Landessortenversuche 2018: Winterroggen
Der Roggenanbau hat insbesondere auf den leichteren, trockenheitsbeeinflussten Sandstandorten nach wie vor eine hohe Bedeutung. Wie das trockene Anbaujahr 2018 auf diesen Standorten gezeigt hat, konnte er unter Trockenstressbedingungen noch akzeptable Leistungen erreichen, während vor allem der Weizen dort wesentlich stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dank der auch beim Roggen gestiegenen Marktpreise ist auf manchen Weizen-Grenzstandorten vielleicht auch wieder ein Umdenken in Richtung Roggen- statt Weizenanbau überlegenswert.
Die schwachen Preise für Brotroggen haben seit 2016 dazu geführt, dass der Roggenanbau kontinuierlich zurückgefahren wurde. Probleme in der Vermarktung traten in einzelnen Jahren regional durch erhöhten Mutterkornbesatz auf; so ließen sich entsprechende Roggenpartien beispielsweise 2016 nur noch als Futtergetreide oder schlimmstenfalls an Biogasanlagen vermarkten. Die ungünstigen Aussaatbedingungen für die Herbstbestellung im vergangenen Jahr bewirkten einen zusätzlichen Anbaurückgang. Laut den vorläufigen Zahlen des statistischen Landesamtes Niedersachsen für die diesjährige Ernte beläuft sich die Fläche auf 107.500 ha. Nach den ersten Ernteschätzungen reduzierte sich der Durchschnittsertrag 2018 auf 52 dt/ha. Da der Roggen vornehmlich auf den ertragsschwächeren Standorten angebaut wird, waren die Schäden durch Trockenheit in der Praxis drastisch erkennbar. Nördlich und nordöstlich von Hannover waren ohne Beregnung Erträge unter 30 dt/ha keine Seltenheit. Bei ausreichender Wasserversorgung - sei es durch günstige Niederschlagsereignisse zur rechten Zeit oder durch Beregnung - konnte Roggen allerdings auch gute Erträge erzielen. Diese spiegelt sich auch in den Erträgen der Landessortenversuche (LSV) wider.
Dass der Roggenanbau künftig dennoch wieder interessanter werden könnte, deutet sich auf Grenzstandorten des Weizenanbaus an. Im Parallelanbau von Weizen und Roggen auf einer Fläche zeigte Roggen unter starken Trockenstressbedingungen deutliche Ertragsvorteile. Bei gleichzeitig wieder ansteigenden Marktpreisen könnte hier Roggen mit geringerem Dünge- und Pflanzenschutzaufwand durchaus wirtschaftlich sein.
Ergebnisse der Sorten
In den diesjährigen Prüfungen wurde mit KWS Edmondo nur eine neu vom Bundessortenamt zugelassene Hybridsorte zusätzlich zu den zwei- und mehrjährig geprüften Hybridsorten getestet. Auf die Weiterprüfung der Populationssorte Conduct im LSV wurde ab diesem Jahr verzichtet, weil die deutlichen Ertragsunterschiede sich in jedem Jahr wieder bestätigt haben. Diese Ertragsunterschiede wurden aber auch 2018 in den kombinierten LSV- und Wertprüfungen erkennbar, wo Conduct als Vergleichssorte fungierte. Aus den beiden Züchterhäusern Hybro/Saaten-Union und KWS Getreide wurden fünf bzw. vier Sorten geprüft, wobei einzelne Sorten durch andere Vertriebsfirmen vermarktet werden. Die neueren, sprich zwei- und einjährigen Kandidaten stammen allesamt aus dem Hause KWS Getreide.
Die Landessortenversuche Winterroggen wurden wieder in den drei Anbauregionen Sandböden West und Nord, sowie auf den leichteren westlichen Lehmstandorten durchgeführt. Standortergebnisse aus NRW fließen für die westlichen Regionen mit ein. Es waren alle angelegten Versuche trotz zum Teil erheblicher Trockenschäden auswertbar.
Die in den mehrjährigen Ergebnissen dargestellten Werte wurden auf Basis der in 2018 geprüften Sorten berechnet und sie schließen auch die Versuchsergebnisse aus den Vor-, sprich den Wertprüfungen, mit ein.
