Landessortenversuche 2024: Sommerweizen
Im Jahr 2024 ist die Anbaufläche von Sommerweizen wegen der schlechten Aussaatbedingungen im Herbst 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen. Wie sich die im LSV geprüften Sorten im Vergleich zum Winterweizen präsentieren, beschreibt der folgende Artikel.
Der Anbauumfang des Sommerweizens profitierte eindeutig von den widrigen Aussaatbedingungen während des Herbstes 2023, in dem viele für Wintergetreide vorgesehene Flächen nicht bestellt werden konnten. Damit ist ganz klar der sprunghafte Anstieg der Anbaufläche von 3.300 ha im Jahr 2023 auf 20.800 ha im Anbaujahr 2024 erklärbar (Angaben des Landesamtes für Statistik Niedersachsen, LSN). In noch stärkerem Umfang profitierte allerdings die Sommergerste, da sie auf unterschiedlichsten Standorten als Ersatzfrucht für Winterungen in Frage kommt, während Sommerweizen vornehmlich in den Regionen mit höher bonitierten Standorten anbauwürdig ist.
Dass Sommerweizen keine gleichwertige Alternative zum Winterweizenanbau ist, zeigt sich in dieser Vegetationsperiode an den Durchschnittserträgen von Winter- zu Sommerweizen in vier ausgewählten Landkreisen (Hildesheim, Wolfenbüttel, Northeim und Peine). Mit durchschnittlich gut 19 dt Mehrertrag je Hektar erwies sich der Winterweizen in allen Landkreisen ertraglich klar überlegen, obwohl zahlreiche Winterweizenflächen alles andere als optimal bestellt werden konnten.
Aufgrund der in diesem Herbst recht unproblematischen Aussaat der Winterungen wird sich also - ein normaler weiterer Witterungsverlauf bis ins Frühjahr vorausgesetzt - die Anbaufläche von Sommerweizen für 2025 wieder deutlich reduzieren; Unsicherheitsfaktor ist allerdings die Gefahr von Auswinterungsschäden bei den Winterungen, die jedoch erst im kommenden Frühjahr abschätzbar sein werden.
Entwicklungsverlauf
Der Sommerweizen konnte in Niedersachsen vielfach ab etwa Mitte März unter eher feuchten, aber dennoch akzeptablen Bodenbedingungen ausgesät werden. Die weitere Entwicklung verlief in der Regel zufriedenstellend. Die in anderen Jahren oftmals auftretende Frühjahrstrockenheit blieb aus, sodass trockenheitsbedingte Ertragsbeeinflussungen nicht eintraten. Insgesamt haben sich die Sommerweizenbestände analog zum Winterweizen eher verhalten bestockt. Ein erhöhter Krankheitsbefall war 2024 nicht festzustellen. Hauptkrankheiten waren Gelb- und Braunrost sowie Blattseptoria, in den südwestlichen Regionen zum Teil auch Mehltau.
Die Bestände wurden oftmals im Zeitraum vom 5. bis 15 August unter insgesamt günstigen Bedingungen beerntet. Laut Zahlen des LSN wurde in Niedersachsen ein Durchschnittsertrag von 57,3 dt/ha erzielt, der die stark enttäuschenden Erträge von 36,7 dt/ha aus dem Vorjahr deutlich übertraf; im Vergleich zum Winterweizen lagen die Erträge niedersachsenweit jedoch 17 dt/ha niedriger.
Landessortenversuche
Der LSV Sommerweizen wurde wie im Vorjahr in zwei Anbauregionen angelegt. Als Marschstandorte standen Otterham (LK AUR, Niedersachsen) sowie Sönke-Nissen-Koog in Schleswig-Holstein zur Verfügung; damit ist die Datengrundlage zur Sortenbeurteilung insbesondere bei den einjährig geprüften Sorten deutlich eingeschränkt. Für die Lehmstandorte Nordwest waren es in Niedersachsen Königslutter (LK HE) und Astrup (LK OS), die nordrhein-westfälischen Standorte Lemgo und Nörvenich sowie Kastorf (Schleswig-Holstein) und Eichhof (Hessen).
