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Wenn höhere Gewalt im Spiel ist

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Forstliche Steuerhilfen: Eingebrochene Holzpreise, keine kostendeckende Aufarbeitung der Schadholzsortimente, minimaler regulärer Holzeinschlag und -verkauf. In dieser Krisensituation können aktuelle steuerliche Regelungen helfen, wie unsere Experten Martin Hillmann und Steffen Wolf in einem Artikel für die Land & Forst 27/2020 schreiben.

Ortstermin: Sturmholz im südlichen Bereich des Forstamts Weser-Ems
Die Kalamitätsholznutzung hat zu desaströsen Holzpreisen geführt.Wolfgang Ehrecke
Die verkaufte Holzmenge hat im Jahr 2019 ihr zehnjähriges Minimum erreicht, denn angesichts eingebrochener Holzpreise und großer Mengen erforderlicher Kalamitätshiebe halten sich selbst davon nicht betroffene Waldbesitzer mit Holzeinschlägen zurück (s. Grafik). Weil Forstbetriebe wesentlich vom Holzverkauf leben, sind sie kaum in der Lage, sich alternative Einkommensquellen zu erschließen.

Wie können Forstbetriebe mit Hilfe steuerlicher Erleichterungen auf die Krisenlage reagieren und eine höhere Liquidität erzielen? Einige Möglichkeiten bieten folgende Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG):

Tarifvergünstigungen des § 34b EStG

Nach wie vor gelten die steuerlichen Tarifvergünstigungen des § 34b EStG. Wird eine Holznutzung infolge höherer Gewalt (sogenannte Kalamitätsnutzung) durchgeführt, sollte die entstehende Holzmenge vor Beginn des Einschlags (unverzüglich nach Feststellung) auf entsprechendem Formular beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden. 

Ergeben sich Abweichungen von mehr als 20 % zu der angegebenen Schadmenge, ist eine ergänzende Mitteilung erforderlich. Nach Aufarbeitung des Schadholzes ist dem Finanzamt eine Abschlussmeldung zu übermitteln. Auch dieses Formular finden Sie zum Download auf der oben angegebenen Website.

Eine vom Finanzamt anerkannte Kalamitätsholzmenge führt anteilig zu einem begünstigten Steuersatz. Dieser kann die Hälfte oder ein Viertel betragen. Zur Berechnung des begünstigten Gewinns ist es erforderlich, alle geschlagenen Holzmengen des Wirtschaftsjahres zu erfassen. Dieser Gesamtmenge wird die Kalamitätsholzmenge gegenübergestellt. In dem sich daraus ergebenen Verhältnis wird der Gewinn aufgeteilt in den normalen Steuersatz und den begünstigten Steuersatz.

Der Viertel Steuersatz ergibt sich, soweit ein anerkanntes gültiges Forstbetriebsgutachten mit festgestellter steuerlichen Nutzungssatz vorliegt und die Schadholzmenge den steuerlichen Nutzungssatz übersteigt.

Bei Betrieben unter 50 ha forstwirtschaftlich genutzter Fläche kann auf die Feststellung eines Nutzungssatzes verzichtet werden. Hier gilt ein pauschaler Nutzungssatz von 5 Erntefestmeter (Efm) ohne Rinde pro Jahr und Hektar. Als Flächennachweis sind zumindest die betroffenen Flurstücke in die Kalamitätsmeldung an das Finanzamt einzutragen.

Empfehlung: Hilfreiche „Waldbesitzermappe“
Kleinbetriebe (unter 50 ha) können sich bei der LWK eine sogenannte Waldbesitzermappe erstellen lassen – mit Flurstücksnachweis, Bestandesbeschreibung und forstlicher Karte (Kontakt: Martin Hillmann).

Grafik: Holzeinschlag in Festmeter (Fm)
Grafik: Holzeinschlag in Festmeter (Fm)Steffen Wolf
2020 keine Billigkeitsregelung

Für das Jahr 2018 hat die Bundesregierung zusätzlich eine Billigkeitsregelung nach § 34b Abs. 5 EStG ermöglicht. Danach konnte der Viertel-Steuersatz bereits auf den ersten Festmeter Kalamitätsholz angewendet werden, wenn die Schadmenge das Doppelte des steuerlichen Nutzungssatzes übersteigt. Für das Jahr 2019 und wohl auch 2020 wird diese Billigkeit nicht gewährt.

Als Begründung der Nichtgewährung wird vom Bundesfinanzministerium angeführt, dass trotz hoher Waldschäden lediglich 3.000 von rund zwei Mio. Waldbesitzern bei den Finanzämtern außerordentliche Holznutzungen nach § 34b EStG angemeldet hätten. Zudem dürfte sich die steuerliche Entlastungswirkung dieser Billigkeitsregelung gegenüber der ohnehin geltenden gesetzlichen Regelung aufgrund der kaum noch kostendeckenden Erlössituation verringert haben.

