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Landessortenversuche 2024: Sommer-Braugerste

Webcode: 01043642
Stand: 14.11.2024

Die Anbaufläche von Braugerste ist in Niedersachsen in diesem Jahr aus mehereren Gründen wieder angestiegen. Dank der im Vergleich zu den Vorjahren guten Wasserversorgung und unproblematischen Ernte waren die Erträge und vor allem die Qualitäten deutlich besser als im letzten Jahr. Die Ergebnisse des Landessortenversuchs Sommer-Braugerste zeigen die Leistungsfähigkeit der geprüften Sorten.

Sommer-Braugerste
Sommer-BraugersteCarsten Rieckmann

Der Braugerstenanbau profitierte in diesem Jahr zum einen von den widrigen Anbaubedingungen bei den Winterungen, für die oftmals eine vorgesehene Aussaat nicht möglich war, zum anderen durch die attraktiven Vermarktungskonditionen zum Zeitpunkt der Anbauplanung und Aussaat.

Dies führte dazu, dass sich die Braugerstenfläche, wie sie von der Braugerstengemeinschaft angeben wird, um gut 4.000 ha auf 31.000 ha incl. ca. 4.000 ha Spätherbstaussaat erhöht hat.

Die Aussaatbedingungen für die Braugerste waren in diesem Frühjahr recht günstig, auf den meisten Flächen konnte im Zeitraum Anfang bis Ende März ausgesät werden. Dank der erheblichen Niederschläge in den Wintermonaten waren die Böden wieder gut aufgefüllt, sodass die Grundwasserstände sich auf den leichteren Sandstandorten im nordöstlichen Kammergebiet, wo die Braugerste hauptsächlich angebaut wird, weitgehend gut erholt haben.

Die während der Vegetationszeit regelmäßig gefallenen Niederschläge ließen durchweg gute Braugerstenbestände heranwachsen, die in der Regel auch die erforderlichen Qualitäten erfüllten. Beregnungsmaßnahmen konnten gegenüber den vorangegangenen trockeneren Jahren deutlich reduziert werden. Lediglich im Mai wurden eine bis zwei Beregnungsgaben gegeben, wie es beispielsweise auch in den Landessortenversuchen geschehen ist. Gegenüber dem Vorjahr verbesserten sich laut der vorläufigen Ernteschätzungen des LSN die Praxiserträge bei der Sommergerste insgesamt von 40 dt/ha im Jahr 2023 um 15 dt/ha auf 55 dt/ha 2024. Trotz der insgesamt günstigen Wasserversorgung wurden letztlich nicht ganz die erhofften Erträge erzielt. So wird zusammengefasst auch bundesweit die diesjährige Situation von Seiten der Bundesbraugerstengemeinschaft in ihrem ersten Erntebericht eingestuft. Mit ca. 160.000 t wurde in Niedersachsen wieder die sehr hohe Sommerbraugerstenmenge des Jahres 2022 erreicht.

Landessortenversuche

Die Anlage der Versuche erfolgte 2024 erneut an vier Standorten im östlichen Bereich Niedersachsens, genauer gesagt in den Landkreisen Uelzen, Celle, und Peine und in der Region Hannover.

Neben den langjährigen Standorten Hamerstorf (LK UE), Celle-Habighorst (LK CE) und Arpke (Region H) wurde der Versuch im Landkreis Peine in diesem Jahr auch wieder auf einem etwas höher bonitierten Standort in Schmedenstedt angelegt. Insgesamt wurden sechs Braugerstensorten geprüft. Die langjährig als Qualitätsstandard mitgeprüfte Sorte Avalon wurde seit diesem Jahr nicht mehr weitergeprüft. Auch die Sorte Prospect spielt im Sommerbraugerstenanbau keine gravierende Rolle mehr und wurde daher nicht mehr berücksichtigt. Weiterhin fungiert die langjährig geprüfte Sorte RGT Planet als Vergleichsmaßstab in qualitativer und ertraglicher Sicht gegenüber den neueren Sorten. Im fünften Prüfjahr stand Amidala, während Lexy das vierte Jahr absolvierte. Mit Sting und LG Caruso standen zwei Sorten im zweiten Prüfjahr, die in diesem Frühjahr beide erfolgreich das Berliner Programm absolviert haben und denen die Verarbeitungsempfehlung ausgesprochen wurde. Mit Ostara wurde eine neue vom Bundessortenamt (BSA) 2023 zugelassene Sorte aufgenommen, die in diesem Jahr in den großtechnischen Praxisversuchen getestet wurde.

Die Versuche wurden je nach Ertragserwartung auf einen N-Bedarfswert von 130 bis 150 kg/ha (incl. Nmin 0 - 90 cm und Berücksichtigung der Vorfruchteffekte) mineralisch gedüngt.

