Liebhaberei im Forstbetrieb - Ein unterschätztes Steuerproblem
Martin Hillmann, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, unter Mitarbeit von Ingo Becker, RA und Notar, FAStR und Landwirtschaftliche Buchstelle, Dieter Holl u. Partner, Steuerberatungsgesellschaft, Uelzen
Waldbesitzer Meier hat Post von seinem zuständigen Finanzamt erhalten. Nach erfolgter Betriebsprüfung seines im Landkreis Soltau-Fallingbostel liegenden 100 ha großen Forstbetriebes hat das Finanzamt entschieden, den Betrieb rückwirkend als Liebhaberei und nicht als Erwerbsbetrieb einzustufen. Die Prüfung des Finanzamtes hat ergeben, dass der Forst- und Jagdbetrieb nicht zur Gewinnerzielung geeignet ist. Dies hat für unseren Waldbesitzer fatale Folgen. Konnte er bisher die mit seiner Tätigkeit als Forstwirt verbundenen Verluste in seiner Einkommenssteuererklärung geltend machen, ist dies nun nicht mehr möglich. Schlimmer noch, Meier muss sein Einkommen rückwirkend über einen Zeitraum von mehreren Jahren nachversteuern. Eine Nachzahlung der Einkommen- und Nebensteuern in nicht unerheblichem Maße droht.
Der geschilderte Fall kann als durchaus typisch angenommen werden. Gerade im Bereich der Forstwirtschaft kommt es immer häufiger vor, dass bisher nicht aus der Land- und Forstwirtschaft stammende Steuerpflichtige, die über andere existenzsichernde Einnahmequellen verfügen, Objekte kaufen. Der Kauf von Forstflächen ist häufig auch jagdlich motiviert. Viele dieser neuen Waldbesitzer treten allerdings schnell einem örtlichen forstwirtschaftlichen Zusammenschluss bei und zeigen sich sehr interessiert am forstlichen Geschehen. Zahlreichen dieser Forstbetriebe droht allerdings durch die steuerliche Aberkennung des Erwerbsbetriebes das Aus.
Weitere Gründe dafür, dass potentielle Liebhabereibetriebe in ihrer Zahl zugenommen haben, sind in den aktuellen Waldschäden der letzten drei Jahre zu finden. Große Vorratsabgänge in den ertragsstarken Fichtenbetrieben führen zu hohen Investitionskosten in Wiederbewaldung und Pflege in den nächsten Jahren. Gewinne werden kaum zu erwirtschaften sein. Derartige Maßnahmen stellen vorgezogene Investitionen dar, die zwar Gewinne schmälern, aber bei langfristiger forstbetrieblicher Betrachtung erklärbar sind.
Als Forstbetrieb (selbständiges Wirtschaftsgut) werden nach aktueller Rechtsprechung zusammenliegende Waldflächen angesehen, die mindestens eine Flächengröße von einem Hektar aufweisen. Gerade diese Kleinbetriebe werden mit Fixkosten derart belastet, dass Gewinne nur schwer erzielbar sind.
Der typische Bauernwald bleibt allerdings bisher von der Liebhabereiprüfung verschont, da eine fehlende Gewinnneigung hier nicht angenommen wird. Dies gilt auch für Betriebe, die über Generationen vererbt werden. Der Fall eines Betriebes, der mutwillig hohe Kosten produziert, um dann ungerechtfertigte Steuervorteile zu erzielen, soll hier nicht untersucht werden.
Wie prüft die Finanzverwaltung die Erwerbseigenschaft des Betriebes?
Werden in der Steuererklärung über Jahre hinaus Verluste geltend gemacht, gilt dies als Ansatzpunkt für die Finanzverwaltung, die Gewinnerzielungsabsicht des Betriebsinhabers zu prüfen. Der Steuerpflichtige wird aufgefordert, seine Gewinnerzielungsabsicht zu begründen. Die Prüfung läuft in der Regel nach folgenden Schaubild ab:
- Persönliche Einschätzung der Ertragssituation:
Fällt die Ertragsprognose des Steuerpflichtigen positiv aus? Handelt es sich tatsächlich nur um sog. Anlaufverluste? Verhindert ein hoher Kaufpreis und/oder eine hohe Fremdfinanzierung eine Ertragsaussicht?
- Art der Betriebsführung:
Wird der Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt? Liegt ein aktuelles Forsteinrichtungswerk vor und wird danach gehandelt? Wie ist die Beförsterung geregelt? Sind mittelfristig geeignete Maßnahmen getroffen, um die Ergebnissituation zu verbessern (Struktur- und Umstellungsmaßnahmen)
- Persönliche Gründe und Neigungen:
Handelt es sich um eine Tätigkeit, die vornehmlich der Freizeitgestaltung dient (Jagd, Reitsport, Erholung etc.)? Aufrechterhaltung des Betriebes für Nachkommen? Steht die Steuerersparnis im Vordergrund (Verrechnung mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten)?
Kommt die Finanzverwaltung nach Prüfung der Kriterien zu der Auffassung, dass es Indizien für das Vorliegen von Liebhaberei gibt, kann sie eine sog. Totalgewinnprognose erstellen, die im Folgenden erläutert wird.
