Landessortenversuche 2019: Winterbraugerste
Auch für den Braugerstenanbau haben sich durch die letzten beiden trockenen Sommer die Rahmenbedingungen geändert. In den klassischen Anbauregionen im Nordosten Niedersachsens werden die begrenzten Beregnungsmengen stärker zugunsten anderer Feldfrüchte eingesetzt. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Sommer-Braugerste an Bedeutung verlieren wird. Deshalb sollte über einen Winter-Braugerstenanbau nachgedacht werden, um die hoffentlich zur Verfügung stehende Winterfeuchtigkeit nutzen zu können.
Winterbraugerstenanbau – eine mögliche Alternative
In den klassischen Braugerstenanbaugebieten Niedersachsens wurde in den letzten zwei Jahren schmerzhaft deutlich, dass ohne intensive Beregnungsmöglichkeit ein gesicherter Braugerstenanbau mit guten Erträgen und vor allem auch Qualitäten schwer möglich ist. Die in einzelnen Landkreisen verschärfte Reglementierung der zur Verfügung stehenden Beregnungsmengen könnte künftig dazu führen, dass die ökonomisch vorteilhaftesten Kulturen schwerpunktmäßig beregnet werden. Dies sind in der Regel Frühkartoffel, Kartoffel, Zwiebeln und Rüben. Beim Getreide hat sicherlich die Braugerste erste Beregnungspriorität.
Umdenken im Braugerstenanbau?
Die Braugerstenaussaat auf den Herbst vorzuverlegen, um auf diese Weise die hoffentlich während der Wintermonate aufgefüllten Bodenwasservorräte zu nutzen, wird derzeit wieder stärker thematisiert – sowohl von den Landwirten, als auch von der aufnehmenden Hand, die auch ein hohes Interesse an sicheren Mengen und Qualitäten hat. Anlässlich der diesjährigen Braugerstenrundfahrt wurden entsprechende Überlegungen deutlich.
Von Seiten der Landwirtschaftskammer wurden in Zusammenarbeit mit in Niedersachsen ansässigen Züchtungsunternehmen seit Längerem Versuche mit begrenzter Sortenauswahl durchgeführt. Diese Versuche wurden in zwei unterschiedlichen Düngungsniveaus gefahren; zum einen auf Basis der Bedarfswerte für Winter-Futtergerstensorten, zum anderen wurde die N-Düngung um ca. 40 bis 50 kg/ha reduziert, damit die geforderten niedrigen Rohproteingehalte von unter 11,5 % recht sicher eingehalten werden konnten. Die zunehmenden Überlegungen zum Winterbraugerstenanbau sind Anlass die zusammengefassten Ergebnisse entsprechend zu veröffentlichen.
In den Prüfungen 2019 wurden insgesamt drei Braugersten- und mit Quadriga eine Futtergerstensorte geprüft. Die langjährige Prüfung von KWS Joy wurde nach 2018 beendet, ebenso wie die der EU-Sorten Monroe und Craft. Mit Wintmalt und KWS Liga wurden die derzeitigen Verrechnungssorten des Bundessortenamtes geprüft. Neu hinzugekommen ist die mehrzeilige Sorte KWS Faro, die in den Wertprüfungsergebnissen einen deutlichen Ertragsvorsprung gegenüber den Verrechnungs-, aber auch gegenüber den übrigen Prüfkandidaten erzielte.
Diese sehr guten Vorprüfungsergebnisse bestätigt KWS Faro auch in den diesjährigen Landessortenversuchen (siehe Tabelle) und erreicht gegenüber den Verrechnungssorten Wintmalt und KWS Liga einen relativen Mehrertrag von 15 % im Mittel der vier Prüfstandorte. Die Sorte positionierte sich hinsichtlich des Ertragsniveaus damit nahezu gleichauf wie die geprüfte Futtergerstensorte Quadriga.
KWS Faro konnte auch bei den allgemeinen Qualitätseigenschaften überzeugen. Dank der hohen Erträge lagen die Rohproteingehalte mit 10 % auf einem niedrigen Niveau und deutlich unter den zweizeiligen Braugersten. Überraschend günstig fielen auch die hl-Gewichte mit 66 kg und die Vollgerstenanteile sowie die guten Sortierungsergebnisse oberhalb 2,8 mm aus. Hier erreichte die Sorte die besten Ergebnisse der vier Prüfsorten, wobei von allen Sorten die geforderten 90 % Vollgerstenanteil nicht ganz erreicht wurden.
