Landessortenversuche 2021: Winterroggen
Der Winterroggen bewies auch in diesem Jahr seine Leistungsfähigkeit. Durch die schwierigen Erntebedingungen verzögerte sich allerdings regional die Ernte, was sich dann negativ auf die Qualität auswirkte. Insgesamt enttäuschte der Roggen jedoch nicht.
Winterroggen legte 2021 in der Anbaufläche nochmals um ca. 5.000 ha auf nunmehr knapp 146.000 ha zu, da er in den letzten Jahren unter den oftmals trockenen Bedingungen seine Robustheit ausspielen konnte. Viele Anbauer stellten auch in diesem Jahr fest, dass der Roggen im Vergleich zu den weiteren Getreidearten erneut gute Erträge erreichte, wenngleich auch vielfach die erhofften Spitzenerträge ausblieben. Während er auf den leichteren Standorten gegenüber Weizen und Triticale wieder seine Ertragsvorteile zeigte, war es auf den besseren Standorten nicht immer der Fall, dennoch enttäuschte er nicht.
In diesem Jahr wurde der Roggen oftmals nach dem Weizen geerntet, weil er nicht früher druschreif war. Zur Reifezeit wurde die Roggenernte jedoch immer wieder durch Niederschläge unterbrochen, was dann zu einem höheren Anteil lagernder Bestände und letztlich auch zu einer Abnahme der Fallzahlen führte. Im Vergleich zu den Vorjahren erreichten dadurch zahlreiche Partien nicht die Qualitätskriterien im Bereich Fallzahl und konnten nur noch als Futterroggen vermarktet werden. Die derzeitige Preisdifferenz zwischen Brot- und Futterroggen ist allerdings recht bescheiden. Ob sich unter Umständen für noch nicht gehandelte Brotroggenpartien die Preise verbessern, bleibt abzuwarten. Zwar haben zum Ende der Ernte bei allen Getreidearten die Preise angezogen, allerdings liegen die Marktpreise beim Roggen im Vergleich zu den übrigen Brotgetreidearten, aber auch gegenüber der Futtergerste deutlich niedriger, was vom Futterwert her gesehen eigentlich nicht gerechtfertigt ist. Ob sich die Roggenanbaufläche also auch für 2022 auf dem derzeitigen Niveau halten wird, hängt in hohem Maße sicherlich mit von den Marktpreisen der anderen Kulturen ab. Die derzeit stark verbesserten Preise im Bereich der Braugerste könnten hier möglicherweise wieder zu einem Umschwenken in Richtung Braugerste, vielleicht auch in Form der Herbstaussaat, führen.
Für das Jahr 2021 wird nach Angaben des Landesamtes für Statistik bei Roggen ein Durchschnittsertrag von 64 dt/ha erwartet, der damit 4 dt/ha höher als im Vorjahr liegt. Meldungen aus der Praxis, aber auch von den Versuchsstandorten zeigen analog zu den übrigen Winterungen differenzierte Ertragsleistungen, die auch kleinräumig sehr unterschiedlich ausfielen.
Ergebnisse der Sorten
Das Sortiment des Landessortenversuches Winterroggen ist seit Jahren recht überschaubar, da derzeit die ertragsstärksten Sorten von den beiden Züchterhäusern KWS Getreide und Hybro/Saaten-Union an den Start gebracht werden. Nachdem im vergangenen Jahr mit KWS Tayo nur eine Sorte neu aufgenommen wurde, wurden im letzten Herbst mit SU Perspectiv und SU Arvalus zwei neue Sorten integriert, die allerdings vom Bundessortenamt (BSA) nicht zugelassen worden sind, gleichwohl aber als EU Sorten auch in Deutschland vertriebsfähig sind. Bei der neu zugelassenen Sorte Durinos aus dem Hause Nordic Seed handelt es sich um eine Kurzstrohsorte, die ertraglich allerdings laut BSA-Einstufung mit den derzeit im LSV geprüften Sorten nicht mithalten kann. Die Sorte hat möglicherweise im Vertragsanbau eine Chance, wenn es darum geht, ohne Wachstumsreglereinsatz auszukommen und gleichzeitig mit einer guten Einstufung gegenüber Mutterkornbefall zu punkten. Die Sorte wurde an einzelnen Standorten vergleichend neben dem eigentlichen LSV zur Präsentation angebaut, ohne allerdings Ertragsleistungen zu erfassen.
