Sortenversuch Winterbraugerste und späte Herbstaussaat Sommerbraugerste 2023
Müssen die Karten beim Braugerstenanbau neu gemischt werden? Winterbraugerste spielt bislang keine große Rolle im Braugerstenanbau. Sie bietet bei Frühsommertrockenheit jedoch Vorteile gegenüber der klassischen Sommerbraugerste. Die Aussaat von Sommerbraugerstensorten bereits im Herbst führt nicht immer zum Erfolg, das hat das Jahr 2023 gezeigt.
Der klassische Braugerstenanbau mit Aussaat von Sommergerstensorten im zeitigen Frühjahr wurde in den vergangenen Jahren sukzessive dahin verändert, dass die Aussaat bereits auf Ende Oktober/Anfang November vorverlegt wurde. Dies ging in den letzten Jahren auch gut dank geringer Fröste bzw. gleichzeitiger leichter Schneeauflage.
Die Frostperiode Mitte Dezember 2022 hat viele dieser Spätherbstaussaaten jedoch sehr stark geschädigt, sodass in vielen Fällen - regional wird von bis zu 70 bis 90 % der ausgesäten Flächen gesprochen - eine Neuaussaat im Frühjahr erforderlich war.
Daher gelangt aktuell der normale Wintergerstenanbau deutlich stärker in den Fokus, wobei er in Niedersachsen mit geschätzten 2.000 ha bislang nur eine eher unbedeutende Rolle gespielt hat.
Die Herbstaussaat von Sommerbraugerste wurde laut Schätzungen der AG Braugerste für das Anbaujahr 2022/23 hingegen auf einen Flächenanteil von etwa 5.000 bis 6.000 ha beziffert. Nach derzeitigem Stand werden viele Betriebe von diesem Anbauverfahren jedoch wieder Abstand nehmen. Hier scheinen auch die beschriebenen Vorteile, sprich die über die Wintermonate aufgefüllten Bodenwasservorräte zu nutzen und ein bis zwei Beregnungsgänge einzusparen, die Risiken durch Auswinterungsschäden nicht wett zu machen.
Diese Vorteile könnten in gleicher Weise auch für den normalen Winterbraugerstenanbau mit entsprechend geringerem Auswinterungsrisiko genutzt werden.
Versuchsergebnisse Winterbraugerstensorten
Die in Zusammenarbeit mit in Niedersachsen ansässigen Züchtungsunternehmen durchgeführten Winterbraugerstenversuche konnten auch 2023 wieder an allen vier Standorten beerntet und ausgewertet werden. Die Versuche wurden gegenüber den Futtergerstenprüfungen im N-Angebot um 20 kg/ha geringer gedüngt, um keine überhöhten Rohproteingehalte zu riskieren. Mit durchschnittlich 71 dt/ha konnten bei einer Schwankungsbreite zwischen den Standorten von 54 bis 87 dt/ha hohe Erträge erzielt werden, ohne jedoch an die Spitzenwerte des vergangenen Jahres in Höhe von 85 dt/ha heranzureichen.
Die langjährig geprüfte Sorte KWS Liga fungiert nach wie vor noch als Verrechnungssorte des Bundessortenamtes (BSA), spielt in der Praxis jedoch praktisch keine Rolle mehr. Hingegen dominiert die im vierten Jahr geprüfte Sorte KWS Somerset derzeit den Anbau. Aber auch die im fünften Prüfjahr stehende mehrzeilige Sorte KWS Faro hat sich etabliert. Dank guter Ergebnisse in den EU-Prüfungen sowie im ersten LSV-Jahr wurde zusätzlich die Sorte Suez weitergeprüft. Die Futtergerstensorte Esprit wird nunmehr im zweiten Jahr für den Leistungsvergleich zu den Futtergerstensorten mitgeprüft, sie ersetzt die altbekannte Sorte Quadriga seit 2022. Die Sommerbraugerste Leandra, die auch verstärkt in der Spätherbstaussaat zum Einsatz gekommen ist, wurde 2022 probehalber auch an drei Standorten in die normale Winterbraugerstenprüfung aufgenommen, aufgrund schwacher Leistungen und starken Krankheitsbefalls aber 2023 nicht mehr weitergeprüft.
In diesem Jahr erzielten die Futtergerstensorte Esprit und die mehrzeilige Braugerste KWS Faro mit rel. 106 die höchsten Erträge. Suez konnte ihr gutes Vorjahresergebnis mit rel. 103 bestätigen und erreichte damit auch in diesem Jahr höhere Erträge als KWS Somerset.