Neben den Ertragsleistungen, die im Folgenden für die Anbauregionen detailliert vorgestellt werden, sind aber auch weitere Beurteilungskriterien wichtige Gesichtspunkte bei der Sortenwahl. Um als Brotroggen verkauft werden zu können, ist eine hohe Fallzahl als Qualitätskriterium ein wichtiger Aspekt. Die günstigen Erntebedingungen haben in diesem Jahr zu keinerlei Beeinträchtigungen bei diesem Merkmal geführt. Gleichwohl sind die Sortenunterschiede wieder erkennbar. Ebenso traten dank der trockenen Witterung während der Blüte keine Probleme mit einem erhöhten Mutterkornbesatz auf. Generell ist für den Verkauf der Ernteware entscheidend, dass kein oder nur ein sehr geringer Anteil an Mutterkorn (siehe Absatz Problematik Mutterkorn) vorhanden ist. Die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Mängel in der Standfestigkeit gilt es ebenfalls zu berücksichtigen. Insbesondere war an vielen Standorten ein recht spät, aber intensiv einsetzender Braunrostbefall zu verzeichnen. Hier zeigten sich zahlreiche Sorten anfälliger als in den Vorjahren. Hinweise hierzu sind in der Tabelle der Sorteneigenschaften dargestellt.
Während 2017 vor allem die damals neu geprüfte Sorte KWS Binntto in allen Anbauregionen deutlich die besten Leistungen erreichte, liegen die Erträge der ertragsstärksten Sorten 2018 enger beieinander.
Die Leistungen der Sorten in den drei Anbauregionen stellen sich wie folgt dar:
In der Anbauregion der Sandböden West erzielten 2018 KWS Eterno, SU Forsetti, KWS Edmondo und SU Performer die besten Erträge. KWS Binntto und KWS Daniello lieferten durchschnittliche Werte ab. Dank der guten Vorjahresergebnisse erreichten mehrjährig KWS Binntto, KWS Eterno und SU Performer die besten Erträge und sind daher für den Anbau zu empfehlen. SU Forsetti, SU Cossani und KWS Daniello lagen knapp dahinter. SU Composit und SU Nasri lieferten 2018 nur unterdurchschnittliche Erträge und fallen daher insgesamt etwas zurück.
Auf den Sandböden Nordhannover konnte KWS Binntto wie im Vorjahr den höchsten Ertrag erzielen. Die zwischen den Jahren im Ertrag schwankende Sorte SU Composit konnte das unterdurchschnittliche Vorjahresergebnis wieder wettmachen. Die neue Sorte KWS Edmondo überzeugte in dieser Region mit hohen Erträgen. Aber auch SU Forsetti und KWS Eterno erzielten hohe Leistungen. Mehrjährig erreichten KWS Binntto und KWS Eterno auch dank guter Vorprüfungsergebnisse die besten Leistungen und sind für den Anbau zu empfehlen. Mit guten Durchschnittswerten präsentieren sich mehrjährig SU Performer und SU Forsetti. KWS Daniello konnte die guten Vorjahresleistungen nicht bestätigen. Mehrjährig fielen auch SU Cossani, SU Composit und SU Nasri etwas ab. KWS Edmondo kommt dank der guten Jahres- und Wertprüfungsergebnisse in dieser Anbauregion für den Probeanbau in Frage.
Auf den Lehmböden konnten SU Forsetti und die neue Sorte KWS Edmondo, sowie SU Performer, KWS Binntto und KWS Eterno ein sehr gutes Ergebnis erzielen. Von den wenigstens dreijährigen geprüften Sorten erreichten vor allem die sehr ertragskonstante Sorte SU Performer und die etwas schwankende Sorte SU Forsetti überdurchschnittliche Ergebnisse. Von den zweijährigen Sorten konnte dank der Vorprüfungsergebnisse KWS Eterno, gefolgt von KWS Binntto die besten Ergebnisse liefern. Diese beiden, wie auch die zuvor genannten SU Performer und SU Forsetti eignen sich aus ertraglicher Sicht für den Anbau. SU Composit und KWS Daniello liegen ertraglich auf einem guten Niveau. Dank der guten Einstiegserträge ist KWS Edmondo für den Probeanbau in Betracht zu ziehen. Nicht überzeugen konnten wiederum SU Cossani und SU Nasri.
Wie eingangs bereits erwähnt, lieferte die Populationssorte Conduct als Vergleichssorte auf den Wertprüfungsstandorten wiederum Mindererträge von ca. 15 bis 20 % und stellt aus ertraglicher Sicht keine Alternative zu Hybridsorten dar.
