Landessortenversuche 2022: Winterbraugerste, Sortenversuch Spätsaat Gerste
Die Sommerbraugerste als Spätherbstaussaat verdrängt zunehmend den klassischen Winterbraugerstenanbau.
Bis vor wenigen Jahren wurde Braugerste in aller Regel als Frühjahrsaussaat produziert, Winterbraugerste spielte nur eine untergeordnete Rolle. In den letzten Jahren hat sich der Anbau jedoch in Richtung Herbstaussaat verschoben, wovon allerdings weniger der normale Winterbraugerstenanbau mit Aussaat Ende September/Anfang Oktober profitieren konnte. Vielmehr etabliert sich zunehmend der anfangs zur Probe begonnene Anbau von Sommerbraugerste im Spätherbst – sprich Ende Oktober bis Anfang November - als sinnvolle Alternative. Laut Schätzungen der AG Braugerste beläuft sich der Flächenumfang auf ca. 5.300 ha. Die Vorteile der Herbstaussaat haben sich auch in diesem Jahr wieder gezeigt, da die Bodenwasservorräte vor allem noch im Februar wieder gut aufgefüllt wurden, wovon die im Herbst bestellten Kulturen entsprechend profitierten. Im Vergleich zur Frühjahrsaussaat konnten damit oftmals ein bis zwei Beregnungsgänge eingespart werden.
Versuchsergebnisse Winterbraugerstensorten
Die in Zusammenarbeit mit in Niedersachsen ansässigen Züchtungsunternehmen durchgeführten Winterbraugerstenversuche konnten wieder an allen vier Standorten beerntet und ausgewertet werden. Die Versuche wurden gegenüber den Futtergerstenprüfungen im N-Angebot 20 kg/ha geringer gedüngt, um keine überhöhten Rohproteingehalte zu riskieren. Mit durchschnittlich 85 dt/ha konnten bei einer Schwankungsbreite zwischen den Standorten von 70 bis 98 dt/ha sehr gute Erträge erzielt werden, die deutlich höher als in den Vorjahren ausfielen.
Neben der langjährig geprüften Sorte KWS Liga wurden nunmehr im dritten Jahr KWS Somerset sowie im vierten Jahr die mehrzeilige Sorte KWS Faro geprüft. Dank guter Ergebnisse in den EU-Prüfungen wurde zusätzlich die Sorte Suez neu aufgenommen. Die Futtergerstensorte Esprit ersetzte die altbekannte Quadriga für den Leistungsvergleich zu den Futtergerstensorten. Die Sommerbraugerste Leandra, die auch verstärkt in der Spätherbstaussaat zum Einsatz kommt, wurde probehalber auch an drei Standorten in dieser Prüfung vergleichend mitgetestet.
In diesem Jahr erzielte die Futtergerstensorte Esprit mit rel. 105 die höchsten Erträge. Auf einem hohen Niveau lagen aber auch KWS Faro und Suez (rel. 102) gefolgt von KWS Somerset (rel. 101), KWS Liga fiel etwas ab. Enttäuschend waren die Erträge der Sommergerste Leandra, die stark unter Rhynchosporiumbefall zu leiden hatte. Von daher ist - wie auch allgemein empfohlen - ein entsprechend späterer Aussaattermin in jedem Falle anzuraten.
In den Qualitätsparametern dominieren für den Braugerstenanbau vorwiegend die zweizeiligen Sorten. In diesem Jahr fiel die mehrzeilige KWS Faro im Vollgerstenanteil und in der Sortierung oberhalb 2,8 mm gegenüber den zweizeiligen Sorten etwas ab, lag mit 92,9 % Vollgerstenanteil jedoch noch gut über der geforderten Norm von 90 %, (siehe Tabelle). KWS Somerset erreichte auch 2022 die besten Qualitäten. Bei gleichzeitig höheren Erträgen als KWS Liga wird sie auch von Züchterseite klar für den Anbau favorisiert. Ertraglich ist mehrjährig betrachtet KWS Faro etwas stärker einzustufen, wobei die Sorte qualitativ jedoch nicht das Niveau von KWS Somerset erreicht. Bei den Rohproteingehalten lagen alle Sorten in einem günstigen Bereich von 10,5 bis 11, 2 %. Mit durchschnittlichen hl-Gewichten von 66,7 kg und Vollgerstenanteilen von 95,1 % konnten deutliche bessere Ergebnisse als im Vorjahr erzielt werden und die geforderten Normen wurden insgesamt klar erfüllt. Die gute Kornausbildung führte letztlich auch zu den stark verbesserten Erträgen im Vergleich zum Vorjahr.
