LSV Speisekartoffel 2022 - Die tollen Knollen
Verbraucher, Handel und Landwirt haben in Sachen Kartoffeln unterschiedliche Vorstellungen. Der Verbraucher möchte gut schmeckende und gutaussehende Kartoffeln, außerdem sollen alle Kochtypen (festkochend, vorwiegend festkochend und mehligkochend) zur Verfügung stehen. Denn die Vorlieben der Verbraucher bei den Kochtypen sind sehr unterschiedlich. Der Lebensmitteleinzelhandel stellt sehr hohe Ansprüche an das Aussehen der Knollen. Das äußere Erscheinungsbild muss stimmen. Lagerdruckstellen, Drahtwurmlöcher, Schorf und Rhizoctonia sollten möglichst gar nicht oder nur in geringem Maße vorkommen. Für den Landwirt stehen vor allem Ertrag, Blattgesundheit, Nematodenresistenz, Trockentoleranz, Lagerfähigkeit und Absatzmöglichkeiten, im Vordergrund. Alle Wünsche unter einen Hut zu bekommen ist eine Herausforderung. Wir geben eine neutrale Hilfestellung bei der Sortenwahl und beim Anbau auf Basis unserer Versuche.
Allgemeine Versuchsdaten
Seit über 20 Jahren werden an der Bezirksstelle Uelzen, der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Landessortenversuche durchgeführt. Es wird ein Versuch für die frühen Sorten und ein Versuch für die mittelfrühen Sorten angelegt. Diese Versuche werden an zwei Standorten, in den Landkreisen Celle und Uelzen, angebaut. Die Erkenntnisse und Aussagen beruhen also nicht nur auf einem Standort. Darüber hinaus ist das Sortiment mit mehreren anderen Bundesländern abgestimmt, wobei in diesem Artikel nur auf die Versuche in Celle und Uelzen eingegangen wird. Die Prüfungen fanden auf typischen Heidestandorten, mit ca. 30 Bodenpunkten, statt. Beide Standorte wurden beregnet.
Grundsätzlich ist die Sortenwahl so aufgebaut, dass sich die neuen Sorten mit drei guten etablierten Sorten, unterschiedlicher Kochtypen, messen müssen. Das sind zum Beispiel im mittelfrühen Sortiment Lilly, Regina und Madeira. Diese Sorten stellen auch die Bezugsbasis für die Berechnung der Erträge und Sortierungen, in relativ Zahlen, dar. Die neuen Sorten werden mit dem Züchter abgesprochen. Denn es macht keinen Sinn, Sorten zu prüfen, die nicht in Deutschland vertrieben werden oder Sorten, von denen es kein Pflanzgut gibt. Wir prüfen jede Sorte drei Jahre. Deshalb gibt es in den Tabellen nicht von jeder Sorte zweijährige Ergebnisse, weil entweder die Prüfung 2021 abgeschlossen oder eine Sorte erst 2022 neu aufgenommen wurde. 2022 standen in beiden Sortimenten jeweils vierzehn Sorten. Neu aufgenommen wurde bei den frühen Sorten Alouette (rotschalig), Chateau, Florentina, Franca, Sunita und 4You. In der Reifegruppe 3 gingen erstmals die Sorten Columbia, Emiliana und Santera an den Start. Von den 28 Sorten waren 11 festkochend, 15 vorwiegend festkochend und 2 mehlig kochend. Die Stickstoffdüngung wurde mit 150 kg/ha - Nmin durchgeführt. Bei Kali, Phosphor und Magnesium wurde nach der Bodenuntersuchung und den Empfehlungen der Landwirtschaftskammer gedüngt.
Die Kartoffeln wurden je nach Standort am 20. oder 27. April gepflanzt. Die Herbizid-Behandlung erfolgte mit einer metribuzinfreien Tankmischung, damit metribuzinunverträgliche Sorten nicht unter der Herbizidmaßnahme leiden. Die Fungizidmaßnahmen gegen Krautfäule und Alternaria sowie Insektizidmaßnahmen gegen Kartoffelkäfer und Läuse wurden so durchgeführt, dass die Bestände gesund blieben. So werden die eigentlichen Versuchsfragen nicht durch einen pilzlichen oder tierischen Schaderreger überlagert. Eine reifegruppenspezifische, praxisnahe Krautregulierung Anfang bis Mitte August war die Grundlage für die Ernte schalenfester Ware.
