Viel mehr als nur eine wirtschaftliche Verbindung
Unternehmertag der Landwirtschaftskammer Niedersachsen lotet Beziehungen und Zusammenhalt zwischen Landwirtschaft, Kirche und Gesellschaft aus
Klimawandel, Globalisierung und demografischer Wandel verlangen von allen, neue Wege zu gehen – unterschiedliche Prioritäten können dabei für Konflikte sorgen. „Es ist unsere Aufgabe, den Dialog zwischen der Gesellschaft, der Kirche und der Landwirtschaft zu fördern, um gemeinsam die Herausforderungen anzunehmen und nachhaltige Lösungen zu finden“, beschrieb Kammerpräsident Schwetje vor gut 400 Besucherinnen und Besuchern in der Cloppenburger Stadthalle die Rolle der LWK als Mittlerin.
Fundament unserer Ernährung
„Die Landwirtschaft ist das Fundament unserer Ernährung. Sie stellt nicht nur den wirtschaftlichen Rückhalt der landwirtschaftlichen Familien dar, sondern auch ein kulturelles Erbe, das Traditionen und Werte in unseren ländlichen Regionen prägt“, fügte Schwetje hinzu. „Viele kirchliche Institutionen waren und sind eng mit der Landwirtschaft verbunden und prägten das ländliche Leben maßgeblich.“
„Mit den Einkünften aus der Verpachtung von Kirchenland werden in der Regel vielfältige pastorale, soziale und kulturelle Verpflichtungen der Kirche gesichert“, bestätigte Thomas Adomeit, Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Oldenburg. „Auf diese Weise unterstützt die Landwirtschaft kirchliches Leben in Stadt und Land und ist eine wichtige Partnerin der Kirchen.“
Bewahrung der Schöpfung gemeinsame Aufgabe
Die Bewahrung der Schöpfung beschrieb Adomeit als gemeinsame Aufgabe. „Nachhaltigkeit und Biodiversität sind dazu nur zwei Stichworte.“ Der Dialog von Landwirtschaft und Kirche sei darum unerlässlich. Es gebe Herausforderungen, die nicht durch die Landwirtschaft allein gelöst werden könnten: „Klimawandel, Bodenerosion, Wasserknappheit und Artensterben sind Themen, die die gesamte Gesellschaft angehen müssen“, sagte Adomeit.
Nach Einschätzung von Fenna de Beer, Landwirtin aus Norden, hängt es stark von den handelnden Menschen in den unterschiedlichen Gemeinden ab, wie gut das Miteinander auf dem Lande funktioniert: „Besonders gut klappt es dort, wo sich Landwirte kirchlich engagieren und die Pastoren sich für die Belange der Landwirte einsetzen. In anderen Gemeinden gelingt es jedoch nicht, eine gemeinsame Basis zu finden.“
Offenes Ohr für die Landwirtschaft
Als Flächenpächter seien viele Landwirte abhängig von der Kirche, hob de Beer hervor. „Das Vertrauen in die Institution Kirche schwindet jedoch, wenn sie sich öffentlich positioniert, etwa indem sie biologische Bewirtschaftung fordert.“ Sie erwarte von der Kirche, dass diese ihre Ziele klar formuliere und transparent kommuniziere, insbesondere in Bezug auf die Vergabeverfahren für Landverpachtungen. In den Gemeinden wünschte sich die Landwirtin „von den Kirchenvertretern ein offenes Ohr für die Anliegen der Landwirtschaft und von den Landwirten die Bereitschaft, mit der Kirche zusammenzuarbeiten.“
Engagement in kirchlichen Gremien
In der Region rund um Oldenburg sieht Weihbischof Wilfried Theising dafür eine sehr gute Grundlage: „Aus meiner Sicht haben wir ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Landwirtschaft im Oldenburger Land. Es gibt sehr gute Kontakte, insbesondere auch durch den Tag der Landwirtschaft in der Katholischen Akademie Stapelfeld.“ Viele Landwirtinnen und Landwirte engagieren sich laut Theising in kirchlichen Gremien. „Dafür bin ich sehr dankbar.“ Erfreulich sei aktuell die rasant positive Entwicklung bei der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB), die eine wichtige Verbindung zwischen Kirche und Landwirtschaft darstelle.
