Landessortenversuche 2022: Hafer
Die Hafer-Anbaufläche ist in den letzten Jahren konstant auf einem relativ hohen Niveau geblieben. Besonders in der Marsch findet er auch Dank hoher Erträge zunehmendes Interesse, denn die Wasserversorgung ist dort in der Regel gut und der Hafer kann helfen, ackerbauliche Probleme zu verringern.
Auch im Jahr 2022 setzte sich der im Jahr 2020 begonnene kontinuierliche Anstieg des Haferanbaus in Niedersachsen fort. So lag die Anbaufläche 2022 mit 14.700 ha laut den vorläufigen Zahlen des niedersächsischen Landesamtes für Statistik (LSN) auf einem guten Niveau. Dank der positiven Fruchtfolgeeigenschaften wird Hafer in der Regel von den Landwirten bewusst angebaut. Als wertvolle Auflockerung bestehender Fruchtfolgen gewinnt Hafer damit zunehmend an Bedeutung, insbesondere auch in den Marschregionen. Der deutlich reduzierte Pflanzenschutzaufwand in dieser Kultur und die relativ geringen N-Düngeransprüche spielen dabei sicherlich eine nicht zu unterschätzende Rolle. Von den Schwierigkeiten bei der letztjährigen Herbstaussaat profitierte hingegen in erster Linie der Sommerweizen durch eine verstärkte Anbauausdehnung.
Für das Jahr 2022 wurde vom LSN ein durchschnittlicher Haferertrag von 51,3 dt/ha geschätzt, der damit leicht über dem Niveau des Vorjahres liegt. Sowohl in der Praxis als auch in den Landessortenversuchen (LSV) sind jedoch starke Ertragsunterschiede erkennbar. Insbesondere in der Marsch konnte Hafer gegenüber dem Sommerweizen sehr gute Erträge erzielen. In den dortigen Versuchen wurden Erträge über 100 dt/ha erreicht. Aber auch auf den leichteren Sandstandorten wurden Durchschnittserträge in den Versuchen von über 70 dt/ha erzielt.
Erträge der Sorten
Im Landessortenversuch Hafer wurden in den zwei Anbauregionen „Sandstandorte Nordwest“ und „Marsch, lehmige Standorte Nordwest“ zusätzlich zu den mehrjährig geprüften Sorten Max, Apollon, Delfin und Lion die beiden letztjährigen Neuaufsteiger Fritz und Magellan weitergeprüft. Die zwei neu vom Bundessortenamt (BSA) zugelassenen Sorten Scotty und Platin wurden in den LSV aufgenommen. Nicht weiter verfolgt wurden Symphony und Armani.
In der Anbauregion „Marsch, lehmige Standorte Nordwest“ wurden an dem 2021 neu hinzugekommenen Marschstandort Otterham (LK AUR) und den Lehmstandorten Astrup (LK OS) und Poppenburg (LK HI) sowie an je zwei bzw. drei Standorten in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen Versuche durchgeführt. In der Anbauregion „Sandstandorte Nordwest“ konnten 2022 mit Holtorfsloh (LK WL), Wehnen (LK WST) und Werlte (LK EL) nur die drei Standorte aus Niedersachsen in die Auswertung einfließen.
In den zusammengefassten mehrjährigen Ergebnissen 2018 bis 2022 wurden wieder Ergebnisse aus den Wertprüfungen des Bundessortenamtes berücksichtigt, die in der Anbauregion Marsch, lehmige Standorte Nordwest durchgeführt wurden. Dies macht die Sortenbeurteilung der neueren Kandidaten entsprechend belastbarer.
