Erhöhung des Kälberwertes durch Kreuzungszucht
Erhöhung des Kälberwertes durch züchterische Maßnahmen.
Obwohl der Selbstversorgungsgrad mit Rindfleisch in Deutschland bereits seit geraumer Zeit unter 100 % liegt, die Nachfrage nach Rindfleisch nach hochwertigem Rindfleisch eher steigt und die Kuh- und Rinderbestände rückläufig sind, waren und sind die Erlöse für reinrassige Nutzkälber aus den niedersächsischen Milchviehbeständen unbefriedigend. Dies gilt insbesondere für die Bullenkälber der milchbetonten Rasse Deutsche Holstein oder der reinen Milchrasse Jersey. Für letztere oder Kuhkälber aus Zwillingsgeburten mit Bullenkälber findet sich manchmal überhaupt kein Markt.
Wie hoch sind Kälbererlöse bei unterschiedlichen Qualitäten?
Grundsätzlich hat in 2020 die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und den Schließungen von Hotels, Gaststätten und Restaurants oder Großküchen und den damit verbundenen geringeren Rindfleischabsatz zusätzlich Auswirkungen auf den Kälberhandel gehabt und für geringere Kälberpreise gesorgt.
So lag der Erlös für ein Bullenkalb der Rasse Deutsche Holstein erster Qualität (BK DH 1) bei durchschnittlich 60 € je Tier (Auswertung der letzten fünf abgeschlossenen Quartale). Damit sind die Aufzuchtkosten für die ersten 14 Lebenstage gerade abgedeckt (ca. 4,25 € je Tag).
Holsteinbullenkälber zweiter Qualität erlösten einen Durchschnittspreis von 37 € je Tier und waren damit ein Verlustgeschäft. Um die wirtschaftlichen Verluste bei reinrassigen Holsteinbullenkälbern zu minimieren, sollten diese mehr als 50 kg wiegen, keine Durchfall- oder Atemwegserkrankungen und einen gut abgetrockneten und verheilten Nabel aufweisen. Dieses setzt eine intensive Fütterung, eine geeignete Haltung und ein gutes Gesundheitsmanagement voraus. Da die Holsteinbullenkälber aufgrund der geringeren Mast- und Schlachteigenschaften weniger von intensiven Bullenmastbetrieben nachgefragt werden, finden sie hauptsächlich in der klassischen Kälbermast und der Erzeugung von rosafarbenen Kalbfleisch Verwendung. Dies zeigt sich auch daran, dass die Preise leicht anziehen, wenn diese Mastverfahren einstallen.
Höhere Preise lassen sich für Nutzkälber aus Einfachgebrauchskreuzungen mit Fleischrassebullen und Holsteinkühen erzielen. Diese lagen in dem Auswertungszeitraum für männliche Mastkreuzungen erster Qualität (BK Mast 1), über 55 kg Lebendgewicht, im Durchschnitt bei 141 € und damit mehr als doppelt so hoch wie für Holsteinbullenkälber gleicher Qualität.
Die höchsten Preise erlösten mit durchschnittlich 230 € die Weißblauen Belgier-Kreuzungsbullenkälber erster Qualität (WBB BK 1). Die Bullenkälber zweiter Qualität (WBB BK 2) erlösten mit 146 € je Tier noch etwas mehr als die Mastbullenkälber erster Qualität. Bei den Kuhkälbern lagen die Preise für Weißblaue Belgier-Kreuzungen mit durchschnittlich 92 € je Tier noch deutlich über den Preisen für Holsteinbullenkälber erster Qualität. Kuhkälber von anderen Fleischrasseherkünften erzielten durchschnittlich 58 € je Tier und damit fast den gleichen Preis von Holsteinbullenkälbern erster Qualität.
Es bleibt anzumerken, dass insbesondere bei der Preisfindung der Mastherkünfte die Vaterrasse noch eine entscheidende Bedeutung spielt. Kälber, die von Fleischrassebullen mit geringeren Mast- und Schlachtleistungseigenschaften abstammen, werden in der Regel etwas schlechter bezahlt als solche von intensiven Fleischrassen. Dennoch zeigen die oben genannten Preise, dass sich der Wert für Nutzkälber durch die Anpaarung von Fleischrassebullen erhöhen lässt.
Wie hoch sind die Anteile mit Fleischrassebesamungen in niedersächsischen Milchviehherden und wie haben sich diese in den letzten 5 Jahren entwickelt?
