Landessortenversuche 2021: Spelzweizen (Dinkel)
Das Interesse am Dinkel nimmt bei den Verbrauchern und bei den Landwirten nach wie vor zu, was an der steigenden Anbaufläche deutlich wird. Seitens der Züchtung werden ergänzend zu den etablierten Sorten auch neue Kandidaten an den Start gebracht. Hier eröffnet sich eine Chance, den Anbau, den Absatz und die Verarbeitung des Dinkels in der Region verbrauchernah zu gestalten.
Dinkelanbau in Niedersachsen – der Anbau dehnt sich über die Schwerpunktregionen hinweg aus
Der seit 2019 spürbare Anstieg der Fläche mit konventionell angebautem Dinkel in Niedersachsen hat sich auch 2021 nochmals deutlich erhöht. Insbesondere auf den Lehm- und Lößstandorten südlich und südöstlich von Hannover bis in die Höhenlagen hat sich der Dinkel etabliert. Laut der aktuellen INVEKOS-Zahlen beträgt die Dinkelanbaufläche 2021 incl. der Ökoflächen 10.250 ha. Damit erhöhte sie sich gegenüber dem Vorjahr um knapp 4.400 ha. Zu verdanken ist die Zunahme im konventionellen Bereich in erster Linie einzelnen Landhandelsunternehmen bzw. Genossenschaften, die durch attraktiven Vertragsanbau die Flächenausdehnung vorangetrieben haben. Zunehmend stößt der Anbau auch in weiteren Regionen auf Interesse. Allerdings scheint nunmehr ein weiterer Ausbau der Flächen nur noch eingeschränkt möglich zu sein, da der vorwiegend heimische Markt gut versorgt ist. Das könnte künftig auf die Preise drücken und damit die ökonomischen Anreize schmälern.
Allgemeines zum Dinkel (Spelzweizen)
Der Dinkel ist eine alte, bespelzte Kulturform des Weizens. Optisch unterscheidet er sich vom üblich angebauten Weichweizen durch seine relativ lange und lockere Ähre, das bespelzte Korn und das lange Stroh, wobei von Seiten der Züchtung in den letzten Jahren bereits deutlich kürzere Sorten entwickelt wurden. Dinkel zeichnet sich durch seine gute Winterhärte und die gegenüber Weizen geringeren Boden- und Stickstoffansprüche aus. Während Weizen sich in der Abreifephase goldgelb präsentiert, beginnen die Ähren und Halme bei Dinkel sich mit zunehmender Reife rötlich zu verfärben, weshalb er auch als „Rotkorn“ bezeichnet wird. Geerntet und vermarktet werden die sogenannten Vesen. Es handelt sich dabei um die Ährchen, die meistens zwei Körner enthalten. Durch den hohen Anteil der Spelzen - je nach Sorte ca. 20 bis 25 % - liegt der Kornertrag letztlich um diesen Prozentsatz niedriger. Beim Transport und Verkauf ist das gegenüber Weizen deutlich geringere Hektolitergewicht und das höhere Volumen zu beachten.
Dinkel findet in der menschlichen Ernährung vielseitig Verwendung, nicht nur in den klassischen Broten. Er gewinnt sowohl für Spezialgebäcke als auch für die Nudelherstellung oder als Frühstückscerealie zunehmend an Bedeutung.
Gegenüber dem gängigen Weichweizen weist Dinkel höhere Eiweiß- und Klebergehalte auf, hat eine andere Protein- und Kleberstruktur und ist überdies sehr mineralstoffreich, besonders in puncto Kieselsäure.
