Giftpflanzen im Grünland vorbeugen
Die Verfütterung von Aufwüchsen mit stark giftigen Pflanzen ist futtermittel- und tierschutzrechtlich problematisch. Im extensiv genutzten Grünland sind Giftpflanzen für Weidetierhalter und Futtermittel-produzenten eine besondere Herausforderung. Mit diesem Bericht werden die wichtigsten im Grünland vorkommenden Giftpflanzen und deren Risiken für die verschiedenen Nutztierarten sowie Vorbeugemaßnahmen vorgestellt.
Giftpflanzen im Grünland sind für Nutztiere potenziell gesundheitsschädigend. Die gesundheitsschädigende Wirkung der verschiedenen Arten wird dabei in der Regel durch Nahrungsaufnahme ausgelöst, wobei die Nutztierarten unterschiedlich stark auf die potenziell giftigen Inhaltsstoffe reagieren.
Giftpflanzen sind Zeigerpflanzen
Das Vorkommen giftiger Arten im Dauergrünland deutet auf Standort- und/oder Bewirtschaftungsmängel hin. Viele Giftpflanzen im Grünland finden z.B. unter eher feuchten bis nassen Standortbedingungen günstige Lebensbedingungen. Hohe Feuchtezahlen (1 – 9; nach H. Ellenberg, 1991) vieler Giftpflanzen sind ein guter Hinweis auf die Standortpräferenz dieser Arten. Für ein dauerhaftes Zurückdrängen dieser Arten sind verbesserter Abfluss und Wasserzügigkeit sowie ggf. Meliorationsmaßnahmen (Drainage) erforderlich.
Aber auch in den weniger feuchten `Frischwiesen´ finden sich bedeutende Giftpflanzen. Diese profitieren neben klimatischen Einflüssen (Bodentemperatur) in der Regel ebenfalls von zeitweise erhöhter Bodenfeuchtigkeit sowie damit eingeschränkter Befahrbarkeit und einer vergleichsweise geringen (extensiven) Bewirtschaftungsintensität.
Giftpflanzenarten mit einer Präferenz für magere und trockene Standorte sind im Grünland eher selten, sind dadurch aber nicht weniger gefährlich. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl das Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea), eine mit dem Wassergreiskraut (Senecio aquatica) nahe verwandte Spezies, jedoch mit gänzlich anderen Standortansprüchen.
Bewirtschaftungseinfluss
Der Einfluss von Mahd und Weide auf die Vegetation kann, ebenso wie die Feuchteverhältnisse, ebenfalls in Zahlen ausgedrückt werden (H. Ellenberg, 1991). Giftpflanzen enthalten Verbindungen (Alkaloide, Glykoside), welche für die Pflanze eine allgemeine oder spezielle Schutzfunktion (z.B. gegen Fraß) haben. Die Empfindlichkeit der Giftpflanzen gegenüber der Weidenutzung ist deshalb allgemein gering bis sehr gering, weil sie nämlich vom Weidevieh gemieden werden, sobald sie ihre Hemmstoffe einlagern.
In der Mahdverträglichkeitszahl drückt sich eine eher mittlere bis gute Verträglichkeit der meisten Giftpflanzen gegenüber der Schnittnutzung aus, wobei die Schnittfrequenz im Feuchtgrünland naturgemäß geringer ist und häufig (Bewirtschaftungsauflagen) erst sehr spät genutzt werden kann oder darf.
Pflanzenarten können die Standort- und Nutzungsverhältnisse gut anzeigen. Diese Zeigerfunktion ist umso besser, je geringer die Überprägung durch Düngung und Nutzung ist. Mit ansteigender Bewirtschaftungsintensität (Düngung und Nutzung) kann dem Vorkommen von Giftpflanzen in der Regel entgegengewirkt und vorgebeugt werden. Sehr frühe und intensive Beweidung (Kurzrasenweide) ist nach Aussage von Praktikern geeignet, bestimmte Giftpflanzen noch vor dem eigentlichen Austrieb und der Giftstoffeinlagerung zu schädigen. Auch gegenüber dem Viehtritt sind die meisten Giftpflanzen sehr empfindlich. Wichtig sind in diesem Zusammenhang v.a. trittfeste, nährstoffreiche und rasenwüchsige Grünlandflächen mit dichten Narben und frühzeitigem Wachstumsbeginn.
Regelmäßige Pflegemaßnahmen, Nachsaaten, ausreichende Düngung und angepasste Nutzungsintensität sind generell geeignet, der Ausbreitung von Giftpflanzen vorzubeugen.
Giftigkeit ist relativ
In seltenen Fällen ist das Vorkommen von Giftpflanzen im Grünland als Folge von Standortmängeln oder von Bewirtschaftungsauflagen des Naturschutzes zu tolerieren.
