Landessortenversuche 2022: Getreide-GPS
Winterroggen und Wintertriticale können flexibel genutzt werden - neben dem überwiegenden Drusch der Körner ist auch die frühere Ernte als Ganzpflanze zum Silieren für die Fütterung oder für die Nutzung in der Biogasanlage möglich. Mit sogenannten Doppelnutzungssorten können Betriebe flexibel auf die jährlichen Gegebenheiten reagieren. In den Landessortenversuchen werden die Leistungen der speziell für die GPS-Nutzung gezüchteten und der für die Doppelnutzung geeigneten Sorten geprüft.
Der Anbau von Wintergetreide - vornehmlich Winterroggen und Wintertriticale - für die Biomassenutzung ist eine sinnvolle Ergänzung zum dominierenden Silomaisanbau. Er bietet zahlreiche positive Effekte gegenüber dem Mais, denn die Bodenfeuchtigkeit im Herbst und Winter kann genutzt werden, zudem ist in dieser Zeit der Boden bedeckt und durch die Nährstoffaufnahme im Herbst werden Nährstoffverlagerungen in tiefere Bodenschichten vermieden.
Bei der Nutzung von Wintergetreide als Ganzpflanzensilage (GPS) wird nicht die Kornreife abgewartet, sondern die Bestände werden in der Teigreife des Korns bei einem Trockensubstanzgehalt von ca. 35 - 40 % ab etwa Mitte Juni gehäckselt und siliert. Die GPS kann sowohl in der Futterration von Milchkühen oder Mastbullen eingesetzt als auch in Biogasanlagen verwertet werden. Speziell für die GPS-Nutzungsrichtung wurden von Züchterseite bei den Getreidearten Roggen und Triticale besonders geeignete Sorten mit frühzeitiger Massebildung entwickelt, die weniger auf Korn- als vielmehr auf Biomasseertrag ausgerichtet sind. Generell können sicherlich auch zur Körnernutzung empfohlene Sorten als GPS geerntet werden. Hierfür bieten sich Sorten an, die viel Masse bilden und standfest sind. Zu erkennen, wie sie sich im Vergleich zu den „Spezialsorten“ schlagen, ist unter anderem Ziel der GPS-Sortenversuche. Sorten, die sowohl bei der Körner- als auch bei der Biomassenutzung gute Ergebnisse erzielen, bieten die Möglichkeit, flexibel auf die aktuellen Gegebenheiten im Betrieb zu reagieren. Das heißt, zum Zeitpunkt der Aussaat muss die Nutzungsrichtung noch nicht feststehen.
Die frühe Ernte als GPS bietet darüber hinaus die Chance, noch eine Sommerkultur im Zweitfruchtanbau wie z. B. frühreifen Mais, Hirse oder auch Sommergetreide (Triticale, Hafer) anzubauen, was allerdings eine ausreichende Wasserversorgung für beide Kulturen voraussetzt. Der früh geerntete Getreidebestand hat den Bodenwasservorrat bereits vor der Aussaat der späten Hauptfrucht bzw. später gedrillten Zweitfrucht bis zu seiner Beerntung beansprucht. Damit steigt sicherlich das Anbaurisiko für eine lohnende Zweitfruchtnutzung. Vor allem in den Marschregionen wird die Zeit nach der GPS-Ernte aber auch für die Feldhygiene genutzt, sprich eine optimierte Stoppelbearbeitung mit entsprechender Unkrautreduzierung und angepasster Bodenbearbeitung für die nachfolgende Winterung, beispielsweise Raps oder Wintergerste.
Sortenprüfungen
Die LWK Niedersachsen führt jährlich an drei Standorten Landessortenversuche zur Nutzung von Winterroggen und -triticale als GPS durch. An den Standorten Poppenburg (LK HI) und Werlte (LK EL) werden die Prüfungen für beide Kulturen angelegt, in Obershagen (Region H) wird nur Roggen geprüft, in Otterham (LK AUR) Triticale (Tab. 1).
Das Sortiment für Roggen bestand 2022 aus vier Hybridsorten: der bereits mehrjährig für die Silonutzung geprüften Sorte KWS Progas sowie den Körnernutzungssorten SU Performer, KWS Tayo und, neu aufgenommen, SU Perspectiv.
Im Triticale-Sortiment standen sechs Sorten, wovon die einzige reine Silonutzungssorte Tender PZO bereits langjährig geprüft wird. Die Körnernutzungssorte Ramdam befindet sich seit 2019 im Sortiment, Allrounder PZO (Körner- und Silonutzung) und die großrahmige und kornertragsstarke Sorte Lumaco wurden im letzten Jahr aufgenommen. In diesem Jahr sind Brehat und Bilboquet die neuen Kandidaten, ebenfalls Körnernutzungssorten.
