menschen vor Ort. Es wird häufig um Einzelentscheidungen gehen, bei denen widerstrebende Interessen gegeneinander abgewogen und die Entscheidungen erklärt werden müssen vor allem falls es entgegen aller notwendigen Bemühungen nicht nur Gewinner geben sollte. In den vier neuen Projekten werden die Entscheidungsgrundlagen über wissenschaftliche Erhebungen sowie Dialoge und Diskussionen mit den Stakeholdern nun professionell auf- und vorbereitet.
Ergo: Die bisherigen Projekte haben Zeit gebraucht, aber sie haben auch zu größerer fachlicher Sicherheit in Bezug auf die möglichen Maßnahmen und zum weiteren Vorgehen geführt. In den vier neuen Projekten zum Wassermengenmanagement geht es jetzt folgerichtig darum herauszufinden, wie sich das Wasser in den Untersuchungsräumen unterirdisch verhält und wie und wo man durch gezielte bzw. exakt platzierte oberirdische Maßnahmen (Stichworte sind u.a. (steuerbare) Staue, Steinschüttungen, Sohlanhebungen/-gleiten, Reservoirs etc.) tatsächlich Wasser nachhaltig zurückhalten kann. Als Fachleute auserwählt wurden dafür für das Emsland die Hydrogeologen um Dr. Stephan Hannappel vom Büro hydor aus Berlin und für die Grafschaft die Ingenieursgesellschaft Schmidt & Holländer mbH aus Stade. Hier spricht Dr. Udo Schmidt maßgeblich für das Projekt.
In der Kommunikation unterstützt werden die Ingenieure und alle teilnehmenden Stakeholder von professionellen Moderierenden. In der Grafschaft von der water & project Management- und Beratungsgesellschaft mbH, für den Ahlder und Engdener Bach von Moderatorin Daniela Kösters, Emlichheim, an der Lotter Beeke vom Büro Lindschulte-Nordhorn (Jens Wiese) sowie im westlichen Emsland von Prozess- und Projektberaterin Silke Kuhlemann (pro-t-in GmbH). In allen Projekten sind die örtlichen Wasser- und Bodenverbände maßgeblich beteiligt, um sicherzustellen, dass die zuständigen Menschen vor Ort (bei denen es sich weit überwiegend um Landwirtinnen und Landwirte handelt) ernst genommen und ihre Beiträge ausnahmslos festgehalten, abgewogen und in die Berichterstattung übernommen werden. Nur so kann am Ende sichergestellt werden, dass die Bau-, Unterhaltungs- und Betriebsmaßnahmen zur Wasserrückhaltung in der Fläche dann auch umgesetzt werden und Akzeptanz finden. Zudem sollte es Menschen geben, die sich für das System verantwortlich fühlen und verlässlich dauerhaft die Arbeit machen. Diese wird sich nicht ausschließlich ehrenamtlich erledigen lassen, so dass alle Wassernutzer an den Kosten beteiligt werden müssen. Folgerichtig haben alle oben genannten Projekte einen kooperativen Aufbau. Interessierte und vor allem Ortskundige sind stets aufgerufen, sich an die Moderatorenteams zu wenden, ihr Wissen zu teilen und sich für die regionale Projektentwicklung zu engagieren. Das ist extrem wichtig, weil auf Basis der Projektergebnisse wie oben geschildert Entscheidungen getroffen werden müssen, denen dann wahrscheinlich Baumaßnahmen folgen werden. Außerdem ist es unverzichtbar, eine Gesprächskultur auf Augenhöhe mit allen Beteiligten zu entwickeln. Denn wenn sich ein neues Wassermengenmanagementsystem erfolgreich etablieren soll, müssen die Verantwortlichkeiten ausdiskutiert, und der vertrauensvolle Umgang miteinander zum Betrieb und zur Weiterentwicklung des Systems eine Selbstverständlichkeit sein. Jetzt am Anfang hilft etwas Zeit, Fachwissen und ein professioneller, neutraler Moderator. Genau das bringen die vier neuen Projekte mit.
Wassermengenmanagementbeispiele aus aller Welt, vom Terrassenfeldbau in Asien, über Flussdeltakommissionen bis hin zum Betrieb großer Staudämme zeigen, dass es in Sachen Wasser gut immer nur zusammen geht und dass der stetige Dialog aller Beteiligten zum Thema Wasser unverzichtbar ist. Das gilt auch, wenn schon Konflikte vorliegen oder wenn bereits Entscheidungen drängen. Deswegen müssen jetzt alle Stakeholder lösungsorientiert mitarbeiten und diskutieren damit menschliche Verbindungen und fundierte, umsetzbare Lösungen existieren, die den nächsten Dürren und Überschwemmungen im Emsland und der Grafschaft Bentheim standhalten.
Wie geht’s weiter?
Die vier Wassermengenmanagementprojekte laufen alle noch, im Bereich der Lotter Beeke liegt aber schon der Zwischenbericht nach dem ersten Jahr vor. Anfang 2025 ist hier der Abschluss(bericht) geplant. In der Grafschaft und im mittleren Emsland laufen die Projekte bis 2026. Informationen zu Aktionen, Veranstaltungen und Sachstand gibt’s bei den Moderatorenteams, diese laden auch alle Stakeholder zu den verschiedenen Projekt- bzw. Arbeitsgruppentreffen ein.
Kontakte
Dr. Vinzenz Bauer
Leiter Bezirksstelle Emsland
Veranstaltungen
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