Landessortenversuche 2024: Sommer-Futtergerste
2024 haben die Sommerungen eine große Rolle im Ackerbau gespielt, insbesodere die Sommergerste profitierte von den widrigen Aussaatbedingungen im Herbst 2023. Im LSV Sommer-Futtergerste zeigte sich, dass ertragsstarke und robuste Sorten für den Anbau zur Verfügung stehen.
Auf vielen für Wintergetreide vorgesehenen Flächen konnte im Herbst 2023 aufgrund widriger Aussaatbedingungen nicht wie geplant ausgesät werden. Hiervon profitierte der Anbau von Sommergerste in besonderem Maße. Da sie im Gegensatz zum Sommerweizen sowohl auf den leichteren als auch auf besseren Standorten angebaut werden kann, war die Sommergerste auch in den klassischen Anbauregionen gefragt, wo insbesondere der Winterweizen nicht bestellt werden konnte. Aber auch auf leichteren Standorten kam sie vermehrt zum Zuge, so auch in den Braugerstenregionen. Der Anbauumfang von Sommergerste ist dadurch laut Angaben des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) gegenüber dem Vorjahr sprunghaft von 33.200 ha auf 60.500 ha gestiegen.
Entwicklungsverlauf
Die Sommergerstenaussaat wurde in Niedersachsen vielfach noch durch die feuchten Bodenbedingungen im Winter bzw. Frühjahr beeinflusst. Ab der zweiten Märzwoche begann auf den eher trockeneren Standorten die Aussaat, die sich jedoch in den feuchteren Regionen bis Mitte April hinzog. Die weitere Entwicklung verlief in der Regel zufriedenstellend, da die in anderen Jahren oftmals herrschende Frühjahrstrockenheit ausblieb. Trockenheitsbedingte Mindererträge traten im Prinzip nicht auf. Die Futtergerstenbestände haben sich, wie auch die Winterungen oder der Sommerweizen, weniger gut bestockt, wodurch sich die Erträge möglicherweise nicht so wie erhofft entwickelten. Ein erhöhter Krankheitsbefall war 2024 nicht festzustellen. Hauptkrankheiten waren Zwergrost, Rhynchosporium und Netzflecken, die jedoch nur in einzelnen Regionen verstärkt auftraten; lokal war Mehltau stärker auffällig. Ramularia hat in diesem Jahr anscheinend keine gravierende Rolle gespielt. Da aus vergangenen Jahren das hohe Schadpotenzial und die anspruchsvolle Behandlung von Ramularia bekannt sind, sollte hier dennoch weiterhin auf gute Gesundheitseigenschaften der Sorten gesetzt werden.
Die Bestände wurden meistens im Zeitraum von Ende Juli bis Mitte August unter insgesamt günstigen Bedingungen beerntet. Die günstigeren Witterungsbedingungen als 2023 führten zu einem deutlichen Anstieg der Durchschnittserträge auf 53,6 dt/ha gegenüber den letztjährigen enttäuschenden Erträgen von 40,4 dt/ha.
In „Normaljahren“ konzentriert sich der Futtergerstenanbau auf die leichteren Standorte Nordwestdeutschlands. Für diese Anbauregion „Sandige Standorte Nordwest/Marsch“ wurden sieben Versuche in den drei Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen durchgeführt und ausgewertet. In Niedersachsen wurden die Prüfungen wie in den Vorjahren an den Sandstandorten Holtorfsloh (LK WL), Wehnen (LK WST) und Werlte (LK EL) sowie zusätzlich in der Marsch in Otterham (LK AUR) angelegt. Hinzu kamen zwei Standorte aus Nordrhein-Westfalen sowie ein Standort aus Schleswig-Holstein. Um der höheren Anbaubedeutung von Sommerungen in den Marschregionen Rechnung zu tragen, wurde neben Sommerweizen und Hafer auch die Sommergerste wieder in Otterham geprüft. Da jedoch aus Schleswig-Holstein kein weiterer Marschstandort zur Verfügung stand, fließen diese Standortergebnisse in die Gesamtbetrachtung für die nordwestlichen Standorte mit ein.