Qualitätsergebnisse
Die Hektolitergewichte erreichten 2018 überraschenderweise sehr gute Werte, auch auf den durch Trockenheit beeinflussten Standorten. Im Durchschnitt wurden Werte von über 78 kg erreicht. Dabei erzielten die Sorten SU Performer, SU Forsetti und SU Composit die besten Werte und bestätigen die hohen Werte der Vorjahre. Aber auch KWS Edmondo lieferte sehr gute hl-Gewichte.
Die Fallzahl, als Schnellbestimmungskriterium für die Backqualität, war dank der zeitigen und nicht durch Niederschläge unterbrochenen Ernte mit Durchschnittswerten von über 300 sek. sehr hoch.
Im Mittel der bislang untersuchten fünf Versuche ist festzustellen, dass SU Performer, KWS Edmondo sowie KWS Binntto und SU Cossani die höchsten Werte erreichten. Aber auch die anderen Sorten erzielten gute Werte. Für die tatsächliche Beschreibung des Backverhaltens von Roggen ist allerdings der so genannte Amylogrammwert, der in keiner direkten Beziehung zur Fallzahl steht, von wesentlich größerer Bedeutung; bisher gibt es zur Ermittlung dieses Parameters jedoch noch keine geeignete Schnellbestimmungsmethode.
Fungizid- und Wachstumsreglereinsätze 2018
Der intensive Einsatz von Wachstumsreglern war in diesem Jahr nicht in jedem Fall erforderlich. Probleme durch Lager traten in der unbehandelten Stufe nur auf den westlichen ertragsstarken Standorten auf. Stärkere Auswirkungen durch den Verzicht auf Fungizide waren vor allem gegenüber Braunrost erkennbar. Die Auswirkungen auf den Wachstumsregler- und Fungizidverzicht waren zwischen den Regionen unterschiedlich. Bei einem monetären Aufwand von durchschnittlich 150 € je ha rechnete sich der Einsatz zumindest auf den ertragsschwachen Standorten in diesem Jahr nicht, wobei zum Zeitpunkt der Applikation die nachfolgende Trockenperiode nicht vorhersehbar war. Bei den Hochertragsstandorten waren hingegen die Maßnahmen wirtschaftlich, wenn auch nicht unbedingt in dem Maße erforderlich.
Problematik Mutterkorn
Der Besatz mit Mutterkorn spielte in diesem Jahr nicht die große Rolle, wie es regional in 2016 der Fall war. Dennoch wird das Thema Mutterkornbesatz vom Erfassungshandel und den Mühlen sehr sensibel betrachtet und sollte bei der Sortenwahl entsprechend berücksichtigt werden.
Ein Befall mit diesem Pilz ist wegen der im Mutterkorn enthaltenen Alkaloide und deren Toxizität für Mensch und Tier von Bedeutung für Nahrungs- und Futtergetreide. Roggen ist aufgrund seines offenen Abblühverhaltens besonders gefährdet, doch auch andere Getreidearten wie Weizen, Triticale u. a. können betroffen sein.
Im Handel herrschen strenge Grenzwerte für den Besatz mit Mutterkorn. Diese liegen bei Getreide, das für die menschliche Ernährung Verwendung findet bei 0,05 % Gewichtsprozent, für Futtergetreide bei 0,1 % Gewichtsprozent.
Neben produktionstechnischen Möglichkeiten zur Vermeidung des Auftretens von Mutterkorn spielt die Sortenwahl eine entscheidende Rolle. Die Sorten aus dem Hause Hybro/Saaten-Union werden mit einer 10 %igen Zumischung von Populationssorten, die über ein höheres Pollenschüttungsvermögen verfügen, vermarktet. Hierdurch wird die Gefahr des Mutterkornbesatzes gemindert. Sehr hoch anfällige Sorten werden von diesem Züchterhaus mittlerweile nicht mehr weiterverfolgt. Zahlreiche Sorten aus dem Hause KWS Getreide hingegen sind laut Einstufung des Bundessortenamtes günstiger gegenüber Mutterkornbeatz eingestuft und benötigen diese Beimischung nicht. In diesem Merkmal als vorwiegend unproblematisch eingestuft ist vor allem die in diesem Jahr nicht mehr in den LSV geprüfte Sorte KWS Gatano. Alle derzeit geprüften KWS-Sorten wurden mit geringer bis mittlerer Anfälligkeit eingestuft. SU Performer hingegen wird als mittel bis stark anfällig beschrieben. Die Sortenunterschiede werden, wenn auch auf einem geringen Niveau, in den aktuellen LSV-Ergebnissen erkennbar.