Die Erträge der LSV lagen auf den Lehmstandorten Astrup sowie Königslutter 2024 bei 65 dt/ha bzw. 75 dt/ha. Recht enttäuschend fiel das Ergebnis am Marschstandort in Otterham mit 46 dt/ha aus, es lag damit deutlich unter den Durchschnittserträgen in der Praxis sowie am Marschstandort in Schleswig-Holstein. Gleichzeitig wurde in auch das Winterweizenergebnis von 85 dt/ha bei weitem verfehlt, obwohl diese Prüfung selbst unter widrigen Bodenbedingungen erst Anfang Dezember ausgesät werden konnte.
Ebenso wie der niedersächsische Marschstandort Otterham überzeugten auch die beiden nordrhein-westfälischen Lehmstandorte mit unter 50 dt/ha ertraglich nicht, sie konnten aufgrund der Nässe im Frühjahr erst verspätet und unter schwierigen Verhältnissen ausgesät werden.
Nur am schleswig-holsteinischen Standort Sönke-Nissen-Koog wurden mit 79 dt/ha sowie am Lehmstandort in Königslutter mit 75 dt/ha zufriedenstellende Erträge erzielt, während alle anderen Versuche in einem Bereich von 46 bis 69 dt/ha lagen.
Insgesamt befanden sich acht Sorten im LSV, wobei Licamero nur noch auf den Lehmstandorten in den Prüfungen stand. Trotz geringer Anbaubedeutung des Sommerweizens wurden mit Lobster und Mohican zwei neue Sorten vom Bundessortenamt (BSA) zugelassen und entsprechend in den LSV aufgenommen. Neben Licamero wurde auch die langjährig geprüfte A-Sorte Quintus weitergeprüft. Im dritten Prüfjahr standen die Sorten KWS Carusum (E), Winx (A) sowie KWS Jordum und Patricia (beide B).
Ergebnisse der Sorten
In der Marschregion erreichte die dreijährig geprüfte Sorte Winx im zweiten Jahr in Folge mit Werten von rel. 103 hohe Erträge und konnte damit die enttäuschenden 2022er Ergebnisse ausgleichen. Patricia erzielte mit rel. 101 wieder etwas bessere Erträge. KWS Jordum bestätigte mit rel. 100 das Ergebnis der vergangenen zwei Jahre. Die E-Sorte KWS Carusum erreichte mit Werten von rel. 97 wieder das Vorjahresniveau. Überraschend starke Leistungen lieferte Quintus mit rel. 102 ab. Von den beiden erstmalig geprüften Sorten überzeugte Lobster mit sehr guten Erträgen, während Mohican an beiden Orten enttäuschte. Im mehrjährigen Vergleich überzeugte vor allem Patricia dank sehr guter Leistungen 2022 mit Relativwerten von 102,8, gefolgt von Winx (101,3), KWS Jordum (100,6) sowie KWS Carusum (98,0). Dank der guten aktuellen Leistungen verbesserte sich Quintus ebenfalls auf Werte von rel. 98. Bedingt durch die geringe Datenbasis können für die beiden neuen Sorten keine mehrjährigen Ergebnisse ausgewiesen werden.
In der Anbauregion Lehmige Standorte Nordwest standen insgesamt sechs Versuchsergebnisse inclusive der angrenzenden Nachbarländer zur Verfügung. Hier konnte 2024 vor allem die dreijährig geprüfte Sorte Patricia mit rel. 105 sehr gute und konstante Erträge aufweisen. Aber auch die neue A-Sorte Mohican, die auf den Marschstandorten noch enttäuschte, lieferte mit allerdings etwas schwankenderen Einzelortergebnissen gleich hohe Durchschnittserträge. Ebenfalls überdurchschnittliche Erträge von rel.102 bzw. 101 erzielten KWS Jordum, Licamero und Lobster. Winx erzielte mit rel. 100 mittlere Ergebnisse. Die E-Sorte KWS Carusum zeigte mit rel. 98 erwartbare Leistungen. Sehr stark schwankende Einzelortergebnisse wies Quintus auf, die letztlich mit rel. 89 stark enttäuschte und die guten Erträge in der Marsch weit verfehlte.