Auf den Sandstandorten Nordwest wurden gegenüber den Vorjahren deutlich verbesserte Erträge von durchschnittlich 73,5 dt/ha geerntet. Die Niederschlagsverteilung war an diesen Standorten relativ günstig, anders als es in den östlichen Landesteilen in diesem Jahr oftmals der Fall war. Die höchsten Erträge erzielten hier die neue Sorte Platin und die zweijährig geprüfte Sorte Fritz mit rel. 103.2 bzw. rel.102,7. Mit Ausnahme der Sorte Max, die mit knapp rel. 97 das schwächste Ergebnis erreichte, lagen die anderen Sorten im durchschnittlichen Bereich. Da in dieser Anbauregion keine Wertprüfungen durchgeführt werden, ist die Datengrundlage bei der mehrjährigen Betrachtung etwas eingeschränkt. Von den vierjährig und länger geprüften Sorten lagen alle Sorten auf einem leicht unterdurchschnittlichen Ertragsniveau. Apollon und Delfin erreichten hier mit rel. 99,3 bzw. 98,5 noch die besten Erträge, während Lion und Max im Bereich von rel. 97,4 bzw. 96,8 lagen. Mit zwei jeweils gegensätzlichen Jahresergebnissen erzielten dennoch beide zweijährig geprüften Sorten Magellan und Fritz mit rel. 102,8 und 101,0 insgesamt überdurchschnittliche Ergebnisse. Von den neuen Sorten überzeugte vor allem Platin mit guten Leistungen auf allen Standorten. Eine klare Sortenempfehlung gestaltet sich bei der recht dünnen Datenlage etwas schwierig. Aus ertraglicher Sicht mit relativ konstanten Erträgen über die Jahre sind Apollon und Delfin nach wie vor zu empfehlen. Sollten sich auch künftig die tendenziell höheren Erträge der zweijährig geprüften Sorten Magellan und Fritz bestätigen, werden diese ebenfalls empfohlenen Sorten mehr an Bedeutung gewinnen. Bei letzterer Sorte muss die erhöhte Lagergefahr allerdings beachtet werden, daher wird die Empfehlung eingeschränkt. Aus qualitativer Sicht, das heißt, wenn ein sicheres Hektolitergewicht und geringe Spelzanteile im Vordergrund stehen, sind Lion und nach wie vor die ertragsschwächere Sorte Max die erste Wahl. Trotz der begrenzten Ergebnisse käme für den Probeanbau von den neuen Sorten am ehesten Platin in Frage.
Auch in der Anbauregion Marsch, lehmige Standorte Nordwest konnte mit 88,8 dt/ha ein hoher Durchschnittsertrag erzielt werden, wobei hier die Ertragsunterschiede zwischen den niedersächsischen Standorten Astrup mit 60 dt/ha und Otterham in der Marsch mit 106 dt/ha stark ausgeprägt waren. Enttäuschend waren die Erträge trotz hoher Bodengüte am Bördestandort in Poppenburg mit lediglich 73 dt/ha. Insbesondere hier war die mangelnde Wasserversorgung spürbar, ebenso in Astrup.
Im Mittel der insgesamt acht Standorte erreichten die Sorten Scotty, Magellan, Fritz und Delfin mit Relativwerten von 103,0 bis 101,4 die besten Erträge. Sehr konstante und ebenfalls gute Ergebnisse erreichte auch Platin mit rel. 100,5. Enttäuschend hingegen waren die Leistungen von Lion mit rel. 96,4 und Apollon mit rel. 96,7.Hier zeigte sich Max mit rel. 98,4 noch merklich ertragsstärker.
Bei Betrachtung der mehrjährigen Ergebnisse bestätigten beide zweijährig geprüften Sorten Fritz und Magellan ihre guten Vorjahresleistungen mit rel. 101,8 bzw. 101,4. Von den bereits etablierten Sorten überzeugte in erster Linie Delfin mit rel. 100,2. Lion rutschte aufgrund der schwachen 2022er Zahlen auf rel. 98,6 ab. Max und Apollon erreichten mit etwa rel. 97,5 die schwächsten Werte. Unter Einbeziehung der WP-Vorprüfungsergebnisse schnitt die neue Sorte Scotty mit rel. 103,2 insgesamt am besten ab, während Platin hier nur durchschnittliche Ergebnisse erzielte.
Aus ertraglicher Sicht werden für diese Anbauregion Delfin und Magellan klar und wegen der erhöhten Lagergefahr Fritz eingeschränkt empfohlen. Wird der Hafer in erster Linie für die Vermarktung mit entsprechend günstigen Qualitätseigenschaften angebaut, so bietet Lion einen guten Kompromiss zwischen Ertrag und Qualität. Nach wie vor ist Max aus qualitativer Sicht die stärkste Sorte, was auch die mit Abstand höchste Vermehrungsfläche begründet. Der schwächere Ertrag führt allerdings nur zu einer eingeschränkten Empfehlung. Dank sehr hoher Ertragsleistungen im ersten LSV-Jahr käme Scotty für den Probeanbau in Frage.