In den Qualitätsparametern erreichten alle Braugerstensorten gute Ergebnisse. Im Rohproteingehalt (RP-Gehalt) lagen die Sorten im Mittel der Standorte mit Werten von 9,7 bis 10,4 % im Normbereich, wobei die ertragsstärksten Sorten im unteren RP-Bereich zu finden waren. Auch in diesem Jahr wurden mit durchschnittlich 67,6 kg wieder sehr gute Hektoliter (hl)-Gewichte erreicht, hier fielen besonders KWS Faro und KWS Somerset positiv auf. Mit Vollgerstenanteilen (Sortierung > 2,5 mm) von 89 % wurde das sehr gute Ergebnis des Vorjahres (95 %) nicht erreicht. Diese sehr hohen Werte waren im vergangenen Jahr sicherlich auch für die Spitzenerträge mitverantwortlich. Suez erreichte 2023 die höchsten Vollgerstenanteile und lag auch bei der Sortierung > 2,8 mm vorn, wobei die Unterschiede zu KWS Somerset und KWS Faro recht gering waren. Deutlicher fiel KWS Liga in diesen Punkten ab. Aufgrund der in diesem Jahr nur geringen Datengrundlage im Bereich Strohstabilität und Krankheitsanfälligkeit lagen alle Sorten recht eng beieinander.
Daher werden statt der diesjährigen Ergebnisse die BSA-Einstufungen zu den wichtigsten Merkmalen aufgeführt.
Empfohlene Sorten
Die vermehrungsstärkste Winterbraugerste KWS Somerset konnte in diesem Jahr wieder insgesamt sehr gute Qualitäten erzielen und zählt trotz etwas schwächerer diesjähriger Erträge ganz klar zu den empfohlenen Sorten. Mit guten Einstufungen in der Strohstabilität und keinen ausgewiesenen Schwächen bezüglich Krankheiten hat KWS Somerset allgemein betrachtet bei mittleren Rohproteingehalten, sehr hohen Vollgerstenanteilen und hohem Hektolitergewicht gute Qualitätseigenschaften.
Ertragliche Vorteile verspricht die mehrzeilige Sorte KWS Faro, die in diesem Jahr auch wieder qualitativ überzeugen konnte, wobei sie hier über die Jahre gesehen nicht ganz an die Konstanz von KWS Somerset heranreicht. Die sehr guten Ertragsleistungen in den Wert- oder auch LSV-Prüfungen machen die Sorte ökonomisch interessant, weil sie am ehesten das Ertragsniveau der Futtergersten erreichen konnte. Anhand der steigenden Vermehrungszahlen zeigt sich, dass sie zunehmend Anklang auch bei den Verarbeitern findet. Gewisse Schwankungen in der Qualität im Vergleich zu KWS Somerset sind zu berücksichtigen, daher ist insbesondere bei dieser Sorte ein Vertragsanbau anzuraten.
Die Sorte Suez konnte in beiden LSV-Prüfjahren sowohl ertraglich als auch qualitativ überzeugen und zählt damit ebenfalls zu den empfohlenen Sorten.
Winterbraugerstenanbau – Durch Vorverträge absichern
Ein Vertragsanbau für Winterbraugerste ist in jedem Falle anzuraten, um den Absatz mit entsprechenden Preisaufschlägen auch absichern zu können. Mit der aufnehmenden Hand, in der Regel also dem Landhandel, sollten vor der Aussaat möglichst klare Vereinbarungen getroffen werden, welche Sorten in Betracht kommen und welche Abrechnungsmodalitäten vorab vereinbart werden können.
Bei den derzeitigen interessanten Vermarktungskonditionen ist die Nachfrage nach entsprechendem Winterbraugerstensaatgut sprunghaft angestiegen, die dadurch oftmals wohl nicht mehr gedeckt werden kann.
Derzeit werden in Niedersachsen als Winterbraugerste im Vertragsanbau vornehmlich KWS Somerset und KWS Faro, aber auch die nicht in Niedersachsen geprüfte Sorte KWS Donau angebaut. Die drei aus den LSV empfohlenen Sorten zeichnen sich im Prinzip durch recht gute Brauqualitäten aus, werden bei der Vermarktung jedoch oftmals preislich etwas schwächer als Sommerbraugerstensorten gehandelt. Die Ertragsunterschiede gegenüber der mitgeprüften ertragsstarken Futtergerste Esprit sind in geringem Umfang vorhanden.
