Kein Selbstläufer: Riester und Landwirtschaft
Der schlechte Ruf dieser Altersvorsorge gilt nicht pauschal. Besonders für junge Familien mit Kindern kann sie durchaus attraktiv sein. Aber Sie müssen darauf achten, auch alle Förderzulagen zu erhalten.
Riester-Verträge sind vielfältig. Sie sind als Rentenversicherung, Bank- oder Fondssparplan, sowie als Bausparvertrag oder Darlehen fürs Eigenheim erhältlich. Ihre Rendite fußt in allen Fällen zu einem bedeutenden Anteil auf staatlichen Zulagen. Landen diese nicht im Riester-Vertrag, so büßt der Vertrag an Attraktivität für die private Altersvorsorge ein. Für Landwirte und ihre Ehepartner ist die private Altersvorsorge von großer Bedeutung. Zum einen ist die Rente aus der Alterskasse allein nicht bedarfsdeckend. Zum anderen haben viele Betriebe heute zwei Altenteilergenerationen zu tragen. Das heißt aus dem laufenden Betrieb müssen mehrere Generationen versorgt werden. Das ist oft schwierig. Eine Riester-Rente kann hier eine Komponente der privaten Altersvorsorge für die aktuell wirtschaftende Generation darstellen. Offiziell heißt diese: Zulagenrente. Der Name Riester-Rente, nach dem damaligen Minister, hat sich eingebürgert.
Grundlagen Riester:
- Für die volle Förderung sind vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Einkommen abzüglich Zulagen, mindestens 60 Euro, jährlich einzuzahlen.
- Der maximal förderfähige Betrag beträgt 2.100 Euro inklusive Zulagen.
- An Grundzulage werden 175 Euro pro Jahr gewährt. Dazu kommen für jedes bis einschließlich 2007 geborene Kind 185 Euro; für jedes ab 2008 geborene Kind 300 Euro.
- Unmittelbar zulagenberechtigt sind rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer, rentenversicherungspflichtige Selbständige, Beamte und bestimmte weitere Personengruppen
- Mittelbar zulagenberechtigt sind Ehegatten, ohne eigene Einkünfte über ihren zulagenberechtigten Ehepartner
Riester-Vertragsvoraussetzungen
- Nach AltZertG zertifiziertes Produkt
- Leistung aus dem Vertrag nicht vor dem 62. Lebensjahr oder mit früherem Beginn der gesetzliche Altersrente (bei Vertragsabschluss vor 2012 Leistung ab dem 60. Lebensjahr)
- Leistung nur als lebenslange Rente bzw. zur Verwendung für selbst genutztes Wohneigentum
- Beschränkte Kapitalauszahlungsmöglichkeit bei Leistungsbeginn von bis zu 30 % des gesparten Kapitals
In der Praxis stellen sich bei der Gewährung der Zulagen oft mehrere Hürden in den Weg. Die sozioökonomische Beratung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat diese in einer Vielzahl von Policen wahrgenommen.
Zunächst: Landwirte dürfen „riestern“. Die Zulagenberechtigung ergibt sich aus ihrer Rentenversicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterskasse.
Hürde 1: Zulagen zurückgebucht wegen fehlender Alterskassennummer
Bei der Betrachtung der jährlichen Riester-Bescheinigungen von Landwirten zeigt sich in vielen Fällen, dass die Zulage für ein Jahr erst in dem Riester-Vertrag gebucht und im Folgejahr wieder zurückgebucht wurde. Der Hintergrund liegt im Prüfverfahren der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA). Diese überweist die Zulagen auf der Grundlage der Angaben des Zulagenantrages in den Riester-Vertrag. Erst später prüft sie die Zulagenberechtigung durch Datenabgleich mit Sozialversicherung und Finanzamt.
Bei Landwirten fällt die Prüfung durch die Zulagenstelle oft negativ aus. Auf dem Zulagenantrag wird nach der Sozialversicherungsnummer des Antragstellers gefragt. An Hand dieser Nummer prüft die ZfA, ob der Antragsteller Rentenversicherungsbeiträge zur Deutschen Rentenversicherung geleistet hat und somit zulagenberechtigt ist. Unter dieser Nummer wurden beim Landwirt meist zuletzt Beiträge verbucht, als er seine landwirtschaftliche Lehre absolvierte. Stellt die ZfA fest, dass unter der Sozialversicherungsnummer keine Rentenversicherungsbeiträge im betreffenden Jahr verbucht wurden, so ist er erst einmal nicht förderberechtigt.