Die Versuche Winterroggen wurden in den drei Anbauregionen Sandböden West und Nord sowie auf den leichteren westlichen Lehmstandorten durchgeführt. Standortergebnisse aus NRW fließen für die westlichen Regionen mit ein. Aufgrund starken Lagers am Lehmstandort Borwede (LK DH) und Bodenunterschieden am nordhannoverschen Standort Hamerstorf (LK UE) konnten diese Versuchsergebnisse leider nicht berücksichtigt werden.
Die mehrjährigen Ergebnisse werden auf Verrechnungsbasis der 2021 geprüften Sorten dargestellt und schließen auch Versuchsergebnisse aus Wertprüfungen mit ein.
Bei der Sortenwahl sollten neben den Erträgen auch die weiteren Sorteneigenschaften wie Standfestigkeit und die Empfindlichkeit gegenüber Krankheitsbefall mit in die Sortenentscheidung einbezogen werden. Da zum Zeitpunkt der Aussaat die Gefahr von Mutterkornbesatz nicht kalkulierbar ist, sollte das Risiko des Befalls dennoch mit Berücksichtigung finden.
Die Leistungen der Sorten in den drei Anbauregionen:
In der Anbauregion der Sandböden West konnte KWS Tayo die sehr guten Vorjahresergebnisse wieder bestätigen und wird klar empfohlen. KWS Eterno erreichte ihre guten Vorjahresergebnisse nicht, zählt mehrjährig aber zu den ertragsstärksten Sorten. Das gleiche trifft auch für KWS Serafino zu, die nach drei LSV-Jahren überdurchschnittliche Leistungen zeigte. SU Performer und Piano erreichten mehrjährig leicht unterdurchschnittliche Erträge. Die in der Mutterkornanfälligkeit am günstigsten eingestufte Sorte KWS Trebiano konnte leider auch im dritten Jahr ertraglich mit den anderen Sorten nicht mithalten. Von den beiden neu aufgenommenen Sorten erzielte SU Perspectiv die besten Erträge und kommt als neue Sorte für den Probeanbau in Frage. Generell für den Anbau werden für diese Anbauregion KWS Tayo, KWS Serafino und KWS Eterno empfohlen.
Auf den Sandböden Nord konnte KWS Tayo ebenfalls in beiden LSV Jahren durch beste Erträge überzeugen. Als mehrjährig geprüfte Sorte erreichte auch KWS Eterno gute diesjährige Leistungen und überzeugt klar im mehrjährigen Vergleich. KWS Serafino lieferte dieses Jahr leicht unterdurchschnittliche Leistungen, zählt mehrjährig aber zu den ertragsstarken Sorten. Piano konnte auch 2021 nicht überzeugen und liegt noch leicht unter den Erträgen von SU Performer, sowohl ein- als auch mehrjährig betrachtet. KWS Trebiano enttäuschte hier ebenfalls mit gleichmäßig schwachen Erträgen. Für diese Anbauregion wird klar KWS Tayo empfohlen, gefolgt von KWS Eterno und KWS Serafino. Letztere verdankt die Empfehlung auch der Tatsache, dass sie wie KWS Trebiano mit geringer Mutterkornanfälligkeit eingestuft ist. Von den einjährig geprüften Sorten lieferte SU Perspectiv sehr gute LSV-Erträge, sodass sie sich auch unter Einbeziehung der Vorprüfungsdaten aus ertraglicher Sicht für den Probeanbau anbietet.
Auf den Lehmböden erzielten in diesem Jahr die Sorten KWS Tayo, SU Performer und SU Perspectiv die höchsten Erträge. Nach zwei LSV-Jahren zeigte auch hier KWS Tayo die besten Ergebnisse. Von den etablierteren Sorten erreichten darüber hinaus auch SU Performer und KWS Eterno sowie, trotz schwacher aktueller Leistungen, KWS Serafino gute mehrjährige Erträge. Leicht unterdurchschnittlich fielen die Ergebnisse hingegen bei Piano und KWS Trebiano aus. Unter Einbeziehung der Vorprüfungen kommt auch für die Lehmböden SU Perspectiv für den Probeanbau in Frage.
Allgemein empfohlen werden hier ebenfalls in erster Linie KWS Tayo, KWS Eterno und KWS Serafino sowie bei Beachtung der höheren Mutterkornanfälligkeit SU Performer.
Wie sieht es mit Populationssorten aus?
Auch in den diesjährigen parallellaufenden Wertprüfungen fungierte die Populationssorte Conduct als Vergleichssorte und erreichte wie gewohnt Erträge von ca. rel. 80. Damit wird der drastische Ertragsunterschied zwischen Hybrid- und Populationssorten in diesem Jahr erneut verdeutlicht und bestätigt die Vorjahresergebnisse. Für den Roggenanbau auf Grenzstandorten unter low-input Bedingungen könnte hier am ehesten noch die Wahl einer Populationssorte sinnvoll sein.