Anbauhinweise
Für die Aussaat können zum Einen die Vesen ausgesät werden, was jedoch insbesondere bei pneumatischen Drillmaschinen zu Problemen durch Verstopfungen der Säaggregate führen kann. Entspelztes Saatgut wird zunehmend häufiger angeboten und ist bei der Aussaat entsprechend unproblematischer. Zu beachten ist jedoch der deutlich höhere Saatgutpreis. Der Entspelzungsvorgang sollte möglichst schonend erfolgen, um die Triebkraft des Saatgutes nicht zu beeinträchtigen. Der Aussaatzeitpunkt ist vergleichbar mit dem von normalem Winterweizen. Die Saatstärke sollte in Abhängigkeit vom Saattermin und den Bodenbedingungen gewählt werden. Bei früher Aussaat sollten ca. 200 Körner bzw. 100 Vesen/m² ausgesät werden. Bei später Aussaat hingegen müssten bereits 450 Körner bzw. 225 Vesen/m² ausgebracht werden.
Ergebnisse der Landessortenversuche
In Niedersachsen werden Sortenversuche seit einigen Jahren an den Standorten Poppenburg (LK HI), Königslutter (LK HE) und im Gebiet der Versuchsstation Höckelheim in den Höhenlagen am Standort Mollenfelde (LK GÖ) geprüft, wobei auch Wertprüfungsstämme in die Versuche integriert sind. Dadurch kann in der mehrjährigen Betrachtung bei neuen Sorten bereits auf deren Vorprüfungsdaten zurückgegriffen werden.
Mit Franckenkorn und Zollernspelz werden langjährig etablierte Sorten weiterhin geprüft, die von Seiten der aufnehmenden Hand auf Grund ihrer Qualitäten nach wie vor gerne vermarktet werden. Das belegen die immer noch hohen bundesdeutschen Vermehrungszahlen. Von den Ertragsleistungen her sind sie jedoch etwas schwächer einzustufen. Badenkrone zählt zu den ertragsstärksten etablierten Sorten, deren Vermehrungsfläche aufgrund der schwächeren Qualitäten allerdings eher gering ausfällt.
Badensonne, Hohenloher sowie Zollernperle und Albertino sind recht neue Sorten, wobei die beiden letztgenannten Sorten bereits hohe Flächenanteile in der Vermehrung ausmachen. Zollernfit steht im zweiten Prüfjahr. Neu hinzugekommen sind die Sorten Badenjuwel und Franckentop.
Der Vesenertrag lag 2021 im Mittel der drei Standorte bei 79 dt/ha und damit deutlich niedriger als in den beiden Vorjahren. Zwar konnte auch der Dinkel nicht die Ertragserwartungen erfüllen, die Mindererträge gegenüber dem Vorjahr fielen jedoch deutlich geringer aus als beim Weizen auf den gleichen Standorten.
In den diesjährigen Landessortenversuchen erreichte Hohenloher die höchsten Erträge, gefolgt von Badensonne, Badenkrone und Zollerspelz. Die in den vergangenen Jahren ertragsstarke Sorte Albertino enttäuschte 2021 etwas, da sie auf dem Höhenlagenstandort Mollenfelde aufgrund von zeitigem Lager unterdurchschnittliche Erträge erzielte. Die zweijährig geprüfte Sorte Zollernfit lieferte in diesem Jahr bessere Erträge ab. Zollernperle lag in den niedersächsischen Prüfungen auf einem knapp durchschnittlichen Niveau.
In den unter Einbeziehung der Wertprüfungsergebnisse mehrjährigen Erträgen konnten vor allem Badenkrone, Hohenloher, Badensonne und Albertino überzeugen. Von den neuen Sorten erreichte Franckentop inclusive WP-Ergebnissen leicht unterdurchschnittliche Werte. Dank guter Vorprüfungsleistungen wurden die enttäuschenden Erträge 2021 bei der Sorte Badenjuwel in der mehrjährigen Verrechnung ausgeglichen.
