Landessortenversuche 2022: Winterweizen
Der Winterweizen konnte in diesem Jahr in den klassischen Ackerbauregionen ertraglich und wirtschaftlich überzeugen. Bei der Sortenwahl sind neben der Ertragsleistung weitere Eigenschaften wie Standfestigkeit, Blattgesundheit, Fusariumtoleranz und Winterhärte mit zu berücksichtigen..
Die Anbaufläche von Winterweizen hat sich gegenüber dem Vorjahr laut den Zahlen des Landesamtes für Statistik Niedersachen (LSN) kaum verändert. Mit prognostizierten Werten von 365.600 ha beträgt der Anbauumfang wieder knapp 20 % an der Ackerfläche.
Laut Prognose des LSN vom Juni ging man zu diesem Zeitpunkt noch von einer eher durchschnittlichen Ernte aus. Dass sich diese Annahme deutlich zum Positiven wenden sollte, ist sicherlich entscheidend mit den veränderten Witterungsbedingungen gegenüber dem Vorjahr zu erklären. Eine Ursache war wohl die verlängerte Vegetationsperiode zwischen dem Ährenschieben und der Kornfüllungsphase. In der zweiten Maihälfte bis Mitte Juni dominierte etwas kühlere Witterung mit leichten Niederschlägen. Damit waren vielfach gute Bedingungen für die Kornfüllung gegeben, die im letzten Jahr durch Extremtemperaturen im Zeitraum 17. - 19. Juni beeinträchtigt wurde. Die durchweg hohen Hektoliter (hl)- und TKM-Gewichte belegen diese günstigeren Bedingungen.
Aus der Praxis wurden in den klassischen Weizenanbaugebieten wieder Spitzenerträge gemeldet, wie sie seit langem nicht mehr gedroschen wurden. Lediglich auf den leichteren Standorten kam die nach dem niederschlagsreichen Februar zunehmende Wasserknappheit zum Tragen. Ab März fielen in vielen Landesteilen in jedem Monat nur unterdurchschnittliche Niederschläge, sodass hier die Wasserverfügbarkeit des Standortes oftmals der ertragsbegrenzende Faktor war.
Darüber hinaus deutet für die regional teils doch recht starken Ertragsunterschiede vieles auf nicht optimale Bodenverhältnisse hin. Sie sind zum Teil sicherlich auf nicht angepasste Bodenbearbeitung zurückzuführen bzw. rühren von schwierigen, zu nassen Aussaatbedingungen her. Auffällig waren die vielfach sowohl in der Praxis als auch in unseren Versuchen festgestellten geringen Rohproteingehalte, die häufig bei der Vermarktung auch zu entsprechenden Abzügen führten. Die extrem angestiegenen Düngerpreise sowie die generell reglementierte N-Düngung begrenzten oftmals die optimale Düngung. Die hohen Erträge zeigen, dass der Weizen die vorhandenen N-Mengen in erster Linie und sehr effektiv zur Ertragsbildung benötigt hat.
Durchführung der Landessortenversuche
Der Landessortenversuch (LSV) Winterweizen 2022 wurde in Niedersachsen an 19 Standorten in 6 Anbauregionen angelegt, wobei in der Anbauregion Lehmböden Südhannover das Sortiment an drei Standorten (Höckelheim, Königslutter und Poppenburg) jeweils als Blatt- und Stoppelweizen geprüft wurde. Der dritte niedersächsische Marschstandort konnte aufgrund der nassen Bodenbedingungen im Wangerland leider nicht angelegt werden. In der Anbauregion Lehmstandorte Nordwest fließen fünf Standorte aus Nordrhein-Westfalen mit in die Ergebnisse ein. In den Höhenlagen waren drei Versuche wertbar (2 x Nds, 1 x NRW). Auf den Sandböden Nordwest konnten alle drei Versuche genutzt werden und auf den nordhannoverschen Sandstandorten waren alle fünf auswertbar.
Geprüft wurden 27 Sorten, wovon eine nicht in allen Anbaugebieten stand. Im LSV wurden alle Sorten auf den Bedarfswert der A und B Sorten gedüngt; die Düngung der Versuche in den roten Gebieten wurde entsprechend angepasst. Die E-Sorte KWS Emerick wurde daher etwas unter, die beiden C-Sorten KWS Keitum und Revolver etwas über den möglichen Bedarfswert gedüngt.