Die Winterbraugerstensorten im Einzelnen:
KWS Somerset (zz) zeigte sich in den niedersächsischen Landessortenversuchen wieder ertragsstark und qualitativ hochwertig und löst damit zu Recht KWS Liga ab. Mit guten Einstufungen gegenüber Ährenknicken und keinen ausgewiesenen Schwächen bezüglich Krankheiten hat KWS Somerset allgemein betrachtet bei geringen Rohproteingehalten, sehr hohen Vollgerstenanteilen und mittlerem bis hohem Hektolitergewicht gute Qualitätseigenschaften.
KWS Faro ist derzeit die einzige mehrzeilige Wintergerste, die die Braugerstenprüfung beim BSA erfolgreich abgeschlossen hat. Die sehr guten Ertragsleistungen in den Wert- oder auch LSV-Prüfungen machen die Sorte ökonomisch interessant, weil sie am ehesten das Ertragsniveau der Futtergersten erreichen kann. Anhand der steigenden Vermehrungszahlen zeigt sich, dass sie zunehmend Anklang auch bei den Verarbeitern findet. Gewisse Abstriche in der Qualität gegenüber KWS Somerset sind zu berücksichtigen, daher ist insbesondere bei dieser Sorte ein Vertragsanbau anzuraten.
Die neue zweizeilige Sorte Suez erreichte gute Erträge und Qualitäten auf KWS Liga-Niveau. Für eine Anbauempfehlung sollten noch weitere Ergebnisse abgewartet werden.
Winterbraugerstenanbau – Durch Vorverträge absichern
Ein Vertragsanbau für Winterbraugerste ist in jedem Falle anzuraten, um den Absatz mit entsprechenden Preisaufschlägen auch absichern zu können. Mit der aufnehmenden Hand, in der Regel also dem Landhandel, sollten vor Aussaat möglichst klare Vereinbarungen getroffen werden, welche Sorten in Betracht kommen und welche Abrechnungsmodalitäten vorab vereinbart werden können.
Derzeit werden in Niedersachsen als Winterbraugerste im Vertragsanbau vornehmlich KWS Somerset und KWS Faro im begrenzten Umfang angebaut. Alle Sorten zeichnen sich im Prinzip durch recht gute Brauqualitäten aus, werden bei der Vermarktung jedoch oftmals preislich etwas schwächer als Sommerbraugerstensorten gehandelt. Die Ertragsunterschiede gegenüber der mitgeprüften ertragsstarken Futtergerste Esprit sind sicherlich vorhanden. Um hier ökonomische Vorteile durch den Winterbraugerstenanbau zu generieren, müssen entsprechende finanzielle Anreize bei der Vermarktung vorhanden sein.
Inwieweit sich der Winterbraugerstenanbau gegenüber den Spätsaaten mit Sommerbraugerstensorten behaupten wird, hängt sicherlich auch von den Vermarktungskonditionen ab.
Sommerbraugersten in Spätherbstaussaat
Dieses Anbauverfahren ist in den letzten Jahren deutlich ausgedehnt worden, weil die Erträge oftmals höher als bei Frühjahrsaussaat lagen und die Beregnungsintensität zurückgefahren werden konnte. Da die letzten Winter keine starken Kälteperioden aufwiesen bzw. eine leichte Schneebedeckung stärkere Temperatureinbrüche abmilderte, waren in den letzten Jahren nur geringe Auswinterungsschäden zu verzeichnen. Ausnahmen bildeten im vergangenen Winter einzelne Regionen, wo es anschließend lokal zu Umbrüchen kam. Dennoch wird davon ausgegangen, dass auch in diesem Jahr die Braugerstenaussaat im Oktober/November tendenziell weiter zunehmen wird.
Schwerpunktsorten für dieses Anbauverfahren sind Leandra - mit der dieser Anbau begonnen wurde - und Prospect. Ob sich künftig auch weitere Sorten für diesen Anbau eignen, wird derzeit von den Landwirten direkt erprobt, aber auch in unseren Sortenversuchen getestet.