Alle vier angelegten Versuche waren auswertbar und erreichten mit durchschnittlich 64,8 dt/ha gegenüber dem Vorjahr deutlich höhere Erträge. Die Erträge der Einzelorte variierten von 58,5 am Standort Hamerstorf bis 72,3 dt/ha am Standort Arpke. In Schmedenstedt und Celle-Habighorst lagen die Erträge bei 66,5 bzw. 62,0 dt/ha.

In der Ertragstabelle werden neben den Ergebnissen der Einzeljahre auch die Durchschnittserträge der mehrjährigen Verrechnung dargestellt. In diesen Durchschnittserträgen sind ergänzend zu den LSV-Ergebnissen auch die zuvor generierten Wertprüfungsergebnisse aus dieser Anbauregion in die statistische Verrechnung einbezogen worden. Dank dieser Vorprüfungsergebnisse werden insbesondere auch die Bewertungen der neueren Kandidaten deutlich aussagekräftiger. Um Aussagen zur Behandlungsintensität der Sorten darstellen zu können, sind für das aktuelle Jahr in der Spalte Minderertrag die Auswirkungen des fehlenden Fungizid- bzw. Wachstumsreglereinsatzes dargestellt. Insgesamt zeigten die Sorten relativ geringe Ertragseffekte beim Verzicht auf oben genannte Behandlungen, was damit auf eine generelle gute Blattgesundheit und Strohstabilität hinweist. Ramularia hat in diesem Jahr anscheinend keine gravierende Rolle an den Versuchsstandorten gespielt, auch bei den gegenüber dieser Krankheit eher etwas empfindlicheren Sorten traten nur sehr geringe Mindererträge auf. Da aus vergangenen Jahren das hohe Schadpotenzial und die anspruchsvolle Behandlung von Ramularia bekannt sind, sollte hier dennoch weiterhin auf gute Gesundheitseigenschaften der Sorten gesetzt werden.

Erträge der Sorten

RGT Planet stellte auch 2024 ihre hohe Ertragskonstanz unter Beweis und zählte mit aktuell rel. 102 zu den ertragsstärksten Sorten.

Amidala hingegen konnte im zweiten Jahr in Folge nicht an die guten Erträge aus 2022 anknüpfen. sondern fiel mehrjährig betrachtet mit rel. 97,2 letztlich weiter ab. Die seit 2022 bereits klar empfohlene Sorte Lexy überzeugte auch in diesem Jahr mit insgesamt überdurchschnittlichen Erträgen von rel. 101. Von den wenigstens dreijährig geprüften Sorten ist sie mehrjährig verrechnet mit rel. 101,2 die ertragsstärkste Sorte und untermauert damit ihre klare Anbauempfehlung.

LG Caruso überzeugte auch im zweiten LSV-Jahr mit dem höchsten Ertrag von rel. 103 voll und liegt auch in den mehrjährigen Ergebnissen (rel. 101,8) insgesamt an erster Stelle.

Sting verbesserte ihr Vorjahresergebnis mit rel. 100 und liegt mehrjährig betrachtet mit einem Wert von 99,1 auf einem leicht unterdurchschnittlichen Niveau. Die erstmalig geprüfte Sorte Ostara erreichte Erträge von rel. 99 und liegt dank der Einbeziehung der guten Wertprüfungsergebnisse in den mehrjährigen Ergebnissen bei rel. 100,8. Ob sie künftig an die Leistungen der vom BSA etwas ertragsstärker eingestuften Sorte LG Caruso heranreichen wird, müssen weitere Versuchsjahre zeigen.

Qualitätsergebnisse

Für die Anbauempfehlung werden insbesondere bei der Braugerste parallel zum Ertrag eine Vielzahl von Qualitätsparametern in die Betrachtung einbezogen.

Aus Sicht der Landwirtschaft sind vor allem Kenngrößen wie Proteingehalt, Hektolitergewicht und die Siebsortierung von Interesse, da diese einen direkten Einfluss auf die Preisbildung haben. Im Mälz- und Brauprozess spielen aber viele weitere Eigenschaften eine Rolle, die allerdings für die landwirtschaftliche Praxis weniger von Belang sind und daher hier nicht vorgestellt werden.

Entscheidendes Kriterium bei der Braugerstenvermarktung sind die Eiweißgehalte, deren Werte eng eingegrenzt sind. Der Eiweißgehalt sollte in einem Bereich zwischen 9,5 % und 11,5 % liegen. Weder ein Zuviel noch ein Zuwenig an Protein ist beim Prozess der Bierherstellung gut. So wirken sich beispielsweise erhöhte Eiweißgehalte qualitätsmindernd im Hinblick auf Malzlösung und Extraktgehalt aus. Liegen die Gehalte unter 9 % können Vergärungsprobleme und eine schlechtere Schaumqualität die Folge sein.