Das letztjährige Prüfsortiment wurde um zwei Sorten auf nunmehr sieben Kandidaten erweitert. Zum einen wurde die neu vom Bundessortenamt zugelassene Sorte Bounty aufgrund hoher Ertragseinstufungen aufgenommen, zum anderen wurde die bereits 2023 erfolgreich in den Braugerstenprüfungen stehende Sorte LG Caruso wegen ihrer gezeigten Ertragsleistungen getestet. Mit nunmehr zehn Prüfjahren fungiert RGT Planet sowohl in den Futter- als auch in den Braugerstenprüfungen nach wie vor als Gradmesser der Leistungsfähigkeit neuerer Sorten. Kimberly, LG Belcanto und Lexy standen im vierten und LG Rumba im dritten Prüfjahr.
Das Ertragsniveau im LSV lag im Mittel der sieben Standorte mit 63 dt/ha auf einem durchschnittlichen Niveau. Die schwachen letztjährigen Erträge von 49 dt/ha konnten deutlich übertroffen werden, allerdings wurden auch die Spitzenerträge von 81 dt/ha aus dem Jahr 2022 weit verfehlt. Die Erträge der drei leichteren niedersächsischen Standorte bewegten sich in einem Bereich von 66 bis 76 dt/ha. Überraschend schwach fielen die Erträge auf dem Marschstandort Otterham mit lediglich 59 dt/ha aus. Die Parzellen erreichten in diesem Jahr nicht die gewünschte Anzahl ährentragender Halme und auch die TKM fiel im Vergleich zu den übrigen Standorten sehr schwach aus. Von den Spitzenerträgen aus 2022 mit 105 dt/ha war man also auch in diesem Jahr weit entfernt. Der erst Mitte April bestellte Standort Lemgo in NRW erreichte mit lediglich 40 dt/ha das schwächste Ergebnis während der Standort Haus Düsse mit 63 dt/ha und der schleswig-holsteinische Standort Kastorf mit 66 dt/ha mittlere Erträge erzielten.
Ergebnisse der Sorten
Erstmalig seit vielen Prüfjahren konnte RGT Planet nicht an ihre guten Leistungen aus den Vorjahren anknüpfen, sie erreichte auf fünf der sieben Standorte nur unterdurchschnittliche Erträge. Die nicht in NRW geprüfte Sorte LG Belcanto hingegen erzielte vor allem auf den leichteren niedersächsischen Standorten mit Werten von rel. 102 insgesamt überdurchschnittliche Ergebnisse. Kimberly wies recht schwankende Ertragsleistungen auf, sodass sie insgesamt mit rel. 98 nicht ganz überzeugen konnte. Vergleichbar sind auch die Ergebnisse von Lexy zu beurteilen, die sich in den Futtergerstenprüfungen bislang nicht als ertragsstark erwies und besonders auf den niedersächsischen Standorten unterdurchschnittliche Leistungen zeigte. Mit rel. 102 erreichte LG Rumba sehr gute Erträge, wobei auch hier stärkere Schwankungen zwischen den Einzelstandorten erkennbar wurden. Deutlich konstanter und mit auf allen Prüfstandorten überdurchschnittlichen Erträgen bestätigte die erstmalig geprüfte Sorte LG Caruso ihre bereits letzt- und diesjährigen Braugerstenerträge eindrucksvoll. Der Wert von rel. 107 zeigte sie klar als die ertragsstärkste Sorte. Mit Ausnahme des enttäuschenden Ergebnisses auf dem ertragsschwachen Standort Lemgo erzielte die neue Sorte Bounty hohe und überzeugende Erträge, insgesamt rel. 100.
In der mehrjährigen Betrachtung erreichte LG Rumba von den wenigstens dreijährig im LSV geprüften Sorten mit rel. 102,1 das beste Ergebnis, da sie in allen Prüfjahren mit überdurchschnittlichen Erträgen überzeugen konnte. Als zweitstärkste Sorte ist LG Belcanto mit rel. 100,3 zu nennen. Kimberly fiel aufgrund schwächerer diesjähriger Erträge etwas ab und erreichte wie auch Lexy und RGT Plantet leicht unterdurchschnittliche Ergebnisse mit rel. 98. Auch unter Einbeziehung der Wertprüfungsergebnisse aus den Vorjahren lag LG Caruso mit rel. 102,3 auf dem gleichen Niveau wie LG Rumba, wobei sie in diesem Jahr etwas homogenere Leistungen zeigte. Durch gute Vorprüfungsergebnisse konnte die neue Sorte Bounty das einjährige Ergebnis noch etwas verbessern.