Qualitätsergebnisse
Um als Brotroggen verkauft werden zu können, ist eine hohe Fallzahl als Qualitätskriterium ein wichtiger Aspekt. Die oben erwähnte zeitliche Verzögerung bei der Roggenernte ging zum Teil deutlich zu Lasten der Fallzahl. Dies wird klar an den stark differenzierten Werten an den einzelnen Standorten des LSV, ist aber auch in der Praxis erkennbar. Frühzeitig geerntete Flächen ohne Beeinflussung durch Lager erreichten sehr hohe Werte von über 300 sec.. Im Mittel der derzeit untersuchten sieben Standortbeprobungen lagen die Werte bei lediglich 200 sec. bei einer Spannbreite von Werten zwischen 91 und 344 sec.. Damit wären einzelne Standorte nicht mehr als Brotroggen geeignet, wofür in der Regel wenigstens Werte von 120 sec. gefordert werden. Sortenunterschiede wurden in diesem Jahr auch wieder klar erkennbar (siehe Tabelle Qualitätsmerkmale). Die besten Durchschnittswerte von gut über 200 sec. erreichten die Sorten SU Perspectiv, KWS Tayo und SU Arvalus. Festzuhalten bleibt aber auch, dass im Mittel der beiden schwächsten Standorte keine der Sorten die Norm erfüllt hätte.
Die Hektolitergewichte lagen 2021 mit durchschnittlich 72,8 kg auf einem niedrigen Niveau und spiegeln damit den allgemeinen Eindruck auch in der Praxis wider, wo vielfach von nicht voll ausgebildeten Körnern und einem erhöhten Schmachtkornanteil berichtet wird. Auf dem ertragsstärksten Standort Martinsbüttel (LK GF) mit einem Ertragsniveau von 93 dt/ha und sehr guten Fallzahlen wurden hingegen gute hl-Gewichte von knapp 78 kg erzielt. Die Werte der übrigen Standorte befanden sich in einem Bereich von 69 bis 74 kg. Die Sorten lagen im Mittel der Standorte in einem Bereich von 71,5 bei KWS Eterno bis 73,6 kg bei der neuen Sorte SU Arvalus. Die übrigen Sorten bewegten sich um den Wert 73 kg.
Fungizid- und Wachstumsreglereinsätze 2021
Braunrostbefall trat in diesem Jahr sowohl auf den westlichen als auch den östlichen Standorten auf, während Rhynchosporium vorrangig im westlichen Bereich erkennbar war. Die Auswirkungen des Verzichts auf Fungizide wirkte sich daher auf den westlichen Sand- und Lehmstandorten stärker aus, was sich in der Ertragstabelle bei den dargestellten Mindererträgen der Sorten in den einzelnen Anbauregionen wiederfindet. Gravierende Sortendifferenzierungen konnten nicht bonitiert werden, weil sie zwischen den Anbauregionen schwankten. Der gezielte Einsatz von Wachstumsregulatoren führte auf den Hochertragsstandorten zu einer Einkürzung der Halmlänge von etwa 10 cm und verbesserte damit die Standfestigkeit. Zum Teil reichte die Einkürzung jedoch nicht aus, da auch in der behandelten Stufe noch stärkeres Lager auftrat.
Problematik Mutterkorn
Das Thema Mutterkornbesatz wird vom Erfassungshandel und den Mühlen sehr sensibel betrachtet und sollte bei der Sortenwahl entsprechend berücksichtigt werden.
Ein Befall mit diesem Pilz ist wegen der im Mutterkorn enthaltenen Alkaloide und deren Toxizität für Mensch und Tier von negativer Bedeutung für Nahrungs- und Futtergetreide. Roggen ist aufgrund seines offenen Abblühverhaltens besonders gefährdet, doch auch andere Getreidearten wie Weizen, Triticale u. a. können betroffen sein. Das war insbesondere beim Weizen dieses Jahr ein Thema.
In den LSV konnten kein wesentlicher Befall durch Mutterkorn festgestellt werden, sodass auch keine sortenspezifischen Unterschiede ablesbar waren. Aus der Praxis heraus kamen ebenfalls relativ wenige Rückmeldungen hierzu, das war beim Weizen ausgeprägter.
