Landessortenversuche 2024: Wintergerste
Die Ergebnisse der LSV Wintergerste 2024 liegen nunmehr von allen sechs Anbauregionen vor. Die Ertragsleistungen der Einzelortergebnisse zeigen auch in diesem Jahr wieder stärkere Schwankungen. Insgesamt deuten die Ergebnisse auf eine eher durchschnittliche Wintergerstenernte hin, wobei auch aus der Praxis sowohl erfreuliche als zugleich auch ernüchternde Erträge gedroschen wurden.
Die ungewohnt feuchten Witterungs- und Bodenbedingungen haben landesweit zu gravierenden Veränderungen im Anbauumfang der Winterungen geführt. Hiervon war die Wintergerste noch vergleichsweise wenig betroffen. Seitens des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) liegen Prognosen zum 30. Juni 2024 vor, die mit 154.300 ha höhere Angaben für die Anbauflächen als die diesjährigen INVEKOS-Zahlen ausweisen. Danach ging die Wintergerstenfläche von 147.000 ha im Jahr 2023 um 2.000 ha auf 145.000 ha zurück. Im Vergleich zum Weizen, Roggen und Triticale fiel der Anbaurückgang damit recht moderat aus.
Da sich die Vermarktungsbedingungen für Futtergerste aktuell eher verschlechtert haben und sich die Entwicklung auf die derzeitigen Marktpreise niederschlägt, bleibt abzuwarten, ob der Preisdruck auch Auswirkungen auf die kommende Aussaat haben wird. Allerdings sollten für den Gerstenanbau nicht ausschließlich die aktuellen ökonomischen Aspekte, sondern vielmehr auch die positiven Gesichtspunkte in der Fruchtfolgegestaltung berücksichtigt werden.
Vegetationsverlauf 2023/24
Zum Zeitpunkt der Hauptbestellungsphase der Wintergerste im Zeitraum von der dritten Septemberdekade bis zum 10. Oktober waren die Aussaatbedingungen noch recht günstig, wobei das in der Marsch ab Beginn der zweiten Oktoberwoche oftmals auch nicht mehr zutraf. Die Bestände konnten sich vor Winter durchweg gut entwickeln. Auf den von Natur aus feuchten Standorten machten sich die Herbstniederschläge besonders bemerkbar, sodass zum Teil die Aussaat erschwert bzw. sogar unmöglich gemacht wurde. Davon waren insbesondere die Marschregionen in starkem Maße betroffen. Je ungünstiger die Aussaatbedingungen, desto schwieriger konnten sich die Bestände weiterentwickeln. Eine unzureichende Wurzelbildung war dann oftmals die Folge.
Das niederschlagreiche Wetter hielt bis ins Frühjahr an, es kam vielerorts zu Überschwemmungen, in deren Folge auch Wintergerstenbestände so stark geschädigt waren, dass sie teilweise umgebrochen werden mussten.
Eine deutliche Vegetationsruhe hat es in diesem milden Winter nicht gegeben. Die kurzzeitigen Frostereignisse verursachten bei der Gerste in der Regel keine Schäden. Insgesamt war die Entwicklung der Bestände aber bis Mai ca. zwei Wochen früher als gewöhnlich. Feuchte Standorte konnten zum Teil für erforderliche Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen nicht oder nicht zum passenden Zeitpunkt befahren werden. Das traf vereinzelt auch auf Insektizidmaßnahmen zu, die zur Läusebekämpfung im Herbst an gefährdeten Standorten nicht erfolgen konnten. Hier zeigten sich dann vereinzelt entsprechende Befallsflächen mit dem Gerstengelbverzwergungsvirus.
Die in den vergangenen Jahren häufig auftretende Frühjahrstrockenheit blieb 2024 im Prinzip aus, sodass auch in den klassischen Beregnungsregionen die Beregnung im Getreide generell deutlich zurückgefahren werden konnte. Die eher feuchten Witterungsbedingungen verursachten allerdings auch einen verstärkten Krankheitsdruck. Bei Gerste waren hier ein stärkerer Rhynchosporium- und Ramulariabefall zu verzeichnen.