Zollernspelz, Badensonne, Hohenloher und Zollernperle sowie die neueren Sorten Zollernfit, Badenjuwel und Franckentop erwiesen sich als standfest, während die langstrohige ältere Sorte Franckenkorn hier Probleme zeigte. Schwächen in der Blattgesundheit sind bei Badensonne und Albertino zu beachten, vor allem in Bezug auf Mehltau und Braunrost. Badenkrone und Zollernfit reagierten empfindlich auf Blattseptoria. Bei den neuen Sorten Badenjuwel und Franckentop muss auf Mehltaubefall geachtet werden.
Wichtige Vermarktungskriterien beim Dinkel sind die Restfeuchtegehalte, der Rohproteingehalt sowie die Fallzahl. In den vom Landhandel oder Genossenschaften angebotenen Verträgen werden Standardqualitäten in ca. folgender Größenordnung gefordert: 12 - 13 % RP, 240 - 270 s Fallzahl, max. Feuchte 14,5 – 15,0 %. Insbesondere das Erreichen der geforderten Fallzahl könnte in Jahren mit ungünstigen Witterungsbedingungen zum Zeitpunkt der Ernte zu Problemen führen. Das wurde in diesem Jahr an dem Standort Mollenfelde deutlich, wo aufgrund von frühem und starken Lager im Prinzip alle Sorten betroffen waren. Hier zeigten sich dann erhebliche Unterschiede in den Fallzahlen. Daher ist bei Druschreife eine zeitnahe Beerntung anzuraten, um diesem Problem vorzubeugen.
Mit hohen RP-Gehalten und guten und sicheren Fallzahlen kann vor allem Zollernspelz überzeugen. Aber auch Franckenkorn, Hohenloher und Zollernfit erreichen insgesamt gute RP-Werte. Hohe und stabile Fallzahlen erreichten vor allem Albertino sowie Franckentop, Zollernfit und Zollerspelz. Das Merkmal Kernausbeute beschreibt das Verhältnis von Kern- zu Vesenertrag und stellt somit eine entscheidende Größe für die Wirtschaftlichkeit bei der Weiterverarbeitung des Erntegutes dar. Laut Einstufung des BSA erreichen hier Albertino, Badensonne, Badenstern, Franckentop und Zollernperle überdurchschnittliche Werte.
Für die Sortenentscheidung sind neben den ertraglichen und agronomischen Kriterien vor allem die Sortenvorgaben der aufnehmenden Hand entscheidend, da der Anbau zum überwiegenden Teil über Verträge vor der Aussaat vereinbart wird.
Zusammenfassung
Der Dinkel hat sich in Niedersachsen mittlerweile etabliert und ist im Rahmen eines Vertragsanbaus eine ernstzunehmende und oftmals ökonomisch wertvolle Kultur geworden. Mit dem starken Anstieg der Anbaufläche wird die Vermarktung von Ware, die nicht durch Vorverträge abgesichert ist, jedoch zunehmend schwieriger. Daher ist in jedem Fall ein Vertragsanbau anzuraten. Vor allem die Sortenwahl und die zu erfüllenden Qualitätskriterien der anzuliefernden Ware sollten bereits vor der Aussaat abgestimmt sein. Ein Vergleich der Vertragskonditionen ist sicherlich sinnvoll. Sind gegenüber dem Weizenanbau keine entsprechenden Preisaufschläge realisierbar, ist die ökonomische Leistung rasch in Frage zu stellen. Durch den Anbau von Dinkel wird die Fruchtfolge sicherlich erweitert, eine Auflockerung weizendominierter Fruchtfolgen lässt sich dadurch jedoch nicht unbedingt bewerkstelligen. Der Dinkelanbau trägt aktuell dazu bei, dass regional erzeugtes Getreide in der Region verarbeitet und beim Bäcker vor Ort eingesetzt wird. Backwaren aus/mit Dinkel genießen aufgrund der Qualitätseigenschaften ein sehr gutes Ansehen beim Verbraucher, daher sollte die Nachfrage entsprechend durch den heimischen Anbau gedeckt werden.
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