Steuerliche Erleichterungen können in dieser Hinsicht nur Forstbetriebe erlangen, die damit positive Betriebsergebnisse mindern können. Auch das Forstschäden-Ausgleichsgesetz wurde für die Schadjahre nicht angewendet. Leider wurden dadurch steuerliche Entlastungsmöglichkeiten verhindert, die weit über das hinausgehen, was nach der Billigkeitsregelung möglich gewesen wäre. Die Begründungen des BMF mögen plausibel erscheinen, helfen dem betroffenen Waldbesitzer in der derzeitigen Situation jedoch nicht.

Tarifglättung nach § 32c EStG

Eine weitere Möglichkeit Liquidität für den Forstbetrieb zu erlangen, bietet § 32c EStG. Die Anwendung dieses Paragraphen ist insbesondere dann interessant, wenn Jahre mit sehr gutem Betriebsergebnis auf Jahre mit schlechtem Ergebnis folgen. Es besteht die Möglichkeit, die Gewinne über einen Zeitraum von insgesamt drei Veranlagungszeiträumen zu mitteln. Das Gesetz bestimmt diesen sogenannten Betrachtungszeitraum im Vorhinein. Betrachtungszeiträume sind danach die Jahre 2014 bis 2016, 2017 bis 2019 und 2020 bis 2022.

Innerhalb dieses Dreijahreszeitraumes werden sogenannte durchschnittliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ermittelt und hierfür wird die Steuerlast festgesetzt. Ergeben sich hierbei Abweichungen zu Ungunsten des Mandanten, werden diese im letzten Veranlagungszeitraum des Betrachtungszeitraums von der tariflichen Einkommensteuer abgezogen. Interessant ist die Anwendung des § 32c EStG insbesondere für sogenannte aussetzende Betriebe. Für diese ist typisch, dass in einem Jahr erhebliche Einnahmen vorliegen und in dem Folgejahr lediglich Verluste. § 32c Abs. 3 EStG erfordert jedoch, dass in jedem Veranlagungszeitraum des Betrachtungszeitraums Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt werden. Eine Anlage L in der Einkommensteuer ist also in jedem Fall abzugeben. Das Gesetz spricht von den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft im Veranlagungszeitraum. Von daher kann ein abweichendes Wirtschaftsjahr in diesem Kontext außer Betracht bleiben.

Die tarifliche Einkommenssteuer wird ermittelt aus dem Verhältnis der positiven steuerpflichtigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zur Summe der positiven Einkünfte. Dabei bleiben die Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen im Sinne des § 34b Abs 1 und 2 EStG außer Betracht. Diese Tarifermäßigung ist vom Forstbetrieb zu beantragen.

Pauschalierung oder Regelbesteuerung?

Der Normalfall bei den deutschen Forstbetrieben ist die umsatzsteuerliche Pauschalierung. Dies bedeutet, dass der Forstbetrieb auf Holzumsätze 5,5 % Umsatzsteuer ausweisen darf. Diese 5,5 % sind gewinnwirksam. Sie müssen nicht an das Finanzamt abgeführt werden. Im Gegenzug steht dem Forstbetrieb allerdings auch kein Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen zu.

§ 24 Abs. 4 UStG bietet nunmehr die interessante Möglichkeit, auf diese Pauschalierung zu verzichten und sich stattdessen der so genannten Regelbesteuerung zu unterwerfen. Die Regelbesteuerung besagt, dass der Forstbetrieb die Holzeinnahmen der 19%igen Umsatzbesteuerung (bei Brennholz 7%ige Besteuerung) unterwerfen muss. Die Umsatzsteuer muss an das Finanzamt abgeführt werden. Im Gegenzug stehen ihm Erstattungsansprüche für die aus den Eingangsrechnungen geleisteten Vorsteuern zu.

Die Entscheidung fällt für vier Jahre

Zur betriebsinternen Abwägung der beiden Optionen dient ein Vergleich dieser beiden Größen für ein Kalenderjahr: „Betrag der ausgewiesenen Umsatzsteuer 5,5 %“ zu „Betrag der geleisteten Vorsteuer“. Ist nun der „Betrag der ausgewiesenen Umsatzsteuer“ größer als die „Vorsteuer“, so ist es günstig bei der Pauschalierung zu bleiben. Ist die 5,5%ige Umsatzsteuer in Summe niedriger als die Vorsteuerbeträge, so wäre ein Wechsel zur Regelbesteuerung zu empfehlen. Dieser muss beantragt werden.

Wichtig zu beachten: Ab dem Zeitpunkt des Übergangs entscheidet man sich, weitere vier Jahre bei der Regelbesteuerung zu bleiben. Deshalb muss eine Prognose darüber aufgestellt werden, wie sich die Umsätze und damit die 5,5%ige Umsatzsteuer sowie die voraussichtlichen Ausgaben beziehungsweise die darauf zu entrichtenden Vorsteuern entwickeln werden. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass bei langlebigen Anlagegütern auch eine rückwirkende Berichtigung möglich ist. So ist bei beweglichen Wirtschaftsgütern ein fünfjähriger Berichtigungszeitraum anzusetzen, bei Immobilien ein zehnjähriger.

