Aktuelles aus dem Versuchswesen Schwein der LWK Niedersachsen
Die Schweinebranche befindet sich in schwierigen Zeiten. Beim Blick in die Zukunft stellen sich viele die Fragen: Wo soll es in Zukunft hin gehen? Welche Anpassungen muss ich an meinem Betrieb vornehmen?
Wie ist der momentane Stand der Forschung im Bereich der Schweinehaltung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen seit langer Zeit. Um Antworten auf diese Fragen geben zu können, laufen u.a. an der Versuchsstation für Schweinehaltung in Wehnen und an der Leistungsprüfanstalt in Quakenbrück viele Projekte und Versuche, durch welche neue Erkenntnisse im Bereich der Haltung und der Nährstoffflüsse gewonnen werden sollen. Von diesen Versuchen und Erkenntnissen konnten sich Vertreter aus der Beratung sowie dem Vor- und Nachgelagerten Bereich Anfang September an zwei Informationstagen an der Versuchsstation in Wehnen selbst ein Bild machen.
Ein nach wie vor aktuelles Thema, das an diesen Informationstagen behandelt wurde, war die Nährstoffreduzierung beim Schwein. Hier erhöhen vor allem die Vorgaben des Dünge- und des Immissionsschutzrechts den Druck auf die Schweinehalter. Bekannt ist, dass die Nährstoffausscheidung durch eine N/P-Reduzierte Fütterung verringert werden können. Doch wie viel Stickstoff (N) und Phosphor (P) bei der Fütterung sowie bei den Emissionen genau gespart werden kann, untersucht die Fütterungsreferentin der LWK Nds. Andrea Meyer. Großes Einsparungspotential liege nach wie vor in der Endmast der Schweine, so die Fütterungsexpertin. Allerdings seien bei den Einsparungen Grenzen gesetzt, da die Tiere in jedem Fall bedarfsgerecht mit praecaecal verdaulichen Aminosäuren und verdaulichem Phosphor versorgt werden müssen. Um eine optimale Nutzung der Nährstoffe zu erreichen sollte bei einer niedrigen Rohproteinversorgung neben den vier erstlimitierenden Aminosäuren mindestens Valin ergänzt werden, erklärt Andrea Meyer. Untersuchungsergebnisse würden zeigen, dass bei einer Absenkung auf 12 % Rohprotein ab 80 kg Lebendgewicht eine Grenze erreicht ist, die nicht unterschritten werden kann. Denn wird der Rohproteingehalt weiter abgesenkt, reagieren die Mastschweine mit einem höheren Futteraufwand je kg Zuwachs und teilweise schlechteren Schlachtkörperbewertungen.
Bei der Einsparung von Phosphor zeige ein bundesweiter Ringversuch, dass der Einsatz von Phytase eine ausreichende P-Versorgung gewährleisten kann, wenn der P-Gehalt unterhalb der sehr starken P-reduzierten Fütterung gesenkt wird. Doch noch sei nicht endgültig geklärt, ob eine Mast ohne den Zusatz von mineralischem Phosphor überhaupt möglich ist. Dies könnte vor allem im Biobereich Probleme verursachen.
Auch an der Leistungsprüfanstalt in Quakenbrück laufen Versuche zur N/P-reduzierten Fütterung. An diesem Standort ist nämlich der sogenannte „Transparente Stall“ zu finden. Hierbei handelt es sich um einen Stall mit 5 identischen Abteilen, bei dem alles was hinein und alles was hinaus geht erfasst wird. So hat z. B. jedes Abteil eine eigene Be- und Entlüftung und die Gülle wird für die Beprobung in einem gesonderten Behälter gelagert.
An diesem Versuchsstandort sind bereits drei Mastdurchgänge mit unterschiedlicher Eiweißversorgung gemessen worden. Erste Ergebnisse wurden vom Stationsleiter Wolfgang Vogt vorgestellt:
- Gruppen mit einer proteinreduzierten Fütterung benötigen mehr Futter pro kg Zuwachs.
- Beim Energieaufwand pro kg Zuwachs und den Tageszunahmen konnte kein starker Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden.