Sommerbraugersten in Spätherbstaussaat
Dieses Anbauverfahren ist in den letzten Jahren deutlich ausgedehnt worden, weil die Erträge oftmals höher als bei Frühjahrsaussaat lagen und die Beregnungsintensität zurückgefahren werden konnte. Nach dem letzten Winter, mit den oben beschriebenen regional stark ausgeprägten Auswinterungsschäden, ist jedoch stärkere Ernüchterung eingetreten. Dennoch wird davon ausgegangen, dass auch in diesem Jahr die Braugerstenaussaat im Oktober/November wieder praktiziert wird, wenn auch nicht in dem Umfang des letzten Jahres.
Die Prüfung von Sommerbraugerstensorten wurde ab 2020 in Verbindung mit dem Anbau von Winterfuttergerstensorten im Spätsaatverfahren getestet. Dabei wurden neben zwei Linien- auch zwei Hybridsorten in die Prüfungen gestellt. Als Verrechnungssorten standen in den letzten drei Jahren Esprit und SY Galileoo zur Verfügung, SU Midnight und SY Loona wurden 2023 erstmalig getestet. Neben Leandra und Prospect (vier- bzw. dreijährige Prüfung) standen auch Lexy im zweiten Jahr und die neben Lexy für die Frühjahrsaussaat empfohlene Sorte Amidala in den Prüfungen.
Die Schwerpunktsorten für dieses Anbauverfahren waren bislang Leandra und Prospect. Die vergangenen zwei Jahre haben jedoch gezeigt, dass die ertragsstarke Sorte Lexy, die künftig in der normalen Frühjahrsaussaat die größte Bedeutung haben wird, auch in der Spätherbstaussaat zu überzeugen wusste.
Zu den Ergebnissen im Einzelnen
Von den vier im letzten Spätherbst angelegten Versuchen – Hamerstorf (LK UE), Königslutter (LK HE), Lüchow (LK DAN) und Poppenburg (LK HI) – zeigten Hamerstorf und Poppenburg so starke Auswinterungsschäden, dass die Versuchsdurchführung abgebrochen werden musste. Damit stehen für die diesjährige Auswertung lediglich Lüchow und Königslutter zur Verfügung.
Während im Jahr 2021 im Mittel beider Standorte die Sommerbraugerstensorten ertraglich ca. 10 % schwächer gegenüber den Winterfuttergerstensorten abschnitten, lagen die Erträge 2022 auf vergleichbarem Niveau, Lexy im Mittel beider Standorte sogar etwas höher. 2023 zeigten die Sommerbraugerstensorten allerdings auch auf den auswertbaren Standorten deutliche Mängel im Stand nach Winter, sprich die Bestände zeigten gewisse Auswinterungsschäden, die sich entsprechend auch auf die Ertragsleistungen auswirkten; die Mindererträge beliefen sich in der Größenordnung von 15 bis 25 %.
Dadurch liegen im Mittel der inzwischen sechs Versuchsergebnisse Sommerbraugerstensorten nunmehr ca. 10 % - statt wie bis 2022 (vier Ergebnisse) bei 4 bis 5 % - unter den Erträgen der Wintergersten. Die häufig beschriebenen Ertragsvorteile der Hybriden gegenüber Liniensorten bei später Aussaat konnten, zumindest auf Basis dieser vorliegenden Ergebnisse, nicht bestätigt werden. Hier erreichte Esprit insgesamt die besten Leistungen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Ertragsunterschiede zwischen den Normalsaaten (Ende Sept./Anf. Okt.) und den Spätsaaten in diesem Jahr ausgeprägter zugunsten der Normalsaaten ausfielen. Hier spielen sicherlich die unterschiedlichen Jahreseinflüsse eine entscheidende Rolle und sollten von daher nicht verallgemeinert werden.