Winterbraugerstenanbau – Durch Vorverträge absichern
Vorteile für die landwirtschaftliche Praxis bestehen bei Winterbraugerste gegenüber Sommerbraugerste in arbeitswirtschaftlicher Hinsicht (Aussaat ab Mitte September, früher Erntezeitpunkt) sowie im höheren Ertragspotential, besserer Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit (wenn die Böden denn wieder aufgefüllt sind) und Tolerierung von Frühsommertrockenheit und damit letztlich in meist deutlich höheren und stabileren Erträgen.
Ein Vertragsanbau für Winterbraugerste ist in jedem Falle anzuraten, um die Gewähr des Absatzes mit entsprechenden Preisaufschlägen auch absichern zu können. Mit der aufnehmenden Hand, in der Regel also dem Landhandel, sollten vor Aussaat möglichst klare Vereinbarungen getroffen werden, welche Sorten in Betracht kommen und welche Abrechnungsmodalitäten vorab vereinbart werden können.
Derzeit werden in Niedersachsen als Winterbraugerste im Vertragsanbau vornehmlich KWS Liga, KWS Joy und KWS Somerset im begrenztem Umfang angebaut. Alle Sorten zeichnen sich im Prinzip durch recht gute Brauqualitäten aus, liegen im Ertrag jedoch ca. 10 bis 15 % unter den Futtergerstensorten. Um den Anbau wirtschaftlich zu gestalten müssen also entsprechende Preisaufschläge realisierbar sein.
Die Sorten im Einzelnen:
KWS Liga (zz) ist eine bereits ältere, in der Verarbeitung akzeptierte Winterbraugerstensorte, die mehrjährig mittlere Kornerträge erreichte, gegenüber Wintmalt jedoch entsprechend ertragsstärker ist. In den Qualitätseigenschaften zeichnet sich die mittel reifende Sorte durch niedrige Rohproteingehalte, einen hohen Vollgerstenanteil und ein hohes Hektolitergewicht aus. KWS Liga besitzt eine insgesamt mittlere Strohstabilität. Zu beachten ist die höhere Anfälligkeit gegenüber Mehltau.
KWS Joy (zz) wurde bis 2018 in den Landessortenversuchen geprüft und lag ertraglich auf vergleichbarem Niveau wie KWS Liga. Zu beachten ist die etwas höhere Lagerneigung und stärkere Anfälligkeit gegenüber Rhynchosporium.
KWS Somerset (zz) wurde in den niedersächsischen Landessortenversuchen noch nicht geprüft, wird laut Bundessortenamt (BSA) aber etwas ertragsstärker beurteilt. Mit guten Einstufungen gegenüber Ährenknicken und keinen ausgewiesenen Schwächen bezüglich Krankheiten besitzt KWS Somerset bei geringen Rohproteingehalten, sehr hohen Vollgerstenanteilen und mittlerem bis hohem Hektolitergewicht gute Qualitätseigenschaften.
KWS Faro ist derzeit die einzige mehrzeilige Wintergerste, die die Braugerstenprüfung beim BSA erfolgreich abgeschlossen hat. Die sehr guten Ertragsleistungen in den Wert- oder auch LSV-Prüfungen machen die Sorte ökonomisch interessant, weil sie vergleichbare Erträge zu Futtergerstensorten erzielen kann und gegenüber den zweizeiligen Winterbraugersten deutliche Ertragsvorteile bietet. Hinsichtlich der Verarbeitungseignung sind die Einschätzungen der Mälzereien abzuwarten. Daher ist insbesondere bei dieser Sorte ein Vertragsanbau anzuraten.
Sommergerste als Winterung ab Mitte Oktober aussäen?
Derzeit wird die Sommerbraugerste Leandra, die im Frühjahr die Verarbeitungsempfehlung durch das Berliner Programm erhalten hat, zusätzlich auch für diese Anbaumöglichkeit beworben. Durch die späte Aussaat soll ein Überwachsen im Herbst und damit die Gefahr der Auswinterung reduziert, die Vorteile der insgesamt früheren Entwicklung im Frühjahr gefördert und dadurch die Notwendigkeit der Beregnung insgesamt vermindert werden. Erste züchtereigene Versuchs- und Praxisuntersuchungen stützen diese These, unabhängig untermauert sind diese Aussagen nach unserem Kenntnisstand noch nicht. Ein direkter Anbauvergleich zu reinen Winterbraugerstensorten, sowie der Ertragsvergleich zur Frühjahrsaussaat wird künftig weitere Erkenntnisse liefern. Entsprechende Versuche hierzu sollen für die Ernte 2020 angelegt werden.
Zusammenfassung
Die verschärften Reglementierungen der künftigen Beregnungsmengen könnten möglicherweise zu Änderungen im Anbauverhalten im Braugerstenbereich führen. Eine Möglichkeit wäre, dass zumindest ein begrenzter Wechsel hin zum Winterbraugerstenanbau stattfindet.
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