Landessortenversuche 2023: Sommer-Futtergerste
Die Witterungsbedingungen 2023 waren auch für die Sommer-Futtergerste schwierig. Dennoch konnten die im LSV geprüften Sorten ihr Leistungspotenzial zeigen, allerdings auf einem geringeren Niveau als in den Vorjahren.
Obwohl das Vegetationsjahr 2023 insgesamt gesehen ein geringeres Niederschlagsdefizit aufwies als das Vorjahr sind die Erträge der Futtergerste gegenüber den Vorjahren deutlich gesunken. Zunächst konnten sich viele Bestände wegen der witterungsbedingt recht späten Aussaat mit nachfolgenden kühlen Temperaturen nur schwach entwickeln. Die anschließende Trockenphase ab etwa Mitte Mai bis 20. Juni hemmte vielfach die Bestockung und üppige Entwicklung der Gerste. Ab der zweiten Julihälfte fielen häufig Niederschläge, die letztlich die Abreife, vor allem aber die Ernte verzögerten. Die Druschtage zwischen den Regentagen mussten daher effektiv genutzt werden. Durch die nach der Trockenphase einsetzenden regelmäßigen und zum Teil ergiebigen Niederschläge bildeten sich häufig verstärkt Nebentriebe, die eine gleichmäßige Bestandesabreife verhinderten. Ernteverzögerungen durch Regen und Wind führten dann auch oftmals zu Auswuchsproblemen in der Ähre.
Der Anbauumfang von Sommergerste ist laut Angaben des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) gegenüber dem Vorjahr um ca. 8.800 ha auf rund 32.600 ha zurückgegangen, damit liegt er etwas über dem Niveau von 2021. Auch die durchschnittlichen Erträge sanken gegenüber dem Vorjahr deutlich auf 40,8 dt/ha, wobei die Ende August veröffentlichten Schätzungen des LSN noch bei 42,9 dt/ha lagen. Ausfallgetreide und Auswuchs durch die verzögerte Ernte mögen hierbei eine Rolle gespielt haben.
Der Futtergerstenanbau konzentriert sich auf die leichteren Standorte Nordwestdeutschlands. Für diese Anbauregion „Sandige Standorte Nordwest/Marsch“ konnten acht Versuche der drei Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen durchgeführt und ausgewertet werden. In Niedersachsen wurden die Prüfungen wie in den Vorjahren an den Sandstandorten Holtorfsloh (LK WL), Wehnen (LK WST) und Werlte (LK EL) sowie zusätzlich in der Marsch in Otterham (LK AUR) angelegt. Hinzu kamen drei Standorte aus Nordrhein-Westfalen sowie ein Standort aus Schleswig-Holstein. Um der höheren Anbaubedeutung von Sommerungen in den Marschregionen Rechnung zu tragen, wurde neben Sommerweizen und Hafer auch die Sommergerste wieder in Otterham geprüft.
Ein Sturmtief in Verbindung mit Regen verursachte Anfang Juli in Otterham Lager. Zudem trat dort im Juli Zwergrost auf. Auch in Werlte zeigte sich in der unbehandelten Stufe zum Teil Lager, darüber hinaus wurde dort Auswuchs, auch im stehenden Getreide, erkennbar.
Das Prüfsortiment wurde um eine Sorte auf nunmehr fünf Kandidaten verringert und bestand aus der inzwischen langjährig im Versuch stehenden Sorte RGT Planet, den dreijährig geprüften Sorten Kimberly, LG Belcanto und Lexy sowie LG Rumba im zweiten Prüfjahr. Neue Kandidaten wurden nicht aufgenommen.
Das Ertragsniveau im LSV lag mit knapp 49,1 dt/ha deutlich unter dem der Vorjahre. Mit mehr als 30 dt/ha war der Unterschied an allen Standorten im Vergleich zu 2022 besonders groß, am ausgeprägtesten am Marschstandort Otterham, wo 2022 105 dt/ha gedroschen wurden. Die Durchschnittserträge variierten in diesem Jahr zwischen den Standorten von 38,2 dt/ha am Standort in Schleswig-Holstein bis 66,3 dt/ha am Marschstandort Otterham.
