Landessortenversuche 2023: Sommerweizen
Das Anbaujahr 2023 verdeutlichte wieder, dass der Sommerweizenanbau sehr stark durch die Aussaatbedingungen im Herbst für die Winterkulturen beeinflusst wird. Da die Winterungen landesweit ohne große Probleme bestellt werden konnten, reduzierte sich die Sommerweizenanbaufläche auf 3.200 ha und damit auf das niedrigste Niveau seit vielen Jahren.
Für die Landwirte war es sicherlich gut, den Sommerweizenumfang auf das Notwendigste beschränkt zu haben, da die Wachstumsbedingungen für Sommergetreide 2023 generell sehr schlecht waren. Das fing damit an, dass die Aussaat aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse nicht wie normalerweise üblich Ende Februar/Anfang März erfolgen konnte, sondern erst verspätet ab Anfang April begann. Die ab Mitte Mai einsetzende Trockenphase führte vielerorts dazu, dass der Sommerweizen sich in der Bestockungs- und Schossphase nicht entsprechend entwickeln konnte und damit insgesamt schwache Bestände vorhanden waren. Hier konnten auch die ab 20. Juni einsetzenden - zum Teil sehr ergiebigen - Niederschläge nicht mehr entscheidend helfen. Enttäuschende Erträge waren vielfach die Folge. Bedingt durch die späte Aussaat erreichten die Bestände die Druschreife erst im August. Hier verzögerte sich die die Ernte aber nochmals, weil sie durch ständige Regenereignisse immer wieder unterbrochen wurde. Dies hatte dann auch Auswirkungen auf die Qualität, da es zum Teil zu Auswuchsproblemen in der Ähre kam, die in schwachen Fallzahlen erkennbar waren. Nach den vorläufigen Zahlen des Landesamtes für Statistik (LSN) wurde für Niedersachsen ein voraussichtlicher Ertrag von lediglich 41,8 dt/ha prognostiziert der damit einen langjährigen Negativrekord markiert.
Das Ertragsniveau der Landessortenversuche an den niedersächsischen Standorten lag 2023 bei 51 dt/ha auf den Lehmstandorten Astrup (LK OS) und Königslutter (LK HE) sowie bei 58 dt/ha am Marschstandort in Otterham (LK AUR). Damit erhöhten sich die Ertragsunterschiede zwischen Winter- zu Sommerweizen auf etwa 38 dt/ha, wobei auf dem Marschstandort die Ertragsdifferenzen am gravierendsten ausfielen.
Trotz dieser ungünstigen Leistungen wird der Sommerweizen zwangsläufig für 2024 eine deutliche Anbauausdehnung erfahren, da viele Flächen im Herbst nicht mit Winterungen bestellt werden konnten. Derzeit ist die Nachfrage nach entsprechenden Wechsel- bzw. Sommerweizensorten stark angestiegen.
Landessortenversuche
Der LSV Sommerweizen wurde wie im Vorjahr in zwei Anbauregionen angelegt. Als Marschstandorte standen Otterham (LK AUR, Niedersachsen) sowie Sönke-Nissen-Koog und Barlt in Schleswig-Holstein zur Verfügung. Für die Lehmstandorte Nordwest waren es in Niedersachsen Königslutter (LK HE) und Astrup (LK OS), die nordrhein-westfälischen Standorte Kerpen-Buir und Haus Düsse sowie Kastorf, Futterkamp (beide Schleswig-Holstein) und Eichhof (Hessen). Einzig der schleswig-holsteinische Standort Sönke-Nissen-Koog konnte mit 81 dt/ha zufriedenstellende Erträge erzielen, während alle anderen Versuche in einem Bereich von 36 bis 58 dt/ha lagen.
Der Prüfumfang hinsichtlich Sorten ist, bedingt durch die geringe Anbaubedeutung des Sommerweizens, eingeschränkt. Die beiden langjährig geprüften A-Sorten Quintus und Licamero wurden weitergeprüft, während Sorten mit geringer Vermehrungsfläche wie SU Ahab, KWS Starlight, Akvitan und WPB Troy nicht mehr weiter verfolgt wurden. Im zweiten Prüfjahr standen die Sorten KWS Carusum (E), Winx (A) sowie KWS Jordum und Patricia (beide B). Neuzulassungen gab es keine.