Die Aussaat der Versuche fand an den Sand- und Lehmstandorten unter guten Bedingungen in der letzten Septemberdekade 2021 statt. Lediglich die Triticaleaussaat in der Marsch konnte wegen der wassergesättigten Böden nach einer minimalen Bodenbearbeitung erst am 11. Oktober erfolgen.
Die milde Herbstwitterung sorgte für eine gute Vorwinterentwicklung der Pflanzen, auch Auswinterungsschäden durch Fröste traten nicht auf. In Werlte fielen im Februar relativ viele Niederschläge, sodass der Boden im Frühjahr erst spät wieder befahrbar war.
Das Frühjahr war relativ kühl und trocken, das Wachstum verlief bis in den April hinein nur verhalten. Besonders in Obershagen entwickelten sich die Sorten relativ schwach, was unter anderem an der geringen Anzahl ährentragender Halme von ca. 420 je m² offensichtlich wird. Auch die ab Anfang Mai durchgeführte dreimalige Beregnung mit je 25 mm konnte die insgesamt schwachen Erträge an diesem Standort nicht verhindern. Krankheiten traten in den Roggenversuchen nicht auf, bei Triticale gab es in der Marsch Befallsdruck durch Gelbrost und in Werlte Mehltaubefall.
Die ansteigenden Temperaturen im Mai und, nach einer kurzen kühleren Phase Ende Mai, im Juni sowie die beginnende Trockenheit führten zu einer zügigen Abreife der Bestände und zu einer problemlosen Ernte in der letzten Junidekade, in Otterham entsprechend der späteren Aussaat erst am 12. Juli.
Ergebnisse der Roggenprüfung
Das mittlere Ertragsniveau der 4 Roggensorten lag 2022 nach zwei schwächeren Jahren wieder etwas höher bei 172 dt/ha; dabei reichte die Spannweite von 121 dt TM/ha, 46 % TM (Obershagen) bis 208 dt TM/ha, 43 % TM (Poppenburg). In Werlte wurde bei TM-Gehalten von 35 % ein ebenfalls hoher Ertrag von 187 dt TM/ha erzielt. Progas konnte in diesem Jahr auf allen drei Prüfstandorten wieder durch überdurchschnittliche Leistungen überzeugen. Recht konstante und hohe Erträge lieferte auch SU Performer, während KWS Tayo aufgrund unterdurchschnittlicher Ergebnisse am Standort Werlte insgesamt etwas abfiel. Die erstmalig in dieser Nutzungsrichtung geprüfte Sorte SU Perspectiv überzeugte insbesondere in Werlte und Obershagen, sodass sie ertraglich auf dem gleichhohen Niveau von KWS Progas landete (Tab. 2 und 4).
Empfohlene Sorten
Mehrjährig betrachtet bietet KWS Progas für die ausschließliche Biomassenutzung konstant hohe Leistungen und bleibt damit ganz klar empfohlen. Mit SU Performer steht eine etablierte Körnersorte zur Verfügung, die ebenfalls konstante Leistungen zeigte, allerdings insgesamt etwas geringere Erträge erreichte.
Für die Option der Doppelnutzung werden in erster Linie die ertragsstarken Körnerroggensorten ausgewählt. Die in der Körnernutzung derzeit mit Abstand vermehrungsstärkste Sorte KWS Tayo konnte in den letzten zwei Jahren mit überdurchschnittlichen Kornerträgen punkten und wird von daher für diese Doppelnutzung trotz etwas schwächerer Biomasseerträge empfohlen. Gegenüber KWS Eterno erwies sich KWS Tayo in den parallelen Prüfungen durchweg stärker im Biomasseertrag
Wie sich die diesjährigen guten Erträge der Sorte SU Perspectiv zukünftig entwickeln, werden die nächsten Jahre zeigen.
Ergebnisse der Triticaleprüfung
Die Triticalesorten wurden an den ertragsstärkeren Standorten mit günstigerer Wasserverfügbarkeit in der Marsch, im Emsland sowie in der Hildesheimer Börde (siehe oben) angelegt. Entsprechend höher fiel dadurch auch das Ertragsmittel der drei Orte in Höhe von 201 dt TM/ha aus. Vor allem am Standort Otterham wurden mit 244 dt TM/ha, 39 %TM Spitzenerträge erzielt und die Sorten konnten ihr Ertragspotenzial eindrucksvoll unter Beweis stellen. Im direkten Vergleich der Kulturen an den Standorten Werlte und Poppenburg fällt auf, dass der Roggen wie auch im Vorjahr am Standort Werlte deutliche Ertragsvorteile gegenüber der Triticale aufwies. In der Marsch hingegen wird in erster Linie Triticale für die GPS-Nutzung angebaut, da hiermit regelmäßig hohe Leistungen realisiert werden konnten.