Ergebnisse der Sorten
Bei Betrachtung der Sorten konnte LG Rumba im zweiten Prüfjahr die guten Leistungen des Vorjahres bestätigen und erreichte mit rel. 104 wieder die Spitzenposition im Prüfsortiment, allerdings waren die Ertragsschwankungen der Einzelortergebnisse recht ausgeprägt. Konstant gute Erträge erzielte Kimberly, die dadurch mit rel. 101 an zweiter Stelle lag. Die Sorte konnte in ihrem dritten Prüfjahr somit die schwächeren Vorjahresleistungen wieder ausgleichen. LG Belcanto erzielte mit rel. 100 ein mittleres Ertragsniveau bei insgesamt geringen Leistungsschwankungen zwischen den Standorten. Etwas schwächer mit rel. 99 und auch ungewöhnlich stärker streuend fielen die Ergebnisse der altbewährten Sorte RGT Planet aus. Die eindeutig für die Braugerstenproduktion empfohlene Sorte Lexy konnte auf den Futtergerstenprüfstandorten nicht ganz ihr Leistungspotenzial unter Beweis stellen und erreichte mit rel. 96 letztlich das schwächste Ergebnis.
In den mehrjährigen Erträgen erzielte LG Belcanto von den wenigstens dreijährig im LSV geprüften Sorten mit rel. 100,7 die höchsten Erträge, gefolgt von Kimberly (rel. 99,0) und RGT Planet (rel. 98,8). Lexy hingegen fiel ertraglich mit rel. 98,3 etwas ab. In ihren beiden LSV-Prüfjahren hingegen konnte LG Rumba durch überdurchschnittliche Erträge überzeugen und lieferte mit rel. 103,1 insgesamt die besten Ergebnisse.
Qualitäten
Die Verwertung von Sommerfuttergerste findet vorrangig im eigenen Betrieb statt, sie wird nur in geringerem Umfang gehandelt. Die Parameter Ertrag, Standfestigkeit, Halmstabilität und Pflanzengesundheit sind, wie bei den anderen Getreidearten auch, generell für die Sortenwahl entscheidend. Bei der Vermarktung hingegen sollten auch die Qualitätskriterien mitberücksichtigt werden. Hierbei ist vor allem das Hektolitergewicht (hl-Gewicht) maßgebend, welches mindestens 62 kg/hl betragen sollte. Bei ausreichendem Angebot ist teilweise aber bereits bei Werten unterhalb von 64 kg/hl mit Preisabschlägen zu rechnen.
Die Sorten erzielten im Mittel mit 58,5 kg/hl die mit Abstand schwächsten hl-Gewichte der letzten Jahre. Einzig am Marschstandort Otterham konnten mit durchschnittlich 67 kg hohe Gewichte erreicht werden. Auf den leichteren Standorten hingegen beeinträchtigte die Trockenphase bereits eine gute Kornausbildung und die verspätete Ernte führte mit zunehmenden Auswuchsproblemen zu einem Stärkeabbau im Korn, sodass beispielsweise auf den niedersächsischen Sandstandorten lediglich Werte von 56 bis 57 kg/hl gemessen wurden.
RGT Planet erreichte mit 59,7 kg/hl die höchsten hl-Gewichte, gefolgt von LG Rumba, die beide damit ihre hohen Vorjahreswerte bestätigten. Aber auch LG Belcanto und Kimberly lagen nur knapp dahinter. Am schwächsten fielen die Werte bei Lexy mit 56,4 kg/hl einjährig aber auch mehrjährig aus. Da die geprüften Futtergerstensorten für die Zulassung zur Braugerstennutzung beim Bundessortenamt angemeldet werden, sind sie auf geringe RP-Gehalte gezüchtet worden und werden damit in der Einstufung Rohproteingehalt entsprechend sehr schwach eingestuft. Mit 12,8 % RP-Gehalt im Mittel aller Standorte bei einer Bandbreite zwischen den Standorten von 11,7 bis 14,1 % liegen die Ergebnisse auf einem sehr hohen Niveau, was sicherlich auf die schwachen Ertragsleistungen zurückzuführen ist. Der von den Pflanzen aufgenommene Stickstoff konnte nicht entsprechend in Ertrag umgewandelt werden. Sortenunterschiede waren bei den RP-Gehalten in diesem Jahr kaum auszumachen.
Zusammenfassende Sortenbeurteilung
Die langjährig geprüfte Sorte RGT Planet erreichte wieder ihr erwartbares konstant gutes Ertragsniveau, wobei neuere Sorten in den letzten zwei bis drei Jahren auf vergleichbarem, teilweise auch leicht höherem Niveau liegen. Da sie neben ihrer Ertragsstärke und -konstanz auch durch ihre ausreichende Robustheit gegenüber Krankheiten, ihre mittleren bis guten Einstufungen gegenüber Lagerneigung sowie Halm- und Ährenknicken überzeugte, zählt sie nach wie zu den klar empfohlenen Sorten.