In den Versuchen fanden eine Vielzahl von Bonituren statt. Im Bestand wurden der Aufgang, die Fehlstellen, sowie die Krankheiten Rhizoctonia, Schwarzbeinigkeit und Krautfäule festgehalten. Sofort nach der Ernte ermittelten wir den Ertrag, die Sortierung, den Stärkegehalt und hohle Knollen an Übergrößen. Später bonitierten wir am Erntegut Fäulen, Schorf, Rhizoctonia, Eisenfleckigkeit, Wachstumsrisse und ergrünte Knollen. Ein Kochtest Anfang November gab Aufschluss über Kochtyp, Fleischfarbe, Kochdunkelung und insbesondere Geschmack der einzelnen Sorten. In diesem Artikel stehen die wichtigsten praxisrelevanten Parameter im Vordergrund.
Erträge, Sortierung und Stärkegehalte der Sorten
Die Erträge (dt/ha) lagen 2022, aufgrund der sehr hohen Temperaturen, niedriger als 2021. Insbesondere die frühen Sorten litten stark unter der Hitze und reiften früher ab als in den Vorjahren.
An den relativen Erträgen ist aber gut zu erkennen, dass die meisten Sorten eine genetische Veranlagung zu hohen oder niedrigen Erträgen haben. Überdurchschnittliche Erträge (Tabelle 1 + 2) erzielten in beiden Jahren in der frühen Reifegruppe die Sorten Liora, Marion, Petra, Vindika und Wega. In der Reifegruppe 3 hatten Merle und Regina die Nase vorn. Von den erstmals geprüften Sorten zeigten Chateau, Florentina, Franca, 4You und Columbia überdurchschnittliche Erträge.
Nach der Ertragsfeststellung wurden die Kartoffeln sortiert. Ein erhöhter Anteil (mehr als 5%) an Drillingen (kleine Knollen) gab es im Jahr 2022 bei den Sorten Belana, Marion, Emiliana, Jule, Mary Ann und Regina. Diese Eigenschaft muss aber nicht unbedingt von Nachteil sein, für bestimmte Verwertungsrichtungen ist sie sogar ein erklärtes Zuchtziel. Genauso wie ein hoher Anteil an Übergrößen, je nach Vermarkter, als Vor- oder Nachteil angesehen werden kann. Axenia, Petra und Polly hatten den höchsten Anteil an Übergrößen. Wenn Übergrößen nicht explizit erwünscht sind, wäre die Konsequenz für die Praxis eine geringere Stickstoffdüngung, ein engerer Pflanzabstand und/oder ein früherer Krautregulierungstermin. Hervorzuheben sind Sorten wie Franca, Marion, Merle und 4You, die trotz ihrer hohen Erträge relativ wenig Untergrößen und Übergrößen hatten und somit viel vermarktungsfähige Speiseware. Tabelle 3 zeigt die Stärkegehalte der Sorten. Das Jahr 2021 zeichnete sich schon durch hohe Stärkegehalte aus, im Jahr 2022 waren diese noch höher.
Anbaueigenschaften der Sorten
Einige Anbaueigenschaften sind in Tabelle 4 dargestellt. Für die Vermarktung können die äußeren und inneren Mängel entscheidend sein. Zu den wichtigsten äußeren Mängeln zählen der gewöhnliche Schorf und Rhizoctonia Pocken auf der Schale. Bei den inneren Mängeln können Eisenflecken ein entscheidender Aspekt für eine erfolgreiche Vermarktung sein. Da in den Jahren 2021/22 kaum Eisenflecken in den Kartoffeln unserer Versuchsstandorte zu finden waren, muss auf die Darstellung dieser Eigenschaft in Tabelle 4 verzichtet werden.
Beim gewöhnlichen Schorf waren in den letzten Versuchsjahren starke Sortenunterschiede zu bonitieren. Diese Ergebnisse sind in Tabelle 3 eingegangen. Insbesondere die Sorten Axenia, Chateau, Gourmetessa, Marion, Polly, Regina und Santera waren reich an Schorf. Deshalb sollten diese Sorten nur auf Standorten angebaut werden, die intensiv beregnet werden können und einen nicht zu hohen pH-Wert aufweisen. Sehr geringen Schorfbesatz zeigten die Sorten Belana, Emanuelle, Gunda, Jule, Lea, Lilly, Liora, Olivia und Pocahontas. Auch bei Sorten, die stabil gegen Schorf in den Versuchen waren, sollte nicht zu spät (Stolonenverdickung) beregnet werden. Frühes Beregnen unter trockenen Bodenverhältnissen kann für eine Minimierung von Schorf mit entscheidend sein. Rhizoctonia trat in den letzten Versuchsjahren immer wieder auf, trotz einer Flüssigbeizung mit Emesto Silver oder Moncut. Die Ergebnisse finden sich in Tabelle 4 wieder.