Ergebnisse der Sorten
In der Marschregion erreichte die zweijährig geprüfte Sorte Winx mit Abstand die höchsten Erträge an allen drei Standorten und konnte damit die enttäuschenden Vorjahresergebnisse wieder wettmachen. KWS Jordum bestätigte mit rel. 100 ihr letztjähriges Ergebnis. Die im letzten Jahr ertragsstärkste Sorte Patricia erzielte leicht unterdurchschnittliche Erträge. Noch etwas schwächer fielen die Werte mit rel. 97 bei Quintus und KWS Carusum aus. Im mehrjährigen Vergleich überzeugte vor allem Patricia mit Relativwerten von 103,3, gefolgt von Winx (100,8), KWS Jordum (100,4) sowie KWS Carusum (98,1).
In der Anbauregion Lehmige Standorte Nordwest standen insgesamt sieben Standorte inclusive der angrenzenden Nachbarländer zur Verfügung. Hier konnten 2023 vor allem die langjährig geprüfte Sorte Licamero sowie die zweijährig geprüften Sorten Winx und KWS Jordum mit Werten von rel. 105 bis 106 überzeugen. Positiv hervorzuheben ist, dass die genannten Sorten an allen Standorten hohe Erträge erreichten. Die E-Sorte KWS Carusum zeigte mit rel. 100 ebenfalls gute und recht konstante Leistungen. Die Ertragsschwankungen waren bei Patricia etwas ausgeprägter, insgesamt konnte die Sorte mit rel. 101 noch gute Ergebnisse vorweisen. Stark enttäuschte hingegen Quintus mit sehr unterdurchschnittlichen Werten von rel. 87.
Im mehrjährigen Vergleich konnten aus ertraglicher Sicht vor allem Winx und KWS Jordum mit Werten von rel. 103,9 bzw. 102,8 überzeugen. Dank der sehr guten aktuellen Erträge konnte Licamero die letztjährigen Ergebnisse wieder ausgleichen und liegt mit 101,2 auch im überdurchschnittlichen Bereich. Patricia erzielte im Mittel beider Jahre mit rel. 100,8 leicht überdurchschnittliche Ergebnisse. Bedingt durch die schwachen Vorjahresleistungen wies KWS Carusum mit rel. 98,4 nur leicht unterdurchschnittliche Erträge auf. Deutlich abgefallen rangiert Quintus mit rel. 94,1 an letzter Stelle.
Die Sortenempfehlungen für die Anbauregionen werden in der abschließenden Einzeldarstellung der Sorten erläutert.
Die Qualitäten
Die geprüften Sorten erreichten im Mittel Rohproteingehalte (RP) von 14,5 % und lagen auf einem deutlich höheren Niveau als in den Vorjahren bzw. den diesjährigen Winterweizenprüfungen. Die hohen Werte sind jedoch zu einem guten Teil darin begründet, dass der aufgenommene Stickstoff nicht effizient in Ertrag umgewandelt werden konnte.
Den höchsten Wert erzielte mit 14,9 % wieder die E-Sorte KWS Carusum gefolgt von KWS Jordum und Patricia. Damit erreichen auch zwei B-Sorten sehr gute Werte.
Die an insgesamt sechs Standorten durchgeführten Fallzahluntersuchungen wiesen mit einem Durchschnittswert von 226 sek. um 100 Punkte geringere Werte als im Vorjahr auf und belegen damit die Schwierigkeiten an den Standorten bei verspäteter Beerntung der Versuche. Die Bandbreite zwischen den Standorten reichte von 130 bis 280 sek. im Mittel der Sorten.
KWS Carusum erreichte mit durchschnittlich 275 sek. die höchsten Fallzahlen, gefolgt von KWS Jordum mit 266 sek. Die übrigen Sorten lagen in einem Bereich von 243 bis 162 sek.
Das Hektolitergewicht fiel mit 75,3 kg im Vergleich zu den Vorjahren sehr schwach aus. Auch in diesem Merkmal zeigt sich eine enorme Bandbreite zwischen den Standorten, die in einem Bereich von 71 bis 81 kg liegt. Vor allem die ertragsschwachen Standorte zeigten hier Schwächen, die entsprechend auch die geringe Ertragsleistung mit erklären können.
Mit den höchsten Werten von 77,4 bzw. 76,9 kg schnitten die beiden neueren Sorten KWS Carusum und Patricia am besten ab. Mit Ausnahme der hektoliterschwachen Sorte Quintus lagen die übrigen Sorten bei Werten von 74,9 bis 75,2 kg.
Die empfohlenen Sorten im Einzelnen:
Von den langjährig geprüften Sorten wurde Licamero seit 2022 nur noch auf den Lehmstandorten Nordwest geprüft und verdankt ihre aktuelle Anbauempfehlung dort den guten Ergebnissen aus den Vorjahren bis 2021 und den diesjährigen sehr guten Leistungen. Neben den Ertragsleistungen konnte sie auch durch gute Einstufungen gegenüber Mehltau, Gelbrost und Ährenfusarium punkten. Sie ist derzeit die einzige Sorte im Sommerweizensortiment, die mehrjährig auch für Spätsaaten im Herbst mit Erfolg geprüft wurde, wobei von Züchterseite für alle aktuell geprüften Sorten eine Wechselweizeneignung ausgesprochen wird.