In Niedersachsen wurden im Besamungsjahr 2020 645.327 Erstbesamungen (EB) bei den Milchrassen (rot- und schwarzbunte Deutsche Holstein, Jersey, Braunvieh, Angler und Rotvieh alter Nutzungsrichtung, Doppelnutzung Rotbunt, Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind und Fleckvieh) durchgeführt und damit 25.950 EB weniger als 2015 (vgl. Tabelle 1). Am stärksten zurückgegangen sind die Besamungen mit Bullen der Nutzungsrichtung Milch- und Zweinutzungsrind. Hier wurden im Vergleich zu 2015 in 2020 82.131 EB weniger registriert. Auf der anderen Seite erhöhte sich die Anzahl Besamungen mit Bullen der Nutzungsrichtung Fleischrind von 22.498 EB um 56.172 EB auf 78.670 EB. Damit verschieben sich die Anteile der Besamungen mit den Milchrassen von 96,6 % auf 87,7 % und den Fleischrassen von 3,4 % auf 12,2 %. Dieser Trend ist auch bei der zusammengefassten schwarz- und rotbunten Holsteinpopulation (Kühe und Färsen) zu beobachten, da diese den überwiegenden Anteil an allen Milchkühen in Niedersachsen stellt (vgl. Tabelle 1).
Bei getrennter Auswertung der Erstbesamungen von Holsteinkühen und -färsen steigt aber der Anteil an Fleischrassebesamungen bei den Kühen in den letzten 5 Jahren deutlich an. Im Jahr 2015 lag der Anteil bei 4,3 % (21.179 EB) und in 2020 bei 15,7 % (75.593 EB). Wahrscheinlich ist der tatsächliche Anteil noch höher, da Kühe, die nach mehrfacher Reinzuchtpaarung nicht tragend werden oftmals mit Sperma von Fleischrassebullen nachbesamt werden.
Die höchste Reduzierung ist bei den Erstbesamungen von Holsteinfärsen zu beobachten. Im Vergleich zu 2015 wurden in 2020 18.846 EB weniger registriert. Ein Grund hierfür dürfte neben der sinkenden Kuhzahl sicherlich auch der steigende Anteil an Fleischrassebesamungen bei den Kühen sein. Bei den Holsteinfärsen ist der der Anteil, der mit Fleischrassen besamt wurde eher gering. In 2020 betrug er lediglich 1,6 % (2.473 EB) und in 2015 0,4 % (691 EB).
Eine weitere Analyse der Besamungsdaten zeigt, dass 60,3 % der Fleischrassebesamungen (45.596 EB) bei den niedersächsischen Holsteinkühen mit Sperma der Rasse Blauweiße Belgier durchgeführt wurden.
Danach folgen Besamungen mit den Rassen Limousin mit 10,2 % (7.723 EB) und Angus sowie Aberdeen Angus mit 9,9 % (7.477 EB).
An vierter Position sind mit 9,6 % der Fleischrassebesamungen (7.255 EB) mit sonstigen taurinen Rindern zu nennen. Hierunter fallen auch die Besamungen mit INRA 95.
Die Anteile der Besamungen mit den Rassen Uckermärker betragen 3,4 % (2.598 EB), Fleischfleckvieh 2,7 % (2.042 EB), Charolais 1,1 % (830 EB) und Blonde d’Aquitaine mit 0,7 % (539 EB). Damit wurden 98 % aller Fleischrassebesamungen bei Holsteinkühen mit den genannten 8 Vaterrassen durchgeführt (vgl. Abbildung 2).
Bei den Holsteinfärsen werden als Kreuzungspartner vor allem die Rassen Angus und Limousin eingesetzt. Ihre Anteile an den Erstbesamungen mit Fleischrassen betragen jeweils 40,9 % (1.012 EB) und 30,7 % (758 EB). Grund dafür dürften die zu erwartenden kleineren Kälber und damit verbundenen leichteren Geburten sein.
Wie aus der Abbildung 3 hervorgeht, wurden aber auch Färsen mit eher großrahmigen intensiven Fleischrassebullen besamt. Auch wenn für solche Bullen häufig die direkten Kalbeeigenschaften und Geburtsverläufe angegeben werden, sollten diese nicht bei Färsen oder Kühen mit schmalem Becken oder bekannten Abkalbeproblemen, etc. eingesetzt werden, da ansonsten die Schwer- und Totgeburtenraten oder die Häufigkeiten von Geburtsverletzungen und Folgeerkrankungen ansteigen.
Weitere Folgen sind eine geringere Milchleistung und erhöhte Abgangsraten. Diese wirtschaftlichen Einbußen lassen sich bei Weitem nicht durch die höheren Erlöse für die Kreuzungskälber ausgleichen. Vor allem bei Besamungen mit Fleischrassesperma sollte bei jedem weiblichen Tier individuell geprüft werden, welche Vaterrasse eingesetzt werden kann.
Kontakte
Dirk Albers
Fachreferent Rinderzucht und Rinderhaltung
Henrike Jansen
Beraterin Rinderhaltung und -fütterung, Versuchswesen Rind, Beratung landwirtschaftliche Gehegewildhaltung
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