Nematodenresistenz gegenüber G. Pallida
Für den Landwirt ist es wichtig zu wissen, ob er Nematoden auf seinen Flächen hat und wenn ja, welche Art und Menge. Danach kann er planen, welche Sorte auf welchem Standort passt. Sollten weiße Nematoden (Pallida 2, 3) auf der Fläche sein, eignen sich die vorwiegend festkochenden Sorten, Olivia (Pa 2, 3), 4You (Pa 2, 3) und die festkochende Sorte Vindika (Pa 2, 3). Diese Sorten sind auch zur Nutzung im Rahmen von Bekämpfungsprogrammen in Deutschland geeignet.
Speiseeigenschaften der Sorten
Beim Testessen bestätigte sich meistens die bekannte Sorteneinstufung der Kochtypen festkochend, vorwiegend festkochend und mehlig kochend. Die Fleischfarbe “tiefgelb” (Tabelle 4) zeigte sich bei den Sorten Belana, Glorietta, Gourmetessa, Vindika, 4You, Camelia, Emanuelle, Emiliana, Mary Ann, Merle, Muse und Regina am intensivsten.
Bei der Prüfung auf den Geschmack wird nicht in “gut” und “schlecht” schmeckende Sorten unterschieden. Vielmehr werden bestimmte definierte “Mängel im Geschmack” (z.B. bitter, fade) festgestellt. Besonders geringe Mängel und somit auch sehr gut schmeckend waren die Sorten Belana, Chateau, Glorietta, Lea, Marion, Sunita, Vindika, Wega, Emiliana, Jule, Merle, Regina und Santera.
Empfehlenswerte Sorten und deren Eigenschaften aus dem geprüften Sortiment
Aus diesen vielen Daten die passenden Sorten für den Betrieb zu finden, ist nicht einfach. Tabelle 6 zeigt eine kurze Übersicht der empfehlenswerten Sorten aus dem in 2021 und 2022 geprüften Sortiment und deren wichtigsten Sorteneigenschaften. Das Parameter Speisequalität wurde ermittelt aus der Fleischfarbe und dem Geschmack gekochter Knollen. Anzumerken bleibt, dass die Sorte Glorietta insbesondere für die frühe Vermarktung empfohlen wird.
Um in die Empfehlung zu kommen, sollten mindestens zwei Versuchsjahre, besser drei Jahre, vorliegen. Deshalb sind die neu geprüften Sorten auch noch nicht in dieser Tabelle aufgeführt. Die neueren Sorten Merle, Emiliana, Santera und Vindika zeigten gute Ergebnisse und werden, wenn sich diese bestätigen, im nächsten Jahr sicherlich in die Empfehlung aufgenommen. In der gesamten Sortenempfehlung für 2022 befinden sich noch wesentlich mehr Sorten. Darauf gehen wir an dieser Stelle nicht weiter ein, weil die Sorten 2021 und 2022 nicht mehr im Sortiment standen.
Reduzierende Zucker
Kartoffeln neigen im Laufe der Lagerung zum “Verzuckern“. Diese Eigenschaft wird durch eine kühle Lagerung gefördert, es ist aber auch eine Sorteneigenschaft. Aus diesem Grund werden Proben aus den Landessortenversuchen nach einer ca. achtmonatigen Lagerung auf reduzierende Zucker (Glucose + Fructose % in der Trockenmasse) untersucht. Dadurch wird festgestellt, in wieweit die einzelnen Sorten zur Langzeitlagerung geeignet sind. Werden nur die Zuckerwerte betrachtet, so sind die Sorten Axenia, Belana, Gunda, Mary Ann, Otolia und Polly gut für eine längere Lagerung geeignet.
Fazit
- Jede Sorte hat bei bestimmen Parametern Vorteile, aber auch Nachteile. Hier gilt es abzuwägen, was einem wichtig ist.
- Nicht jede Sorte passt auf jeden Standort. Eigenschaften wie z. B. Anfälligkeiten für Rhizoctonia, Schorf und Eisenfleckigkeit können die Auswahl einschränken.
- Auch die Vermarktungsfähigkeit kann die Auswahl einschränken. Noch unbekannte Sorten sind oft nicht so einfach zu vermarkten, wie bekannte Sorten. Der Anbau sollte mit dem Vermarkter abgesprochen werden.
- Es gibt neben den 3 Speisesorten aus den Versuchen noch einige andere Sorten mit einer Resistenz gegen der Weißen Kartoffelnematoden, Globodera Pallida. Dort, wo es Probleme mit diesen Nematoden gibt, sollten diese Sorten vorrangig angebaut werden.
Kontakte
Jürgen Pickny
Berater Kartoffelspezialberatung
Thomas Stelter
Berater Kartoffelspezialberatung
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