Im mehrjährigen Vergleich lagen die nunmehr dreijährig geprüften Sorten KWS Jordum, Winx, und Patricia mit Werten von rel. 101,8 bis 101,0 recht eng beieinander. Alle drei Sorten zeichnet die in jedem Jahr überdurchschnittliche Leistung aus. Aber auch Licamero konnte als langjährig geprüfte Sorte mit rel. 100 noch überzeugen. KWS Carusum lieferte mit insgesamt rel. 96,6 ein deutlich schwächeres Ergebnis ab. Stark abgefallen rangiert Quintus mit rel. 92,5 an letzter Stelle. Inklusive der Vorprüfungsergebnisse erreichten beide neuen Sorten - vor allem Mohican, aber auch Lobster - sehr hohe bzw. hohe Erträge.
Die Sortenempfehlungen für die Anbauregionen werden in der abschließenden Einzeldarstellung der Sorten erläutert.
Die Qualitäten
Die geprüften Sorten erreichten im Mittel Rohproteingehalte (RP) von 12,3 %, sie lagen damit im Vergleich zu den Vorjahren auf einem sehr geringen Niveau, insbesondere zum Vorjahr, wo die hohen Werte von 14,5 % dadurch begründet wurden, dass der aufgenommene Stickstoff nicht effizient in Ertrag umgewandelt werden konnte.
Den höchsten Wert erzielte mit 13,0 % wieder die E-Sorte KWS Carusum. Die übrigen Sorten lagen im RP-Gehalt mit Werten zwischen 12,5 % und 12,3 % alle recht eng beieinander. Die einzige Ausnahme bildete die B-Sorte Lobster, die mit einem PR-Gehalt von lediglich 11,3 % deutlich abfiel. In der dreijährigen Zusammenfassung spiegeln sich diese Ergebnisse auch bei den mehrjährig geprüften Sorten wider.
Die an insgesamt sechs Standorten durchgeführten Fallzahluntersuchungen zeigen mit einem Durchschnittswert von 364 sek. sehr hohe Werte auf. Die Bandbreite zwischen den Standorten reichte von 305 bis 411 sek. im Mittel der Sorten.
KWS Carusum erreichte mit durchschnittlich 393 sek. die höchsten Fallzahlen, gefolgt von KWS Jordum sowie den neuen Sorten Mohican und Lobster mit Werten von 388 bis 378 sek. Aber auch die übrigen Sorten lagen in einem Bereich von 356 bis 320 sek. Im dreijährigen Vergleich weisen KWS Carusum und KWS Jordum mit Abstand die höchsten Fallzahlen auf.
Das Hektolitergewicht (hl-Gewicht) befand sich mit 76,1 kg auf einem durchschnittlichen Niveau. Auch in diesem Merkmal zeigte sich eine große Bandbreite zwischen den Standorten von 72 bis 79 kg. Vor allem die spät gedrillten NRW-Standorte zeigten hier Schwächen, wodurch zum Teil wohl auch die geringeren Ertragsleistungen zu erklären sind.
Mit den höchsten Werten von 78,4 kg schnitt die E-Sorte KWS Carusum am besten ab. Aber auch die Sorten Patricia, Winx, KWS Jordum und Licamero lagen mit Werten von 77 bis 76,3 auf einem guten Niveau; diese Ergebnisse bestätigen sich auch im dreijährigen Vergleich. Schwache hl-Gewichte erreichten hingegen Lobster, Quintus sowie Mohican (73,8 bis 75,4 kg).
Die empfohlenen Sorten im Einzelnen:
Die E-Sorte KWS Carusum erzielte als ausgesprochene Qualitätssorte leicht unterdurchschnittliche Erträge in beiden Anbauregionen, punktete dafür aber in den Qualitätseinstufungen umso mehr. Die sehr guten Einstufungen durch das BSA in den Merkmalen RP-Gehalt, Fallzahl und hl-Gewicht wurden auch in den LSV-Prüfungen klar bestätigt. Darüber hinaus sind die sehr gute Blattgesundheit, vor allem gegenüber Mehltau und den Rostkrankheiten, sowie die geringe Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium hervorzuheben. Als E-Sorte erhält sie daher in beiden Anbauregionen eine Anbauempfehlung, wenn in erster Linie Qualitäts- und weniger Ertragsaspekte im Vordergrund stehen.
Die B-Sorte KWS Jordum konnte ertraglich vor allem auf den Lehmstandorten Nordwest überzeugen, während sie auf den Marschstandorten durchschnittliche, aber konstante Erträge erreichte. Dank der sehr guten Blattgesundheit, vor allem gegenüber Gelbrost, und der sehr geringen Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium bei gleichzeitig guter Standfestigkeit wird sie für beide Anbauregionen empfohlen. Darüber hinaus konnte sie auch als B-Sorte mit insgesamt guten Qualitäten überzeugen, insbesondere im Hektolitergewicht und in der Fallzahl.