Die Temperaturen im Frühsommer lagen durchweg im moderaten Bereich, die Bestände konnten sich kontinuierlich entwickeln und anschließend in die Abreifephase übergehen. Die Gerstenernte begann auf schwächeren Standorten bereits Ende Juni, während das Gros der Bestände im Zeitraum Anfang bis Mitte Juli - und damit im normalen Zeitraum - geerntet wurde. Die Ernte wurde allerdings durch zeitweilige Niederschlagsereignisse oftmals unterbrochen. Insgesamt konnten die kurz vor Erntebeginn noch leicht optimistischen Ernteprognosen nicht erfüllt werden. Gerade in den westlichen Regionen waren zahlreiche Betriebe enttäuscht. Aber auch in den südöstlichen Ackerbauregionen waren Spitzenerträge eher die Ausnahmen; starke Mindererträge allerdings ebenso.
Viele Bestände erreichten nicht die angestrebte Bestandesdichte. Obwohl die Kornausbildung recht günstig verlief, wurden nur eher durchschnittliche Hektolitergewichte (hl-Gewichte) erreicht, die dann die fehlende Ährenzahl nicht kompensieren konnten.
Die Ernte der Versuche erfolgte im Zeitraum vom 08. bis 18. Juli unter zumeist günstigen Bedingungen.
Die Erträge der diesjährigen Ernte variierten in den LSV in einem Bereich von 59 bis 108 dt/ha und spiegeln damit auch die Spannbreite in der Praxis wider. Aufgrund des höheren Krankheitsdrucks erreichten insbesondere Bestände auf den leichteren Standorten bei reduziertem Pflanzenschutzmitteleinsatz lediglich Erträge um gut 40 dt/ha. Während oftmals die höchsten Erträge in der Marsch erzielt wurden, litten sowohl die Praxisschläge als auch die Versuchsstandorte durch die vernässten Bodenbedingungen. Waren hingegen die Bodenbedingungen und auch die Fruchtfolgestellung günstig, so konnten auch sehr gute Erträge von 108 dt/ha erzielt werden, wie es beispielsweise am Bördestandort Poppenburg mit Grasvorfrucht und anschließendem Zwischenfruchtanbau der Fall war.
Sortenbeurteilung auf breiter Basis
Um die regionalen Unterschiede zu berücksichtigen, werden die Ertragsleistungen für die sechs in Niedersachsen relevanten Anbauregionen Marsch, Sandböden West und Nord, Leichte Lehmböden West, Lehmböden Südhannover und die Höhenlagen Mitte/West differenziert betrachtet; bei sich mit anderen Bundesländern überschneidenden Anbauregionen wurden deren Ergebnisse mit verrechnet. Durch Einbeziehung der Vorprüfungsergebnisse aus WP- und EU-Prüfungen können die im LSV ein- und zweijährig geprüften Sorten bereits verlässlicher beurteilt werden. Es zeigte sich auch in diesem Jahr wieder, dass die Aussagekraft der Sortenergebnisse über den Mittelwert der Prüfstandorte je Anbauregion betrachtet wesentlich aussagekräftiger ist, da die Einzelortergebnisse oftmals stärker streuen. In den Ertragstabellen ist für das aktuelle Jahr die Spalte Minderertrag bei Verzicht auf Wachstumsregulatoren und Fungizide eingefügt. Die Werte geben entsprechende Hinweise auf die Robustheit der Sorten bei reduzierten Pflanzenschutzmaßnahmen bzw. deren Wegfall. Da der Krankheitsdruck an vielen Versuchsstandorten recht ausgeprägt war, waren Mindererträge bei anfälligen Sorten von bis zu 30 % feststellbar. Auf der anderen Seite zeigte sich allerdings bei den zweizeiligen Sorten, dass sie oftmals auch mit einem reduzierten Wachstumsreglereinsatz gerade auf schwächeren Standorten auskämen.