Die dreijährig geprüfte Sorte Kimberly erreichte mehrjährig auch dank der diesjährigen Zahlen das Ertragsniveau von RGT Planet. In den agronomischen Merkmalen wie Stand- und Halmfestigkeit sowie Robustheit gegenüber Krankheiten, besonders auch gegenüber Zwergrost und Netzflecken, ist sie durchweg positiv eingestuft. Aufgrund der insgesamt positiven Merkmalseinstufungen wird sie in diesem Jahr uneingeschränkt empfohlen, zumal sie im Gegensatz zum Vorjahr konstante Ertragsleistungen zeigte.
LG Belcanto überzeugte ertraglich in allen drei Prüfjahren und wird daher als ertragsstarke Sorte klar empfohlen. Darüber hinaus erwies sie sich in den Prüfungen als standfest, halmstabil und robust gegenüber Krankheiten.
LG Rumba wurde vom BSA als ertragsbetonte Futtergerstensorte zugelassen und konnte diese Einstufung durch sehr gute Erträge in beiden LSV-Jahren bestätigen. Die standfeste und halmstabile Sorte erwies sich gegenüber Krankheiten, besonders gegenüber Mehltau und Zwergrost, als sehr robust und auch gegenüber Rhynchosporium, Netzflecken und Ramularia zeigte sie keine Schwächen. Als derzeit ertragsstärkste Sorten wird sie daher für den Futtergerstenanbau klar empfohlen.
Die für den Braugerstenanbau eindeutig empfohlene Sorte und nunmehr auch als Futtergerste dreijährig geprüfte Sorte Lexy schnitt im Vergleich zu den übrigen Futtergersten ertraglich schwächer ab. Wie die übrigen Sorten konnte auch Lexy in den agronomischen Eigenschaften überzeugen. In Niedersachsen wird sie daher ganz klar für den Braugerstenanbau und nicht unbedingt als Futtergerste empfohlen. Für diese Nutzungsrichtung, die mehr in den westlichen bzw. nordwestlichen Regionen eine Rolle spielt, kommen aus ertraglicher Sicht die oben beschriebenen, etwas ertragsstärkeren Futtergerstensorten in Frage.
Ausblick
Im Frühjahr 2024 werden aufgrund der aktuell schwierigen Aussaatbedingungen für die Winterungen notgedrungen mehr Flächen mit Sommerungen bestellt werden müssen als ursprünglich im Herbst geplant waren. Die Nachfrage nach Sommergetreidesaatgut wird entsprechend zunehmen bzw. hat bereits deutlich zugenommen. Davon profitiert sicherlich auch der Futtergerstenanbau mit einer entsprechenden Flächenausdehnung.
Wie die letztjährigen LSV-Ergebnisse gezeigt haben, stehen ertragreiche und im Anbau robuste Futtergerstensorten zur Verfügung, die – wie alle anderen Sommergetreidearten – aufgrund des widrigen Witterungsverlaufs in diesem Jahr ihr Leistungspotenzial allerdings nicht unbedingt zeigen konnten. LG Rumba als derzeit ertragsstärkste Sorte, RGT Planet als altbewährte sowie Kimberly und LG Belcanto bieten sich als empfohlene Sorten für den Anbau an.
Auch wenn die aktuellen Ertragsleistungen der Sommergerste in der Marsch eher enttäuschend ausfielen, eignet sich Sommergerste, ebenso wie Hafer, durchaus für eine geplante Fruchtfolgeerweiterung in den Marschregionen. Insbesondere dann, wenn es dadurch gelingt, andere pflanzenbauliche Probleme, wie beispielsweise die Unkrautbekämpfung, einfacher in den Griff zu bekommen.
Da die diesjährige Braugerstenernte zum großen Teil lediglich als Futtergerste zu verkaufen war, werden für 2024 die Vermarktungsaussichten im Bereich Braugerste derzeit als sehr positiv eingeschätzt. Daher könnte es auch für Futtergerstenanbauer möglicherweise eine Überlegung sein Braugerstensorten anzubauen, um sie bei Erfüllung der Qualitätsanforderungen (z. B. geringe RP-Gehalte von 9,5 bis 11,5 %) nach der Ernte mit entsprechenden Braugerstenaufschlägen abzusetzen (s. Artikel in der Ausgabe 49 der Land & Forst bzw. unter dem Webcode 01042429 auf der Homepage der LWK Niedersachsen).
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Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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