Weiter unten im Zulagenantrag ist die Mitgliedsnummer der landwirtschaftlichen Alterskasse anzugeben. Nur wenn diese dort eingetragen ist, prüft die Zulagenstelle, ob dort Rentenbeiträge geleistet wurden und somit doch Altersvorsorgezulagen erhalten werden können. In vielen Fällen wurde die Mitgliedsnummer nicht auf dem Zulagenantrag angeben. Daher fließen oft unbemerkt jährlich Beträge in den Vertrag und im Folgejahr wieder ab.
Die verlorenen Zulagen können durch einen formlosen Festsetzungsantrag wieder geltend gemacht werden. Ausschlussfrist hierfür ist ein Jahr nach Erhalt der Bescheinigung nach § 92 EStG, auf der die Rückbuchung erkennbar ist. Diesen Antrag stellen Sie, wie den Zulagenantrag, über den Vermittler ihres Altersvorsorgevertrages.
Hürde 2 : Der richtige Eigenbeitrag - Sicherstellung bei jährlich schwankendem Gewinn
Die staatliche Zulage erhält, wer in einen riesterzertifizierten Vertrag vier Prozent seines sozialversicherungspflichtigen Einkommens des Vorjahres inklusive der Zulagen einzahlt.
Bei Landwirten sind davon abweichend die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (L&F) laut Steuerbescheid des Vorvorjahres maßgeblich. Das sozialversicherungspflichtige Einkommen beim Landwirt ist der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft. Weitere Einkünfte beispielsweise aus Gewerbebetrieben (z.B. Photovoltaik) oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bleiben außen vor. Denn die Alterskassenpflicht entsteht durch die landwirtschaftliche Tätigkeit, nicht durch den Gewerbebetrieb. Andersherum ist es bei einem Nebenerwerbslandwirt, der sich durch seine Arbeitnehmertätigkeit von der Alterskassenpflicht befreit hat. Er ist sozialversicherungspflichtig auf Grund seiner Arbeitnehmertätigkeit. Daher hat er vier Prozent von seinem Bruttolohn als Arbeitnehmer einzuzahlen und nicht von seinem landwirtschaftlichen Gewinn.
Beispiele: Lag der zu versteuernde Gewinn aus L&F des Landwirts Müller im Vorvorjahr (2022) bei 40.000 €, so müssen insgesamt 1.600 € im aktuellen Jahr (2024) in den Riester-Vertrag fließen. Selbst zahlt Herr Müller davon 1.425 € (1.600 € minus 175 € Grundzulage). Max. sind 2.100 € pro Jahr inklusive Zulagen förderfähig. Der Gewinn von Landwirtin Harms lag bei 70.000 €. Sie hat 1.925 € (=2.100-175 €) einzuzahlen und nicht 2.256 €. Beide sind also jedes Jahr gefordert, ihren Eigenbeitrag auszurechnen und zu zahlen. Frau Harms hat beschlossen prinzipiell 1.925 € im Jahr in ihren Vertrag zu überweisen, damit sie sich auch bei schwankenden Gewinnen keine Gedanken um den richtigen Eigenbeitrag machen muss.
Im Jahr nach der Einzahlung geht es an den Zulagenantrag. Wie beschrieben kommt die Hauptrendite der Verträge vom Staat, diese ist zu sichern. Der praktisch wirkende Dauerzulagenantrag, der häufig gestellt wurde, führt vielfach dazu, dass die jährliche Abfrage wichtiger Daten unterbleibt. Herr Müller teilt mit dem jährlichen Antrag direkt sein landwirtschaftliches Einkommen aus dem Vorvorjahr mit. Fließe nicht der richtige Eigenbeitrag in den Vertrag, oder erhielte die ZfA keine Kenntnis über die maßgeblichen Einkünfte, würde die Zulage ganz oder zum Teil zurückgebucht.
Hürde 3: Unmittelbare Zulagenberechtigung des Ehepartners
Besonders ist in der Alterskasse die Versicherungspflicht des Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers. Der nicht außerhalb des Betriebes tätige Ehepartner zahlt eigene Rentenbeiträge zur Alterskasse. Aus dieser Besonderheit heraus ist auch der Ehegatte des Landwirts/in unmittelbar riesterberechtigt. Vielfach wurde dieser als nur mittelbar zulagenberechtig angegeben. Dies ist schlichtweg falsch. In der Folge wäre die Zulage des Ehepartners von der Erfüllung der Fördervoraussetzungen durch den Landwirt abhängig. Zahle dieser nicht vier Prozent seiner Einkünfte in seinen Riester-Vertrag, würde auch die Zulage des Partners gekürzt.
Durch den unmittelbaren, eigenständigen Vertrag kann der Ehegatte mit Leistung des Sockelbeitrags von 60 € die Zulage erhalten. Der Landwirt muss gleichzeitig keine Riesterrente besparen. Frau Müller kümmert sich um die beiden Kinder Lasse und Anna, die 2006 und 2010 geboren sind, nebenbei hilft sie im Betrieb. Sie zahlt in die landwirtschaftliche Alterskasse ein. Ihr Riestervertrag ist ein Banksparplan. In diesen überweist sie jährlich ihren Eigenbeitrag von 60 €. Dazu kommen die Zulagen für sich und die Kinder.