In den derzeit in den LSV geprüften Sorten wurden neben etablierten Sorten, darunter vier Hybriden, sechs neu vom Bundessortenamt (BSA) zugelassene mit Gerstengelbverzwergungsvirusresistenz (GvzV) ausgestatteten Sorten getestet. Mit Amaranta ging eine EU-Sorte an den Start, die sowohl die doppelte Resistenz gegenüber bodenbürtigen Gelbmosaikviren (2xGMV) hat als auch gegen das durch Läuse übertragene Gerstengelbverzwergungvirus resistent ist, genau wie die BSA-Neuzulassung KWS Delis. Mit der GvzV-resistenten Sorte Fascination wurde eine neue Sorte geprüft, die allerdings nicht über eine Resistenz gegenüber GMV verfügt, sie fiel aber in den Wertprüfungen zuvor durch sehr gute Ertragsleistungen positiv auf. Die GvzV- resistenten Sorten Bonnovi, Orcade und RGT Alessia wurden lediglich an einzelnen Standorten geprüft.
Der Anbau zweizeiliger Sorten spielt in Niedersachsen vornehmlich auf den Sandstandorten eine gewisse Rolle, da sie auf den ertragsschwächeren Standorten mittlere Erträge mit zumeist sicheren Hektolitergewichten (hl-Gewichte) erreichen. Zur Absicherung der Qualitätskriterien bei der Vermarktung können hier die zweizeiligen Gersten die geforderten hl-Gewichte etwas verlässlicher erfüllen.
Ergebnisse der Landessortenversuche
Neben den Kriterien Ertragsleistung und Ertragskonstanz rücken zunehmend die weiteren agronomischen Eigenschaften wie Blattgesundheit, Standfestigkeit, Halmstabilität sowie Resistenzen bzw. Toleranzen gegenüber Viruserkrankungen in den Vordergrund. Je nach Vermarktungsmöglichkeiten spielen sicherlich die Qualitätsaspekte (z. B. hl-Gewicht bei Gerste) ebenfalls eine große Rolle. Insbesondere der Pflanzengesundheit kommt künftig bei Wegfall wichtiger Fungizidwirkstoffe eine steigende Bedeutung zu. Sorten, die unter unterschiedlichen Umweltbedingungen konstante Ergebnisse erreichen, empfehlen sich für eine gesicherte Produktion.
Empfohlene Sorten - mehrzeilig
Eine uneingeschränkte Empfehlung in allen Anbauregionen erhalten Julia und Esprit.
Julia erwies sich auch im dritten LSV-Jahr als sehr ertragsstark und -konstant. Damit bestätigte sie die positiven Ergebnisse der Vorprüfungen und wird weiterhin klar in allen Anbauregionen empfohlen. Hinzu kommt ihre doppelte GMV-Resistenz. Darüber hinaus überzeugte die Sorte durch eine gute Blattgesundheit und Strohstabilität mit hohem Marktwareanteil bei allerdings durchschnittlichen hl-Gewichten. Sie ist derzeit sowohl in Niedersachsen als auch deutschlandweit die vermehrungsstärkste Wintergerstensorte.
Esprit wird bei den aktuell geprüften Sorten aufgrund ihrer hohen und in der Regel konstanten Ertragsleistung ebenfalls in allen Anbauregionen nach wie vor empfohlen. Lediglich in der Marsch erzielte sie an allerdings nur zwei Standorten diesjährig unterdurchschnittliche Erträge, jedoch unter schwierigen Bedingungen. Darüber hinaus sind die Blattgesundheit, die noch ausreichende Strohstabilität sowie ein sehr hoher Marktwareanteil und ein gutes hl-Gewicht positiv hervorzuheben. Gegenüber Ramulariabefall wird sie als wenig anfällig eingestuft; leichte Schwächen in der Standfestigkeit waren auch in diesem Jahr erkennbar.
Winnie konnte vor allem auf den Lehmböden Nordwest und Südhannover sowie den Höhenlagen Mitte/West wieder ertraglich überzeugen und ist dort weiterhin empfohlen. Trotz ihrer Pflanzenlänge ist sie noch als strohstabil eingestuft. Sie erwies sich als blattgesund, vor allem gegenüber Zwergrost, Mehltau und Ramularia. Überdies sind auch das hohe hl-Gewicht und der sehr gute Marktwareanteil hervorzuheben.
SU Hetti zeigte in den diesjährigen LSVs recht schwankende Erträge von sehr hoch in der Marsch bis unterdurchschnittlich auf den Lehmstandorten sowie den westlichen Sandböden. Als strohstabile und vor allem 2xGMV resistente Sorte wird sie eingeschränkt in den Anbauregionen Marsch, den beiden Sandregionen sowie für die Höhenlagen empfohlen, da sie hier in den mehrjährigen Ergebnissen durchschnittliche Erträge erreichte. Zu beachten sind die Schwächen gegenüber Zwergrost.