Qualitäten
Die Verwertung von Sommerfuttergerste findet vorrangig im eigenen Betrieb statt. Da sie jedoch in diesem Jahr in unterschiedlichsten Regionen auch vielfach auf Betrieben ohne Viehhaltung angebaut wurde, spielte die Vermarktung durchaus eine Rolle. Bei der Vermarktung sind entsprechend die Qualitätskriterien mit zu berücksichtigen. Hierbei ist vor allem das Hektolitergewicht (hl-Gewicht) maßgebend, welches mindestens 62 kg/hl betragen sollte. Bei ausreichendem Angebot ist teilweise aber bereits bei Werten unterhalb von 64 kg/hl mit Preisabschlägen zu rechnen. Die Parameter Ertrag, Standfestigkeit, Halmstabilität und Pflanzengesundheit sind, wie bei den anderen Getreidearten auch, generell für die Sortenwahl entscheidend.
Die Sorten erreichten im Mittel mit 63,2 kg/hl wieder durchschnittliche Werte, die sich gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert haben, ohne jedoch an die sehr guten Ergebnisse von 65,6 kg/hl aus dem Jahr 2022 heranzukommen. Mit Abstand die höchsten hl-Gewichte wurden am Marschstandort Otterham mit durchschnittlich 69,4 kg/hl erzielt. Auf den übrigen Standorten bewegten sich die Gewichte in einem Bereich von 57 bis 64 kg/hl. Erwähnenswert ist, dass durch die Fungizidbehandlungen im Mittel der Standorte die Kornfüllungsphase positiv beeinflusst wurde, wodurch sich die hl-Gewichte um 2 kg verbessern konnten.
RGT Planet erreichte mit 64,4 kg/hl die höchsten hl-Gewichte, gefolgt von LG Caruso, Kimberly, LG Rumba, LG Belcanto und Lexy, bei denen die Werte von 63,5 bis 62,9 kg/hl etwas geringer ausfielen. Die schwächsten hl-Gewichte wies Bounty mit 61,8 kg/hl aus. Da die geprüften Futtergerstensorten für die Zulassung zur Braugerstennutzung beim Bundessortenamt angemeldet werden, sind sie auf geringe RP-Gehalte gezüchtet worden und werden damit in der Einstufung Rohproteingehalt entsprechend sehr schwach eingestuft. Mit 11,1 % RP-Gehalt im Mittel aller Standorte bei einer Bandbreite zwischen den Standorten von 9,0 bis 13,4 % liegen die Ergebnisse wieder auf einem mittleren Niveau. Die Sortenunterschiede waren insgesamt sehr gering.
Zusammenfassende Sortenbeurteilung
LG Rumba wurde vom BSA als ertragsbetonte Futtergerstensorte zugelassen und konnte diese Einstufung durch sehr gute Erträge in allen drei LSV-Jahren bestätigen. Die standfeste und halmstabile Sorte erwies sich gegenüber Krankheiten, besonders gegenüber Mehltau und Zwergrost, als sehr robust und auch gegenüber Rhynchosporium, Netzflecken und Ramularia zeigte sie keine Schwächen. Als derzeit ertragsstärkste Sorten wird sie daher für den Futtergerstenanbau klar empfohlen.
LG Belcanto überzeugte ertraglich in allen vier Prüfjahren und wird deshalb als ertragsstarke Sorte klar empfohlen. Darüber hinaus erwies sie sich in den Prüfungen als standfest, halmstabil und relativ robust gegenüber Krankheiten.