Die Ernte verlief insgesamt gesehen recht unproblematisch und zog sich aufgrund unterschiedlicher Abreife in den jeweiligen Regionen von der letzten Juli- bis in die zweite Augustdekade hin, lokale Regenschauer führten zu kurzzeitigen Ernteunterbrechungen.
Bei den in den Tabellen dargestellten mehrjährigen Durchschnittserträgen wurden auch Ergebnisse aus Vorversuchen wie Wert- und EU-Prüfungen sowie aus dem Bundessortenversuch (BSV) mit einbezogen, um auf diese Weise erstmalig im LSV stehende Sorten bereits verlässlicher beurteilen zu können. Die Ergebnisse der Sorten wurden dafür auf das aktuelle Leistungsniveau der diesjährigen Verrechnungssorten transferiert und anhand der absoluten Einzelortergebnisse ermittelt.
Die ergänzenden Ergebnisse des diesjährigen BSV können im Internet unter www.Bundessortenversuch.de eingesehen werden.
Auch für dieses Jahr wurden im Bereich des A-Segments neue Kandidaten aus dem Zulassungsjahr 2022 bereits in die LSV aufgenommen, um mögliche Alternativen zu den derzeit etablierten Sorten an den Start zu bringen; das sind SU Willem, Absolut und Polarkap. Im Laufe des Jahres wurde die Sorte KWS Donovan, die zuvor zwei Jahre als B-Sorte geprüft wurde, vom BSA nunmehr als A-Sorte eingestuft und von daher in diesem Segment dargestellt. Im B-Bereich wurde aufgrund guter Ergebnisse im Bundessortenversuch (BSV) noch die Sorte SU Fiete sowie die 2022 zugelassene Sorte Debian als ertragsstarke Kandidaten aufgenommen. Neben der im Ertrag herausragenden C-Sorte KWS Keitum wurde hier mit Revolver noch eine zweite Sorte nach guten BSV-Zahlen aufgenommen.
Hinweise auf die Krankheitsanfälligkeit der Sorten
Die ein- und mehrjährig verrechneten Ertragsergebnisse bilden das Leistungsvermögen der Sorten bei optimaler Gesunderhaltung der Bestände ab. In der Spalte Minderertrag wird der Ertragsunterschied der unbehandelten gegenüber der behandelten Stufe (Einsatz von Wachstumsregulatoren und Fungiziden) dargestellt. Gesunde und standfeste Sorten zeichnen sich durch entsprechend geringe Ertragsunterschiede aus. Dies kommt in der Empfehlungs- und Eigenschaftentabelle entsprechend zum Ausdruck, wo u. a. die Lager- und Krankheitsanfälligkeit beschrieben werden. Für das Jahr 2022 ist festzuhalten, dass die Ertragsdifferenzen behandelt/unbehandelt eher gering ausfielen, da Krankheiten, wenn überhaupt, dann erst recht spät auftraten. Ausnahme bildeten die gelbrostanfälligen Sorten Campesino, sowie Asory, KWS Donovan, Akasha und Debian, die an einigen Standorten bereits zum frühen Stadium entsprechenden Befall aufwiesen, dessen Ausbreitung auf die neueren Blattetagen aber nur in geringem Umfang zu beobachten war. Sorten mit frühem Gelbrostbefall wurden in der Eigenschaftstabelle gegenüber den BSA-Einstufungen deutlich schwächer beurteilt, weil in der Praxis eine frühe Fungizidbehandlung durchgeführt werden würde, die bei gesünderen Sorten nicht erforderlich wäre. Während der Abreifephase traten Ende Juni an einzelnen Standorten Gewitterschauer mit Starkregen und Windböen auf, die lageranfällige Sorten parzellenscharf entlarvten, teilweise auch in der mit Wachstumsregler behandelten Stufe. Die Lagereinstufung des BSA konnte augenscheinlich bestätigt werden; aber auch als standfest eingestufte Sorten kamen hier teilweise an ihre Grenzen.
Sortenempfehlungen
Erfolgreiche und für die Praxis zu empfehlende Sorten zeichnen sich neben aktuell hohen Erträgen vor allem durch konstante Leistungen in unterschiedlichen Jahren und auf unterschiedlichen Standorten aus. Weitere Faktoren wie die Festigkeit gegen Lager, Resistenzen gegen Krankheiten und nicht zuletzt die Winterhärte der Sorten sind ebenso mitentscheidende Größen bei der Sortenbeurteilung und -auswahl.