Avantasia konnte vielfach nicht an die guten Vorjahresergebnisse anknüpfen. Allerdings erwies sie sich auf den Marschstandorten ertragsstark. Dank ihrer doppelten GMV-Resistenz wird sie in der Marsch und den Lehmstandorten Nordwest eingeschränkt empfohlen. Insbesondere die geringe Blattgesundheit - besonders gegenüber Zwergrost und das stärkere Halmknicken - verhinderten, eine Empfehlung auch für die weiteren Anbauregionen auszusprechen, obwohl sie dort ertraglich mehrjährig gut durchschnittliche bis durchschnittliche Leistungen erreichte.
Die Sorte SU Midnight enttäuschte in diesem Jahr ertraglich in allen Anbauregionen und wird daher trotz ihrer 2xGMV-Resistenz nicht weiter empfohlen. Hinzu kommt die zunehmende Anfälligkeit gegenüber Rynchosporium-Befall.
Hybridsorten
SY Galileoo ist von den Hybridsorten nach wie vor die in der Praxis etablierteste und bestätigte auch in diesem Jahr wieder ihre sehr hohe Ertragsleistung und -konstanz in allen Anbauregionen. Dank der sehr guten mehrjährigen Erträge wird sie für die Marsch und die Höhenlagen uneingeschränkt empfohlen. Auf den Sand- und nordwestlichen Lehmstandorten wird die Anbauempfehlung eingeschränkt ausgesprochen, da die mehrjährigen Erträge hoch, aber nicht sehr hoch ausfielen und die erhöhten Saatgutkosten bei Hybridsaatgut berücksichtigt werden sollten. Da sich die Marktpreise für Futtergerste derzeit auf einem Niveau deutlich unterhalb von 20 €/dt bewegen, lassen sich die Mehrkosten beim Saatgut nicht mehr mit nur 1 dt/ha Mehrertrag kompensieren. Für die ökonomische Bewertung müssten wohl wieder eher 2 bis 3 dt/ha Mehrertrag vorhanden sein. Vor allem die Ertragskonstanz sowie die Blattgesundheit sprechen für ihren Anbau. Zu beachten sind die Schwächen in der Standfestigkeit und die schwächere Strohstabilität.
Die zweijährig im LSV geprüfte EU-Sorte SY Loona konnte ihre im ersten Jahr gezeigten Leistungen in allen Anbauregionen bestätigen bzw. noch steigern. Dadurch erreichte sie mit Ausnahme der Lehmstandorte Südhannover überdurchschnittliche Erträge, sodass sie in den übrigen Anbauregionen uneingeschränkt empfohlen wird. Bei hohen Qualitäten und einer guten allgemeinen Blattgesundheit zeigt sie eine mittlere Strohstabilität.
SY Dakoota wurde bis auf in der Anbauregion Lehmböden Südhannover in den übrigen Regionen im dritten Jahr mit Erfolg geprüft. Insbesondere auf den Sandstandorten zeigte sie gegenüber SY Galileoo etwas stärkere Erträge. In den geprüften Anbauregionen wird sie dank überdurchschnittlicher Erträge klar empfohlen. Die gute Strohstabilität, Blattgesundheit und guten Qualitätseigenschaften, besonders beim hl-Gewicht, sprechen ebenfalls für ihren Anbau.
Jettoo wurde auch 2024 nur noch in der Marsch weitergeprüft und untermauerte mit sehr guten Erträgen die letztjährige Anbauempfehlung. Während die Blattgesundheit sowie gute hl-Gewichte positiv hervorzuheben sind, sollte die mittlere Strohstabilität beachtet werden.
Sorten mit der Resistenz gegenüber Gerstengelbverzwergungsvirus (GvzV)
Durch das Gerstengelbverzwergungsvirus traten 2021 auf einzelnen Schlägen erhebliche Schäden mit entsprechend hohen Ertragseinbußen auf. Seitdem hat sich das Sortenangebot der resistenten und im LSV geprüften Sorten deutlich erhöht, da sich vor allem auch die Ertragsleistungen verbessert haben. Die Gruppe der aktuell geprüften resistenten Sorten wird daher im Block vorgestellt.