Festzuhalten bleibt, dass Sommerbraugersten bei Spätsaatterminen Ende Oktober/Anfang November in der Lage sind, gute Erträge zu erzielen, wenn Auswinterungsschäden nicht eintreten. Der vergangene Winter hat jedoch gezeigt, dass sehr wohl ein erhöhtes Anbaurisiko besteht, welches jeder Landwirt betriebsindividuell beurteilen muss. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Preisaufschläge für Braugerstenware bleibt der Anbau sicherlich weiterhin interessant, zumal es in diesem Jahr spannend sein wird, in welchem Umfang von den herkömmlichen Sommerbraugerstenansaaten letztlich noch die geforderten Qualitäten erreicht werden, da die ab August nach der Regenperiode gedroschene Gerste mit Fallzahl- und Auswuchsproblemen zu kämpfen hatte.
Qualitativ ist festzustellen, dass die Spätsaaten, die am 10. bzw. 11. Juli gedroschen wurden, die geforderten Qualitätskriterien 2023 in den Merkmalen Rohproteingehalt, Hektolitergewicht und Vollgerstenanteil sicher erreichten. Gegenüber der Krankheit Zwergrost lagen alle Prüfsorten relativ eng beieinander. Bei Netzflecken zeigten sich Lexy und Amidala etwas empfindlicher. Alle Sommerbraugersten reagierten gegenüber Rhynchosporium deutlich stärker als die Wintergerstensorten.
Zu den Sommerbraugerstensorten im Einzelnen
Lexy überzeugte in beiden Jahren und auf beiden Standorten im Vergleich zu den übrigen Sommergerstensorten vor allem mit sehr guten Ertragsleistungen und ebenfalls hohen Qualitäten. Zumindest an unseren Prüfstandorten schien sie von den Auswinterungsschäden etwas weniger betroffen zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass die erfreulichen Leistungen sich auch künftig bestätigen werden.
Leandra erzielte in den drei Prüfjahren auf den schweren Böden am Standort Königslutter etwas bessere Erträge als Prospect, lag auf dem in der typischen Braugerstenregion gelegenen Standort Hamerstorf bzw. Schlanze (2023) jedoch etwas schwächer. Mit 11,4 % im Rohproteingehalt lag sie noch innerhalb der geforderten Norm von 9,5 - 11,5 %.
Prospect erzielte am Standort Hamerstorf bessere Erträge als am Standort Königslutter und erreichte ebenfalls sehr gute Qualitäten, wobei die Grenzwerte im RP-Gehalt mit 10,8 % sicher eingehalten wurden. Sowohl Leandra als auch Prospect erreichten ertraglich jedoch beide nicht das Niveau der Sorte Lexy.
Die erstmalig in der Spätsaatprüfung getestete Sorte Amidala erreichte das Ertragsniveau der beiden vorgenannten Sorten. Qualitativ konnte sie wie die übrigen Braugerstensorten überzeugen. Weitere Ergebnisse, vor allem hinsichtlich der Ertragsleistungen sind hier abzuwarten.
Da die Datenbasis gerade nach diesem durch Auswinterungsschäden beeinflussten Jahr zur verlässlichen Sortenbeurteilung sicherlich noch recht bescheiden ist, werden diese Versuche auch im Herbst 2023 wieder angelegt.
Zusammenfassung
Die Aussaat von Sommerbraugerste im Spätsaatverfahren bereits im Herbst hat in diesem Jahr einen spürbaren Dämpfer erfahren, da leider viele Bestände bedingt durch erhebliche Auswinterungsschäden im Frühjahr neu angesät werden mussten. Und auch viele Bestände, die nicht umgebrochen wurden, erzielten oftmals nicht die erhofften Erträge. Auf der anderen Seite ist festzuhalten, dass sie in der Regel hohe Qualitäten erzielten, die viele Frühjahrsaussaaten aufgrund der erst verspäteten Ernte möglicherweise nicht mehr erreichten.
Die Vorteile der Spätherbstaussaat, vor allem das Einsparen von ein bis zwei Beregnungsgängen, sind nach wie vor gegeben. Positiv müssen ebenfalls die derzeit attraktiven Preisaufschläge für Braugerste erwähnt werden, die hoffentlich auch für das kommende Jahr einen wirtschaftlichen Braugerstenanbau ermöglichen. Inwieweit sich das in diesem Jahr vor Augen geführte Auswinterungsrisiko für Sommergerste in Herbstaussaat auf die Anbauplanung auswirken wird, liegt letztlich in der unternehmerischen Entscheidung jedes einzelnen Landwirts.
Der Anbau von Winterbraugerstensorten ist demgegenüber deutlich sicherer, sodass hier aktuell die Nachfrage nach entsprechendem Saatgut nicht mehr in ausreichendem Maße gedeckt werden kann.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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