Ergebnisse der Qualitätsuntersuchungen
Die Nachfrage nach Qualitätshafer nimmt seitens der aufnehmenden Hand weiter zu. Daher sollte versucht werden, diesen Markt stärker durch heimischen Anbau zu bedienen. Wie bei anderen Kulturen auch - als Beispiel seien hier der Qualitätsweizen- oder der Braugerstenanbau genannt - sollten, wenn möglich, bereits vor der Aussaat die Abrechnungsmodalitäten für die Qualitätsparameter beim Verkauf abgestimmt werden. Entsprechende Qualitätsaufschläge bei der Vermarktung als Industriehafer für die Nährmittelherstellung oder aber der Direktverkauf an Pferdehalter machen den Haferanbau wirtschaftlich interessanter.
Um Preisaufschläge für Industriehafer zu bekommen, müssen jedoch Mindestanforderungen des Handels erfüllt werden. Dieses gelingt oftmals nicht. Nach wie vor ist das Hektolitergewicht (hl-Gewicht) eines der wichtigsten Kriterien. Gefordert werden Gewichte von 54 kg/hl, für die Einstufung als Qualitätshafer sind es sogar 55 kg/hl.
Mit Werten von durchschnittlich 51,3 kg/hl wurden die geforderten Normen von allen Sorten wieder deutlich verfehlt. Allerdings zeigten sich klare Unterschiede zwischen den Standorten. Erfreulich hoch fielen die hl-Gewichte auf den drei Marschstandorten aus, wo vor allem Max, aber auch Lion und Delfin Werte über 55 kg, sowie Platin und Fritz Werte über 54 kg erreichten. Insbesondere auf den Standorten mit forcierter Abreife lagen die hl-Gewichte zum Teil deutlich unter 50 kg.
Max erreichte über alle Standorte betrachtet wie in den Vorjahren die besten Werte, knapp dahinter lagen Fritz, Lion und Delfin.
Die geforderten Mindestwerte von 27 g/i. Trs. beim TKM und 20 g/i. Trs. Tausendkerngewicht (TKM abzüglich Spelzen) wurden von allen Sorten klar erfüllt. In beiden Kriterien erreichten Fritz, Apollon und Delfin die besten Werte.
Bei der Produktion von Haferflocken wird Wert auf einen möglichst geringen Anteil an Spelzen gelegt. Der Spelzanteil lag in den Versuchen 2022 mit 26,4 % knapp außerhalb der geforderten Norm. Die geringsten Spelzanteile wies wie in den Vorjahren Lion mit 25,2 % auf; innerhalb des Normbereiches blieben auch Platin mit 25,7 % und Max mit 25,9 %. Im orthogonalen mehrjährigen Vergleich konnten durch geringe Spelzanteile vor allem Max und Lion überzeugen.
Um einen erfolgreichen Haferanbau zu gewährleisten, ist eine gesicherte Wasserversorgung erforderlich. Das haben die Jahre 2018 und 2019 im negativen Sinn sowie die diesjährigen Marschstandorte im positiven Sinn gezeigt. Die Aussaat sollte möglichst zeitig im Frühjahr erfolgen, sobald es die Witterungs- und Bodenverhältnisse zulassen. Die Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit wirkt sich positiv auf den recht hohen Wasserbedarf aus.
Für die Produktion von Qualitätshafer sollten die genetisch fixierten Sortenunterschiede als entscheidendes Auswahlkriterium berücksichtigt werden.
Die empfohlenen Sorten im Einzelnen:
Max ist zur Erzeugung von Qualitätshafer nach wie vor die Sorte der Wahl, da sie in der Kombination von hohen hl-Gewichten und geringem Spelzanteil über die Jahre die besten Ergebnisse liefert. Die seit 2021 wieder sprunghafte Ausdehnung der Vermehrungsfläche ist ein deutliches Zeichen für die Anbaubedeutung dieser mit Abstand anbaustärksten Hafersorte. Sie wird daher vornehmlich als qualitätsbetonte Sorte für den Anbau empfohlen. Ertraglich konnte sich Max in den beiden Trockenjahren recht gut behaupten, fiel seit 2020 jedoch wieder deutlich zurück. Agronomisch ist die im Vergleich zu den anderen Prüfkandidaten höhere Lagerneigung zu beachten.
Lion konnte die recht hohen Erwartungen nach dem ersten LSV-Jahr 2019 nicht ganz erfüllen. Vor allem auf den Marsch- bzw. Lehmstandorten enttäuschte die Sorte 2022. Da sie neben Max jedoch die besten Qualitätseigenschaften aufweist, wird sie in erster Linie für den Qualitätshaferanbau empfohlen, zumal sie auch deutlich standfester und halmstabiler ist.