In den seit 2020 mit der Sorte Leandra begonnenen Versuchen wurden vorrangig Winterfuttergerstensorten, Linien- und Hybridsorten, auf ihre Spätsaateignung getestet. In den letzten zwei Jahren standen mit KWS Orbit und Esprit zwei Linien- und mit SY Galileoo und Jettoo zwei Hybriden parallel zu Leandra und Prospect als Sommergersten in den Prüfungen. 2022 kam die Sommerbraugerste Lexy neu hinzu. Die Ertragsunterschiede zwischen den Jahren, aber auch zwischen den Standorten Hamerstorf (LK UE) und Königslutter (LK HE) waren recht ausgeprägt. Im Jahr 2021 zeigten die „normalen“ Wintergersten deutliche Ertragsvorteile, während 2022 vor allem in Hamerstorf mit den Sommerbraugerstensorten gleichhohe, speziell mit Prospect und vor allem mit Lexy auch die besten Erträge erzielt wurden. Im Mittel der nunmehr vier Versuchsergebnisse lagen Sommerbraugerstensorten 4 bis 5 % unter den Erträgen der Wintergersten. Die häufig beschriebenen Ertragsvorteile der Hybriden gegenüber Liniensorten bei später Aussaat konnten, zumindest auf Basis dieser Ergebnisse, nicht bestätigt werden. Hier erreichte Esprit insgesamt die besten Leistungen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass zumindest in diesen beiden Prüfjahren die Erträge der Spätsaaten auf vergleichbarem Niveau der Normalsaaten mit Aussaat Ende September/Anfang Oktober lagen; ob sich dies in weiteren Prüfjahren ebenso verhält, muss abgewartet werden.
Festzuhalten bleibt hingegen, dass Sommerbraugersten bei Spätsaatterminen Ende Oktober/Anfang November durchaus in der Lage sind, gute Erträge zu erzielen, die unter Berücksichtigung der derzeitigen Preisaufschläge für Braugerstenware auch entsprechend wirtschaftlich interessant sind. Qualitativ ist festzustellen, dass die geforderten Qualitätskriterien 2022 in den Merkmalen Hektolitergewichte und Vollgerstenanteile sicher erreicht wurden. Gegenüber den Krankheiten Mehltau und Ramularia zeigten die am Standort Hamerstorf erhobenen Bonituren deutliche Vorteile der Sommerbraugersten, während sie gegenüber Rhynchosporium etwas empfindlicher waren.
Zu den Sommerbraugerstensorten im Einzelnen
Leandra bestätigte die auch in der Praxis festgestellte Anbaueignung im Spätsaatanbau. Während sie auf den schweren Böden am Standort Königslutter in beiden Jahren bessere Erträge als Prospect erreichte, waren sie am in der typischen Braugerstenregion gelegenen Standort Hamerstorf jedoch etwas schwächer. Mit 11,6 % im Rohproteingehalt lag sie marginal über dem geforderten Grenzwert von 11,5 %.
Prospect erzielte vor allem am Standort Hamerstorf gute Erträge und erreichte ebenfalls sehr gute Qualitäten, wobei die Grenzwerte im RP-Gehalt mit 11,1 % sicher eingehalten wurden.
Lexy überzeugte an beiden Standorten mit sehr guten Ertragsleistungen und hohen Qualitäten. Durch die hohen Erträge sind sicherlich auch die vergleichsweise geringen RP-Gehalte von 10,7 % erklärbar. Es bleibt zu hoffen, dass auf Basis der erfreulichen Ertragsleistungen in diesem Jahr sich die Anbaueignung auch künftig bestätigen wird.
Da die Datenbasis zur verlässlichen Sortenbeurteilung sicherlich noch recht bescheiden ist, werden diese Versuche auch im Herbst 2022 wieder angelegt, wobei ein zusätzlicher Standort im Raum Lüchow hinzukommt, um insbesondere auch die leichteren Böden besser repräsentieren zu können. Neben den genannten drei Sorten wird auch Amidala, die regional bereits in der Praxis in der Herbstaussaat angebaut wird, mit in die Prüfung aufgenommen.
Zusammenfassung
Auch in diesem Jahr hat sich der Braugerstenanbau im Spätherbst als sinnvolle Alternative zum bislang vorherrschenden Sommerbraugerstenanbau im Frühjahr erwiesen, selbst wenn lokal Bestände auswinterungsbedingt im Frühjahr neu angelegt werden mussten. Insbesondere nach diesem beregnungsintensiven Jahr werden die Beregnungsmengen künftig wohl noch stärker begrenzt sein. Hinzu kommen die drastisch gestiegenen Energiepreise, die die Beregnungskosten zusätzlich erhöhen. Positiv müssen andererseits die derzeit attraktiven Preisaufschläge für Braugerste erwähnt werden, die hoffentlich auch für das kommende Jahr einen wirtschaftlichen Braugerstenanbau ermöglichen. Ein mögliches Auswinterungsrisiko für Sommergerste in Herbstaussaat nehmen anscheinend viele Betriebe in Kauf, auch wenn in Einzeljahren eine Neuansaat im Frühjahr erforderlich sein könnte. Etwas sicherer ist hier der Anbau von Winterbraugerstensorten, die allerdings oftmals auch nicht über die Winterhärte vieler Winterfuttergerstensorten verfügen und von der aufnehmenden Hand meistens weniger nachgefragt werden.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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