Die von den Kollegen aus Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten Prüfungen zur Winterhärte der Sorten konnten in diesem Winter keine Ergebnisse liefern, da die äußeren Bedingungen dafür nicht gegeben waren. So liegen von den neueren Sorten noch keine entsprechenden Einstufungen vor. Probleme durch Auswinterung könnten in erster Linie bei KWS Keitum, LG Character, KWS Donovan, Akzent und Complice auftreten; einen Anbau tendenziell auswinterungsgefährdeter Sorten muss jeder Landwirt betriebsspezifisch abwägen.
Die Qualitätskriterien wie die Rohproteingehalte und die Fallzahl bzw. Fallzahlstabilität sind vor allem bei der Vermarktung wichtige Parameter. Die Einstufung der Sorten hierzu sind in der Tabelle „Sorteneigenschaften und Empfehlungen“ auf Basis der Noten des BSA dargestellt. In einem späteren Bericht zur Qualitätsbeurteilung werden die aktuellen eigenen Untersuchungen und Ergebnisse bewertet und veröffentlicht.
Folgende Sorten sind für die unterschiedlichen Anbauregionen zu empfehlen:
Zur besseren Orientierung werden die empfohlenen Sorten in den beiden Tabellen „Eigenschaften und Empfehlungen“ für die einzelnen Anbauregionen mit einem „x“ bzw „P“ für Probeanbau gekennzeichnet. Ergänzend werden die besonderen Anbaueignungen und die wichtigsten Qualitäts- und Krankheitseinstufungen sowie die Standfestigkeit und Winterhärte beschrieben. Als blattgesund gelten Sorten, wenn sie gegenüber Mehltau, Gelb- und Braunrost sowie Blattseptoria keine Schwächen zeigen und sich in wenigstens einem dieser genannten Merkmale als robust („+“) erweisen.
Eine Anbauempfehlung erhalten Sorten unter drei unterschiedlichen Voraussetzungen:
Sorten, die mit „x“ in der Empfehlungstabelle gekennzeichnet sind, weisen neben ihrer guten Ertragsleistung auch weitere positive Eigenschaften, wie z. B. Standfestigkeit, Blattgesundheit, Fusariumtoleranz oder Winterhärte auf.
Sorten, die mit [x] markiert sind, verfügen über oben genannte positive Eigenschaften, sind ertraglich jedoch etwas schwächer einzustufen.
Die mit (x) versehenen Sorten erreichten hohe bis sehr hohe Erträge, zeigen jedoch in einem oder mehreren der oben genannten Merkmalen Schwächen. Die sehr ertragsstarke Hybride Hyvega wurde auf Grund der höheren Saatgutkosten in allen Anbauregionen eingeschränkt empfohlen.
Zu den Sorten im Einzelnen:
RGT Reform zählt im Bereich der A-Sorten nach wie vor zu einer planbaren Größe, auch wenn einzelne neuere Sorten ertraglich etwas stärker sind. In der Marsch und auf den Sandböden erreichte sie noch knapp durchschnittliche Erträge. Da sie in den weiteren Eigenschaften Standfestigkeit, Fusariumtoleranz und Winterhärte positiv eingestuft ist, gegenüber Krankheiten nach wie vor noch keine gravierenden Auffälligkeiten zeigt sowie eine sichere A-Qualität hat, wird sie in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Ertragsleistung noch eingeschränkt für die Marsch- und Sandstandorte empfohlen.
LG Initial zeigte auch in diesem Jahr wieder etwas schwankende Leistungen und kam an ihre besten Ergebnisse aus 2018 nicht heran. Mit Ausnahme der Schwäche gegenüber Braunrost ist sie ansonsten blattgesund und standfest. Empfohlen wird sie für die Marsch, die Sandböden Nordhannover und die Lehmböden Südhannover, eingeschränkt für die Höhenlagen. Aufgrund der sehr geringen Halmbruchanfälligkeit eignet sich die Sorte auch als Stoppelweizen sowie für eine frühe Aussaat.
