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Warum nicht mehr Gerste füttern?

Webcode: 01043474
Stand: 11.09.2024

Gerste ist nach Weizen die zweitwichtigste Getreideart in Deutschland. Während in Niedersachsen die Anbaufläche der anderen Getreidearten gegenüber dem Vorjahr deutlich abgenommen hat, blieb die Wintergersten-Fläche mit knapp 149.000 ha (Invekos-Daten) fast stabil.

Der Anbau von Wintergerste hat viele Vorteile:

  • Durch frühe Ernte gründliche Stoppelarbeit und Reduzierung der Arbeitsspitzen möglich
  • Rechtzeitige Aussaat von Zwischenfrüchten
  • Durch frühe Abreife gut gewappnet gegen Frühsommertrockenheit
  • Erweiterung der Fruchtfolge

Der Anteil der Gerste am Getreide im Mischfutter schwankte in den letzten Jahren zwischen ca. 19 und 23 %. Da in diesem Jahr eine höhere Mykotoxinbelastung im Getreide erwartet wird und Gerste von allen Getreidearten bekanntlich am geringsten mit Fusariumtoxinen belastet ist, bleibt abzuwarten, ob mehr Gerste eingesetzt wird. Sie punktet auch beim Befall mit Mutterkorn. Gerade in diesem Jahr wurden höhere Belastungen bei anderen Getreidearten beobachtet. Gründe genug, um mehr Gerste zu füttern?

 

Gerste wird innerbetrieblich vor allem in der Schweinefütterung eingesetzt und ist für die Haltung von Schweinen mit unkupierten Schwänzen geradezu prädestiniert. Im Vergleich zu Weizen, Roggen und Triticale weist Gerste einen geringeren Energiegehalt auf.

Seit Jahren sinken die Rohproteingehalte bei allen Getreidearten. Ein geringer Rohproteingehalt lässt einen zunehmenden Einsatz einerseits eher unattraktiv erscheinen, ist andererseits aber für N-reduzierte Futtermischungen sehr interessant. Während die Gerste vor 20 Jahren noch 10,6 % Rohprotein enthielt, weist die erste Auswertung der diesjährigen Ernte nur 8,2 % auf. In den Landessortenversuchen wurden in 2024 im Durchschnitt aller Standorte 10,1 % Rohprotein ermittelt.

Tabelle 1: Wie hat sich der Futterwert der Gerste verändert?1)

 

2024

2023

2022

2021

2020

2004

Rohprotein   %

8,2

8,5

8,3

9,5

10,1

10,6

Lysin            %

0,31

0,32

0,34

0,34

0,36

0,37

Stärke          %

55,0

53,2

52,7

51,3

52,0

50,6

Rohfaser      %

4,6

4,9

5,0

5,4

5,2

5,1

Phosphor     %

0,33

0,31

0,29

0,33

0,30

 

ME 2)        MJ/kg

12,9

12,8

12,7

12,7

12,8

12,8

1)LUFA Nord-West, 88 % TM   2) Mischfutterformel

Gerste enthält weniger Stärke und ist rohfaserreicher als Weizen. Im letzten Jahr lag ihr Energiegehalt um 1 MJ/kg niedriger. Hingegen ist die Proteinqualität mit knapp 3,8 g Lysin je 100 g Rohprotein höher im Vergleich zu Weizen mit 2,9 g.

Tabelle 2: Gerste und Weizen im Vergleich (Angaben in % bzw. MJ/kg) 1)

 

Rohprotein

Lysin

Rohfaser

Stärke

ME

Gerste

Weizen

8,5

10,0

0,32

0,29

4,9

2,4

53,2

60,5

12,8

13,8

1)LUFA Nord-West, 2023

Für Schweine ist nicht der Bruttogehalt an Aminosäuren entscheidend, sondern der Gehalt an dünndarmverdaulichen (praecaecal verdaulichen) Aminosäuren. Weizen weist zwar durchweg eine höhere praecaecale Verdaulichkeit als Gerste auf. Bedingt durch den geringeren Lysingehalt des Weizens ist der Gehalt an verdaulichem Lysin in beiden Getreiden jedoch gleich.

Tabelle 3: Verdaulichkeit (%) der Aminosäuren im Vergleich1)

 

 

Lysin

Met + Cys

Threonin

Tryptophan

Valin

Gerste

Weizen

Roggen

Triticale

76

83

70

83

82

88

78

89

79

85

70

79

79

84

74

81

79

87

73

87

1) Evonik, 2021

Für den Einsatz von Gerste sprechen auch ihre dietätischen Eigenschaften. Sie gilt seit jeher als Gesundungsfutter. Durch ihren hohen Fasergehalt kann sie die Verdauungsprozesse stabilisieren. Gerste ist reich an ꞵ-Glucanen, die zu den schnell fermentierbaren Nicht-Stärke-Polysacchariden zählen. Im Vergleich zu Weizen enthält sie doppelt so viel NDFom (Neutral-Detergentienfaser, aschefrei) und BFS (bakteriell fermentierbare Substanz).

 

Preisunterschiede

Aktuell beträgt der Preisunterschied zwischen Gerste und Weizen mehr als 2,50 €/dt. Im Schnitt des Wirtschaftsjahres 2023/24 lagen die Abgabepreise an die Landwirtschaft für Gerste bei 21,72 und für Weizen bei 23,11 €/dt - eine Differenz von 1,39 €/dt. Danach würden 10 MJ ME aus Gerste 17 Cent und aus Weizen 16,7 Cent kosten. Für den Gerstenanbau sollten aber nicht nur aktuelle wirtschaftliche Aspekte, sondern auch die eingangs erwähnten Vorteile wie Fruchtfolgegestaltung, frühe Feldräumung etc. und die Futtermitteleigenschaften berücksichtigt werden.