Die 2022 vom BSA zugelassene GvzV-resistente Sorte KWS Exquis zeigte auch im dritten Prüfungsjahr etwas schwankende Erträge. Vor allem auf den Sandstandorten und den Lehmstandorten Nordwest lieferte sie 2024 hohe Erträge. Die oftmals recht kurzen Ähren kompensiert die Sorte durch eine höhere Anzahl ährentragender Halme. Die weiteren agronomischen Merkmale wie Blattgesundheit, Strohstabilität sowie ein hohes hl-Gewicht sind positiv hervorzuheben. Aufgrund ihrer besonderen Resistenzeinstufung ist die Sorte für alle Anbauregionen trotz ihrer zum Teil auch leicht unterdurchschnittlichen Erträge für GvzV-gefährdete Standorte empfohlen.
Die zweijährig geprüfte Sorten Integral erreichte 2024 durchschnittliche bis leicht unterdurchschnittliche Erträge; im mehrjährigen Mittel lagen die Erträge ebenfalls im leicht unterdurchschnittlichen Bereich. Postitiv hervorzuheben sind in jedem Fall die gute Strohstabilität sowie sehr hohe Marktwareanteile und hl-Gewichte, die die eingeschränkte Empfehlung aufgrund der besonderen Eigenschaften unterstützen. Zu beachten ist die höhere Mehltauanfälligkeit.
SU Virtuosa erreichte 2024 in der Marsch, auf den Sandböden Nordhannover und den Höhenlagen Mitte/West gute Erträge. Mehrjährig lieferte die Sorte zusätzlich auch auf den Lehmstandorten Nordwest ausreichend hohe Erträge, die eine eingeschränkte Empfehlung trotz deutlicher Schwächen in der Strohstabilität und der hohen Anfälligkeit gegenüber Zwergrost für GvzV-gefährdete Standorte rechtfertigen.
Erstmalig geprüfte Sorten mit GvzV-Resistenz
KWS Delis erreichte auf den Marsch-, den Lehmstandorten Nordwest sowie den Sandstandorten gute Erträge, sodass sie aufgrund ihrer doppelten GMV- und der GvzV-Resistenzeigenschaft für den Probeanbau in Frage kommt. Darüber hinaus sind die Strohstabilität und die gute Qualität hervorzuheben. Zu beachten ist die Ramulariananfälligkeit.
Die mit gleichen Resistenzeigenschaften ausgestattete EU-Sorte Amaranta konnte ertraglich lediglich auf den nordwestlichen Sandstandorten (allerdings nur 2 Ergebnisse) und den Lehmböden Südhannover noch durchschnittliche Erträge erzielen. Die geringe Strohstabilität und die mäßige Einstufung gegenüber Krankheiten sollten in jedem Fall beachtet werden. Aufgrund ihrer speziellen Resistenzeigenschaften in Verbindung mit sehr guten hl-Gewichten wird sie für den Probeanbau für die beiden oben genannten Anbauregionen eingeschränkt empfohlen.
Weitere Sorten, die regional geprüft wurden
Die altbekannte Sorte KWS Orbit wurde noch in den letztjährig empfohlenen Anbauregionen Lehmböden Südhannover und Höhenlagen Mitte/West weitergeprüft und bestätigte dort ihre Leistungsfähigkeit. Mit gut durchschnittlichen bzw. hohen Erträgen wird sie dort allerdings weiterhin eingeschränkt empfohlen, da sie insbesondere gegenüber Zwergrost, aber auch Rhynchosporium deutliche Schwächen zeigt. Ihre Anbaubedeutung beruht auf den positiven Eigenschaften hohes hl-Gewicht, hoher Marktwareanteil und Strohstabilität.
SU Jule wurde nur noch auf den Lehmstandorten Südhannover geprüft und konnte aktuell leicht unterdurchschnittlichen Erträge, mehrjährig betrachtet mit rel. 100 noch ein ansprechendes Ergebnis erzielen. Sie wird dort weiterhin eingeschränkt empfohlen, weil die sehr gute Strohstabilität und Standfestigkeit sowie die sehr hohen Qualitäten für ihren Anbau sprechen. Die Mehltauanfälligkeit ist zu beachten.
