Baumrinde: Haut und Schaufenster in die Vergangenheit
Wachstum, Entfaltung, Notlagen und Katastrophen: In dem langen Leben der Waldbäume passieren viele Veränderungen, unzählige Kräfte wirken auf sie ein. Vieles davon steht in ihrer Rinde geschrieben – sie erzählt Baumgeschichte, wie Dieter Scholz in einem Artikel in der Land & Forst 13/2020 schreibt.
Was beim Menschen die Haut, ist bei den Bäumen die Rinde: ein Schutz des Körpers zur Außenwelt. Genau wie unsere Haut kann auch die Baumrinde durch äußere Verletzungen Schaden nehmen. Während die Haut durch Bildung von Narbengewebe ausheilt, versucht der Baum Verletzungen schnellstmöglich mit neuer Rinde zu überwallen und zu verschließen.
Baumarten sind meist bereits an den für die Art typischen Rindenbildern erkennbar. So ist die dicke rissige Borke bei Alteichen ein sehr typisches Erscheinungsbild. Bei der Buche dagegen fehlt die Rissigkeit fast gänzlich. Sie trägt bis ins hohe Alter eine glatte und dünne Rinde, die von grün bis schwarz, meist aber silbergrau leuchtet.
Sonnenverbrannte Buchen
Diese glatte Buchenrinde birgt aber auch Gefahren: Wird der Stamm beispielsweise abrupt sehr stark freigestellt – sei es durch Windwurf der Nachbarbäume oder eine zu starke Auflichtung des Bestandes – prallen ungeschützt Sonnenstrahlen auf den Stamm und können die glatte, dünne, dunkle Rinde so extrem erhitzen, dass der Baum wie die empfindliche Menschenhaut mit Sonnenbrand reagiert.
Beim Baum stirbt partiell Gewebe ab und Fäulen dringen ungehindert ins Innere. Daher ist nicht nur bei Buchenbeständen ein sogenannter Unter- und Zwischenstand zur Ummantelung und Umfütterung der eigentlichen gewünschten Zielstämme sehr wichtig.
Ehemalige Verletzungen an der Rinde beziehungsweise am Stamm schreiben sich in das Geschichtsbuch des Baumes ein. Sie bleiben oft sehr lange sichtbar und zeigen teilweise ein typisches Erscheinungsbild. Ratscht zum Beispiel bei Fällungsarbeiten ein Ast oder Stamm an der Rinde entlang oder wird beim Rücken von anderen Stämmen ein Baum am Stammfuß verletzt, bleibt das Ereignis auch bei erfolgreicher Überwallung oft noch jahrzehntelang ablesbar.
Das Siegel alter Äste
Auch ehemalige überwallte Äste sind jahrzehntelang an der Rinde sichtbar – ein wichtiger Aspekt für Holzkäufer. Sie erkennen am Rindenbild, ob unter der Oberfläche im Holzkörper Äste verborgen sind, die bei teuren Furnierholzverwendungen nicht brauchbar wären. Bei der Buche spricht man bei den Astnarben von „Chinesenbärten“. Nach einem Astverlust ist die Rinde an dieser Stelle schnurrbartförmig gequetscht – wie das dünne Bärtchen eines Chinesen.
Durch das weitere Höhen- aber vor allem Dickenwachstum des Baumes wird dieser anfangs sehr steile Chinesenbart immer flacher, bis er im Alter kaum noch als Bart, sondern nur noch als schmales Band erkennbar ist. So kann ein geübtes Auge die Überwallungstiefe einschätzen – je flacher der Chinesenbart, desto tiefer im Holz sitzt der ehemalige Ast.
Auch bei Birken oder anderen dünnrindigen Baumarten ist die Überwallungstiefe durch die Form eines Chinesenbärtchens erkennbar. Bei der dickborkigen Eiche bezeichnet man die Siegel alter Äste als „Rosen“ oder „Nägel“. Holz sollte grundsätzlich sorgfältig und möglichst sauber aus dem Bestand gerückt werden, damit zum einen keine Verletzung an anderen Bäumen geschehen und zum anderen anhand der Rinde eine Holzqualitätseinschätzung möglich wird. Gleiches gilt auch für saubere Schnittflächen, damit Jahrringaufbau und Farbe begutachtet werden können.
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