Magellan konnte in den mehrjährigen Erträgen in beiden Anbauregionen überzeugen. Sie wird als ertragsbetonte Sorte empfohlen, die qualitativ und in den agronomischen Eigenschaften allerdings eher im mittleren bzw. schwächeren Bereich einzustufen ist.
Delfin fiel mehrjährig betrachtet ertraglich vornehmlich auf den ertragsstärkeren Standorten in der Anbauregion Marsch, lehmige Standorte Nordwest auf. Die Qualitätsergebnisse waren in den Jahren allerdings etwas schwankend, insbesondere beim Spelzanteil zeigte die Sorte in unseren Versuchen nur durchschnittliche Ergebnisse. Positiv hervorzuheben sind die Standfestigkeit und die Unempfindlichkeit gegenüber Mehltau, zu beachten hingegen ist die deutliche Reifeverzögerung im Stroh. Als langjährig geprüfte Sorte wird sie nach wie vor in beiden Anbauregionen empfohlen.
Apollon wird aus ertraglicher Sicht noch für die Sandstandorte empfohlen, da sie dort im Vergleich zu Delfin in den letzten zwei Jahren etwas stärkere Erträge erzielen konnte.
Fritz konnte vom Ertrag her nach zwei Prüfjahren ebenfalls im Mittel überzeugen. Bei guten hl-Gewichten aber ungünstigen Spelzanteilen ist die Sorte als Qualitätshafer nur eingeschränkt geeignet. Hauptmanko der Sorte ist die auch vom BSA ausgewiesene starke Lagerneigung, die nur eine eingeschränkte Anbauempfehlung möglich macht.
Die beiden erstmalig im LSV stehenden Sorten Scotty und Platin werden regional für den Probeanbau empfohlen. Scotty erreichte vor allem auf den Marsch- und Lehmstandorten überdurchschnittliche Ergebnisse, die auch durch die Vorprüfungen untermauert werden und eine vorläufige Empfehlung rechtfertigen. Neben insgesamt günstigen Spelzanteilen und einer guten Stand- und Halmfestigkeit sowie der sehr guten Mehltauresistenz ist allerdings die Reifeverzögerung des Strohs zu beachten. Platin verdankt ihre Probeanbauempfehlung der bisherigen guten Ertragsleistung auf den Sandstandorten und ihren guten Qualitätseigenschaften, insbesondere im Spelzanteil sowie im hl-Gewicht. Beide Sorten, vor allem Platin müssen ihre Ertragsleistungen in den Folgejahren unter Beweis stellen.
Zusammenfassung
Hafer festigte 2022 seinen Anbauumfang in Niedersachsen. Als Gesundungsfrucht mit geringer Krankheitsanfälligkeit findet er vor allem auch in durch Winterungen dominierten Fruchtfolgen zunehmend Beachtung. Die erfreulich starken Ertragsleistungen auf den Marschstandorten sowie die vor allem in diesem Jahr sehr positiven Qualitätsleistungen könnten dort zu einem erweiterten Anbau führen, zumal dadurch auch ackerbauliche Probleme, wie beispielsweise die Bekämpfung von Ackerfuchsschwanz, effektiver gelöst werden könnten.
Die vor allem beim Qualitätsweizen oder auch bei der Braugerste angehobenen Preisaufschläge konnten beim Hafer anscheinend nicht realisiert werden. Als Futterware lagen die Preise auf einem eher schwachen Niveau. Um dennoch mögliche Preisaufschläge zu realisieren, müssen die entsprechenden Qualitätskriterien relativ sicher erfüllt werden. Die Sortenwahl kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Darüber hinaus sollten aber auch die produktionstechnischen Bedingungen wie frühe Aussaat und eine kontinuierlich sichere Wasser- und Nährstoffversorgung stimmen. Da nach wie vor der Großteil der niedersächsischen Erntemenge in die Fütterung fließt, spielt auch beim Hafer der Ertrag oftmals die entscheidende Rolle. In Abhängigkeit von den Vermarktungsmöglichkeiten sind bei der Anbauplanung die unterschiedlichen Sorteneigenschaften zu berücksichtigen; hier spielen dann vornehmlich das hl-Gewicht und möglicherweise auch der Spelzanteil eine entsprechende Rolle.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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