Die B-Sorte Patricia erreichte im Mittel der drei Jahre vor allem auf den Marschstandorten, aber auch auf den Lehmstandorten Nordwest hohe bzw. leicht überdurchschnittliche Erträge und kann darüber hinaus als standfeste, wenig ährenfusariumanfällige und insgesamt blattgesunde Sorte beschrieben werden. Im Bereich der Qualitätsmerkmale ist in erster Linie das hohe Hektolitergewicht hervorzuheben. Insgesamt wird die Sorte daher für beide Regionen empfohlen.
Die A-Sorte Winx konnte ertraglich in den mehrjährigen Ergebnissen in beiden Anbauregionen überzeugen. Sie zählt dreijährig insgesamt zu den ertragsstärksten Sorten. Da sie deutliche Schwächen in der Standfestigkeit aufwies und gegenüber Krankheiten, in erster Linie gegenüber Braunrost, schwächer eingestuft ist, erhält sie nur eine eingeschränkte Empfehlung.
Von den beiden erstmalig im LSV stehenden Sorten kommt die Sorte Mohican dank sehr guter Ertragsleistungen auf den Lehmstandorten hier für den Probeanbau in Frage. Zusätzlich zeichnet sich die standfeste Sorte durch eine sehr gute Blattgesundheit aus.
Weitere Sorten
Von den langjährig geprüften Sorten wurde Licamero seit 2022 nur noch auf den Lehmstandorten Nordwest geprüft und erreichte insgesamt noch durchschnittliche Erträge. Positiv zu bewerten sind die guten Einstufungen gegenüber Mehltau, Gelbrost und Ährenfusarium, wobei die Braunrostschwäche beachtet werden sollte. Sie ist derzeit die einzige Sorte im Sommerweizensortiment, die mehrjährig auch für Spätsaaten im Herbst mit Erfolg geprüft wurde. Von den Züchtern wird allerdings für alle wenigstens dreijährig geprüften Sorten eine Wechselweizeneignung ausgesprochen. Die bisherige BSA-Verrechnungssorte Quintus zeigte auch in diesem Jahr, dass sie gegenüber den neueren Sorten ertraglich nicht mehr mithalten kann und daher auch in diesem Jahr keine Anbauempfehlung erhält. Für einen Anbau dieser Sorte würden in erster Linie die sehr gute Einstufung gegenüber Ährenfusarium und die gute Standfestigkeit sprechen.
Die zweite erstmalig geprüfte Sorte Lobster erzielte vor allem in der Marsch sehr gute Erträge. Aufgrund der begrenzten Datengrundlage (2 Ergebnisse) in der Marsch bzw. den recht schwankenden Erträgen auf den Lehmstandorten sollten hier für eine Probeanbauempfehlung noch weitere Ergebnisse abgewartet werden. Positiv hervorzuheben ist in jedem Fall die sehr gute Blattgesundheit, vor allem gegenüber Mehltau und den Rosten, sowie die positive Einstufung gegenüber Ährenfusarium.
Zusammenfassung
Der Sommerweizenanbau konnte in diesem Jahr aus ertraglicher Sicht weder in der Praxis noch in den Landessortenversuchen überzeugen, auch wenn die diesjährigen Erträge gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Verbesserung zeigten. Im Vergleich zum Winterweizen offenbarten sich wieder sehr deutliche Ertragsunterschiede. Obwohl von den geprüften Kandidaten vornehmlich die nunmehr dreijährig geprüften Sorten hinsichtlich Ertrag und Qualität eine Verbesserung darstellen, werden sie es unter normalen Witterungsbedingungen schwer haben, ertraglich und ökonomisch gegenüber dem Winterweizen mitzuhalten. Daher wird der Sommerweizenanbau nach wie vor in erster Linie als Ersatz oder auch „Lückenbüßer“ für andere Kulturen fungieren, wenn diese nicht ausgesät werden konnten.
Sollten beim Wintergetreide keine Auswinterungsschäden auftreten, so wird sich die Anbaufläche 2025 vermutlich wieder auf ein Niveau unterhalb von 5.000 ha einpendeln.
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Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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