Asory konnte ihre schwächeren Leistungen 2021 vor allem in der Marsch und auf den Sandböden Nordwest und Nordhannover durch sehr gute aktuelle Ergebnisse wettmachen und wird auf den Sandstandorten trotz ihrer Schwächen gegenüber frühem Gelbrostbefall und mangelnder Standfestigkeit empfohlen. Die auch in diesem Frühjahr vielfach erkennbaren gelben Blattspitzen machten sich augenscheinlich ertraglich nicht bemerkbar. Dank guter Qualitätseigenschaften ist Asory als A-Sorte nach wie vor eine feste Größe, auch wenn sie nicht mehr vermehrungsstärkste Sorte in Niedersachsen ist. Auf Grund mehrjährig leicht schwächerer Ergebnisse wird sie auf den Marsch- und Lehmböden sowie Höhenlagen allerdings eingeschränkt empfohlen. Mit Ausnahme der Schwäche bei DTR und Gelbrost ist sie gegenüber Mehltau und Braunrost gesund, fusariumtolerant und winterhart eingestuft. Zu beachten ist die bereits erwähnte Lageranfälligkeit.
Lemmy wurde als frühreife und proteinstarke Sorte weitergeprüft, sie zeigte auf allen drei nordwestlichen Sandstandorten sehr gute Leistungen und konnte auf den Lehmböden Südhannover ihr gutes Ertragsvermögen unter Beweis stellen. Als standfeste, fusariumtolerante und winterharte Sorte wird sie in den genannten Anbauregionen und für die Höhenlagen aufgrund mehrjährig etwas schwächerer Erträge eingeschränkt empfohlen.
Die Hybridsorte Hyvega bewies auch in diesem Jahr ihre hohe Ertragskonstanz, sodass sie in den mehrjährigen Ertragsergebnissen in allen Anbauregionen mit Relativwerten oberhalb 103 die ertragsstärkste A-Sorte ist. Sie muss sich jedoch aufgrund ihrer schwachen Fallzahl- und RP-Einstufungen tendenziell mit den ertragsbetonten B-Sorten messen. Als blattgesunde, fusariumtolerante und winterharte Sorte erhält sie eine eingeschränkte Empfehlung, da die erhöhten Saatgutkosten und die Lageranfälligkeit zu berücksichtigen sind.
LG Charakter überzeugte mit Ausnahme der Anbauregion Sandböden Nordhannover durch dies- und mehrjährige gute Erträge und zeigte im Vergleich zu manchen anderen geprüften A-Sorten auch im dritten Jahr konstante Leistungen. So wird sie für die Marsch, die Sandböden Nordwest sowie die Lehmstandorte empfohlen. Bei eher durchschnittlicher Blattgesundheit ist die Schwäche in der Fallzahl zu beachten sowie die eingeschränkte Winterfestigkeit, wodurch sie für die Höhenlagen nur eingeschränkt empfohlen wird.
Die seit diesem Jahr als A-Sorte geführte Sorte KWS Donovan konnte mit Ausnahme der Sandstandorte Nordhannover ertraglich überzeugen und erreicht damit mehrjährig wieder hohe bis sehr hohe Erträge. Die diesjährigen schwächeren Erträge auf den Sandstandorten Nordhannover sind u. U. auf Probleme während kurzzeitiger Kältephasen in dieser Region zurückzuführen. Zu beachten ist, dass KWS Donovan auch in diesem Jahr durch frühen Gelbrostbefall auffiel, der sich jedoch nicht weiterentwickelte, was mit den relativ geringen Mindererträgen bei Verzicht auf den Fungizideinsatz belegt wird. Die hohe Anfälligkeit gegenüber Braunrost und die leicht unterdurchschnittliche Winterfestigkeit sind zu berücksichtigen. Aufgrund der Ertragsstärke, Standfestigkeit und der hohen Rohproteingehalte wird sie in den Anbauregionen empfohlen, in den Höhenlagen aufgrund schwächerer Winterhärte eingeschränkt.
Die standfeste und blattgesunde Sorte Sinatra erhält auf den Lehmstandorten und Höhenlagen eine Empfehlung, da sie in diesem Jahr ihre Erträge steigern konnte.
Ebenfalls standfest und sehr blattgesund kommt Attribut bei eher durchschnittlichen Erträgen für die Sandböden Nordhannover, die Lehmböden Südhannover sowie in den Höhenlagen in Frage. Sie zeigt bei Verzicht auf Wachstumsregulatoren und Fungizide sehr geringe Mindererträge und könnte damit beim Pflanzenschutzaufwand durchaus auch reduziert geführt werden.