Wesentlicher Wirtschaftsfaktor
Den Blick der Medien auf die Landwirtschaft rückte Markus Gürne, Ressortleiter der ARD-Börsenredaktion, in Cloppenburg in den Mittelpunkt: „Die Landwirtschaft kommt meistens dann vor, wenn mit Traktoren gen Berlin gerollt, gegen die Politik gegrollt oder über Missstände gesprochen wird“, berichtete er. „Dabei hat die Landwirtschaft eine der wesentlichsten Aufgaben für eine Gesellschaft – die Grundlagen für Nahrung und Versorgung. Und die Landwirtschaft ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, regional und weit darüber hinaus.“
Diesen Faktor habe die ARD-Finanzredaktion schon häufiger in den Mittelpunkt von Sendungen gestellt und erfahren, wie viele Fragen Bürger und Gesellschaft dazu hätten. „Das zeigt, es gibt Bedarf darüber zu sprechen“, so Gürne. „Kommunikation ist ein wesentlicher und wichtiger Teil, um über Themen, Herausforderungen und auch Lösungen rund um die Landwirtschaft zu sprechen.“
Junge Menschen über soziale Medien mitnehmen
Diesen Ansatz verfolgt Landwirtin und Agrarbloggerin Marie Hoffmann tagtäglich: In sozialen Netzwerken wie etwa Instagram, wo sie zurzeit 817.000 Follower hat, erklärt sie mit Videos ihre Arbeit auf dem Betrieb und setzt sich auch mit dem Verhältnis zwischen Landwirt*innen und Nicht-Landwirt*innen auseinander. „Mit Einblicken in die Landwirtschaft in den sozialen Medien müssen wir die Gesellschaft wieder mitnehmen, denn soziale Netzwerke sind die Haupt-Informationsquellen vieler junger Menschen“, betonte Hoffmann.
Mit Einblicken in die Arbeit Wissenslücken schließen
Auf diese Weise hätten es Landwirtinnen und Landwirte selbst in der Hand, der Branche eine Stimme und ein Gesicht zu geben und damit negative Darstellungen, die in der Bevölkerung für ein sehr schlechtes Image gesorgt hätten, wieder auszubügeln, erläuterte Hoffmann. „Es geht darum, den Menschen sowohl verlorengegangenes Basiswissen über die Lebensmittelproduktion und den Naturschutz zu vermitteln als auch darum, sie in unseren Alltag mitzunehmen: Damit können wir herausstellen, dass wir nicht nur Lebensmittel herstellen können, sondern auch das Potenzial haben, einen entscheidenden Beitrag zu mehr Umweltschutz zu leisten.“
Hoffmann machte den Praktikerinnen und Praktikern Mut, den Kontakt mit den Verbraucherinnen und Verbraucher zu suchen: „Dafür können Sie alle Wege der Kommunikation nutzen – auch das Fernsehen, Radio und den direkten Austausch vor allem in Schulen.“
Dialog ist der Schlüssel zu höherer Akzeptanz
„Kommunikation und Dialog sind Schlüssel dafür, die Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber der Landwirtschaft sowie das Empfinden der Bürgerinnen und Bürger zu schärfen, wie wichtig die Landwirtschaft mit all ihren vor- und nachgelagerten Bereichen für unsere Gesellschaft ist“, fasste Rainer Herbers, Vorstand der VR-Bank in Südoldenburg eG und stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Landwirtschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems, zusammen. In einer Gesellschaft, in der extremistische Tendenzen zunähmen, gelte es gemeinsam Flagge zu zeigen, forderte Herbers: „Die Landwirtschaft steht für Diversität, Gemeinschaft und Respekt vor der Natur. Zusammen sollten wir uns diesen Werten treu bleiben und uns weiterhin für einen respektvollen und konstruktiven Dialog einsetzen.“
Artenvielfalt und Produktion bestmöglich in Einklang bringen
„Landwirtschaft und Kirche können ein starkes Bündnis bilden, wenn sie bereit sind, voneinander zu lernen und aufeinander zu hören“, bekräftigte Bischof Thomas Adomeit. „Darüber hinaus ist es wichtig, die Stimmen der Gesellschaft beziehungsweise der Verbraucherinnen und Verbraucher zu hören, die oft einen direkten Einfluss auf die landwirtschaftlichen Praktiken haben“, ergänzte Kammerpräsident Schwetje. Artenvielfalt und Biodiversität sollten mit der landwirtschaftlichen Erzeugung bestmöglich in Einklang gebracht werden. „Aber diese Forderungen sind für die Landwirtinnen und Landwirte auch mit erheblichen Kosten verbunden“, machte Schwetje deutlich. „Hier gilt es Lösungen zu finden: Nur durch einen offenen Dialog können wir gemeinsam die Herausforderungen meistern, die vor uns liegen.“
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Wolfgang Ehrecke
Pressesprecher
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