- Bei der Schlachkörperbewertung schnitten in zwei Durchgängen die proteinreduziert gefütterten Tiere schlechter ab, als die Kontrolltiere.
- Die Futterkosten der Versuchsgruppen waren bei zwei der drei Durchgänge höher. Diese variieren jedoch mit dem Markt.
- Positiv ist aber zu vermerken, dass die reduziert gefütterten Tiere durch einen 17-23 % geringeren Stickstoffanfall punkten können. Denn bei den stark N/P-reduziert gefütterten Tieren beträgt der Emissionsfaktor der TA-Luft 2,91 kg NH3 je Mastplatz und Jahr.
In diese Thematik reiht sich auch das Projekt EmiMin ein, welches von Dr. Frauke Hagenkamp-Korth (Uni Kiel) vorgestellt wurde. Im Zuge dieses Projektes werden verschiedene Emissionsminderungsmaßnahmen an verschiedenen Standorten für Mastschweine untersucht. Ein Teil des Projektes sieht die Messung in Haltungen mit Auslauf vor. Hierfür wurde am Versuchsstandort in Wehnen der Außenklimastall derart aufgerüstet, dass dieser nun zur Hälfte einen Auslauf mit Unterflurlagerung und zur anderen Hälfte einen Auslauf mit Unterflurschieber und Kot- Harn-Trennung umfasst. Diese Möglichkeit, an einem Standort solche Messungen im direkten Vergleich zwischen Kontrolle und Versuch unter sonst gleichen Bedingungen vorzunehmen, ist laut Hagenkamp-Korth Deutschlandweit einmalig. Zusätzlich zur Kot-Harn-Trennung wurde auch der Einfluss von Ureaseinhibitoren (UI) in dem Projekt untersucht. Als vorläufiges Ergebnis dieser Untersuchungen hält die Wissenschaftlerin fest, dass durch die erfolgreiche Kot-Harn-Trennung bereits wesentlich NH3 eingespart werden kann. Zusätzlich können weitere NH3-Emissionen durch das Aufbringen von Ureaseinhibitoren erreicht werden.
Mit einem ganz anderen Thema wird sich in dem Projekt „MulTiViS“ (Multivariate Bewertung des Tierwohls durch integrative Datenerfassung und Validierung von Tierwohlindikatoren in Schweinebeständen) befasst. Ziel dieses Projektes ist es, durch Tierwohlindikatoren möglichst objektiv die Haltung von Mastschweinen zu messen und beurteilen zu können. In diesem Projekt wurde also ein Erfassungs- und Bewertungsbogen entwickelt, durch welchen Schweinehalter ihren Betrieb einordnen können. Neben den klassischen Produktions- und Schlachtdaten von Mastschweinen sollte auch ein Set an Tierwohlindikatoren für die Beurteilung des Tierwohls berücksichtigt werden, erklärte Jakob Aundrup vom Schweinegesundheitsdienst der LWK. Indikatoren, die am lebenden Tier im Betrieb erfasst werden, seien eine sinnvolle Ergänzung für einen umfassenden Eindruck des Tierwohls. In dem neuen Erfassungsbogen ist eine Gewichtung für die Indikatoren hinterlegt, woraus ein Gesamtscore errechnet werden kann. Der Gesamtscore kann hierbei zunächst als genereller Anzeiger eines Gesundheitsproblems dienen. Für eine genauere Analyse sollte dann aber mit den Einzel-Scores eine tiefergehende Ursachenforschung erfolgen. Damit der entwickelte Fragebogen auch in der breiten Praxis zur betrieblichen Eigenkontrolle verwendet werden kann, ist laut Aundrup noch viel Vorarbeit zu leisten. Außerdem sei eine kontinuierliche Schulung der Erfasser notwendig, damit die Ergebnisse vergleichbar bleiben.
Carmen Fögeling, Leiterin des Versuchsstation Wehnen, stellte das Projekt „KoVeSch“ zur Haltung unkupierter Schweine vor. In diesem Projekt werden verschieden angereicherte Buchten miteinander verglichen. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Strukturierung der Buchten inkl. Abdeckung im Liegebereich in den meisten Fällen gut angenommen wird. Die Strukturierung sei in Wehnen auch bei einer Tierzahl von nur 18 Schweinen pro Bucht bereits erfolgreich. Fögeling hob aber hervor, dass bei dieser Art der Haltung das konsequente Management des Abteilklimas extrem wichtig ist, um die Funktionsbereiche zu etablieren und beizubehalten.