Auch im ökologischen Landbau kann es aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten beim Pflanzenschutz zu schwierigen Situationen kommen.
Um Gefahren abschätzen zu können, wurden verschiedene Bewertungssysteme entwickelt, um die Gefährdung der Nutztiere gegenüber diesen Pflanzen abzuschätzen. Dabei sind zwei Faktoren entscheidend für die Toleranz der Futteraufnahme: das eigentliche Gift und der Anteil dieses Stoffes in der Gesamtpflanze. Die Aufnahmetoleranz wird in der Tabelle als maximal tolerierbarer Anteil in der Futterration ausgedrückt. Darüber hinaus wären deutliche Leistungsminderung bzw. starke gesundheitliche Beeinträchtigung die Folge (Stählin, 1971).
Giftpflanzen, die der Grünlandwirt kennen sollte
Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis)
Senfölglykoside verursachen einen scharfen und bitteren Geschmack dieser sehr früh blühenden Kreuzblütengewächses. Das Wiesenschaumkraut wird daher kaum frisch gefressen. In Heu und Silagen besteht keine Gefahr, da ein Abbau der als giftig geltenden Glykosidverbindungen schon während der Gär- und Fermentationsprozesse stattfindet.
Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)
Aufgrund des mehr oder weniger starken Anemonolgehalts in allen Hahnenfußarten werden diese in der Weide gemieden. Als besonders giftig und bei Verfütterung (>10 % TS) schädliche Arten gelten der scharfe Hahnenfuß (R. acris), das Schabockskraut (R. ficaria) und der Brennende Hahnenfuß (R. flammula) als Ursache von Durchfall, Abmagerung sowie Krämpfen bis hin zum Verenden sowie bei Milchvieh von rötlich-gelber schlechtschmeckender Milch (A. Stählin, 1971). Weniger giftig sind der Kriechende Hahnenfuß (R. repens) und der flutende Hahnenfuß (R. fluitans). Eine Gefahr besteht hier nur, wenn Pflanzenmaterial im größeren Umfang frisch verzehrt wird. Da der Alkaloidgehalt geringer ist, wird insbesondere nach Herbizidbehandlung die Geschmackshemmung aufgehoben (teilweise sind nur 7 Tage Wartezeit einzuhalten), nicht jedoch die Giftwirkung.
Als Charakterart der nährstoffreichen Feuchtwiese (Calthion) ist auch die Sumpfdotterblume (Caltha palustris) frisch verfüttert giftiger einzuschätzen, als im Heu oder Silagekonservat. Pfefferartiger Geruch und scharfer Geschmack verleiden es dem Vieh, die Pflanze frisch zu verzehren, wobei schon 3 % in der Ration eine starke Gefährdung der Gesundheit bewirken können. Aber auch im Heu verfüttert, ist ein Anteil >3-5 % noch mit gesundheitlichen und leistungsmindernden Risiken für das Vieh verbunden.
Sumpfschachtelhalm (Duwock)
Seit den 2000er Jahren wurden wieder vermehrt Vorkommen des sog. Duwock gemeldet, wo bis dahin lange keine Probleme mehr mit dieser Sporenpflanze bekannt waren. Die stärkste Verbreitung wurde in extensiv bewirtschafteten Niedermooren sowie Marschenland aus Naturschutzgebieten in Niedersachsen gemeldet. Die betroffenen Landwirte/Tierhalter bewirtschafteten dieses Dauergrünland bereits seit 15 bis 20 Jahren extensiv mit Einschränkungen zur Nutzungsintensität und Düngung. In Milchviehbetrieben kam es schon nach Rationszuteilung mit geringem Anteil `Duwock´ sofort zu starken Leistungseinbußen.
Im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts (BLÜML, V. et.al., 2014) wurden an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (A.K.Hünsche, 2010) Untersuchungen zu möglichen Schadwirkungen einer Kontamination von Grundfutter mit getrocknetem Sumpfschachtelhalm bei Wiederkäuern und Pferden angestellt. Dabei zeigte sich, dass Wiederkäuer eine sehr geringe Futterakzeptanz gegenüber dem Duwock aufweisen, Pferde diesen aber sehr gerne fressen. Pferde zeigten im Gegensatz zu den Wiederkäuern bei mehrwöchiger Verfütterung von Sumpfschachtelhalm auch keine Akzeptanzprobleme und keine Krankheitssymptome. Beweidungsversuche wurden zeitgleich mit Pferden, Rindern und Schafen auf drei Niedermoorflächen mit hohem SSH-Besatz durchgeführt. Damit wurde bestätigt, dass Rinder und Schafe den Aufwuchs mit Duwock deutlich meiden, während Pferde Sumpfschachtelhalm fressen und keine Selektion stattfindet. Auch erfahrene Landwirte berichten, dass Pferde immer schon das Feuchtgrünland mit dem Sumpfschachtelhalm beweiden konnten und keinen Schaden davon hatten.