Mit Tender PZO wurde im LSV Triticale eine vom BSA rein für die Silonutzung geprüfte und zugelassene Sorte weiter im Sortiment belassen. Sie zeigte auch 2022 ihr hohes Ertragsvermögen und erreichte mit rel. 103 ein sehr gutes und insgesamt konstantes Ergebnis. Allrounder PZO ist eine Zweinutzungssorte, die im zweiten Jahr getestet wurde. Hier differierten die Leistungen auf den einzelnen Standorten etwas stärker. Sie erreichte insgesamt Erträge von rel. 101. Ramdam konnte die Ergebnisse der Vorjahre leider nicht bestätigen, möglicherweise aufgrund der insgesamt doch zumindest optisch etwas schwächeren Bestände, obwohl die Bestandesdichten bei Tender PZO und Allrounder PZO noch etwas geringer ausfielen (Tab. 3 und 5).
Die großrahmige Sorte Lumaco präsentierte sich in den Versuchen optisch sehr eindrucksvoll und bestätigte diesen Eindruck auch mit entsprechend besten Leistungen, rel. 106. Damit untermauert sie die sehr guten Werte aus dem Vorjahr.
Brehat und Bilboquet sind als zwei neue Kandidaten in die Prüfungen aufgenommen worden, wovon letztere ertraglich insgesamt nicht überzeugen konnte. Da sie in der LSV-Körnernutzungsprüfung nicht berücksichtigt wird, sind die Chancen für einen großflächigen Anbau eher gering. Brehat hingegen wird derzeit auch in der Körnernutzung geprüft, sodass die Zahlen aus den aktuellen Körnerprüfungsergebnissen sicherlich auch über eine mögliche Anbauausdehnung mit entscheiden werden. Mit TM-Erträgen von rel. 100 sollte sie durchaus noch die Möglichkeit der Weiterprüfung in der Silonutzung erhalten.
Empfohlene Sorten
Unter Einbeziehung der mehrjährigen Ergebnisse kommt für die Silagenutzung dank konstant überdurchschnittlicher Leistungen vor allem Tender PZO in Frage und wird daher klar empfohlen. Die bis 2021 mitgeprüfte Sorte Trimasso lag in den gemeinsamen Prüfjahren knapp unter den Erträgen von Tender PZO. Das ist auch der Grund, weshalb die Sorte 2022 nicht weiterverfolgt wurde.
Lumaco zeigte bereits nach zwei Prüfjahren ihre hohe Leistungsfähigkeit auch in der Silonutzung und erhält von daher auch eine klare Anbauempfehlung. Nach Durchsicht der ersten diesjährigen Kornertragsleistungen zeichnet sich ab, dass mit Lumaco eine ideale Doppelnutzungssorte zur Verfügung steht, bei der während der Vegetation entschieden werden kann, welche Verwertung letztlich angestrebt wird.
Allgemeine Anbautipps
Wird ein Getreidebestand gezielt für die GPS-Nutzung angebaut, sollte die Aussaatstärke um 10 % gegenüber der Körnernutzung erhöht werden, da vor allem die Massebildung im Vordergrund steht. Bei einer späten Aussaat ab Mitte Oktober besteht das Risiko, dass sich die Bestände vor der Vegetationsruhe nicht mehr ausreichend entwickeln und so ihr Ertragspotenzial nicht ausschöpfen können.
Herbstdüngung zu GPS möglich?
Wintergetreide mit geplanter GPS-Nutzung hat im Herbst keinen Stickstoffdüngebedarf. Lediglich die allgemeine Möglichkeit der Ausbringung organischer Dünger wie Festmist von Huf- oder Klauentieren, Kompost, Pilzsubstrat, Klärschlammerde und Grünguthäcksel ist möglich. Die entsprechenden Höchstmengen und Sperrfristen sind zu beachten (siehe aktuelle DÜV).
Der Stickstoffbedarfswert für Getreide zur GPS-Nutzung, das im Stadium beginnende Teigreife (TM-Gehalt ca. 35 %) geerntet wird, beträgt 170 kg N/ha für Roggen und 190 kg N/ha für Triticale bei einem Ertragsniveau von 350 dt FM/ha. Die Düngung sollte in zwei Gaben startbetont im Frühjahr möglichst zeitig zu Vegetationsbeginn erfolgen, um die Massenbildung zu fördern. Bei organischer Düngung muss die anfangs langsamere Nährstofffreisetzung beachtet werden. Eventuell Im Herbst durch o. g. Düngemittel gedüngte N-Mengen müssen im Frühjahr berücksichtigt, d. h. vom Stickstoffbedarfswert abgezogen werden.
