Was würde eine Halbierung des Fleischkonsums für den Klimaschutz bringen?
"Die Deutschen sollten aus Sicht von Umweltschützern nur noch halb so viel Fleisch essen und die Tierbestände kräftig abbauen. Anders seien die Klimaziele nicht mehr zu erreichen.“ So oder ähnlich war es vor kurzem zahlreichen Presseverlautbarungen zu entnehmen. Bezug genommen wurde auf den Fleischatlas, der vom Bund für Umwelt und Naturschutz und der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wurde. Dabei wurden allerdings keine Angaben gemacht, wie viel eine Halbierung des Fleischkonsums zum Erreichen des Klimaziels beitragen würde. Wir haben mal nachgerechnet und Vergleiche gemacht.
Laut Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH betrug der Fleischverzehr in Deutschland im Jahr 2016 pro Kopf 59 kg. Der Fleischkorb setzte sich zusammen aus 35,8 kg Schwein, 11,9 kg Geflügel, 9,5 kg Rind und 1,8 kg sonstige Tiere. Nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit liegt der sogenannte CO2-Fußabdruck je nach Fleischart und Verarbeitungszustand zwischen 3,25 kg CO2e je kg frischem Schweinefleisch und 14,34 kg CO2e je kg tiefgekühltem Rindfleisch. Der CO2-Fußabdruck beinhaltet die Treibhausgasemissionen über die gesamte Produktionskette von der Erzeugung zum Beispiel der Ferkel, über die Mast, den Schlachtbetrieb bis zum Einzelhandel. Dabei werden sowohl die Treibhausgasemissionen berechnet, die im jeweiligen Betrieb entstehen, also zum Beispiel solche, die direkt aus den Viehställen entweichen, als auch Treibhausgasemissionen, die in vorgelagerten Bereichen entstehen. Das sind zum Beispiel Emissionen aus der Erzeugung des benötigten Futters und des verbrauchten Stroms oder der Kraftstoffe für Transporte bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel. Neben den Kohlendioxidemissionen sind auch die Kohlendioxidäquivalente aus Lachgas- und Methanemissionen enthalten.
Der durchschnittliche CO2-Fußabdruck im Warenkorb beträgt 5,49 kg CO2e je kg Fleisch. Er errechnet sich aus den Anteilen der einzelnen Tierarten mit ihren jeweiligen CO2-Fußabdrücken. Durch den Fleischkonsum werden 324 kg CO2e pro Kopf und Jahr (59 mal 5,49) verursacht.
Laut Statistischem Bundesamt betrug die Einwohnerzahl in Deutschland Ende 2015 82,18 Millionen Menschen. Damit wurden in 2016 durch den Fleischverzehr der deutschen Bevölkerung 26,6 Millionen t CO2e verursacht. Bei einer Halbierung würden die Treibhausgasemissionen aus dem Fleischkonsum demzufolge um 13,3 Millionen t gesenkt werden.
Nach dem deutschen Klimaziel sollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um mindestens 80% gegenüber dem Basisjahr 1990 gesenkt werden. In 1990 betrugen sie 1.251 Millionen t CO2e. Die Halbierung des Fleischkonsums würde Deutschland dem Klimaziel also um 1,1%-Punkte näherbringen. Stopp mal: Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass der geringere Fleischkonsum einen Anstieg des pflanzlichen Nahrungsmittelbedarfs mit entsprechend höheren Emissionen nach sich ziehen würde. Bevor man sich hier im Kleinkarierten verliert, richten Klimaschützer den Fokus besser gleich auf die dicken Brocken. Die liegen im Energiesektor. Dazu folgende Beispiele:
- Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie belief sich die deutsche Bruttostromerzeugung in 2016 auf 654 Milliarden Kilowattstunden. Davon stammen 150 Milliarden Kilowattstunden aus Braunkohlekraftwerken. Laut Statista verursachen sie für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom 1000 g CO2e. Windkraftanlagen mit einem Anteil von 12 % an der deutschen Stromerzeugung werden mit 24 g CO2e je kWh Strom angegeben. Eine Kilowattstunde Braunkohlestrom verursacht also mehr Treibhausgasemissionen als 40 kWh Windkraftstrom. Bei Abschaltung der Braunkohlekraftwerke und Ersatzlieferung durch Windkraftanlagen würden die deutschen Treibhausgasemissionen rechnerisch um 146,4 Millionen t CO2e pro Jahr sinken. Der Weg ist das Ziel. Der Austausch von 2 %-Punkten Braunkohlestrom durch Windstrom bringt so viel Treibhausgaseinsparung wie eine Halbierung des deutschen Fleischkonsums. In 2016 lag der Anteil des Braunkohlestroms noch bei 23 %.
- Durch den Bezug von Ökostrom werden bei einem pro Kopf Verbrauch von 1.000 kWh pro Jahr (das entspricht etwa dem durchschnittlichen Stromverbrauch in privaten Haushalten) laut CO2-Rechner des Umweltbundesamtes 530 kg CO2e eingespart. Der Bezug von Ökostrom bringt pro Person 3,3 Mal so viel Treibhausgaseinsparung wie eine Halbierung des Fleischverbrauchs (530/162). Die zusätzlichen Kosten für den Ökostrombezug sind überschaubar. Zum Beispiel belaufen sich bei einem Oldenburger Stromversorger die Mehrkosten eines Durchschnittsverbrauchers auf weniger als 2 € pro Monat. Das gute Gewissen kostet monatlich weniger als eine Tasse Kaffee im Restaurant.
- Flugreisen sind besonders klimaschädlich. Der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes weist für eine Flugreise von Hannover nach Gran Canaria 2,02 t CO2e je Fluggast aus. Die Flugreise nach Gran Canaria verursacht pro Kopf 12,5 Mal so viel Treibhausgasemissionen wie bei einer Halbierung des Fleischkonsums eingespart werden (2020/162).
Landwirte können zum Klimaschutz beitragen, indem Sie die nachgefragten Lebensmittel möglichst klimaschonend erzeugen. Dafür sollten sie ihre Produktionsabläufe aus dem Blickwinkel des Klimaschutzes überprüfen. Die prozentualen Treibhausgas-Einsparpotentiale liegen zwar meistens nur im einstelligen Bereich. Bisherige Erfahrungen aus einzelbetrieblichen Klimaschutzberatungen zeigen aber, dass sich daraus auf Betriebsebene im Durchschnitt 50 t CO2-Einsparung pro Betrieb und Jahr ergeben. Um auf die durch eine einzelbetriebliche Klimaschutzberatung lokalisierte Treibhausgaseinsparung zu kommen, müssten 308 Bundesbürger ihren Fleischkonsum halbieren.
Fazit:
Eine Halbierung des Fleischkonsums, wie bei der Vorstellung des Fleischatlas empfohlen, würde Deutschland dem Klimaziel um etwa ein Hundertstel näherbringen.
Mit einem geringeren Fleischkonsum macht man aus Klimaschutzsicht nichts verkehrt.
Es gibt allerdings wesentlich wirkungsvollere Maßnahmen wie beispielsweise den Bezug von Ökostrom und die Reduzierung von Flugreisen. Landwirte können durch eine klimaeffiziente Produktion einen Beitrag leisten zur Verringerung der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen.
Kontakte
Wiebke Schumacher
Fachreferentin Klimaschutz, Klimaanpassung
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