Sortenbeschreibung und –empfehlungen
KWS Binntto überzeugt mit zweijährig überdurchschnittlichen Ertragsleistungen und bestätigt daher die letztjährige Probeanbauempfehlung für alle Anbauregionen. Gleichzeitig weist sie hohe Fallzahlen auf und zeigt auch gegenüber Krankheiten keine gravierenden Schwächen. Wie andere Sorten auch, ist sie gegenüber Braunrost etwas empfindlicher geworden.
Auch KWS Eterno zählt in allen Regionen zu den ertragstärksten Sorten und wird von daher ebenso generell empfohlen. Zu beachten ist die schwächere Einstufung gegenüber Mehltau und auch die Lagerneigung sollte nicht außer Acht gelassen werden.
Als einzige neue Sorte kann KWS Edmondo vor allem in den Regionen Sand Nord und auf den Lehmböden überzeugen und wird dort auch für den Probeanbau empfohlen. Sie erreicht sehr hohe Fallzahlen und zeigt sich gegenüber Lagerneigung und Krankheiten recht robust.
SU Forsetti erreicht 2018 in allen Anbauregionen überdurchschnittliche Erträge. Eine Anbauempfehlung erhält die Sorte für die Lehmstandorte. Im Merkmal Mutterkorn und Fallzahl wird sie durchschnittlich bewertet, die Anfälligkeit gegenüber Braunrost ist zu beachten.
Die Sorte SU Performer erreicht auf den Sandböden West und den Lehmstandorten mehrjährig überdurchschnittliche Leistungen und überzeugt überdies durch eine gute Ertragskonstanz und hohe Fallzahlen. Die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn muss insbesondere für die Brotroggenproduktion beachtet werden. Von daher kann sie nur eingeschränkt empfohlen werden.
KWS Daniello liefert insgesamt durchschnittliche bis leicht unterdurchschnittliche Erträge und fällt damit aus den Empfehlungen aus ertraglicher Sicht heraus. Sie besitzt aber eine gute Einstufung gegenüber Mutterkornbesatz, liefert mittlere bis gute Fallzahlen und wird insgesamt als wenig anfällig gegenüber Krankheiten eingestuft.
SU Cossani kann in allen Anbauregionen nicht voll überzeugen und liefert bei mittleren bis hohen Fallzahlen insgesamt nur durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Leistungen. Gegenüber der Anfälligkeit für Mutterkorn ist sie durchschnittlich eingestuft. Zu beachten ist die Schwäche im Merkmal Braunrost.
SU Nasri enttäuscht ertraglich 2018 in allen Anbauregionen und erzielt damit mehrjährig betrachtet auch nur unterdurchschnittliche Leistungen. Im Hinblick auf Braunrostanfälligkeit ist sie gegenüber dem Vorjahr schwächer einzustufen.
Die Sorte SU Composit zeigt in den Prüfjahren schwankende Erträge. Die besten Ergebnisse erzielt sie auf den Lehmstandorten mit insgesamt durchschnittlichen Leistungen. Bei guten hl-Gewichten aber etwas schwächeren Fallzahlen ist sie bis auf die Anfälligkeit gegenüber Rynchosporium als recht gesund einzustufen.
Zusammenfassung
Der Roggenanbau hat insbesondere auf den leichteren, trockenheitsbeeinflussten Sandstandorten nach wie vor eine hohe Bedeutung. Wie der direkte Artenvergleich auf diesen Standorten 2018 gezeigt hat, konnte er unter Trockenstressbedingungen noch akzeptable Leistungen erreichen, während vor allem der Weizen wesentlich stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dank der auch beim Roggen gestiegenen Marktpreise ist auf manchen Weizen-Grenzstandorten vielleicht auch wieder ein Umdenken in Richtung Roggen- statt Weizenanbau überlegenswert. Um den Anbau wirtschaftlich zu gestalten, muss der sichere Anbau als Brotroggen im Vordergrund stehen. Dazu ist es erforderlich, Sorten mit guten Fallzahlen und geringer Anfälligkeit gegenüber Mutterkornbesatz anzubauen. Merkmale wie Lager- und Krankheitsanfälligkeit sind zusätzliche wichtige Kriterien bei der Sortenentscheidung.
Carsten Rieckmann
Landwirtschaftskammer Niedersachsen
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