Des Weiteren kann festgehalten werden, dass Ferkel in der Gewichtsklasse von <7kg – 9 kg in den strukturierten und angereicherten Buchten höhere Gewichtszunahmen aufweisen, als vergleichbare Tiere in nicht angereicherten Buchten. Hierbei ist allerdings ein nicht zu vernachlässigender Punkt, dass sich die Ferkel von zwei Würfen durch einen Ferkelschlupf bereits nach dem siebten Lebenstag kennenlernen und in diesem Verbund den Rest ihres Lebens verbringen. Auch beim Wasserverbrauch sind Unterschiede zu erkennen, denn in den Buchten mit offenen Rondelltränken ist der Wasserverbrauch wesentlich geringer, als in den Buchten, in denen ausschließlich Nippeltränken angebracht sind.
Als weiterer Aspekt des Projektes wird das Verhalten der Tiere beobachtet. Hier gelten hängende Schwänze bereits als erster Indikator für Schwanzbeißen, betont Veronika Drexl (Uni Kiel). Die Wissenschaftlerin hat verschiedene Erfassungsmethoden zum Verhalten sowie das Verhalten an sich rund um das Schwanzbeißen untersucht. Ein Ergebnis ist, dass die Schweine einen Tag, bevor es zu Schwanzbeißen kommt, vier Aktivitätsphasen zeigen. Einen Tag nach dem Schwanzbeißen sind nur noch zwei Aktivitätsphasen nachweisbar. Somit ändert sich das Verhalten der gesamten Bucht beim Ausbruch von Schwanzbeißen, erklärt die Wissenschaftlerin
Aktuell wird an der Versuchsstation Wehnen das Projekt DigiSchwein umgesetzt, welches von Dr. Mark-Alexander Lieboldt vorgestellt wurde. Bei diesem Projekt geht es darum, die Landwirte bei den wachsenden Herausforderungen mithilfe digitaler Sensorsysteme im Schweinestall zielgerecht zu unterstützen. Aufgabe des Projektes ist es, von der Abferkelung bis zum Mastschwein verschiedene Sensoren sowohl für das Stallklima als auch für die Tierbeurteilung einzusetzen und auf Tauglichkeit und Praktikabilität zu testen. Beispielsweise werden verschiedene Kamerasysteme, Durchflusssensoren an den Tränken, Luxmeter, Klimamessgeräte, Wärmebildkameras, Automatische Beschäftigungsanlagen, Schadgassensoren, etc. in dem Versuch getestet und ausgewertet. Das Vorhaben steht momentan am Anfang der Erprobung, weshalb hier noch keine Erkenntnisse vorliegen. Die umfangreichen Umbauarbeiten sind weitestgehend abgeschlossen und nun sind die ersten Tiere eingestallt worden. Die Tagungsteilnehmer konnten sich bei der anschließenden Stallführung selbst ein Bild von den neu gestalteten Ställen machen.
Alles in allem bleibt festzuhalten, dass im Bereich der Schweinehaltung viele neue Möglichkeiten für eine Innovative Haltung von Schweinen erprobt werden. Auch wenn noch nicht alle Versuche abgeschlossen sind, so wurden doch intensive Diskussionen geführt und so manche wichtige Erkenntnis konnte mitgenommen werden. Die Weiterentwicklung der Schweinehaltung und die Anpassung an immer neue Anforderungen und sich wechselnde Rahmenbedingungen wird auch in Zukunft findige Ideen benötigen. Neutrale und umfassende Untersuchungen, ob diese Ideen tragfähig sind, können dabei eine wertvolle Hilfestellung für die Schweinehalter, aber auch die Gesetzgebung sein.
Kontakte
Dr. Heiko Janssen
Leiter Sachgebiet Tierhaltung
Regine Revermann
Koordination Weiterentwicklung Tierhaltung
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