Greiskrautarten (Senecio spec.)
Senecio ist mit über 1000 Arten eine der grössten und am weitesten verbreiteten Gattungen des Pflanzenreichs. In Europa sind 67 einheimische Arten dieser Korbblütengewächse bekannt (A.Boshard et.al., 2003). Die Kreuzkrautarten variieren nicht nur stark in ihrem Gesamtgehalt an Giftstoffen; sie unterscheiden sich auch in der Zusammensetzung der verschiedenen Pyrrolizidinalkaloide. Über den Giftgehalt des Wasser-Kreuzkrautes gibt es noch kaum Untersuchungen (ebenda), es ist aber davon auszugehen, dass es sich bei den speziellen Alkaloiden um jene handelt, die auch das Jakobskreuzkraut (s.u.) zunächst für das Weidevieh ungeniessbar machen, aber im konservierten Grundfutter (Heu / Silage) trotz anhaltender Toxizität kaum selektiert werden.
Die Standortansprüche vom Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea) sind grundlegend unterschiedlich von denen des Wassergreiskraut, denn das JKK findet seinen idealen Verbreitungsraum auf im leicht erwärmbaren, zur Trockenheit neigenden Standorten. Die Giftigkeit ist bei dieser Art jedoch allgemein bekannt und insbesondere Pferde haltende Betriebe sind durch diese Art stark verunsichert.
Das grösste Risiko für das Auftreten von Kreuzkrautarten zeigen lückige Flächen mit geringer Stickstoff-Düngung. Ein Schnittregime, wie es bei wenig- oder mittelintensiv genutztem Grünland üblich ist, kann die Ausbreitung der Arten (je nach Standortpräferenz) nicht verhindern, weil sie im zweiten und zum Teil im dritten Aufwuchs sehr rasch wieder zum Blühen und Fruchten kommen. Nur durch eine dichte Grasnarbe und die konsequente Bekämpfung kann die Ausbreitung von der Kreuzkrautarten nachhaltig verhindert werden.
Können Gräser giftig sein?
Auch einzelne Gräserarten können sich aufgrund ihrer besonderen Inhaltsstoffe gesundheitsschädlcih auswirken. Am Beispiel des Ruchgras (Anthoxantum odoratum) zeigt sich deutlich, dass Heil- und Giftwirkung oft nah beieinander liegen. Der intensive Geruch nach Waldmeisteraroma in vielen Magerwiesen rührt vom Cumaringehalt dieser geringwertigen Grasart. Das Cumarin wirkt sich bei Säugetieren generellt blutverdünnend aus. Bis zu 5% Rationsanteil kann das Ruchgras die Verdauung fördern, in größeren Mengen aufgenommen aber auch zu Blut im Harn führen.
Der Glatthafer (Arrhenaterium elatioris) ist durch seinen Saponingehalt bitter schmeckend und wird nur zu geringen Anteilen frisch aufgenommen. Eine gesundheitsschädigende Wirkung ist erst bei Aufnahme größerer Mengenanteile (30%) zu erwarten. Geschmacklich überzeugt der Glatthafer auch nach längerer Einlagerung nicht, weshalb hohe Glatthaferanteile im Heu vom Vieh verschmäht werden.
Aktuelle Herausforderungen in Niedersachsen
Giftpflanzen sind im Extensivgrünland auf dem Vormarsch. Die Verfütterung von Aufwüchsen mit stark giftigen Pflanzen ist futtermittel- und tierschutzrechtlich problematisch. Rechtlich betrachtet stellt das Inverkehrbringen und verwenden von Futter dieser Zusammensetzung vermutlich einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz § 1 und 2 dar, weil nicht auszuschließen ist, das Leid und Schmerzen dadurch hervorgerufen werden. Zudem entspricht es mit Sicherheit nicht den Ansprüchen einer bedarfsgerechten Ernährung. Das vereinzelte Vorkommen von Giftpflanzen ist aber kein Grund zur Panik, allerdings sollte es nicht zur Dominanz kommen, insbesondere nicht durch Schachtelhalm und Kreuzkrautarten. Regelmäßige Pflegemaßnahmen und eine an den Standort angepasste Nutzung und Düngung können stabile Pflanzenbestände fördern und durch frühzeitige Nutzung (Vorweide) und regelmäßige Nachsaat können konkurrenzkräftige und grasbetonte Grünlandnarben erhalten werden.
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Berater Grünland und Naturschutzprogramme
Meike Backes
Gebietsmanagerin Moor und Klima
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