Förderung der Mehrgefahrenversicherung: Versicherungsbedarf genau prüfen
Die Förderrichtlinie zur Mehrgefahrenversicherung ist veröffentlicht. Das Zeitfenster für die erste Antragsphase (26.08.- 30.09.24) und das Haushaltsvolumen bis zum Ende der Förderperiode (15 Millionen Euro) sind begrenzt. Trotzdem gilt es nicht in blinden Aktionismus zu verfallen.
Aus dem Blickwinkel der sozioökonomischen Beratung steht an erster Stelle die Einschätzung des Versicherungsbedarfs. Durch den Förderanreiz darf diese grundsätzliche Prüfung nicht ausgeblendet werden. Eine Versicherung, die ich nicht benötige oder die nicht zu meinem Betrieb passt, ist immer zu teuer.
Relevanz haben Ertragsschadenversicherungen für Starkwettereignisse besonders für spezialisierte Betriebe mit wenigen Kulturen und hohen Umsätzen pro Hektar sowie einer engen inneren Betriebslage. Hintergrund ist der Grundsatz, dass ein Unternehmer nur diejenigen Risiken an einen Versicherer auslagert, die im Falle des Eintritts seine Existenz gefährden würden.
Als anderes Extrem sei beispielhaft ein Betrieb mit gewerblicher Sauenhaltung und Getreideanbau in überschaubarem Umfang auf Flächen in weiter Streulage um den Betrieb genannt. Dieser benötigt keine Mehrgefahrenversicherung für seinen Ackerbau, da er seine Haupterträge im Stall generiert. Er benötigt hingegen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Ertragsschadenversicherung für das Risiko Tierseuchen. Die Streulage der Flächen führt auch zur bedingten Risikominimierung, da Starkwetterereignisse zum Teil sehr örtlich auftreten. Weiterhin ist ein Versicherungsbedarf immer vom Fremdkapitalanteil des Betriebes abhängig. Hoher Fremdkapitalanteil bedeutet frühere Existenznot bei Ertragseinbrüchen. Diese Parameter sind nur beispielhaft genannt. Es wirken viele weitere Parameter auf die betriebsindividuelle Entscheidung ein. Hier sei nicht zuletzt die Risikoaffinität der Betriebsleitung genannt.
Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin agiert und reagiert täglich auf sich ändernde Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit. Eines dieser Rahmenbedingungen war und ist das Wetter und globaler betrachtet das Klima. In diesen Entscheidungsbereich tritt nun die neu veröffentlichte Förderung. Sie steht neben den generellen Anpassungsstrategien hinsichtlich Starkwetterereignissen, die, aus meiner Sicht, bereits in fast jedem Betrieb gestaltet werden. Dies fordert auch die Förderrichtlinie in dem sie die Förderung an klimaangepasste Bewirtschaftung knüpft. Ein Katalog dazu befindet sich in Anlage 3 der Förderrichtlinie.
Im Jahr des Teilnahmeantrags durchgeführte klimaangepasste Maßnahmen laut Sammelantrag sind für das Priorisierungsverfahren relevant. Diese können aber in diesem Jahr (2024) nicht mehr angepasst werden, da der Sammelantrag bereits gestellt ist. Hat ein Betrieb eine Maßnahme der klimaangepassten Bewirtschaftungsmaßnahmen erfüllt, kann er die Förderung beantragen. Sollte bereits in diesem Jahr das Haushaltsvolumen der begrenzende Faktor sein, werden Anträge mit höherer Punktzahl im Priorisierungsverfahren begünstig. Wenn ein Betrieb dieses Jahr keine der in Anlage 3 der Richtlinie aufgeführten Maßnahmen erfüllt, kann er über eine Antragstellung im nächsten Jahr nachdenken.
Versicherbar durch Schadens- und Indexversicherungen der Versicherungswirtschaft sind die Risiken: Hagel, Sturm, Starkregen, Überschwemmungen, Starkfrost und Trockenheit/Dürre. Davon ist das Risiko Hagel nicht förderfähig. Die meisten Versicherer gewähren die Versicherung der geförderten Risiken nur zusammen mit der Versicherung des Risikos Hagel. Dieser Prämienanteil ist somit vom Versicherten allein zu tragen.
Schadensversicherungen und Indexversicherungen unterscheiden sich in Bezug auf die Definition des Versicherungsfalles. Eine Schadensversicherung bestimmt den einzelbetrieblichen Schaden (durch einen Gutachter/Sachverständigen). Die Indexversicherung hingegen ist eine Wette auf einen Index, also beispielsweise auf eine Niederschlagsgrenze an einer bzw. mehreren nahegelegenen Wetterstationen in einem bestimmten Zeitraum. Letztere Versicherungsvariante muss also zum „Betriebswetter“ passende Wetterstationen berücksichtigen. Sonst kommt es unter Umständen zu Versicherungsleistungen, wenn kein Schaden entstanden ist, bzw. die Versicherungsleistung bleibt aus, obwohl ein beträchtlicher Ertragsschaden vorliegt.
Auch nach eingehender Sichtung der Richtlinie bleiben naturgemäß noch einige praktische Fragen offen. Der Landwirt sollte mehrere Angebote einholen, diese sichten und auf Passgenauigkeit für seinen Betrieb prüfen/prüfen lassen. Besonders da er auf Grund der Begrenzung des Haushaltsvolumens die Förderung direkt für mehrere Jahre beantragen wird, sollte das Versicherungsangebot passend sein.
Betriebe, die bereits einen entsprechenden Versicherungsschutz besitzen, sollten ganz genau prüfen, ob und wie die geförderte Variante für sie relevant ist.
Die Antragsunterlagen und viele weiterführende Informationen zur Förderung der Mehrgefahrenversicherung in Niedersachsen, Bremen und Hamburg finden Sie hier.
Kontakte
Wiebke Wennemer
Beraterin Sozioökonomische Beratung
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