Vorausschauend Erlöse und Aufwendungen kalkulieren: Um die voraussichtliche Umsatzsituation des laufenden und der nächsten Jahre zu kalkulieren, können folgende Annahmen getroffen werden: Vor dem Hintergrund der stark gesunkenen Holzpreise in Verbindung mit dem deutlichen Holzüberangebot am Markt ist zu erwarten, dass die Holzerlössituation in den nächsten Jahren gering ist. Entsprechend gering wird der darauf anzusetzende 5,5%ige Umsatzsteueranteil sein. Auf der Gegenseite sind die Vorsteuern zu betrachten. Es sind erhebliche Aufwendungen abzusehen – nicht nur im Bereich der Aufforstung und Pflege. Auch in der Waldwegeunterhaltung müssen wegen der erhöhten Belastung durch die Abfuhr von Kalamitätshölzern zum Teil erhebliche Mittel investiert werden.

Es muss allerdings betont werden, dass sich Märkte rasch ändern können. Eine Abschätzung der betrieblichen Entwicklung bleibt dennoch den Waldbesitzern überlassen.

Vorsteuererstattungen aus vergangenen Jahren

Spannend in diesem Zusammenhang ist eine Möglichkeit, die unter Umständen dem Forstbetrieb zusätzliche Liquidität bescheren kann. Es ist möglich aus Investitionen, die in den vergangenen Jahren in den Forstbetrieb getätigt wurden (z.B. Wegebau, Bau von Wirtschaftsgebäuden, Anschaffung von Traktoren, Holzerntetechnik etc.), noch Vorsteueranteile vom Finanzamt zurückzufordern. Betrachtungszeitraum ist bei beweglichen Wirtschaftsgütern ein Zeitraum von 60 Monaten (5 Jahre), bei Immobilien-Wirtschaftsgütern ein Betrachtungszeitraum von 120 Monaten (10 Jahre).

Dabei wird der Zeitraum ab Fertigstellung der Anlagegüter bis zum Wechsel der umsatzsteuerlichen Besteuerungsart (Wechsel von Pauschalierung zu Regelbesteuerung) betrachtet. Der Vorsteuerbetrag ist also im Verhältnis der bereits abgelaufenen Monate zum noch verbleibenden Rest der 60 Monate aufzuteilen. Hat ein Forstbetrieb den Wechsel beantragt, so würde die entsprechende Umsatzsteuererstattung das Finanzamt vornehmen.

In diesem Zusammenhang wird auf die Vereinfachungsregelung der §§44 und 45 UStDV hingewiesen. Danach entfallen diese Vorsteuererstattungsansprüche, d.h. die Berichtigung vergangener Jahre, wenn auf einem Wirtschaftsgut lediglich bis zu 1.000 € Vorsteuern angefallen sind. In den beiden Paragrafen der Durchführungsverordnung sind darüber hinaus weitere Abweichungen von der allgemeinen Regel enthalten.  Zu beachten: Eine vergleichbare Regelung greift auch, wenn von der Regelbesteuerung zur Pauschalierung zurückgewechselt wird. Auch dann ist eine Berichtigung gegebenenfalls zu Ungunsten des Waldbesitzers denkbar.


Steuerliches in aller Kürze

  • Steuerliche Tarifvergünstigung (§ 34b EStG): Für Kalamitätsholzmengen gilt ein begünstigter Steuersatz von 1/2 oder 1/4. Die Mengen müssen vor Einschlagbeginn und zum Abschluss beim Finanzamt gemeldet werden.
  • Die „Billigkeitsregelung“ sowie das „Forstschäden-Ausgleichsgesetz“ werden 2020 nicht angewendet.
  • Tarifglättung (§ 32c EStG): Danach werden Gewinne über bestimmte Veranlagungszeiträume gemittelt; die Glättung kommt bei einem Wechsel von sehr guten und schlechten Betriebsergebnissen infrage.
  • Ein Wechsel zwischen Pauschalierung und Regelbesteuerung ist möglich; die Entscheidung fällt für vier Jahre; Grundlage sollte ein Vergleich sein zwischen:
    5,5 % ausgewiesene Umsatzsteuer auf Holzumsätze (Pauschalierung) und Vorsteuererstattung bei 19%iger Umsatzbesteuerung von Holzeinnahmen (Regelbesteuerung).
  • Rückwirkende Vorsteuererstattung wird nach einem Wechsel zur Regelbesteuerung möglich; es können Vorsteueranteile aus Investitionen der vergangenen Jahre vom Finanzamt zurückgefordert werden (gilt nicht, wenn die Vorsteuern für ein Wirtschaftsgut bis 1.000 € betragen ≈ Vereinfachungsregel; eine ähnliche Vereinfachungsregel existiert bei der Pauschalierung).

 

Autoren: Martin Hillmann und Steffen Wolf, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sowie Dr. Roland Wierling, Steuerberater, Peine.