Empfohlene Sorten - zweizeilig
SU Laubella wurde lediglich auf den Sandböden Nordwest und Nordhannover geprüft und wird dort vor allem dank der guten Vorjahresleistungen empfohlen. Im Gegensatz zu Bordeaux ist sie gegenüber Ramularia günstiger eingestuft, sodass sie neben den Erträgen auch durch gute Strohstabilität, Blattgesundheit, vor allem gegenüber Mehltau und Rhynchosporium überzeugen kann. Die Qualitätsparameter Marktwareanteil und hl-Gewicht sind ebenfalls hervorzuheben.
Bordeaux und KWS Tardis konnten mit Ausnahme der Anbauregion Marsch ertraglich lediglich durchschnittliche bis leicht unterdurchschnittliche mehrjährige Erträge erzielen. Für einen möglichen Anbau sprechen in erster Linie die hohen Qualitäten sowie die Strohstabilität und Blattgesundheit, wobei hier die Ramulariaanfälligkeit bei Bordeaux zu beachten ist.
Weitere erstmalig geprüfte Sorten
Mit Fascination wurde eine GvzV-resistente Sorte zugelassen, die jedoch keine Resistenz gegenüber Gelbmosaikvirus aufweist. Die durch eine sehr zügige Frühjahrsentwicklung auffallende Sorte bestätigte die hohe BSA-Ertragseinstufung nur recht eingeschränkt und wird aufgrund der Unsicherheit gegenüber eines Gelbmosaikvirusbefalls trotz guter Erträge auf den Lehmstandorten und Sandböden Nordwest nicht empfohlen. Die agronomischen Eigenschaften wie Pflanzengesundheit und Strohstabilität hingegen sind wie auch die gute Qualität positiv hervorzuheben. Es stellt sich die Frage, wie relevant in den nächsten Jahren die Gelbmosaikvirusresistenz sein wird.
Weitere Sorten wie die mehrzeilige Sorte RGT Alessia sowie die zweizeiligen Sorten Bonnovi und Orcade wurden in Niedersachsen an drei Standorten geprüft, wo zusätzlich die GvzV-Resistenz überprüft werden sollte. Da die Datenbasis zur Ertragsbeurteilung sehr gering ist, werden die Ertragsleistungen noch nicht weiter beschrieben. Die agronomischen Einstufungen sind in der Tabelle Sortenempfehlungen und Eigenschaften beschrieben.
Das gleiche gilt auch für die zweizeilige Sorte Goldmarie, die aufgrund ihrer sehr guten Qualitätseigenschaften an einzelnen Standorten mitgeprüft wurde.
Hl-Gewicht ist wichtiges Qualitätskriterium
Während im vergangenen Jahr auf den Hochertragsstandorten die hl-Gewichte im Mittel über 70 kg lagen, sind wir in diesem Jahr doch etwas entfernt davon. Lediglich auf dem Standort Königslutter in der Anbauregion Lehmböden Südhannover wurden mit der zweizeiligen Sorte Bordeaux die 70 kg erreicht. Im Mittel des Standortes lagen die Werte bei 67,5 kg und im Durchschnitt der Anbauregion lediglich bei 63,1 kg. Auf den leichten Sandstandorten Nordhannover wurde im Mittel der Sorten und vier Orte ein hl-Gewicht von 61,1 erreicht, wobei die hl-Gewichte geringere Schwankungen zwischen den Einzelorten aufwiesen als im Vorjahr. Auf trockenstressbeeinflussten Standorten, wo die Trockenheit eine gute Kornfüllung behinderte, lagen die Werte 2023 an Einzelorten im Bereich von 52 bis 56 kg.
Wie im Vorjahr erreichten die drei zweizeiligen Sorten Bordeaux, KWS Tardis und SU Laubella die höchsten hl-Gewichte. Aber auch die neuen Sorten KWS Delis, Amaranta sowie Integral und Winnie konnten auf den Lehmstandorten hohe Werte erzielen. Auf den Sandstandorten überzeugten in erster Linie neben den zweizeiligen Sorten SY Loona, KWS Exquis sowie KWS Delis, Amaranta, Integral und SY Dakoota.
Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Landessortenversuche zeigen, dass nur eine relativ geringe Anzahl Sorten über alle Anbauregionen konstante Ertragsleistungen erreichen und damit niedersachsenweit empfohlen werden. Der erhöhte Krankheits- und vereinzelte Lagerdruck in diesem Jahr zeigte bei den anfälligeren Sorten deutliche Mindererträge bei Verzicht auf Fungizide oder Wachstumsregler auf und verdeutlicht damit gleichzeitig die Sinnhaftigkeit von vornherein auf gesunde, standfeste und strohstabile Sorten zu setzen.
Das Sortenspektrum hat sich im Hinblick auf die Resistenz gegenüber Virusbefall in den letzten Jahren erweitert. Neben dem Zugang neuerer doppelt Gelbmosaikvirus resistenter Sorten (GMV Typ 1 u. 2) stehen nunmehr auch weitere Sorten mit einer Resistenz gegenüber dem Gerstengelbverzwergungsvirus (GvzV) zur Verfügung. Wie die diesjährigen Versuchsergebnisse gezeigt haben, liegen die Erträge der GMV bzw. 2xGMV resistenten Sorten und der Sorten mit erweiterter Resistenz (GvzV) relativ eng beieinander. Mit dem Anbau entsprechend resistenter Sorten besteht also die Möglichkeit, auf Insektizidmaßnahmen zu verzichten und damit die Anbausicherheit generell zu erhöhen. Darüber hinaus stehen zahlreiche strohstabile und blattgesunde Sorten zur Verfügung, die sowohl die Notwendigkeit des Wachstumsregler- als auch des Fungizideinsatzes begrenzen können. Für die Vermarktung ist nach wie vor das Hektolitergewicht eine entscheidende Größe, die es insbesondere auf ertragsschwächeren Standorten zu beachten gilt. Von daher haben auch zweizeilige Sorten, auch wenn sie oftmals eher durchschnittliche Erträge erzielen, nach wie vor ihre Anbaubedeutung. Das wird auch an den Vermehrungszahlen offensichtlich.
Die Wintergerste sollte, auch wenn sie aus rein ökonomischen Gründen vielleicht nicht zu den attraktivsten Kulturen zählt, auf Grund ihrer vielfältigen Vorteile im Hinblick auf die Fruchtfolgeaspekte fester Bestandteil in der Anbauplanung bleiben.
Positive Aspekte des Wintergerstenanbaus
- Entzerrung von Arbeitsspitzen im Herbst aufgrund früherer Aussaattermine ab ca. 20. September
- Flexibilität der Saatzeit aufgrund milder Winter bis Mitte Oktober möglich
- Möglichkeit der organischen und/oder mineralischen Düngung im Herbst auf mineralisationsschwachen Standorten (Vorgaben DüV beachten).
- der Anbau neuer virusresistenter Sorten vermeidet Insektizidmaßnahmen im Herbst
- Wintergerste hat geringere Wasseransprüche als Winterweizen
- durch die frühe Ertragsbildung im Vegetationsverlauf oftmals geringere negative Einflüsse durch Frühsommertrockenheit
- bessere Verträglichkeit gegenüber Hitze und Trockenheit als Weizen, Dinkel oder Triticale
- auf leichteren Böden ist sie tendenziell ertragssicherer als Weizen, Dinkel oder Triticale
- als früh räumende Kultur Entzerrung von Arbeitsspitzen während der Getreideernte
- Möglichkeit einer gründlichen Stoppelbearbeitung und dadurch Förderung der - Strohrotte auch bei hohen Strohmengen
- mehrfache mechanische Bekämpfung von Problemunkräutern möglich
- ermöglicht optimales Aussaatzeitfenster für Zwischenfrüchte oder Raps mit entsprechender Bodenbearbeitung
- durch die Schaffung günstiger Etablierungsmöglichkeiten für Zwischenfrüchte entsprechende Vorteile für die Nachfrüchte wie Zuckerrübe oder Kartoffel
Sorteninformationen können Sie auch auf Ihrem Handy bekommen
Mit dem Sortenfinder der „LWK Niedersachsen“-App können Sie nach bestimmten Auswahlkriterien gezielt nach geeigneten Sorten für Ihre Anbauverhältnisse suchen. Nach der Installation der App finden Sie den Sortenfinder unter der Rubrik „Rechner“.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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