Die E-Sorte KWS Carusum erreichte als ausgesprochene Qualitätssorte leicht unterdurchschnittliche Erträge in beiden Anbauregionen, punktet aber in den Qualitätseinstufungen. Die sehr guten Einstufungen durch das BSA in den Merkmalen RP-Gehalt, Fallzahl und hl-Gewicht wurden auch in den LSV-Prüfungen klar bestätigt. Darüber hinaus sind die sehr gute Blattgesundheit, vor allem gegenüber Mehltau und den Rostkrankheiten sowie die geringe Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium hervorzuheben. Als E-Sorte erhält sie daher in beiden Anbauregionen eine Anbauempfehlung, wenn in erster Linie Qualitäts- und weniger Ertragsaspekte im Vordergrund stehen.
Die B-Sorte KWS Jordum konnte ertraglich vor allem auf den Lehmstandorten Nordwest überzeugen, während sie auf den Marschstandorten durchschnittliche Erträge erreichte. Dank der sehr guten Blattgesundheit, vor allem gegenüber Gelbrost, und der sehr geringen Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium bei gleichzeitig guter Standfestigkeit wird sie für beide Anbauregionen empfohlen, eingeschränkt in der Marsch aufgrund der dort durchschnittlichen Erträge. Darüber hinaus überzeugte sie auch in den Qualitäten, insbesondere im Rohproteingehalt und in der Fallzahl.
Die B-Sorte Patricia erreichte im Mittel beider Jahre vor allem auf den Marschstandorten, aber auch auf den Lehmstandorten Nordwest hohe bzw. leicht überdurchschnittliche Erträge und kann darüber hinaus als standfeste und insgesamt blattgesunde Sorte beschrieben werden. Im Bereich der Qualitätsmerkmale überzeugt sie in erster Linie im Hektolitergewicht. Insgesamt wird die Sorte daher für beide Regionen empfohlen.
Die A-Sorte Winx erreichte 2023 auf allen Standorten überdurchschnittliche Erträge und konnte damit auch die schwächeren Marschergebnisse von 2022 wettmachen. Sie zählt zweijährig insgesamt zu den ertragsstärksten Sorten. Da sie deutliche Schwächen in der Standfestigkeit aufweist und gegenüber Krankheiten, in erster Linie gegenüber Braunrost, schwächer eingestuft ist, erhält sie nur eine eingeschränkte Empfehlung.
Weitere Sorten
Die BSA-Verrechnungssorte Quintus zeigte auch in diesem Jahr, dass sie gegenüber den neueren Sorten ertraglich nicht mehr mithalten kann und daher auch in diesem Jahr keine Anbauempfehlung erhält. Für einen Anbau dieser Sorte würden in erster Linie die sehr gute Einstufung gegenüber Ährenfusarium und die gute Standfestigkeit sprechen.
Zusammenfassung
Auch wenn die diesjährigen schwachen Ertragsleistungen nicht unbedingt für den Sommerweizenanbau sprechen, so wird sich die Anbaufläche für die Ernte 2024 zwangsläufig wieder deutlich erhöhen. Auf zahlreichen Flächen mit höherer Bonität müssen Sommerungen, und hier auch verstärkt der Sommerweizen, bestellt werden, da die Bodenverhältnisse im Herbst/Vorwinter keine Aussaat für Winterweizen zuließen. Eine zeitnahe Saatgutbestellung sollte daher umgehend erfolgen, die Vermehrungsflächen sind recht begrenzt und der Bedarf an Sommerungen für das Frühjahr ist bundesweit stark angestiegen. Von den geprüften Kandidaten bieten sich vornehmlich die nunmehr zweijährig geprüften Sorten an, da sie in ertraglicher bzw. qualitativer Sicht eine Verbesserung darstellen.
Unter normalen Witterungsbedingungen werden es jedoch auch die neueren Sommerweizensorten schwer haben, gegenüber dem Winterweizen ertraglich und ökonomisch mitzuhalten. Daher wird der Sommerweizenanbau nach wie vor in erster Linie als Ersatz oder auch „Notnagel“ für andere Kulturen fungieren, wenn diese nicht bestellt werden konnten.
Es ist zu hoffen, dass die vorhanden Winterweizenflächen durch Frosteinbrüche nicht geschädigt werden, damit der Bedarf an Sommerungen im Frühjahr nicht noch zusätzlich ansteigt.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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