Die stark lageranfällige Sorte KWS Imperium konnte vor allem auf den Sandstandorten zweijährig durch hohe Erträge überzeugen. Auch auf den Lehmstandorten Nordwest und in den Höhenlagen zeigte sie mehrjährig gute Erträge sodass sie insgesamt dank ihrer Blattgesundheit und Fusariumtoleranz in den genannten Anbauregionen eine eingeschränkte Empfehlung erhält.
SU Jonte konnte die sehr guten Vorjahreserträge nicht ganz bestätigen und liegt mehrjährig im durchschnittlichen bis leicht unterdurchschnittlichen Bereich. Da sie jedoch in allen übrigen Eigenschaften wie Standfestigkeit, Blattgesundheit, Halmbruchfestigkeit, Fusariumtoleranz und Winterhärte überzeugte, erhält sie eine generelle Anbauempfehlung.
Die langstrohige Sorte Akzent konnte ihr sehr schwaches Vorjahresergebnis vor allem in der Anbauregion Sandböden Nordwest verbessern, sodass sie dort auch wegen der hohen Blattgesundheit, Standfestigkeit und vor allem der sehr guten Ährenfusariumtoleranz insbesondere für Maisfruchtfolgen empfohlen wird, auf den Lehmböden eingeschränkt. Für die Höhenlagen wurde noch keine Empfehlung ausgesprochen, da dort sehr unterschiedliche Jahresergebnisse und die geringe Winterhärte zu berücksichtigen sind.
Als neue Sorten wurden SU Willem, Absolut und Polarkap geprüft. Die Sorte SU Willem, die im Frühjahr durch ihre gute Entwicklung auffiel, erreichte in der Marsch und auf den Sand- und den Lehmstandorten Nordwest hohe Erträge. Zu beachten ist die starke Lagergefahr sowie die mögliche Schwäche gegenüber Ährenfusarium, die zu der verspäteten Sortenzulassung geführt hat. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen wird die Sorte für die genannten Anbauregionen für den Probeanbau eingeschränkt empfohlen. Sowohl Polarkap als auch Absolut erreichten im ersten LSV-Prüfjahr nicht die erhofften Leistungen.
In der Qualitätsgruppe der B-Weizensorten spielt die Ertragsleistung bei gleichzeitig unproblematischem Anbau die wichtigste Rolle.
Informer konnte ihre Ertragsleistungen gegenüber dem Vorjahr leicht verbessern mit Ausnahme der Sandböden Nordwest. Sie erreichte mehrjährig Werte zwischen rel. 98 und 101. Insbesondere auf Standorten, an denen in diesem Jahr wieder eine beschleunigte Abreife erfolgte – oftmals hervorgerufen durch Wassermangel – waren die Erträge enttäuschend. Als standfeste, blattgesunde und winterharte Sorte kommt sie für die Anbauregionen Marsch, die Sandstandorte Nordhannover bei gesicherter Wasserversorgung sowie auf den Lehmstandorten Südhannover und in den Höhenlagen in Frage, bei mittleren Erträgen auf den Lehmstandorten Nordwest eingeschränkt. Als B-Sorte ist sie im Rohproteingehalt noch vergleichsweise gut eingestuft und bestätigt das auch aktuell.
Campesino überzeugte vor allem auf den ertragsstarken Standorten und wird mit Ausnahme der nordhannoverschen Sandstandorte für die übrigen Anbauregionen uneingeschränkt empfohlen, da sie sowohl in diesem Jahr als auch im Mittel der Jahre dort hohe Erträge erzielen konnte. Die recht früh abreifende und standfeste Sorte zeigt zunehmend Auffälligkeiten gegenüber Gelbrost, sodass sie nicht mehr als blattgesund beschrieben wird. Bei Verzicht auf den Fungizideinsatz zeigte die Sorte insbesondere in der Marsch stärkere Mindererträge im Vergleich zu den etablierten blattgesunden Sorten. Aus der Praxis wurden auf Grund der Kleinkörnigkeit Probleme mit dem Ausdrusch des oberen Ährenbereiches festgestellt.
Die standfeste Sorte Gentleman konnte 2022 nicht ganz an die guten Vorjahreserträge anknüpfen. Als ausgesprochen blattgesunde und qualitätsbetonte Sorte erhält sie auf den Lehmstandorten und Höhenlagen sowie der Marsch eine Empfehlung. Stehen auf den Sandstandorten stärker die Pflanzengesundheit und Standfestigkeit im Vordergrund, spricht dort sicherlich auch nichts gegen ihren Anbau.