Qualitäten 2024

Der Rohproteingehalt (RP-Gehalt) der Sorten lag in der Ernte 2024 im Mittel der Standorte und Sorten mit durchschnittlich 9,4 % wieder auf dem schwachen Niveau des Jahres 2022. Die Schwankungsbreite zwischen den Standorten reichte dabei von 8,0 bis 11,2 %.

Obwohl der Bestand am Standort Celle-Habighorst dank der mineralischen Düngung ein N-Angebot (incl. Nmin) von 150 kg/ha zur Verfügung hatte, wurde mit 8,0 % RP-Gehalt die Mindestnorm deutlich verfehlt. Aber auch die Versuche an den Standorten Arpke und Hamerstorf lagen mit 9,3 % leicht unter den geforderten Werten. Trotz der recht hohen RP-Werte am Standort Schmedenstedt von 11,2 % wurde im Mittel der Standorte die Mindestnorm von 9,5 % knapp um 0,1 % verfehlt. Die Unterschiede im RP-Gehalt zwischen den Sorten waren relativ gering. Die ertragsstärksten Sorten LG Caruso, RGT Planet und Lexy lagen leicht unter der geforderten Norm, während die übrigen Sorten diesen Wert gerade erfüllten.

Auf Basis des ersten Ernteberichtes der bundesweiten Braugersten-Gemeinschaft lagen die Rohproteingehalte in Niedersachsen mit 9,7 nur leicht über der Mindestnorm. Das bedeutet jedoch auch, dass sicherlich zahlreiche Partien diesen Wert nicht erreicht haben. Inwiefern die Nichteinhaltung der geforderten Norm sofort zu Abschlägen bei der Preisbildung führt, hängt sicherlich auch vom Gesamtangebot an Braugerstenpartien ab.

Die Hektolitergewichte (hl-Gewicht) erreichten 2024 mit 64,1 kg ein mittleres Niveau; sie lagen damit aber um 4 kg höher als im schwachen Vorjahr. Die sehr guten Werte aus 2022 wurden allerdings um 5 kg verfehlt, wodurch sich vielleicht auch die nicht ganz so guten Erträge erklären lassen. RGT Planet erzielte auch in diesem Jahr die höchsten Werte mit 64,9 kg. Bis auf die neue Sorte Ostara, die mit Werten von 63,2 kg abfiel, lagen die übrigen Sorten in einem Bereich von 64,1 bis 64,3 kg.

Der geforderte Wert von mindestens 85 % Vollgerstenanteil (Sortierung > 2,5 mm) wurde von allen Sorten sicher erreicht. Eine stärkere Sortendifferenzierung zeigte sich erst ab einer Sortierung oberhalb von 2,8 mm. Hier erzielten mit Ausnahme der Sorte Lexy alle Sorten Werte oberhalb von 88 %. Sting und LG Caruso wiesen dabei die besten Werte von über 90 % auf.

Im mehrjährigen Vergleich konnte aus qualitativer Sicht vor allem Amidala in den drei beschriebenen Merkmalen überzeugen.

Vermehrung in Niedersachsen

Amidala und Lexy waren 2024 bundesweit mit 2.744 bzw. 2.599 ha eindeutig die vermehrungsstärksten Sommergerstensorten. In Niedersachsen hingegen sieht es deutlich anders aus. Hier dominiert ganz klar Lexy mit 656 ha, gefolgt von RGT Planet, Amidala und LG Caruso, die in der Größenordnung von 174 bis 124 ha vermehrt wurden. Da LG Caruso 2024 von Seiten der niedersächsischen Braugerstengemeinschaft bereits für den Probeanbau ins Spiel gebracht wurde, könnte sich der Anbau dank der sehr guten diesjährigen Leistungen für das kommende Jahr weiter ausdehnen.

Die Sorten im Einzelnen

Lexy überzeugte nach dem vierten LSV-Prüfjahr in erster Linie durch die sehr guten und konstanten Ertragsleistungen. Darüber hinaus erwies sich die Sorte als halmstabil und blattgesund. In den für die Landwirtschaft relevanten Qualitätsparametern lieferte sie ebenfalls gute Werte ab, ohne jedoch an die Qualitäten von z. B. Amidala und die nicht mehr geprüfte Sorte Avalon heranzureichen. Insbesondere die Ertragsleistungen beeindruckten auch den Landhandel und die Verarbeiter, sodass sie für 2024 von der niedersächsischen AG Braugerste eindeutig für den Anbau empfohlen wurde, diese Empfehlung bleibt sicherlich auch für 2025 aufrechterhalten.