Beim Pflanzenschutz gibt es Einsparpotenzial
Ist eine Herbizidbehandlung notwendig, sollte sie möglichst im Herbst stattfinden, da dies in der Regel effektiver und kostengünstiger ist. Die Bekämpfung von Blattkrankheiten ist auf den ertragsschwächeren Standorten oftmals nicht erforderlich. Vornehmlich früher und stärkerer Befall durch beispielsweise Mehltau oder Gelbrost könnte bekämpfungswürdig sein, um höhere Biomasseverluste zu vermeiden. Dabei muss die Einhaltung von Wartezeiten bis zur Ernte beachtet werden.
Wachstumsregler - ist der Einsatz sinnvoll?
Am Standort Obershagen mit eher durchschnittlicher Ertragserwartung wurden in den Jahren 2020 bis 2022 die GPS-Prüfungen mit Winterroggensorten zweifaktoriell, sprich mit bzw. ohne Wachstumsregler (WR) getestet (Abb. 1).
Ziel war es zu untersuchen, inwiefern sich der Einsatz von WR auf die Ertragsleistungen und die Standfestigkeit bei der Ganzpflanzennutzung auswirkt, da ja die gesamte Biomasse genutzt werden soll und nicht nur die Kornfraktion.
Wie vielfach auch bei anderen Versuchsfragestellungen spielte hier der Jahreseinfluss die größte Rolle. In zwei von drei Jahren (2021 u. 2022) führte der Verzicht auf den WR-Einsatz zu leichten, statistisch nicht absicherbaren Mehrerträgen. Einzig 2020 waren positive WR-Ertragseffekte erkennbar, die jedoch in erster Linie auf die starke Reaktion bei der Sorte KWS Tayo - Minderertrag von 12 % bei Verzicht auf WR - zurückzuführen war, obwohl bei allen Sorten kein Lager auftrat. Die Pflanzenlänge wurde im dreijährigen Mittel um 7 cm eingekürzt.
Das Resümee aus den bisherigen Ergebnissen lässt sich folgendermaßen beschreiben: In Abhängigkeit von der Bestandesentwicklung und den Standortgegebenheiten - hierbei sind sicherlich die Wasser- und Nährstoffversorgung bzw. -nachlieferung zu nennen - sollte bei hoher Ertragserwartung mit entsprechend üppigen Beständen zur Lagervermeidung und für eine gute Beerntbarkeit ein angepasster und wohldosierter WR-Einsatz eingeplant werden. Dies trifft beispielsweise auf vielen Marschstandorten und langjährig intensiv organisch gedüngten Flächen mit hoher Nachlieferung zu. Auf ertragsschwächeren Standorten könnte ein nicht angepasster WR-Einsatz durchaus auch zu Ertragsverlusten führen. In jedem Fall sind natürlich die entsprechenden Wartezeiten von der Applikation bis zur Ernte einzuhalten.
Fazit
Wintergetreide-GPS lieferte 2022 durchweg hohe Erträge und erwies sich wieder als flexibel und vielseitig einsetzbar.
Während bei Roggen spezielle GPS-Sorten für diese Nutzungsrichtung Ertragsvorteile bieten, gibt es bei Triticale auch sehr gute Zweinutzungssorten, die eine kurzfristige Nutzungsänderung ermöglichen.
Roggen spielt seine Vorteile in erster Linie auf den leichteren Standorten aus, ist dank der guten N-Effizienz aber auch auf besseren Standorten interessant.
Triticale bietet Ertragsvorteile auf schweren Standorten, vornehmlich in den Marschregionen.
Bei trockenheitsbedingt schwachen diesjährigen Maiserträgen könnte der GPS-Anbau für das kommende Jahr wieder ausgedehnt werden.
Die Risikostreuung durch den Anbau von Silomais als Sommerung und GPS als Winterung reduziert für die Futterbereitstellung Ertragsrisiken gerade auf leichten Standorten, da der Wasserbedarf der Kulturen in unterschiedliche Zeitfenster fällt.
Sollten die Biogasanlagen wieder mehr „Gas geben“ können, stützt das ebenfalls den GPS-Anbau und auch einen möglichen anschließenden Zweitfruchtanbau, eine ausreichende Wasserversorgung vorausgesetzt.
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