Chevignon zeichnete sich auch in diesem Jahr durch sehr konstante und hohe Erträge aus, wenn auch nicht auf dem Niveau des Vorjahres. Als früh abreifende und blattgesunde Sorte erhält Chevignon als einzige B-Sorte eine uneingeschränkte Anbauempfehlung für alle Anbauregionen.
Die sehr früh abreifende Grannenweizensorte Complice überraschte dieses Jahr mit überdurchschnittlichen Erträgen in allen Anbauregionen und konnte damit auch mehrjährig gute Ergebnisse erzielen. Bei Werten von rel. 100 in der Marsch und auf den Sandstandorten sowie den Lehmstandorten Nordwest erhält sie aufgrund ihrer Frühreife, Blattgesundheit und Fusariumtoleranz in jedem Fall eine eingeschränkte Empfehlung; mit insgesamt höheren Erträgen auf den Lehmstandorten Südhannover auch uneingeschränkt. Als einzige Grannenweizensorte käme sie auch bei Beachtung der Auswinterungsgefahr für die Höhenlagen in Frage.
Knut ging als sehr blattgesunde Sorte mit sehr guten Ertragseinstufungen 2021 ins Rennen und konnte diese leider nicht unbedingt erfüllen. Nach zwei Prüfjahren erreichte sie zumindest auf den Sandstandorten insgesamt leicht überdurchschnittliche Erträge, sodass sie dort dank sehr guter Blattgesundheit empfohlen wird.
Akasha wurde 2021 in den LSV aufgenommen, da sie vom BSA als blattgesunde und vor allem gegenüber Ährenfusarium sehr tolerante Sorte eingestuft wurde. Ertraglich konnte sie lediglich in der Marsch überzeugen; allerdings zeigte sie in diesem Jahr vor allem auch in der Praxis an einzelnen Standorten bereits frühzeitig stärkere Auffälligkeiten im Gelbrostbefall, der sich auch bei dieser Sorte nicht auf die höheren Blattetagen ausbreitete. Somit wird sie für die Marsch eingeschränkt empfohlen.
B-Sorten für den Probeanbau
SU Fiete erreichte im ersten LSV-Prüfjahr in der Marsch und auf den Sandböden Nordhannover sehr gute Erträge und wird dort auch dank guter Standfestigkeit und Blattgesundheit für den Probeanbau empfohlen, in den übrigen Regionen eingeschränkt.
Debian wurde vom BSA mit sehr guten Ertragseinstufungen bewertet und konnte diese vor allem auf den Sandböden Nordwest sowie den Lehmstandorten und Höhenlagen bestätigen. Bei eher durchschnittlicher Blattgesundheit mit Auffälligkeiten gegenüber Gelbrost konnte sie ihr Ertragspotenzial nur bei entsprechendem Pflanzenschutzeinsatz zeigen. Für die genannten Anbauregionen wird sie eingeschränkt empfohlen.
Empfohlene C-Sorten
KWS Keitum überzeugte auch im dritten LSV-Jahr ertraglich absolut und wird als ertragsbetonter Futterweizen in allen Anbauregionen empfohlen. Eingeschränkt wird die Empfehlung für die Sandböden Nordhannover sowie die Lehmstandorte Südhannover und die Höhenlagen, da zum einen die erhöhte Lagergefahr, zum anderen aber in diesen Regionen auch die Schwäche in der Winterhärte berücksichtigt werden sollte. Hervorzuheben sind die Blattgesundheit und die Ährenfusariumtoleranz. Somit ist lediglich die Schwäche in der Stand- und Winterfestigkeit zu beachten. Das Manko, als C-Sorte in der Praxis mit 20 kg N/ha weniger gegenüber den B-Sorten auskommen zu müssen, hatte sie im LSV nicht. Dennoch zählt sie auch mit 20 kg/ha N geringerer Düngung bei dieser Ertragsleistung zu den leistungsstärksten Futterweizensorten.