Neben der Sortenwahl sind auch produktionstechnische Möglichkeiten, wie z. B. ausreichend breite Fahrgassen, wichtige Punkte zur Vermeidung von Mutterkorn. Die im LSV geprüften Sorten aus dem Hause KWS Lochow sind alle vom Bundessortenamt mit der Boniturnote 4 oder 3 eingestuft und werden ohne Beimischung von Populationssorten gehandelt. Die aus dem Hause Saaten-Union vertriebenen Sorten werden hingegen mit einer 10 %igen Zumischung von Populationssortensaatgut zur Verbesserung des Pollenschüttungsvermögens vermarktet. Hierdurch soll die Gefahr des Mutterkornbesatzes gemindert werden. Mit KWS Trebiano wurde im dritten Prüfungsjahr eine Sorte mit der derzeit besten Einstufung (Boniturnote 3) geprüft. Aber auch KWS Serafino wurde mit der gleichen Note beurteilt. Beide Sorten kommen daher insbesondere für Mutterkorn-gefährdete Flächen in Frage.
Sortenbeschreibung und -empfehlungen
KWS Tayo konnte ihre guten Vorjahresleistungen eindrucksvoll bestätigen und wird dank bester und konstanter Erträge bei guter Blattgesundheit klar für den Anbau empfohlen.
KWS Eterno erreichte in diesem Jahr etwas schwächere Erträge, zählt mehrjährig aber in allen Regionen zu den ertragsstärksten Sorten und wird von daher generell empfohlen. Zu beachten ist die schwächere Einstufung gegenüber Mehltau und ihre mittlere Lagerneigung sollte nicht außer Acht gelassen werden.
KWS Serafino zählt nach dem vierten LSV-Jahr ebenfalls zu den ertragsstärksten Sorten. Sie zeichnet sich darüber hinaus durch eine gute Blattgesundheit und eine sehr geringe Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn aus. Eine nur mittlere Standfestigkeit sollte beim Wachstumsreglereinsatz berücksichtigt werden.
Die blattgesunde Sorte SU Performer zeigte wieder konstante Ertragsleistungen, insbesondere auf den Lehmböden. Dort wird sie aus ertraglicher Sicht empfohlen. Aufgrund der Schwächen gegenüber Mutterkornbefall erfolgt diese Empfehlung nur eingeschränkt.
Piano konnte die guten Ergebnisse des ersten LSV-Jahres auch dieses Jahr nicht bestätigen. Bei leicht unterdurchschnittlichen Erträgen punktet die Sorte durch eine gute Standfestigkeit und Blattgesundheit.
KWS Trebiano zeichnet sich durch eine sehr gute Einstufung gegenüber Mutterkornbefall aus, liefert jedoch nur unterdurchschnittliche Erträge. Die Blattgesundheit und eine gute Fallzahleinstufung sind hervorzuheben. Steht in Regionen mit der Gefahr einer erhöhten Mutterkornproblematik dieser Aspekt im Vordergrund, wäre sie eine Alternative zu den übrigen empfohlenen Sorten.
Mit SU Perspectiv und SU Arvalus wurden zwei neue EU Sorten in den LSV aufgenommen, die beim Bundessortenamt die deutsche Zulassung nicht erhalten haben. Aus ertraglicher Sicht konnte vor allem SU Perspectiv überzeugen. Sie wird für den Probeanbau empfohlen, um auch eine andere Genetik für die Praxis ins Spiel zu bringen. Da noch keine offiziellen Merkmalseinstufungen vorliegen, wurde insbesondere beim Mutterkorn auf züchterinterne Angaben zurückgegriffen. Danach wird SU Arvalus mit der gleichen Anfälligkeit wie SU Performer beschrieben.
Zusammenfassung
Die Anbaubedeutung von Roggen hat sich weiter gefestigt, insbesondere auf den leichteren, trockenheitsbeeinflussten Sandstandorten. Auch auf höher bonitierten Standorten nehmen die Überlegungen zu einem Einstieg in den Roggenanbau zu, da er mit geringerem Dünge- und Pflanzenschutzaufwand gefahren werden kann. Der Brotgetreidemarkt zeigt derzeit wenig Spielraum für die Aufnahme zusätzlicher Qualitätsware. Daher wird auch weiterhin ein großer Teil als Futtergetreide vermarktet werden müssen. Um den Anbau wirtschaftlich zu gestalten, sollte dennoch der sichere Anbau als Brotroggen im Vordergrund stehen. Dafür sind vornehmlich ertragsstarke Sorten mit guten Fallzahlen und geringer Anfälligkeit gegenüber Mutterkornbesatz gefragt.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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