Amidala konnte in den letzten beiden Jahren nicht an die guten Ertragsleistungen des Jahres 2022 anknüpfen. Aus qualitativer Sicht zählt sie klar zu den stärksten Sorten, die insbesondere in den Merkmalen Sortierung oberhalb 2,8 mm und Hektolitergewicht überzeugen kann. Darüber hinaus ist sie als halmstabile und gesunde Sorte einzustufen. Lediglich die Schwäche gegenüber Ramularia gilt es zu beachten. Aus ertraglicher Sicht wurde jedoch keine Anbauempfehlung ausgesprochen.

RGT Planet wurde und wird in Niedersachsen in erster Linie als Futtergerste angebaut, da sie von der Vermarktungsseite als Braugerste keine Bedeutung erlangte. Als ertragsstarke und -konstante Futtergerste liegt sie hier in den Vermehrungszahlen immer noch im mittleren Bereich. Sie gilt dank ihrer Ertragskonstanz nach wie vor als Gradmesser für die neueren Sorten. In der Robustheit gegenüber allen bedeutenden Krankheiten zeigt sie weiterhin keine Schwächen und ist zudem recht standfest und strohstabil.

Die nunmehr zweijährig geprüfte Sorte LG Caruso überzeugte neben ihrer hohen Ertragsleistung auch durch sehr gute Vollgerstenanteile. Ebenso sind die gute Standfestigkeit und Strohstabilität hervorzuheben sowie die gute Robustheit gegenüber Krankheiten. Nachdem die Sorte im Frühjahr die Verarbeitungsempfehlung durch das Berliner Programm erhalten hat, kommt sie sicherlich zumindest für den Probeanbau aus unserer Sicht in Frage. Inwiefern von Seiten der AG Braugerste auch schon eine allgemeine Anbauempfehlung ausgesprochen wird, wird demnächst bekanntgegeben.

Die ebenfalls zweijährig geprüfte Sorte Sting liegt ertraglich auf einem leicht unterdurchschnittlichen Niveau. Sie erwies sich als standfest mit jedoch nur durchschnittlicher Halmstabilität. Gegenüber den wichtigsten Krankheiten ist sie robust. Lediglich die Schwäche gegenüber Ramularia sollte beachtet werden. Positiv hervorzuheben sind die guten Qualitätseigenschaften.

Die neue Sorte Ostara erreichte dank guter Wertprüfungsergebnisse insgesamt einen leicht überdurchschnittlichen Ertrag bei guten Vollgerstenanteilen. Sie zeichnet sich durch eine gute Stand- und Halmfestigkeit sowie hohe Blattgesundheit aus. Gegenüber Ramularia ist sie von den derzeit im LSV geprüften Sorten als Einzige vom BSA als unempfindlich eingestuft worden. Es bleibt abzuwarten, ob sie im kommenden Frühjahr eine Verarbeitungsempfehlung erhalten wird.

Ausblick

Die Marktaussichten für Braugerste werden weiterhin als recht positiv angesehen. Dafür sprechen die nach wie vor deutlichen Preisaufschläge gegenüber der Futtergerste, wenn auch auf einem insgesamt niedrigeren Niveau.

Nach zwei aufeinander folgenden Jahren mit starken Auswinterungsschäden bei der Spätherbstaussaat mit Sommerbraugerstensorten ist in diesem Herbst nicht mit einer Ausweitung dieser Spätherbstaussaat zu rechnen. Vielmehr werden die Frühjahraussaaten schwerpunktmäßig zum Zuge kommen bzw. wurde bereits etwas stärker auf den direkten Winterbraugerstenanbau gesetzt.

Die Versorgung mit ausreichend Saatgut von Sommerbraugerste sollte in diesem Jahr kein Problem darstellen, da die Züchter entsprechende Vermehrungsflächen angebaut haben.

Auch für mögliche Neueinsteiger in den Braugerstenanbau wird der Absatz sicherlich gewährleistet sein, allerdings sollten vorab entsprechende Vermarktungskonditionen mit dem Landhandel bzw. der Genossenschaft abgesprochen werden.

Aus Sicht der Landwirtschaftskammer steht mit Lexy eine sehr ertragsbetonte und verlässliche Sorte für den Anbau zur Verfügung. Darüber hinaus bietet sicherlich auch LG Caruso dank der bisherigen sehr guten Ertrags- Qualitäts- und agronomischen Eigenschaften eine gute Ergänzung. Die Sortenempfehlung durch die AG Braugerste wird in den nächsten Wochen voraussichtlich in die gleiche Richtung gehen.