Revolver wurde nach guten Ertragsleistungen im BSV als zweite C-Sorte mitgeprüft und konnte mit Ausnahme der Anbauregion Sandböden Nordwest mit hohen Erträgen überzeugen, ohne an die Leistungen von KWS Keitum heranzukommen. Als blattgesunde und fusariumtolerante Sorte kommt sie insbesondere für Maisfruchtfolgen in Frage. Da sie jedoch aufgrund der in der Praxis geringeren N-Bedarfswerte derzeit auf dem Ertragsniveau der ertragsbetonten B-Sorten eingestuft werden muss, wird eine Probeanbauempfehlung noch nicht ausgesprochen.
Weitere Sorten in den Prüfungen
Mit KWS Emerick wurde eine E-Sorte im dritten Jahr in allen Anbauregionen geprüft. Die Erträge fallen mit Ausnahme der Anbauregion Sandstandorte Nordwest gegenüber den ertragsstärkeren A-Sorten deutlich ab. Bei den derzeit überschaubaren Preisaufschlägen für Qualitätsweizen wird der Anbau sich in der Regel nur im Rahmen eines Vertragsanbaus lohnen.
Sortenempfehlungen in den einzelnen Regionen (Sorteneigenschaften siehe Sortenempfehlungen)
Marsch: eine allgemeine Empfehlung erhalten die A-Sorten KWS Donovan, LG Character, LG Initial, SU Jonte sowie die B-Sorten Campesino, Chevignon, Informer, Gentleman und die C-Sorte KWS Keitum. Für den Probeanbau kommt SU Fiete (B) in Frage.
Die A-Sorte RGT Reform ist in der Kombination von mittlerem Ertrag und bewährten Eigenschaften eingeschränkt empfohlen sowie die Grannensorte Complice aufgrund ihrer Frühreife. Die eingeschränkte Empfehlung beruht bei Asory und Akasha auf der Schwäche gegenüber Gelbrost, wobei bei letzterer besonders der frühe Befall negativ auffiel und die guten Erträge in den Hintergrund schob. Bei der ertragsstarken Hybride Hyvega sind die Saatgutkosten zu berücksichtigen. SU Willem überraschte durch sehr hohe Erträge, wobei die starke Lagerneigung und weitere Schwächen nur eine eingeschränkte Probeanbauempfehlung erlauben. Aus dem C-Bereich erhält KWS Keitum eine klare Empfehlung dank bester Erträge.
Auf den Sandböden Nordwest erhalten KWS Donovan, Asory, LG Character, Akzent und SU Jonte eine Empfehlung, sowie die B-Sorten Chevignon, Knut, Campesino und die C-Sorte KWS Keitum. Eingeschränkt empfohlen werden die frühreife und rohproteinstarke Sorte Lemmy, die bewährte RGT Reform, sowie die frühreife Grannensorte Complice. Bei Hyvega sind wieder die Saatgutkosten zu berücksichtigen. Bei KWS Imperium führt die Lagerneigung zu einer eingeschränkten Empfehlung. SU Fiete kommt dank guter Standfestigkeit und Blattgesundheit bei guten Erträgen eingeschränkt für den Probeanbau in Frage. Während bei SU Willem die Lageranfälligkeit und die sich andeutende Gelbrostgefährdung zu beachten sind, ist es bei Debian vorwiegend letzteres, die die eingeschränkte Empfehlung bewirkt.
In der Region Sandböden Nordhannover werden die A-Sorten Asory, SU Jonte, KWS Donovan, LG Initial und Attribut empfohlen sowie eingeschränkt nach wie vor RGT Reform. Mit Berücksichtigung der Schwächen in der Standfestigkeit kommt auch KWS Imperium in Frage bzw. die Hybride Hyvega, sowie SU Willem für den Probeanbau. Aus dem B-Bereich empfehlen sich Chevignon, Knut, Informer, sowie die frühreife Grannensorte Complice und eingeschränkt Campesino. SU Fiete eignet sich für den Probeanbau. Als auswinterungsgefährdete Sorte ist die Empfehlung der C-Sorte KWS Keitum eingeschränkt.
Auf den Lehmstandorten Nordwest erhalten KWS Donovan, LG Character, SU Jonte und Sinatra eine Empfehlung. Als standfeste und blattgesunde Sorte zeichnet sich Akzent auch für diese Region durch eine sehr gute Ährenfusariumtoleranz aus. Bei Asory und KWS Imperium führen Schwächen gegenüber Gelbrost bzw. Lagerneigung zu einer Einschränkung. Letzteres ist auch bei SU Willem vor allem der Grund für die nur eingeschränkte Probeanbauempfehlung. Bei Hyvega sind es die Saatgutkosten. Die B-Sorten Campesino, Chevignon und Gentleman sind klar empfohlen, eingeschränkt hier Informer, Complice sowie SU Fiete für den Probeanbau. Bei Debian sind Schwächen gegenüber Gelbrost beim Probeanbau zu beachten. Die C-Sorte KWS Keitum ist dank der Ertragsstärke klar anbauwürdig, zumal sie blattgesund und fusariumtolerant ist, die Lagerneigung ist allerdings zu beachten.