Totalgewinnprognose
Allein negative Jahresergebnisse über einen langen Zeitraum sind hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht nicht aussagefähig. Sog. aussetzende Betriebe, die auf Grund ihrer Struktur oder geringer Flächengröße keine jährlichen Nutzungen realisieren können, sind besonders betroffen. Einem langen Verlustzeitraum steht ein einziger Ertrag im Zeitpunkt der Holzernte gegenüber. Dieser Ertrag kann ausreichen, die zuvor entstandenen Verluste mindestens auszugleichen. Daher ist zur Ermittlung des sog. Totalgewinns die gesamte Umtriebszeit des Betriebes zu betrachten. Über die Dauer der im Forsteinrichtungswerk festgestellten Umtriebszeit (z. B. 100 Jahre) werden die jährlichen Aufwendungen und Erträge nach heutigen Preisen ermittelt. Aus dem Vergleich der Bestandswerte zu Beginn und am Ende des Prognosezeitraums lassen sich Gewinne herleiten, die hauptsächlich im Bestandszuwachs begründet liegen (Stille Reserven). Der Bundesfinanzhof hat im Urteil vom 09.03.2017 (BStBl. II S. 981) klargestellt, dass der auf die verbleibende Umtriebszeit verteilte Totalgewinn von jährlich 1.000,00 DM bzw. 500,00 € kein Prüfungskriterium mehr ist. Das Kriterium des „ins Gewicht fallenden“ Totalgewinns, das früher anhand dieser Zahlen zu prüfen war, ist nach der Rechtsprechung folglich überholt.
Beispiel „Totalgewinn“
Der Totalgewinn eines typischen Betriebes in der Lüneburger Heide mit hohem Kiefernanteil und hohem Anteil unter 60-jähriger Bestände ist im Folgenden dargestellt:
Besondere Probleme machen Betriebe, die weit über Verkehrswert erworben wurden. Ein übermäßig hoher Buchwert und zusätzliche Finanzierungskosten schmälern einen Totalgewinn oder machen ihn zunichte. Demgegenüber sollten erwartbare Bodenwertsteigerungen in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden.
Ermittelt die Steuerverwaltung nach Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Totalverlust, wird sie die Tätigkeit des Steuerpflichtigen der Liebhaberei zuordnen. Ab dem Zeitpunkt der Annahme einer Liebhaberei können entstehende Verluste ertragssteuerlich nicht mehr berücksichtigt werden. Eine Verrechnung mit anderen positiven Einkünften ist ausgeschlossen.
Jedoch führt die Liebhaberei-Einstufung nicht zur Betriebsaufgabe. Daher werden stille Reserven des Liebhabereibetriebs auf den Stichtag des Übergangs vom Erwerbs- zum Liebhabereibetrieb nach § 8 VO zu § 180 Abs. 2 AO festgelegt. Nur diese in der ertragsteuerlich relevanten Phase des Forstbetriebs entstandenen stillen Reserven müssen sodann im Falle der späteren Veräußerung der Forstflächen als nachträgliche Betriebseinnahmen versteuert werden.
Abhilfe durch Gutachten
Ob tatsächlich eine Gewinnerzielungsabsicht besteht, muss vom Steuerpflichtigen bewiesen werden (Beweislast). Könnte es zu den geschilderten steuerlichen Problemen kommen, sollte der Inhaber eines solchen Forstbetriebes so frühzeitig wie möglich Maßnahmen ergreifen. Nach Erstellung eines Forsteinrichtungswerkes sollte eine Totalgewinnprognose in Auftrag gegeben werden. Beide Gutachten können objektiv die Gewinnerzielungsabsicht belegen. Solche Gutachten werden von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und von Forstsachverständigen erstellt. Keinesfalls sind öffentlich-rechtlicher Bewirtschaftungszwang und die im Interesse der Allgemeinheit erfolgende Landschaftspflege zielführenden Argumentationsansätze für die fortwährende steuerliche Anerkennung von Verlusten.
Selbst wenn die Totalgewinnprognose jedoch negativ ausfällt, bleibt dem Forstbetriebsinhaber die Möglichkeit, seine subjektive Gewinnerzielungsabsicht nachzuweisen, wie das Bundesfinanzministerium im Schreiben vom 18.05.2018 unter IV. letzter Satz ausdrücklich ausführt (2-stufige Prüfung). Denn der objektiv erkennbare Versuch, positive Einkünfte zu erzielen, reicht für die Gewinnerzielungsabsicht aus. Maßgeblich sind dafür jedoch nicht (vermeintliche) subjektive Vorstellungen des Steuerpflichtigen hinsichtlich der Ertragschancen des Forstbetriebs, sondern objektive Fremdvergleichskriterien über geeignete Maßnahmen, Gewinne zu erzielen.
Übrigens konnte dem in unserem Beispiel gewählten Waldbesitzer Meier geholfen werden. Nachdem sein Steuerberater Einspruch gegen den Festsetzungsbescheid des Finanzamtes eingelegt hatte, erstellte die LWK Niedersachsen eine Totalgewinnprognose. Das Finanzamt revidierte seine Meinung. Der Waldbesitzer geht weiterhin mit seinem Forstbetrieb einer Erwerbstätigkeit nach.
Hätte der Einspruch keinen Erfolg gehabt, wäre Klage vor dem zuständigen Finanzgericht in Hannover geführt worden.
Kontakte
Martin Hillmann
Leiter Fachbereich Forsteinrichtung, Bewertung, Waldinventur Raumordnung, Naturschutz
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