Die langjährig geprüfte Sorte RGT Planet konnte 2024 nicht an ihr bisheriges Ertragsniveau heranreichen, sie fiel mehrjährig betrachtet auf einen unterdurchschnittlichen Ertrag zurück. Da die Sorte bislang jedoch über die Jahre konstante Ergebnisse erzielte, wird sie noch eingeschränkt empfohlen. Nach wie vor verfügt RGT Planet über eine ausreichende Robustheit gegenüber Krankheiten und zeigte keine gravierenden Mängel in der Standfestigkeit. Sollten sich im kommenden Jahr jedoch die schwächeren Erträge bestätigen, würde sie keine Empfehlung mehr erhalten.
Die vierjährig geprüfte Sorte Kimberly erzielte mehrjährig betrachtet mit rel. 98 auch nur leicht unterdurchschnittliche Ergebnisse auf dem Ertragsniveau von RGT Planet. In den agronomischen Merkmalen wie Stand- und Halmfestigkeit sowie Robustheit gegenüber Krankheiten, besonders auch gegenüber Zwergrost und Netzflecken, ist sie hingegen deutlich positiver eingestuft. Daher wird sie aufgrund der sehr positiven Merkmalseinstufungen trotz etwas schwächerer Erträge noch eingeschränkt empfohlen.
Die für den Braugerstenanbau eindeutig empfohlene Sorte und nunmehr auch als Futtergerste vierjährig geprüfte Sorte Lexy schnitt ertraglich schwächer ab. Wie die übrigen Sorten konnte auch Lexy in den agronomischen Eigenschaften überzeugen. In Niedersachsen erhält sie daher ganz klar eine Empfehlung für den Braugerstenanbau und nur eingeschränkt als Futtergerste. Für diese Nutzungsrichtung, die mehr in den westlichen bzw. nordwestlichen Regionen eine Rolle spielt, kommen aus ertraglicher Sicht jedoch eher die ertragsstärkeren Futtergerstensorten in Frage.
Für den Anbau 2025 hat LG Caruso eine Empfehlung als Braugerste erhalten. Die Sorte überzeugte auch im ersten LSV-Jahr als Futtergerste ertraglich, sodass sie dank ihrer sehr guten Ertragsleistungen zumindest für den Probeanbau auch hier in Frage kommt. Wie LG Rumba zeichnet sich LG Caruso durch eine gute Standfestigkeit und Halmstabilität aus und ist darüber hinaus auch sehr blattgesund; insbesondere gegenüber Mehltau und Zwergrost ist sie sehr unempfindlich.
Die neue Sorte Bounty erreichte im ersten Prüfjahr durchschnittliche Erträge und bestätigte ihre durchschnittliche Standfestigkeit und insgesamt gute Blattgesundheit. Aufgrund der schwachen hl-Gewichte wird sie wohl vornehmlich in der hofeigenen Verwertung eine Chance bekommen.
Ausblick
Die sprunghafte Anbauausdehnung der Sommergerstenfläche im Frühjahr 2024 beruhte in erster Linie auf den widrigen Aussaatbedingungen für Winterungen im Herbst 2023. In diesem Herbst konnte das Wintergetreide hingegen weitestgehend unproblematisch bestellt werden, sodass die Sommergerstenfläche für 2025 mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder deutlich reduziert werden wird.
Die LSV-Ergebnisse haben gezeigt, dass ertragreiche und im Anbau robuste Futtergerstensorten zur Verfügung stehen, die oftmals direkt in der hofeigenen Fütterung verwertet werden. Bei einer geplanten Vermarktung sollten vorzugsweise Sorten mit sicheren hl-Gewichten ausgewählt werden. Mit LG Rumba und LG Belcanto stehen sehr ertragsstarke Sorten zur Verfügung. Durch hohe hl-Gewichte überzeugte vor allem die altbewährte, allerdings etwas ertragsschwächere Sorte RGT Planet.
Für Standorte wie beispielsweise in der Marsch, auf denen durch eine Fruchtfolgeerweiterung mit Sommerungen pflanzenbauliche Probleme bei der Unkrautbekämpfung besser in den Griff zu bekommen sind, kann sicherlich auch der Sommergerstenanbau eine Option sein.
Derzeit zeichnen sich für die Vermarktungsaussichten im Bereich Braugerste nicht mehr so günstige Entwicklungen ab, da der Absatz eher rückläufig ist. Hier sollten mit der aufnehmenden Hand im Vorfeld Vermarktungskonditionen abgesprochen werden.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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