In der Standortgruppe der Lehmböden Südhannover überzeugten im Bereich der A-Sorten von den mehrjährig geprüften Sorten KWS Donovan, LG Charakter, LG Initial, von den zweijährigen Sorten SU Jonte sowie auch Sinatra und Attribut. Darüber hinaus werden die frühreife und proteinstarke Sorte Lemmy und Akzent empfohlen. Eine eingeschränkte Empfehlung erhalten Asory und Hyvega. Aus dem B-Bereich erhalten Campesino, Chevignon, Complice, Informer und Gentleman eine Empfehlung dank hoher Erträge bzw. guter weiterer Eigenschaften. Für den Probeanbau kommen SU Fiete dank guter Eigenschaften und Debian aufgrund sehr hoher Erträge in Frage. Auch in dieser Anbauregion wird KWS Keitum (C-Sorte) mit herausragenden Erträgen empfohlen, eingeschränkt jedoch wegen der Lageranfälligkeit und schwachen Winterhärte.
Für die Höhenlagen Mitte/West werden die standfesten und blattgesunden A-Sorten Attribut, SU Jonte und Sinatra bei mittleren Erträgen empfohlen sowie LG Initial und Lemmy; darüber hinaus die ertragsstärksten Sorten Hyvega (Hybride, Saagutkosten) und KWS Donovan, wie auch Asory, LG Charakter und KWS Imperium mit allerdings Schwächen in der Blattgesundheit, Standfestigkeit oder Winterhärte. Die ertragsstärksten Sorten im B-Bereich waren Campesino, Chevignon und Informer, sie werden klar empfohlen neben der sehr gesunden und standfesten Sorte Gentleman. Bei Complice ist die schwächere Winterhärte zu berücksichtigen. SU Fiete erhält aufgrund ihrer positiven zusätzlichen Eigenschaften und Debian dank hoher Erträge aber als weniger blattgesund eingestufte Sorte eine eingeschränkte Probeanbauempfehlung. Die auswinterungsgefährdete C-Sorte KWS Keitum lieferte auch hier die höchsten Erträge.
Zusammenfassung
Generell konnte der Weizenanbau insbesondere in den klassischen Anbauregionen der Marsch- und Lehmstandorte ertraglich und dank entsprechender Marktpreise auch wirtschaftlich voll überzeugen.
Von den geprüften Sorten erhielten insgesamt nur relativ wenige Sorten eine uneingeschränkte Anbauempfehlung. Dazu zählt im A-Bereich die in den Eigenschaften Standfestigkeit, Blattgesundheit, Fusariumtoleranz und Winterhärte positiv eingestufte Sorte SU Jonte, sowie die im B-Bereich ertraglich überzeugende Sorte Chevignon. Bei weiteren ertraglich guten bis sehr guten Sorten wie z. B. KWS Donovan, Campesino, Complice, Asory oder KWS Keitum sind zum Teil auch regionsspezifisch gewisse Schwächen in einzelnen Eigenschaften zu beachten.
Sorten, die unter sich jährlich ändernden Umweltbedingungen konstante Leistungen erbringen, sind daher für die Sortenwahl vorrangig zu berücksichtigen. Der Sortengesundheit wird künftig sicherlich noch eine größere Bedeutung zukommen, wenn wichtige Pflanzenschutzwirkstoffe in Zukunft nicht mehr vorhanden sind. Daher wurde diesem Aspekt bei der Sortenempfehlung auch eine stärkere Gewichtung beigemessen, insbesondere auch bei den ein- und zweijährig geprüften Sorten.
In den letzten Jahren wurden vermehrt ertragsbetonte B- und C-Sorten aus wirtschaftlichen Aspekten angebaut. Spannend wird sein, wie unter sich ändernden politischen Rahmenbedingungen möglicherweise wieder proteinstarke Sorten bessere Exportchancen bekommen und damit wirtschaftlicher werden.
Kontakte
Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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