Eigenbeitrag 60 €
Grundzulage 175 €
Kinderzulage Lasse 185 €
Kinderzulage Anna 300 €
Gesamt 720 €
Insgesamt landen im Jahr Beiträge in Höhe von 720 € im Banksparplan. Die Kinderzulagen werden parallel zum Kindergeldanspruch gewährt. Endet der Kindergeldanspruch, so fällt auch die Kinderzulage weg. In der Regel wird die Mutter die Kinderzulage erhalten. Sind sich beide Elternteile einig, kann die Zulage auch im Vertrag des Vaters verbucht werden.
Hürde 4: Alterskassenbefreiung
Mit der Gründung oder Abspaltung eines gewerblichen Betriebes kann sich der Betriebsleiter von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreien lassen. Dessen Folgen sollten eingehend abgewogen werden. Neben den Auswirkungen auf Alterskassenrente, Erwerbsminderungsrentenanspruch und Betriebshelfereinsatz hat dies Folgen für die Riester-Police. Der Landwirt zahlt durch die Befreiung aus der landwirtschaftlichen Alterskasse keine gesetzlichen Rentenbeiträge mehr und gehört damit nicht mehr zu förderfähigen Personenkreis. Er kann sein Riester-Produkt ohne staatliche Zulagen weiterführen, oder beitragsfrei stellen. Eine Kündigung ist meist mit großen Verlusten verbunden, da die komplette Förderung und etwaige Steuervorteile zurück zu zahlen sind.
Warum sollten Sie über diese Hürden springen?
In vielen landwirtschaftlichen Familien sind Zulagenrenten abgeschlossen worden. Dieses sind meist Rentenversicherungen, klassisch oder fondsgebunden, deren Abschlusskosten nicht unerheblich sind bzw. waren. Der Anbieter hat mit den förderfähigen Personen Dauerzulagenanträge vereinbart, um die Zulagen jährlich zu beantragen. Daraufhin schlummern die Riester-Verträge in den Versicherungsordnern auf den Betrieben. Jährlich wird die Standmitteilung und die Bescheinigung nach § 92 EStG abgeheftet. Da die Rückbuchungen erst auf der zweiten Seite der Bescheinigung zu finden sind, blieben sie oft unentdeckt. So ohne Zulagen sind die Policen eher ein Verlustgeschäft. Deshalb sollten Sie springen!
Checkliste für vorhandene Riester-Verträge in der Landwirtschaft
- Höhe des Eigenbeitrags
- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (L&F) und Zulagen sind maßgeblich
- Zulagenantrag
- Jährlicher Zulagenantrag statt Dauerzulagenantrag
- Mitgliedsnummer der landwirtschaftlichen Alterskasse angeben
- Landwirtschaftliche Einkünfte des Vorvorjahres mitteilen
- Ehegatte ist unmittelbar zulagenberechtigt
- Bescheinigung nach § 92 EStG
- Jährliche Prüfung auf erhaltene und zurückgebuchte Zulagen
- Feststellungsantrag stellen falls Zulagen nicht gewährt, oder zurückgebucht wurden
- Steuerliche Förderung mit dem Steuerberater sicherstellen
Planen Sie aktuell Ihre private Altersvorsorge, dann betrachten Sie die aufgeführten Hürden und wägen den Anschluss einer Zulagenrente genau ab. Für den/die Partner/in einer/s Landwirts/in ist wie dargestellt die Riester-Rente meist deutlich interessanter, als für den die Betriebsleiter/in. Diese/r sollte mit seinem Steuerberater genau abwägen, ob Riester- oder vielleicht Rürup-Rente größere Vorteile bringt. Dabei ist u. a. der steuerliche Aspekt der Riester-Förderung zu prüfen. Der Sonderausgabenabzug bringt bei hohem Steuersatz Steuervorteile in der Beitragszeit. Im Rentenalter ist die Rente generell mit dem persönlichen Steuersatz nach spezifischen Regeln zu versteuern. Wenn Riester, dann entscheiden Sie sich für das zu ihrem Lebensplan passende Produkt. Der Blumenstrauß ist bzw. war groß: Bausparvertrag, Rentenversicherung, Banksparplan, Fondssparplan, Riester-Darlehen, etc.. Heute ist nur noch für wenige Produkte der Neuabschluss möglich. Wenn Sie einen Vertrag abgeschlossen haben, dann denken Sie mindestens einmal im Jahr daran, dass dieser kein Selbstläufer ist, sondern ein bisschen Arbeit bedarf.
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